Kinder vermissen Bewegung und Sport in der Corona-Pandemie

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Repräsentative Umfrage zum Weltspieltag am 28. Mai 2021

90 Prozent der Kinder in Deutschland haben während der Corona-Pandemie die Bewegung und den Sport vermisst. Einer großen Mehrheit (83 Prozent) der Kinder gefällt an Sport und Bewegung besonders, dabei mit anderen Kindern zusammen zu sein und Spaß zu haben. Fast zwei Drittel der Kinder (62 Prozent) mögen es besonders, bei Sport und Bewegung an der frischen Luft zu sein. Wenn nach der Corona-Pandemie jedes Kind ein Jahr lang kostenlos in einem Sportverein mitmachen könnte, würden 86 Prozent der Kinder dieses Angebot auf jeden Fall oder wahrscheinlich wahrnehmen. Vor diesem Hintergrund befürworten 86 Prozent der Erwachsenen die Forderung, dass die Bundesregierung nach der Corona-Pandemie deutlich mehr in den Kinder- und Jugendsport investieren und dafür unter anderem jedem Kind ein Jahr lang den kostenfreien Zugang zu einem Sportverein ermöglichen sollte.

Repräsentative Umfrageergebnisse

Zu diesen Ergebnissen kommt eine aktuelle repräsentative Umfrage des Politik- und Sozialforschungsinstituts Forsa unter Kindern im Alter von sechs bis 14 Jahren und Erwachsenen im Auftrag des Deutschen Kinderhilfswerkes und der Deutschen Sportjugend anlässlich des Weltspieltages am 28. Mai. Der Weltspieltag steht in diesem Jahr unter dem Motto „Lasst uns (was) bewegen!“.

„Die Ergebnisse der Umfrage zeigen sehr deutlich, wie wichtig Sport und bewegtes Spiel für ein gesundes Aufwachsen der Kinder sind und von welchen massiven Einschränkungen diese in den letzten Monaten betroffen waren. Damit sie nicht jahrelang unter den Folgen zu leiden haben, sind nun erhebliche Anstrengungen nötig. Die Bundesregierung muss jetzt deutlich mehr in den Kinder- und Jugendsport investieren. So sollte sie unter anderem jedem Kind ein Jahr lang den kostenfreien Zugang zu einem Sportverein ermöglichen“, betont Holger Hofmann, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerkes.

Gemeinsamkeit macht besonders Spaß

„Beim Sport geht es um einen Ausgleich vom Alltag, darum soziale Kontakte zu pflegen, Neues auszuprobieren und sich weiterzuentwickeln. Die vielfältigen Antworten der Kinder sind eindeutig. Sie zeigen uns mehr als deutlich, dass Sport weit mehr ist als nur Bewegung und welchen hohen Stellenwert er im Leben der Kinder hat. Wir müssen das Sporttreiben für Kinder und Jugendliche endlich wieder in vollem Umfang ermöglichen, um den physischen, psychischen und sozialen Folgen des Bewegungsmangels entgegenzuwirken“, so der 1. Vorsitzende der Deutschen Sportjugend, Stefan Raid.

Was sich die Kinder wünschen

  • Der großen Mehrheit der befragten Kinder (83 Prozent) gefällt an Sport und Bewegung besonders, dabei mit anderen Kindern zusammen zu sein und Spaß zu haben. Fast zwei Drittel der Kinder (62 Prozent) mögen es besonders, bei Sport und Bewegung an der frischen Luft zu sein.
  • Neue Sachen zu lernen und immer besser zu werden, mögen 42 Prozent der Kinder besonders gern an Sport und Bewegung.
  • 30 Prozent gefällt besonders, einen Ausgleich zum Schulalltag zu haben.
  • Dass sie es an Sport und Bewegung besonders mögen, sich körperlich anzustrengen und aus der Puste zu kommen (24 Prozent) oder sich mit anderen Kindern zu messen und zu wetteifern (23 Prozent), gibt jeweils jedes vierte Kind an.
  • Mädchen sagen häufiger als Jungen (46 zu 38 Prozent), dass es ihnen besonders gut gefällt, beim Sport neue Sachen zu lernen und immer besser zu werden, Jungen sagen häufiger als Mädchen (29 zu 17 Prozent), dass es ihnen besonders gut gefällt, sich beim Sport mit anderen Kindern zu messen und zu wetteifern.
  • Die jüngeren Kinder von sechs bis neun Jahren haben noch häufiger als die älteren Kinder Freude daran, beim Sport mit anderen Kindern zusammen zu sein und Spaß zu haben (89 zu 79 Prozent) sowie draußen an der frischen Luft zu sein (67 zu 59 Prozent).
  • Ältere Kinder von zehn bis 14 Jahren schätzen hingegen häufiger den Ausgleich zum Schulalltag (37 zu 20 Prozent).
  • Insgesamt geben neun von zehn Kindern (90 Prozent) an, dass sie in den letzten Monaten während der Corona-Pandemie die Bewegung und den Sport vermisst haben. 59 Prozent hat die Bewegung in den letzten Monaten im Sportverein, 54 Prozent in der Freizeit mit Freunden und 51 Prozent in der Schule gefehlt. Dass sie Bewegung und Sport mit der Familie vermisst haben, geben 11 Prozent der Kinder an.
  • Nur wenige Kinder (zehn Prozent) haben Sport und Bewegung in den letzten Monaten nicht vermisst.
  • Wenn nach der Corona-Pandemie jedes Kind ein Jahr lang kostenlos bei einem Sportverein mitmachen könnte, würden 61 Prozent der Kinder dieses Angebot auf jeden Fall wahrnehmen. Weitere 25 Prozent würden dies wahrscheinlich tun.
  • Zwölf Prozent der Kinder geben an, dass sie ein solches Angebot eher nicht nutzen würden, zwei Prozent würden dies auf keinen Fall tun.

Was sich Erwachsene wünschen

  • 86 Prozent der Erwachsenen befürworten voll und ganz oder eher die Forderung, dass die Bundesregierung nach der Corona-Pandemie deutlich mehr in den Kinder- und Jugendsport investieren und dafür unter anderem jedem Kind ein Jahr lang den kostenfreien Zugang zu einem Sportverein ermöglichen sollte (57 Prozent „voll und ganz“, weitere 29 Prozent befürworten diese Forderung „eher“).
  • Nur eine Minderheit lehnt die Forderung nach einem kostenlosen Zugang zu Sportvereinen für Kinder und Jugendliche eher (zehn Prozent) oder voll und ganz (zwei Prozent) ab.
  • In allen Befragtengruppen findet die Forderung eine breite Unterstützung: Bei Frauen etwas stärker als bei Männern (90 zu 83 Prozent), bei Erwachsenen mit Kindern im Haushalt etwas mehr als bei denen ohne Kinder (90 zu 86 Prozent), und parteiübergreifend auch entlang der Parteilager (Grüne 91 Prozent, FDP und Linke 90 Prozent, AfD und SPD 89 Prozent, CDU/CSU 79 Prozent).

Zur Studie

Für die repräsentative Umfrage zum Weltspieltag 2021 wurden vom Politik- und Sozialforschungsinstitut Forsa im Auftrag des Deutschen Kinderhilfswerkes und der Deutschen Sportjugend in diesem Monat deutschlandweit 1.001 Kinder im Alter von 6 bis 14 Jahren und 1.006 Erwachsene befragt. Die statistische Fehlertoleranz liegt bei ± drei Prozentpunkten.




Weniger Bewegung und mehr Bildschirmzeit

Körperliche Aktivität von Kindern und Jugendlichen im zweiten Lockdown deutlich verringert

Durchschnittlich 75 Minuten pro Tag betrug die Bewegungszeit von Kindern und Jugendlichen im zweiten pandemiebedingten Lockdown seit Dezember 2020. Damit lag sie deutlich unter den Werten aus dem Frühjahr letzten Jahres, als alle Sportvereine und Freizeitangebote zum ersten Mal wegen der Corona-Pandemie schließen mussten. Zu diesen Ergebnissen kommt die aktuelle Auswertung einer Langfrist-Studie von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), für die Kinder und Jugendliche zwischen vier und 17 Jahren befragt wurden. Vor einem Jahr zog das Team noch eine positive Gesamtbilanz: Die Kinder und Jugendlichen hatten sich alternative Bewegungsmöglichkeiten im Alltag gesucht – und sich sogar mehr bewegt.

222 Minuten vor dem Bildschirm

„Waren es im Frühjahr 2020 noch 144 Minuten Bewegungszeit am Tag, sind es jetzt nur noch 75 Minuten. Das Niveau liegt nun auch unter dem vor der Corona-Pandemie. Vorher bewegten sich die Kinder und Jugendlichen etwa 107 Minuten täglich“, sagt Professor Alexander Woll, Leiter des Instituts für Sport und Sportwissenschaft (IfSS) am KIT. Zusätzlich habe sich die Zeit, die die Kinder und Jugendlichen in ihrer Freizeit vor dem Bildschirm verbrächten, um 28 Minuten auf nun insgesamt 222 Minuten am Tag erhöht. „Durch die höhere Inaktivität gab fast die Hälfte der Befragten nach eigener Einschätzung an, dass ihre Fitness stark gesunken sei. Bei knapp 30 Prozent sei das Gewicht gestiegen“, so Woll.

Mehr Frust und weniger Motivation

Der Sportwissenschaftler sieht für die negative Entwicklung verschiedene Gründe: Im ersten Lockdown sei das Wetter für diese Jahreszeit verhältnismäßig gut gewesen, die Kinder und Jugendlichen hätten sich sehr viel draußen aufgehalten und folglich mehr bewegt. Das sei im Winter nicht mehr in dem Maße möglich gewesen. „Im Gegensatz zum ersten Lockdown hat sich außerdem die verplante Zeit wieder erhöht. Im ersten Lockdown fiel beispielsweise mehr Unterricht aus, da alles neu organisiert werden musste. Dadurch hatten die Kinder mehr Freizeit. Jetzt müssen sie wieder mehr Zeit für den Unterricht aufbringen“, sagt Woll. Der Forscher vermutet außerdem, dass der Frust über die Gesamtsituation bei den Kindern und Jugendlichen gestiegen ist und sie deshalb weniger motiviert sind, sich zu bewegen.

Woll: Die Ergebnisse sind sehr bedenklich

Woll betont: „Die Ergebnisse der Studie sind sehr bedenklich, denn Bewegung fördert nicht nur die Fitness, sondern auch das eigene Wohlbefinden und letztlich auch die Abwehrkräfte – was in Zeiten einer Pandemie umso wichtiger ist.“ Der Wissenschaftler empfiehlt dringend, langfristige Lösungen zu finden, um auch in Situationen wie einer Pandemie die Bewegung von Kindern und Jugendlichen zu fördern.

Die Ergebnisse sind Teil der seit 2003 laufenden Motorik-Modul-Studie (MoMo) des KIT und der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe (PHKA).

Monika Landgraf: Strategische Entwicklung und Kommunikation – Gesamtkommunikation am KIT




„Lasst uns (was) bewegen!“

Kinderhilfswerk und Sportjugend rufen zu großer Bewegungs- und Sportaktion am Weltspieltag auf

Das Deutsche Kinderhilfswerk und die Deutsche Sportjugend rufen Familien und Vereine zu einer großen Bewegungs- und Sportaktion in der Woche rund um den Weltspieltag am 28. Mai 2021 auf. Dabei sollen in den sozialen Medien unter den Hashtags #Weltspieltag und #lasstunswasbewegen Fotos oder Videos gepostet werden, die Menschen entweder bei ihrer geliebten Sportart, beim Sport an ungewöhnlichen Orten oder bei einer für sie unbekannten Sportart zeigen.

Bedeutung von Bewegung, Spiel und Sport für ein gesundes Aufwachsen

Damit soll auf die Bedeutung von Bewegung, Spiel und Sport für ein gesundes Aufwachsen von Kindern aufmerksam gemacht werden. Unterstützt wird die Aktion vom Kinder- und Familienradio Radio TEDDY. Botschafterin des Weltspieltags 2021 ist die ehemalige Boxweltmeisterin Regina Halmich, Botschafter der ehemalige Skirennläufer Felix Neureuther. Die Schirmherrschaft über den Weltspieltag hat die Kinderkommission des Deutschen Bundestages übernommen. 

Rahmenbedingungen für die Bewegung von Kindern verbessern

Im Vorfeld des Weltspieltages fordern das Deutsche Kinderhilfswerk und die Deutsche Sportjugend Politik und Gesellschaft dazu auf, die Rahmenbedingungen für die Bewegung von Kindern zu verbessern. Dazu sollte es beispielsweise in den Kommunen mehr altersgerechte, eigenständig erreichbare und frei zugängliche Spiel-, Sport- und Grünflächen geben, mehr Bewegungsmöglichkeiten in den Schul- und Kita-Alltag integriert werden und zudem der Vereinssport stärkere Unterstützung erhalten als bisher. 

Kinder entdecken spielend die Welt

„Kinder spielen zumeist überall dort, wo es möglich ist. So entdecken sie die Welt. Deshalb brauchen wir öffentlichen Raum, der sich besser zum bewegten Spielen eignet, wir brauchen Spielplätze, die mehr bieten als eine Rutsche, Sandkiste und Schaukel, und wir brauchen Sportvereine, wo Kinder ihre Lieblingssportart gemeinsam mit anderen ausüben können. Ich freue mich zum Weltspieltag schon auf viele tolle Fotos und Videos, die Kinder und Erwachsene beim Sport zeigen. Natürlich wäre es toll, wenn auch viele prominente Erwachsene beim Weltspieltag mitmachen. Also, auf geht‘s“, sagt Regina Halmich, Botschafterin des Weltspieltages 2021.

Halmich und Neureuther Botschafter des Weltspieltags

„Bewegung an der frischen Luft ist das A und O, sowohl für die Kinder wie auch für die Eltern. Ich selbst war als kleiner Bub ständig draußen am Spielen, beim Kraxeln auf den Bäumen und Rumtoben mit meiner Schwester. Dabei spielen die Eltern eine ganz wichtige Rolle. Mir haben es damals meine Eltern von klein auf vorgelebt und gezeigt, wie viel Spaß Bewegung und Sport machen und mich immer wieder dazu animiert. Genau das lebe ich meinen Kindern jetzt auch vor. Daher mein Appell an alle: Geht gemeinsam raus und entdeckt zusammen die Natur, tobt durch den Garten und erlebt Abenteuer. Nur wenn die Eltern aktiv sind, werden die Kinder es ihnen gleichtun. Wie sonst auch, werde ich am Weltspieltag mit meinen Kindern raus gehen und jede Menge Spaß haben“, sagt Felix Neureuther, Botschafter des Weltspieltages 2021.

Natürlicher Bewegungsdrang während Corona eingeschränkt

„Kinder haben einen natürlichen Bewegungsdrang, dem sie vielfach schon vor der Corona-Pandemie nur unzureichend nachkommen konnten. Wir müssen jetzt aufpassen, dass sich durch die Einschränkungen in der Pandemie das Bewegungsverhalten von Kindern und Jugendlichen nicht grundsätzlich nachteilig verändert. Denn wenn Kinder selten herumtollen, sich nur wenig bewegen und beim Sport nicht auch mal richtig auspowern, kann das bis ins Erwachsenenalter negativen Einfluss auf die Physis haben. Aber auch die Psyche leidet unter dem Bewegungsmangel. Insbesondere Kinder aus armen Verhältnissen sind davon betroffen. Deshalb gilt es insgesamt, dem Bewegungsdrang von Kindern möglichst immer und überall freien Lauf zu lassen“, betont Holger Hofmann, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerkes.

14. Weltspieltag

Der Weltspieltag 2021 wird deutschlandweit zum 14. Mal ausgerichtet. Zum diesjährigen Weltspieltag sind Kinder und Erwachsene zu einer großen Bewegungs- und Sportaktion aufgerufen, außerdem appellieren das Deutsche Kinderhilfswerk und die Deutsche Sportjugend an Schulen und Kindergärten, öffentliche Einrichtungen, Vereine und Nachbarschaftsinitiativen, in ihrer Stadt oder Gemeinde eine beispielgebende oder öffentlichkeitswirksame Aktion durchzuführen, soweit es die Corona-Pandemie zulässt – egal ob Spiel-, Beteiligungs- oder Protestaktion. Denn der Aktionstag dient ebenso der Lobbyarbeit für das Recht auf Spiel. Die Partner sind vor Ort für die Durchführung ihrer Veranstaltung selbst verantwortlich. Das Deutsche Kinderhilfswerk stellt umfangreiche Aktionsmaterialien zum Bewerben des Weltspieltages zur Verfügung. Weitere Informationen unter www.weltspieltag.de.




Laufen, springen und toben machen Kinder klug

lernen mit allen sinnen

Wie Kinder durch Bewegung lernen

Vieles hat die Kindheit in den vergangenen Jahrzehnten verändert. Zu diesen Veränderungen rechnen die meisten Menschen die Digitalisierung mit Tablets, Smartphones oder Spielkosolen. Viel zu wenige haben dagegen bemerkt, wie die freien Bewegungsräume für Kinder geschwunden sind. Dabei ist Bewegung für die physische Entwicklung genauso wichtig, wie für die kognitive. Darüber schreibt Regina Grabbet im folgenden Beitrag. Er stammt aus Ihrem wunderbaren Buch „Laufen, toben, springen… loben“.

Von unterschiedlichen Anlagen und vorhandenen Födermöglichkeiten

Kinder vervollkommnen ihre vielfältigen Bewegungsformen vom dritten bis siebten Lebensjahr. In dieser Zeit eignen Sie sich auch erste Bewegungskombinationen an. Dabei müssen wir die Entwicklung der Motorik als Prozess fortschreitender Veränderung begreifen. Der Entwicklungsstand eines Kindes sollte zwar in etwa einem Vergleich mit anderen Kindern standhalten, zu berücksichtigen sind aber immer die individuell doch oft unterschiedlichen Anlagen und vorhandenen Fördermöglichkeiten.

  • Jedes Kind ist auch in seiner Entwicklung als Individuum zu begreifen. Leistungsvergleiche und Leistungsdruck sind schädlich und verunsichern.
  • In den vergangenen Jahren haben die Haltungsschäden bei Kindern zugenommen. In der Entwicklungsbegleitung von Kindern sollte man versuchen, darauf zu achten, dass sie bei ihren Aktivitäten nicht einseitig grobmotorisch belastet werden. Angebote, die eine gute Haltung unterstützen, sind sinnvoll.
  • Maßgebend für eine positive motorische Entwicklung ist die sensorische Integration.

Sensorische Integration

Diesen Begriff möchte ich etwas ausführlicher erklären: Jeder Mensch lernt von Geburt an, Empfindungen, die er wahrnimmt, einzuordnen, um sie gebrauchen zu können. Dies ist die Integration der Sinne. Unsere Sinne geben uns verschiedene Informationen, etwa über den physikalischen Zustand unseres Körpers. Sie geben uns aber auch Informationen über unsere Umwelt. Laufend erreichen uns neue Signale, die wir sinnlich wahrnehmen.

Diese verschiedenartigen Empfindungen werden vom Gehirn geordnet – damit wir uns etwa normal bewegen lernen. Erst wenn diese gespeicherten Empfindungen geordnet und in der nötigen Reihenfolge abgerufen werden können, können sie auch zielgerecht genutzt werden, um Lernprozesse in Gang zu setzen und gewünschtes Verhalten zu verinnerlichen. 

Bewegung für das Gehirn

Verhaltenschaos entsteht dagegen bei unorganisierten Empfindungen. Das Kind muss in diesem Fall seine Sicherheit neu gewinnen. Sensorische Integration ist also sinnliche Verarbeitung von Wahrnehmungen ganz verschiedener Art. Bei der Integration werden Empfindungen in Wahrnehmungen überführt und etwa als Verhaltensanleitung gespeichert. So muss ein Kind sehr viel an sensorischer Integration aufbringen, um die ersten Bewegungen auszuführen. Es ist dabei für uns Erwachsene wichtig zu wissen, dass das Gehirn bis zum Alter von sieben Jahren vorwiegend eine Verarbeitungs- und Speicherfunktion für sinnliche Wahrnehmungen darstellt. Das Kind sammelt seine Erfahrungen weitgehend über die Gefühle und Empfindungen.

Der Körper reagiert in Beziehung zu diesen Empfindungen, die Reaktionen gehen eher von den Muskeln als vom Verstand aus. Sie sind eher motorisch als geistig konzipiert. Die ersten sieben Jahre sind also Jahre der sensomotorischen Entwicklung.

Auch wenn später geistige und soziale Reaktionen diese sensomotorischen Impulse ersetzen, so ist die sensorische Integration, die etwa in der Bewegung Ausdruck findet, die Grundlage für die komplexere sensorische Integration, die nötig ist für intellektuelles und soziales Verhalten. 

Laufen und Springen fördern die Intelligenz

Ermöglichen wir dem Kind in den ersten sieben Jahren vielfältige Erfahrungen in diesem Bereich, so wird es später in intellektuellen und komplizierteren motorischen Abläufen leichter lernen können, weil es über eine gute Grundsicherheit verfügt. Kinder möchten sich bewegen; das Erlebnis der Bewegungen stimuliert ihr Gehirn. Toben, Hüpfen, Laufen und Springen, all diese körperlichen Empfindungen fördern die Intelligenz und das Selbstbewusstsein. Das Kind wächst mit seinen Aufgaben. Geben wir ihm welche. Aber ohne Druck!

Es gibt sehr viele motorisch unruhige und gehemmte Kinder. Die Ursachen dafür sind oft in der Bewegungsarmut zu finden. Traut man Kindern nicht viel zu, werden sie in ihrem Bewegungsdrang eingeschränkt, so werden sie schließlich leicht verstört, verkrampfen sich, verlieren an Selbstvertrauen – werden auffällig. 

Reizüberflutung

Das Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom (ADS) hat in den vergangenen Jahren extrem zugenommen. Kinderärzte haben festgestellt, dass man Kindern zu wenig Bewegungsfreiräume lässt, außerdem spielt die Reizüberflutung beim Medienkonsum eine große Rolle.

Kinder müssen viel sitzen und bekommen selten die Möglichkeit sich auszutoben. Die Erwachsenen sind schnell durch unruhige ADS-Kinder genervt. Statt notwendige Bewegungsaktionen möglich zu machen, werden den Kindern schnell Ritalin oder ähnliche Beruhigungsstoffe verabreicht. Dadurch werden die Kinder chemisch ruhiggestellt und die Erwachsenen sind wieder zufrieden.

Hirnforscher warnen in neusten wissenschaftlichen Untersuchungen vor der passiven Aktivität der Kinder mit Computern, da im Kontakt mit dem Computer die sinnliche Erfahrung fehlt. Dadurch findet Lernen einseitig statt. Das selbstständige Denken kommt zu kurz, die Hirnsynapsen verkümmern. In seinem Buch, „die digitale Demenz“ weist der bekannte Hirnforscher Manfred Spitzer auf diese Gefahren hin. Sein Kollege Gerald Hüter berichtet von Beispielen emotionaler Defizite durch passiven Medienkonsum. Die Hirnforschung warnt vor passivem Kopflernen und empfiehlt Bewegungseinheiten zwischen den Lernphasen oder während der Lernphasen!

Kinder müssen in der Familie, im Kindergarten oder in der Schule häufig stillsitzen, nehmen passiv auf und lernen, indem sie das Gesagte geistig verarbeiten. Wir beobachten oft, dass Kinder, die in der Schule zu geistigen Höchstleistungen in der Lage sind, Bewegungsstörungen aufweisen. Eltern machen oft den Fehler, dass sie Geist und Körper nicht als Ganzes, eine Einheit begreifen. Sie richten ihr Augenmerk überwiegend auf die Leistungen im geistigen Bereich und versuchen diese entsprechend dem Leistungsideal unserer Gesellschaft zu verstärken. 

Überforderung statt Bewegungsfreiraum

Der Leistungsdruck der Kinder ist enorm gestiegen, die Kinder müssen viel intellektuelle Kopfarbeit leisten und sind damit oft überfordert. Im Kindergarten werden Erzieher/innen von den Eltern oft danach befragt, ob sie auch Vorschulübungen anbieten, ob die Kinder im intellektuellen Bereich gefördert und auf die Schule vorbereitet werden. Selten wird dagegen nach der Entwicklung im motorischen Bereich gefragt, also ob das Kind genügend Bewegungsfreiräume hat, ob es sich etwas zutraut. Bildung findet in verschiedenen Bereichen statt und nicht nur durch eine „Vorschulübungsmappe“. Kinder lernen spielerisch und durch Bewegung. Sie erleben, erforschen, entdecken und gestalten. Diese Aktivitäten finden nicht nur im Kopf statt, sondern auch durch Körpererfahrungen.

Körper und Psyche im Einklang

Interesse zeigen Eltern erst dann, wenn Kinder im Sport Höchstleistungen erbringen. Die ganz normale Bewegungsförderung des Körpers, dem Bewegungsdrang der Kinder mit Anregungen entgegenzukommen, das haben Erwachsene verlernt oder sehen es nicht als für ihr Kind wichtig an. Der Grund ist vielleicht, dass sie selbst ihre Bewegungsstörungen, ihre Bewegungsarmut nicht mehr wahrnehmen. Sie

haben es verlernt oder nie gelernt, Körper und Psyche in Einklang zu bringen, ihren Gefühlen und Stimmungen durch Bewegung Ausdruck zu verleihen.

Warum laufen wir nicht einfach los, wenn uns danach ist, statt gesittet auf dem Gehweg zu schreiten? Warum springen wir nicht einfach in die Luft, wenn wir uns freuen, statt nur zu lächeln und die Freude durch Sprache auszudrücken? Sind wir nicht auch schon bewegungsgestört? Wir kompensieren Frust durch Konsum, der in der Regel wenig Bewegungsaktivität erfordert.

Toben bringt gute Laune

Um das Bewegungsverhalten und Bedürfnis unserer Kinder zu verstehen, müssen wir aber auch unser eigenes Verhalten in diesem Bereich kritisch überprüfen und möglichst einer Veränderung unterziehen; es lohnt sich.

Tobespiele machen Spaß. So habe ich in der Arbeit auf Seminaren mit Kindern und Erwachsenen festgestellt, dass Erwachsene solchen Spielen erst sehr ablehnend gegenüber standen, nach einer Gewöhnungsphase aber viel Spaß daran hatten. Gerade beim Toben wird viel gelacht. Je wilder das Spiel, je mehr Bewegung im Spiel ist, umso lustiger wird die Stimmung. Auch in diesem Sinn hat Bewegung etwas mit psychischer Verfassung zu tun. Warum sehen wir meist die Familien gesittet und gemächlich bei ihrem Sonntagsspaziergang die Parks abschreiten? Warum veranstalten sie nicht mal wilde Tobespiele miteinander? Weil sich das nicht gehört? Sie würden mit Sicherheit in einer ausgelasseneren Stimmung den Heimweg antreten.

Bewegungsspiele können ermüdete und verspannte Menschen, Frustrierte und Ängstliche, Langsame und Verkrampfte, Unsportliche und Gehemmte wieder in bessere Form und gute Laune bringen.

Diesen Artikel haben wir aus Regina Grabbets Buch mit dem Titel „Laufen, Toben, Springen … Loben“ entnommen. Das Buch ist bei Burckhardthaus-Laetare erschienen.

laufen toben

Regina Grabbet
Laufen toben springen loben
Bewegungsspiele in Kindergruppen
Broschur, 96 Seiten
4 fbg. Abb. und Illustrationen 
ISBN 978-3-944548-11-1
14,95 €
Mehr dazu auf oberstebrik.de




Motto des Weltspieltages 2021: Lasst uns (was) bewegen

Deutsche Sportjungend erstmals Partner des DKHW:

„Lasst uns (was) bewegen!“ ist das Motto des Deutschen Kinderhilfswerkes(DKHW) für den Weltspieltag am 28. Mai 2021. Denn Bewegungsförderung spielt eine zentrale Rolle bei einer ganzheitlichen Persönlichkeitsentwicklung. Zudem ist Bewegungsförderung zentrales Mittel der Bildungsarbeit im Sportverein.

Fokus auf Bewegung

Die Deutsche Sportjugend unterstützt deshalb in diesem Jahr den Weltspieltag mit dem Fokus auf Bewegung. Als langjähriger Partner des DKHW ist es das Anliegen der Sportjugend, insbesondere angesichts der Einschränkungen durch die Corona-Pandemie, gemeinsam mit dem „Bündnis Recht auf Spiel“, die Aufmerksamkeit für das Thema Bewegungsförderung zu erhöhen. 

Mehr Bewegungsmöglichkeiten für Kinder!

Der gemeinsame Aufruf soll Politik und Gesellschaft den Handlungsbedarf verdeutlichen und aufzeigen, dass die Rahmenbedingungen für die Bewegung von Kindern verbessert werden müssen. Dazu sollten es beispielsweise in den Kommunen mehr altersgerechte, eigenständig erreichbare und frei zugängliche Spiel- und Grünflächen geben, mehr Bewegungsmöglichkeiten in den Schul- und Kita-Alltag integriert werden und zudem der Vereinssport stärkere Unterstützung erhalten als bisher.

Aufruf zur Teilnahme

Kommunen, Vereine und Bildungseinrichtungen, aber auch Familien und Elterninitiativen sind aufgerufen, mit einer Aktion am Weltspieltag 2021 teilzunehmen und den Aktionstag zu nutzen, verbesserte Rahmenbedingungen für die Bewegungsförderung von Kindern einzufordern.

„Kinder haben einen natürlichen Bewegungsdrang, dem sie vielfach schon vor der Corona-Pandemie nur unzureichend nachkommen konnten. Wir müssen aufpassen, dass sich in der Pandemie das Bewegungsverhalten von Kindern und Jugendlichen nicht grundsätzlich nachteilig verändert. Denn wenn Kinder selten herumtollen und sich nur wenig bewegen, kann das bis ins Erwachsenenalter negativen Einfluss haben“, betont Holger Hofmann, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerkes.

„Zentraler Baustein der Entwicklung“

„Lasst uns was bewegen! Den Wunsch nach Bewegung kann man kaum treffender ausdrücken. Gerade für Kinder ist Bewegung ein zentraler Baustein einer ganzheitlichen Persönlichkeitsentwicklung und des gesunden Aufwachsens. Jetzt liegt es an uns als Gesellschaft zu entscheiden, wie wichtig uns diese ganzheitliche Entwicklung ist. Lasst uns daher gemeinsam stärker denn je das Kinderrecht auf Bewegung und Spiel einfordern. Wir als Deutsche Sportjugend unterstützen als Jugendorganisation des gemeinnützig organisierten Sports den Weltspieltag 2021 und wollen gemeinsam mit dem Deutschen Kinderhilfswerk und dessen Bündnis Recht auf Spiel unseren Beitrag zu einer bewegungsfreundlichen Lebenswelt für Kinder leisten!“, so der Vorsitzende der Deutschen Sportjugend, Michael Leyendecker.

Zum 14. Mal Weltspieltag

Der Weltspieltag 2021 wird deutschlandweit zum 14. Mal ausgerichtet. Zum Weltspieltag sind Schulen und Kindergärten, öffentliche Einrichtungen, Vereine und Nachbarschaftsinitiativen aufgerufen, in ihrer Stadt oder Gemeinde eine beispielgebende oder öffentlichkeitswirksame Aktion durchzuführen – egal ob Spiel-, Beteiligungs- oder Protestaktion. Denn der Aktionstag dient ebenso der Lobbyarbeit für das Recht auf Spiel. Die Partner sind vor Ort für die Durchführung ihrer Veranstaltung selbst verantwortlich. Das Deutsche Kinderhilfswerk stellt umfangreiche Aktionsmaterialien zum Weltspieltag zur Verfügung. Weitere Informationen unter www.weltspieltag.de.




Bewegung: Voraussetzung für Entwicklung und Wachstum

Was wir tun müssen, damit sich Kinder gut entwickeln:

Wir alle wissen, dass Bewegung wichtig für die Entwicklung und das Wohlbefinden ist. Aber warum ist das so? Dr. Gabriela Falkenberg-Gurges ist promovierte Diplom-Sportlehrerin. Sie geht dieser Frage nach und zeigt, wie einzelne Fähigkeiten zu einem harmonischen Ganzen führen.

Lernen über die Sinne

Wir lernen über unsere Sinne. Sie ermöglichen es, die für alle Erfahrungen nötigen Eindrücke von Umwelt und eigenem Körper wahrzunehmen und zu verarbeiten. Schon im Mutterleib reagiert der Fötus auf Außenreize, vor allem durch den taktilen Hautreiz und durch das vestibuläre System, das über Lage und Druckverhältnisse Auskunft gibt. Diesen Sinnesempfindungen in der ersten Lebensphase wird eine entscheidende Bedeutung, nicht nur für den sensorischen, sondern auch für den kognitiven und sozial-emotionalen Bereich, zugeschrieben.

Bewegung ist Erfahrung – Geleitet von Wahrnehmungen

Um die Sinnesreize aufzunehmen und ohne Störungen zu speichern, sind motorische Aktivitäten unersetzliche Bedingung. Ein Kind ist von Anfang an bewegungsfreudig. Es untersucht ganzheitlich, mit all seinen Sinnen und körperlichen Möglichkeiten die Umwelt, differenziert sie und erschließt sie sich im Laufe seiner Entwicklung. Kindliche Bewegungen sind am Anfang ungenau und unkoordiniert. Sie werden erst im Zuge der Entwicklung und durch ständiges Üben sparsam und genau, also ökonomisch und präzise.

Im Vorschulbereich lässt sich die Bedeutung für die Entwicklung an vier Faktoren deutlich machen:

  1. aus biologischer Sicht, also für den Muskel- und Skelettapparat, liegen im Alter von 3 bis 6 Jahren wichtige Wachstums- und Entwicklungsabschnitte, die durch Bewegungsschulung entscheidend beeinflusst werden können.
  2. auf psychologischer Ebene sind die Wechselwirkungen des Körperlich-Motorischen mit dem Geistig-Seelischen sicherlich unzweifelhaft. Bewegungsgeschickte Kinder können sich besser in ihrer Umwelt zurechtfinden, was sich wiederum positiv auf das Selbstwertgefühl und das Selbstbewusstsein auswirkt.
  3. die kognitive oder intellektuell geistige Entwicklung wird entscheidend über frühere Bewegungserfahrungen gesteuert. Nur in der motorischen Auseinandersetzung mit der Umwelt können sich geistige, also Denkentwicklungen vollziehen.
  4. auch die soziale Entwicklung ist nicht unabhängig von der motorischen. Motorisch ungeschickte Kinder haben in der Kinder- und Erwachsenenwelt mehr Schwierigkeiten, sie stoßen eher auf Ablehnung und dies wiederum wirkt sich negativ auf die motorische Entwicklung aus, da das Kind wichtige neue Bewegungsanregungen, zum Beispiel durch das Gruppenspiel und die aktive Auseinandersetzung mit seiner Umwelt nur schwerlich und unzureichend erfährt.

Selbstwert durch Bewegung

Wir brauchen also grundsätzlich Wahrnehmungsfähigkeiten und koordinative Leistungen für das Erlernen von Bewegungen. Für beide Teile sind Wachstum und Reifung wesentlich, jedoch ebenso wichtig ist das Einüben und beständige Wiederholen und Ausprobieren dieser Fähigkeiten. Das Vorschulalter nimmt hier als frühes Lernalter eine wichtige Stellung ein, damit solche Bewegungserfahrungen gemacht werden können.

Vorschule als Erfahrungsfeld

„Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr!“

Gelingt es in dieser frühen Phase vielfältige Anreize zu geben und so eine ganzheitliche, sinnvolle und sinnenvolle Basis zu schaffen, ist dies eine gute Voraussetzung für jedes Kind, sich den zukünftigen Aufgaben und Anforderungen, nicht nur für das Bewegungslernen, gewachsen zu fühlen.

Dies gilt zunächst für den Schritt ins Schulleben. Die ungewohnt vielen kognitiven Leistungen, die Konzentration und Kooperation sind deutlich leichter zu bewältigen, wenn man sich in seinem und mit seinem Körper wohl fühlt und Kraft, Ausdauer, Beweglichkeit und das Können oder die Bereitschaft hat, gerne diese vielen neuen Herausforderungen zu meistern.

Die Sinne

Welche Reize führen eigentlich zu den Reaktionen des Körpers?

Welche Wahrnehmungsfähigkeiten werden nun für die Bewegungserfahrungen eingesetzt?

Es lassen sich hierfür fünf Analysatoren unterscheiden.

  1. Der visuelle Analysator oder der Gesichtssinn.

Damit wird alles registriert, was wir mit unseren Augen erfassen können. Dadurch wird das zentrale, räumliche, farbliche und periphere Sehen ermöglicht. Durch so genannte Fotoreize werden zum Beispiel Bewegungen und Konturen fixiert.

  1. Der akustische Analysator oder Gehörsinn

Er registriert Schallwellen und Frequenzen. Dadurch werden Töne und Geräusche für uns unterscheidbar und wahrnehmbar.

  1. Der taktile Analysator oder Tastsinn

Er vermittelt uns Informationen darüber, wie sich etwas anfühlt, aber auch über Oberflächenbeschaffenheiten, Temperatur, Schmerz, Druck und Berührungen aller Art. Systeme dieser gerade beschriebenen Wahrnehmungen sind die Exterozeptoren (äußere Reizaufnehmer) im Gegensatz zu den Intro- oder Propriozeptoren (innere Reizaufnehmer), welche die körperinneren Wahrnehmungen aufzeigen. Hierzu gehören:

  1. Der vestibuläre Analysator oder Gleichgewichtssinn

Damit wird die Lageveränderung des Körpers im Raum ausgeglichen, so dass es möglich ist, auch in sehr schwierigen Positionen (etwa auf einem Bein stehend) und Situationen (etwa in einer fahrenden Bahn stehend) eine aufrechte Position einzuhalten.

  1. Der kinästhetische Analysator oder Muskel- und Bewegungssinn

Er registriert Muskelveränderungen und gibt uns dadurch das Gefühl von Spannung und Entspannung. Er vermittelt uns Ausdehnungen und Positionen unseres Körpers im Raum, die für motorische Aktivitäten und für das Bewegungsempfinden notwendig sind.

Einzelne Fähigkeiten führen zu einem harmonischen Ganzen

Die Wahrnehmungsfähigkeiten sind Voraussetzung und Bedingungsfaktoren für die koordinativen Fähigkeiten.

Koordination lässt sich mit „Zusammenordnen“ übersetzen. Gemeint ist damit das Zusammenspielen und Anpassen von Muskeltätigkeiten, die durch das zentrale Nervensystem gesteuert werden.

Koordinative Fähigkeiten sind ein Sammelbegriff für verschiedene Einzelfähigkeiten. Sie sind ein „theoretisches Konstrukt“ in dem Versuch die einzelnen Leistungen dieses komplexen Gefüges zu systematisieren. In der älteren Fachliteratur findet man hierfür häufig die Begriffe Gewandtheit oder Geschicklichkeit. Beide reichen aber nicht aus, um die vielfältigen Vorgänge der Koordination zu beschreiben. Die koordinative Fähigkeiten sind an allen motorischen Aktionen beteiligt und werden deshalb „leistungsbestimmende Faktoren“ genannt. Je präziser das System der Koordination arbeitet, desto besser gelingen die unterschiedlichen Bewegungen. Daher lassen sich koordinative Fähigkeiten definieren als das harmonische und möglichst ökonomische Zusammenwirken von Muskeln, Nerven und Sinnen zu zielgenauen, gleichgewichtssicheren Bewegungsaktionen und schnellen, situationsangepassten Reaktionen.

Die Voraussetzungen hierfür sind

  • das rechte Kraftmaß, das den Bewegungsumfang und die Bewegungsgeschwindigkeit bestimmt
  • die richtige Muskelwahl, die die Bewegungsführung und -richtung beeinflusst
  • die Fähigkeit zu schnellem Wechsel von Muskelspannung und -entspannung als Voraussetzung für die motorische Anpassung. (vgl. Kiphard 1983).

Bessere Fähigkeiten, bessere Lösungen

Die koordinativen Fähigkeiten werden als sensomotorische Prozesse verstanden (das heißt auf Sinnen und Bewegungen basierend), die jedoch eng an geistige und psychische Faktoren gebunden sind. Hierzu gehören differenzierte Wahrnehmungsleistungen, Konzentration, Aufmerksamkeit und Entscheidungsvermögen (Bewegungsvorausnahme) sowie Willenseigenschaften und die Motivation.

Die Fähigkeiten zur optimalen Steuerung und Regelung von Haltungen und Bewegungen ermöglichen also die schnelle, genaue und zweckmäßige Lösung motorischer Aufgaben und begrenzen diese gleichzeitig auch. Mangelnde koordinative Fähigkeiten beeinflussen Tempo, Qualität und Dauerhaftigkeit motorischer Bewegungen. Sie sehen dann ungezielt, langsam und wenig schön aus und das Erlernen neuer Bewegungen ist eingeschränkt.

Wesentlich ist insgesamt die genaue Abgestimmtheit der Bewegung, die auch als „Bewegungsgefühl“ bezeichnet werden kann. Erst wenn das „Gefühl bis in die Fingerspitzen“ erfahren ist, werden die Bewegungen diese Harmonie ausstrahlen und sie tragen dann zur Entwicklung aller motorischen und geistigen Fähigkeiten bei.

In der Fachliteratur gibt es eine Menge unterschiedlicher Definitionsversuche der so vielschichtigen oder komplexen Fähigkeiten. Hierbei ist die Anzahl der Einzelfähigkeiten nicht einheitlich angegeben. Als gebräuchlich und allgemein anerkannt lassen sich fünf grundlegende koordinative Fähigkeiten unterscheiden. Es sind die

Gleichgewichtsfähigkeit: das Einhalten oder Wiederherstellen des Gleichgewichts während oder nach Bewegungshandlungen. Dies spielt eine führende Rolle, ohne Gleichgewicht keine Bewegung (Gehen, Laufen oder Stehen). Reaktionsfähigkeit: das zweckmäßige, situationsangemessene Bewegungshandeln auf ein Signal hin (wobei das Signal erwartet oder unbekannt sein kann).

Reaktionsfähigkeit: das zweckmäßige, situationsangemessene Bewegungshandeln auf ein Signal hin (wobei das Signal erwartet oder unbekannt sein kann).

Rhythmusfähigkeit: das Erkennen und Umsetzen der Wechsel in der Dynamik einer Bewegung; sowohl visuell als auch vor allem akustisch sollen die Bewegungsrhythmen erfasst werden. Räumliche, zeitliche und Kraft-Parameter von Bewegungsabläufen, wie: hoch – tief, lang – kurz, Spannung – Entspannung, schnell – langsam.

Räumliche Orientierungsfähigkeit: die Wahrnehmung der eigenen Körperposition in Relation zur Erdoberfläche, das richtige Einschätzen der Bewegung im Verhältnis zu Raum, Zeit und gegebenenfalls auch zum Gerät oder zu anderen Personen

Kinästhetische Differenzierungsfähigkeit: das erreichen von Genauigkeit und Ökonomie der Bewegungen, die Feinabstimmung von Einzelbewegungen etwa des Kopfes, der Hand oder des Fußes, die Einschätzung von Körperhaltungen sowie die Muskelspannungsempfindung.

Erst einzeln, dann zusammen

Wichtig ist, dass diese koordinativen Fähigkeiten nicht unabhängig voneinander zu betrachten sind, sondern immer in vielfältiger Weise untereinander in Beziehung stehen.

Gefühl bis in die Fingerspitzen

Der Artikel stammt von Dr. Gabriela Falkenberg-Gurges aus dem Buch Gefühl bis in die Fingerspitzen – Körpererfahrung in Kindergruppen. Die Diplom-Sportlehrerin möchte mit Ihrem Buch unserer bewegungsarmen und reizüberfluteten Welt etwas gegenüberstellen: sinnvolles und sinnenvolles bewegtes Spiel. Neben den fachlichen Grundlagen finden sich in dem Buch auch zahlreiche praktische Beispiele und Anleitungen. Kein freise Spiel im eigentlichen Sinne, aber viele spielerische Ansätze zum Spielen und Lernen.

Bibliographie:

Dr. Gabriela Falkenberg-Gurges
Gefühl bis in die Fingerspitzen
Körpererfahrung in Kindergruppen
Burckhardthaus-Laetare
ISBN: 978-3-944548-10-4
Taschenbuch, 96 Seiten
14,95 €
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