Neue Studie zu Kita-Qualität erschienen
Bei der Beteiligung von Kindern im Krippen-Alltag gibt es Verbesserungsbedarf
Die Essensituation in vielen Kinderkrippen scheint eine schwierige Situation zu sein, wenn es um Demokratie und die Partizipation geht. Laut der eben erschienenen Studie „Beteiligung von Kindern im Kita-Alltag“ (BiKA). Während etwa in drei Viertel der Fälle die Kinder beim Spielen den Ort selbst aussuchen dürfen, ist das bei Essen nur in jeder dritten Kita erlaubt. In lediglich 27 Prozent der Krippen haben alle Kinder die Wahl, was auf ihren Teller kommt. In 24 Prozent der beobachteten Mittagessen-Situationen entscheiden nicht alle Kinder, ob sie etwas essen oder nicht. Und in knapp der Hälfte der Essenssituationen können nicht alle Kinder entscheiden, wie viel sie essen und trinken möchten. In fast ebenso vielen Situationen wird einfach (zu-)gefüttert, obwohl zu beobachten ist, dass die Kinder in der Lage sind, Besteck zu handhaben.
Vom Recht auf Partizipation
Sicher weiß jeder, der schon einmal an einer Essenssituation in einer Kinderkrippe teilgenommen hat, dass dies einen der großen Herausforderungen in der täglichen pädagogischen Arbeit ist. Andererseits gibt es gerade hier, aber auch in einigen anderen Situationen viel Verbesserungsbedarf, wenn es um das Kinderrecht auf Partizipation geht. Bei der Studie BiKA ging es eben genau um dieses Recht und um die Qualität in der Kindertagesbetreuung mit dem Schwerpunkt auf die Beteiligung von Kleinkindern.
Durchführung der Studie
Mit Fokus auf die Jüngsten wurden im Krippenbereich per Video aufgezeichnete Situationen analysiert und die pädagogischen Fachkräfte und Eltern zu ihren Erlebnissen, Erfahrungen und Einschätzungen befragt. Die videografierten und näher untersuchten Szenen sind Schlüsselsituationen im Kita-Alltag: Spielsituationen, dialogische Buchbetrachtungen und das gemeinsame Essen. Die Studie wurde durch Prof. Dr. Frauke Hildebrandt (Fachhochschule Potsdam) und Prof. Dr. Catherine Walter-Laager (Universität Graz gemeinsam mit der PädQUIS gGmbH) geleitet und durch das BMFSFJ gefördert.
„Die Partizipationsqualität ist unzureichend“
Bianka Pergande, neue Geschäftsführerin der Deutschen Liga für das Kind, hat die empirische Studie 2018 bis 2020 aufseiten der Fachhochschule Potsdam koordiniert: „Die BiKA-Studie mit videografiebasierten Untersuchungen in 89 Kindertagesstätten hat eine Forschungslücke für den U3-Bereich geschlossen. Die Untersuchungsergebnisse geben zu denken, denn die Möglichkeiten von Kindern zur Selbst- und Mitbestimmung sind insgesamt nicht zufriedenstellend, und die Partizipationsqualität insbesondere in der täglich wiederkehrenden Essenssituation ist unzureichend.“
Einige der zentralen Erkenntnisse der Studie sind:
- Die Wahrung des Kinderrechts auf Partizipation geht einher mit der Wahrung des Kinderrechts auf Schutz.
- Eigene Partizipationserfahrungen von Fachkräften und Eltern bezogen auf das Essen werden in die Erziehungsziele übernommen.
- Eine pessimistische Einstellung zu Partizipation von Fachkräften spiegelt sich in nahezu allen Bereichen der Gestaltung der partizipativen Umgebung wider.
- Weniger strukturierte Situationen bieten Kindern mehr Selbstbestimmung, Partizipationsmöglichkeiten und Selbstwirksamkeitsgelegenheiten als stärker strukturierte Situationen. In den Schlüsselsituationen Spielen und Buchbetrachtung können Kinder häufiger selbstbestimmt agieren oder mitbestimmen. Beim Essen dagegen dominieren durchorganisierte Abläufe, die die Partizipation der Kinder zum Teil stark limitieren.
- Assistenzhandlungen sind häufig mindestens teilweise unangemessen, insbesondere in der Essenssituation.
- Direktive Handlungsanweisungen und grenzüberschreitender Körperkontakt gehören für viele Kinder zum Kita-Alltag.
- Fachkräfte halten sich an Regeln, die auch für die Kinder gelten, diskriminieren oder beschämen Kinder kaum selbst, dulden teilweise jedoch Ausgrenzung und Diskriminierung unter Kindern.
- Der Fachkraft-Kind-Schlüssel steht in keinem Zusammenhang mit realisierten Partizipationsgelegenheiten sowie dem partizipationshemmenden Verhalten der Fachkräfte, jedoch mit der sprachlichen Interaktionsqualität.
Zu den Handlungsempfehlungen der Forschungsgruppe gehören:
- Die partizipative Fachkraft-Kind-Interaktion in alltäglichen Situationen von Krippen muss verbessert werden.
- Partizipation einschränkendes Verhalten muss klar definiert werden, Gegenstand von ständiger Team- und Personalentwicklung sein und im Alltag von Kitas minimiert werden.
- Die hochstrukturierte und täglich wiederholte Schlüsselsituation Essen muss unmittelbar qualitativ verbessert werden.
- Partizipation muss bewusst inklusiv gestaltet werden.
- Biografiearbeit und Reflexion der eigenen Haltung zu Partizipation bei pädagogischen Fachkräften sind zu stärken.
- Die Mitbestimmung von Familien bei der Gestaltung des Alltags in der Krippe muss verbessert werden.
Weiterführende Informationen sind auf dem Web-Portal des BMFSFJ Frühe Chancen veröffentlicht. Dort steht auch der Abschlussbericht der Forschungsstudie als Kurz- und Langfassung zum Download zur Verfügung: https://www.fruehe-chancen.de/aktuelles/beteiligung-ist-ein-kinderrecht/.
Quelle: BiKA und Pressemitteilung Deutsche Liga für das Kind