Emotionale Intelligenz Schritt für Schritt entwickeln

Warum ErzieherInnen und Eltern bei der Entwicklung der sozialen Kompetenzen der Kinder besonders gefordert sind

Jedes Kind bringt bei der Geburt sein unverwechselbares Temperament als emotionale Anlage mit auf die Welt. Es ist das Startpaket für seine lange emotionale Karriere. Schritt für Schritt entwickelt es die Vielfalt seiner emotionalen Fähigkeiten im alltäglichen Umgang mit seinen Eltern, seinen Geschwistern und den vielen Menschen aus seiner Umwelt, und zwar von frühester Kindheit an bis ins hohe Alter.

Nur wer die Herzen bewegt, bewegt die Welt!

Ernst Wiechert

Der emotionale Typus eines Kindes ist also angeboren; die Reifung zu einer emotional intelligenten Persönlichkeit ist jedoch sozial erworben. Erst aufgrund dieser einmaligen Mischung von Anlage und Umwelt entwickelt sich unsere Gefühlszentrale, das limbische System: von den überlebenswichtigen Basisfunktionen hin zu den höher entwickelten Fähigkeiten, die für unser komplexes soziales Miteinander erforderlich sind.

Emotionale Reaktionen sind sozial vermittelt

Da die meisten unserer emotionalen Reaktionen sozial vermittelt und somit individuell sind, gibt es für Eltern und Pädagogen viel zu tun. Denn wir alle müssen von klein auf lernen, unsere angeborenen Gefühle zu steuern, auf diejenigen unserer Mitmenschen zu reagieren und die Wertvorstellungen unserer Kultur zu respektieren. Gefühle bilden sozusagen die Gleise für den Zug des Lebens. Wenn sie in der Kindheit breit und stabil angelegt werden, dann ist ein Entgleisen sehr unwahrscheinlich.

Unsere Kinder brauchen im unsteten Fluss der gesellschaftlichen Veränderungen verlässliche Geländer. Wer glaubt, ein großes Wissensrepertoire allein reiche aus, um ihnen diese Sicherheit zu geben, der übersieht, dass zur Bildung im 21. Jahrhundert vor allem eine Schlüsselqualifikation gehört: emotionale Intelligenz. Ist diese gut ausgeprägt, so geht damit eine positive schulische Entwicklung einher. Umgekehrt bedeutet eine geringe emotionale Kompetenz jedoch einen Risikofaktor für die Schul- und Berufskarriere. Gefühle wirken demnach als Motor der geistigen Entwicklung eines Kindes.


Das Schatzbuch jetzt bei BurckhardtHaus

Viele Jahre lang hat die Pädagogik die emotionale Entwicklung der Kinder dem Zufall überlassen. Das hat traurige Konsequenzen: Etliche Kinder und Jugendliche leiden unter psychischen Erkrankungen wie Essstörungen oder Depressionen. Charmaine Liebertz fordert dazu auf, die Herzensbildung der Kinder zur wichtigsten Aufgabe zu machen. Dazu gibt sie neben gut verständlichen theoretischen Grundlagen über den aktuellen Stand der Hirnforschung auch viele praktische Tipps, stellt Spiele und Übungen zusammen, um die eigenen Emotionen kennen zu lernen, mit ihnen umzugehen, Empathie zu entwickeln und soziale Kompetenz zu erwerben.

Charmaine Liebertz: Das Schatzbuch der Herzensbildung – Grundlagen, Methoden und Spiele zur emotionalen Intelligenz. 200 Seiten, ISBN 978-3-96304-611-7, 20 €


Vernunft und Verstand sind eigebettet in die emotionale Struktur

Jeder Mensch meistert kritische Augenblicke, schwierige Phasen, gefährliche Versuchungen, dauerhafte Belastungen und ungünstige Lebensbedingungen umso besser, je ausgeprägter seine emotionale Intelligenz ist. Er vermag seine eigenen Gefühle und Reaktionen – ebenso wie die anderer – in verschiedenen Situationen einzuschätzen, zu handhaben und zu bewerten.

Die Hirnforschung lehrt uns heute, dass Vernunft und Verstand eingebettet sind in die emotionale Struktur des Menschen. Emotionale Reize wirken auf nahezu alle Bereiche der Großhirnrinde, die unsere Wahrnehmung und komplexen Denkabläufe steuert. Das limbische System bewertet und wägt alles, was wir tun, mit unserem emotionalen Erfahrungsschatz ab. Gedanken und Gefühle sind also im neuronalen Netzwerk eng miteinander verknüpft; sie funktionieren als ganzheitliche Einheit.

Den Umgang mit Gefühlen lernen

Wer in seiner Kindheit und Jugend gelernt hat, mit seinen Gefühlen und denen seiner Mitmenschen umzugehen, der vermag sein geistiges Potenzial voll auszuschöpfen, ohne zum Spielball seiner Emotionen zu werden. Kinder und Jugendliche mit hoher emotionaler Intelligenz verfügen über ein stabiles Selbstwertgefühl, über Problemlösungsstrategien, über ein inneres Krisenmanagement, und vor allem kennen sie Alternativen zu Gewalt und Drogen, um sich selbst zu spüren.

Eines ist jedoch besorgniserregend: Immer mehr Kinder beziehen ihre Identität aus der Interaktion mit zahlreichen Medien. Fernab vom realen Leben stattet sie die virtuelle Welt mit der ersehnten Omnipotenz aus und schenkt ihnen Beachtung. In dieser – etwa in Chatrooms oder Spielen erworbenen – künstlichen Identität verbringen sie oftmals mehr Zeit als in ihrer realen.

Pädagogen im Wettkampf mit virtuellen Erziehungsagenten

Im Wettkampf mit den virtuellen Erziehungsagenten, wie Fernsehen oder Computer, müssen wir Pädagogen mehr denn je den Respekt vor der Würde des Menschen, seine Fähigkeit zum Mitleid und seine emotionale Spannbreite im sozialen Miteinander fördern. Wir können uns nicht länger allein hinter den Strategien der Wissensvermittlung verschanzen und in Sachen Herzensbildung ein Ungenügend abliefern, während die Kinder orientierungslos nach starken Vorbildern suchen.

Das vielfältige Orchester der Gefühle braucht einen Dirigenten! Eine unserer wichtigsten Erziehungsaufgaben ist es, das Kind im Laufe seiner emotionalen Entwicklung zu einem kompetenten Dirigenten heranzubilden. Wir Eltern, ErzieherInnen und Lehrkräfte neigen oft dazu, dieses emotionale Wachstum als selbstverständlich, jede kleinste, neue Bewegung oder Wortschöpfung dagegen als Meilenstein in der kindlichen Entwicklung anzusehen.

Diesen Artikel haben wir aus dem Buch von Charmaine Liebertz „Spiele zur Herzensbildung“. Herzensbildung bedeutet, die Entwicklung des Kindes zu einem offenen, stabilen Erwachsenen, der das Leben als ein Miteinander versteht. Emotionale Intelligenz und das Zusammenspiel von Körper, Geist und Emotion sind der Schlüssel zu einem glückenden Leben. Mit zahlreichen leicht umsetzbaren Spielen, hilft Charmaine Liebertz, eigene Emotionen zu entdecken und soziale Kompetenzen aufzubauen und umzusetzen.

Charmaine Liebertz
Spiele zur Herzensbildung
Emotionale Intelligenz und soziales Lernen
80 Seiten, Broschur
ISBN: 978-3-944548-17-3
14,95 €

Dr. Charmaine Liebertz ist Heilpädagogin und Lehrerin. Sie war zehn Jahre lang wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachbereich Heilpädagogik an der Universität Köln. Lernen besteht für sie nicht nur aus dem Anhäufen von Fakten, sondern muss im Einklang von Körper, Herz, Geist und Humor geschehen. Dafür setzt sie sich in der Gesellschaft für ganzheitliches Lernen e.V. ein, die sie 1996 gründete.




Bildungsgerechtigkeit jetzt verwirklichen

Deutsches Kinderhilfswerk fordert umfangreiche Maßnahmen zum Tag der Bildung

Das Deutsche Kinderhilfswerk (DKHW) vermisst an vielen Stellen den politischen Willen, sich dem drängenden, strukturellen Problem der schlechten Bildungschancen der von Armut betroffenen Kinder in Deutschland anzunehmen. Und auch bei der Integration von geflüchteten Kindern ins Bildungssystem gibt es noch viel zu tun. Zudem muss nach Ansicht des Deutschen Kinderhilfswerkes die digitale Bildung von Kindern und Jugendlichen gesichert werden. Diese soll junge Menschen dazu befähigen, ihre Rechte im Internet wahrzunehmen und im Zeitalter der Digitalisierung Angebote barrierearm in Anspruch nehmen zu können.

Das Recht gilt für alle gleich

„Das Recht auf Bildung gilt für alle Kinder, ungeachtet ihrer sozialen Lage oder ihrer Herkunft. Deshalb müssen wir es schaffen, die Vererbung von Bildungsverläufen aufzubrechen. Bildung als Schlüssel für gesellschaftliche Teilhabe und für den chancengerechten Zugang zu einer angemessenen beruflichen Entwicklung ist nachweislich von entscheidender Bedeutung. Deshalb müssen allen Kindern gleichwertige Chancen ermöglicht werden. Dies gilt insbesondere für die fast drei Millionen Kinder und Jugendlichen, die in Deutschland von Armut betroffen sind. Hier lassen sich auch über eine gute Personal-, Raum- und Sachausstattung von Bildungseinrichtungen, durch eine bedarfsgerechte Qualifizierung der Lehr- und pädagogischen Fachkräfte sowie ein vielfältiges, nicht nur an Lehrplänen orientiertes Bildungsangebot die unterschiedlichen finanziellen Voraussetzungen in den Elternhäusern ausgleichen“, betont Holger Hofmann, Bundesgeschäftsführer des DKHW.

Recht auf Bildung und Beschulung

Aus dem Recht auf Bildung folgt zudem, dass alle Kinder in Deutschland Anspruch auf Bildung und Beschulung haben. Auch zu uns geflüchtete Kinder sollten schnellstmöglich eine Schule besuchen können. Dabei geht es zum einen um das Lernen generell, aber auch um den sozialen Austausch mit anderen. Das monatelange Warten und Ausharren in Gemeinschafts- oder Sammelunterkünften ohne ausreichenden Zugang zu Bildung widerspricht der UN-Kinderrechtskonvention“, so Hofmann weiter.

Recht auf digitale Bildung

„Mit dem General Comment No.25 sichern die Vereinten Nationen Kindern ein Recht auf digitale Bildung zu. Dies umfasst sowohl die technische Ausstattung, die Qualifizierung der Fachkräfte zum Umgang mit Technik und Materialien als auch die Förderung von Entwicklung und Anschaffung digitaler Bildungsmaterialien. Digitale Bildung sollte junge Menschen dazu befähigen, ihre Rechte im Internet wahrzunehmen. Digitale Bildung kann zudem das Recht auf Bildung in Situationen sichern, die eine Teilnahme am Unterricht in der Schule nicht zulassen“, sagt Holger Hofmann.




Kuhstall statt Klassenzimmer

rinder

Fachveranstaltungen für Schülerinnen und Schüler sowie Exkursionen für Lehrkräfte

Öko-Landbau macht Schule, denn Bio boomt. Um der hohen Nachfrage auch in Zukunft gerecht zu werden, braucht es gut ausgebildete Nachwuchskräfte: Berufs- und Fachschülerinnen und -schüler aus den Bereichen Landwirtschaft, Garten- und Weinbau, Lebensmittelhandwerk und Gastronomie. Der Schlüssel zum Erfolg sind eine praxisorientierte schulische Ausbildung und engagierte Lehrkräfte, die junge Menschen zu Bio-Wegbereiterinnen und -bereitern von morgen machen.

Zwei Veranstaltungsformate

Die Demonstrationsbetriebe Ökologischer Landbau bieten dazu zwei Veranstaltungsformate an: Fachveranstaltungen für Schülerinnen und Schüler sowie Exkursionen für Lehrkräfte von Berufs- und Fachschulen. Da, wo ökologischer Pflanzenschutz nicht im Lehrbuch, sondern auf dem Acker, Vermarktungswege nicht im Bereich Betriebswirtschaft, sondern im Hofladen erklärt werden, kurz: da, wo nachhaltige Lebensmittel produziert und verarbeitet werden – jeden Tag!

Für Berufsschülerinnen und -schüler

Ziel der Fachveranstaltungen für Berufsschülerinnen und -schüler ist es, beim Besuch eines Bio-Betriebs in der Nähe durch den Einblick in den Arbeitsalltag, ökologische Zusammenhänge zu verstehen und unterschiedliche Betriebskonzepte kennenzulernen. Dass ökologische Betriebe wissenschaftlich fundiert und nach strengen Gesetzesvorgaben arbeiten, hat sich schon herumgesprochen. Dennoch dienen der Dialog und Austausch vor Ort – auf Augenhöhe – auch dem Abbau möglicher Vorurteile gegenüber Bio-Landwirtinnen und -Landwirten.

Für Pädagoginnen und Pädagogen

Impulse, wie das Thema Öko-Landbau einen festen Platz im Unterricht bekommt, bieten die Exkursionen für Pädagoginnen und Pädagogen. Auf den Bio-Höfen, -Weingütern und in den -Gärtnereien des Netzwerks der Demonstrationsbetriebe erhalten die Lehrerinnen und Lehrer von Berufs- und Fachschulen einen praxisnahen Einblick in den Arbeitsalltag eines Bio-Betriebs und Hinweise zu Informationsangeboten rund um den ökologischen Landbau, die sie für die Unterrichtsvorbereitung nutzen können. Durch den Austausch mit interessierten Kolleginnen und Kollegen entsteht zudem ein Netzwerk aus Ideengeberinnen und -gebern für die Einbindung des Themas „Ökologische Landwirtschaft und Verarbeitung“ in den Unterricht.

Wenig Aufwand, großer Nutzen

Wenig Aufwand, großer Nutzen: ein (Schul-)Tag auf dem Bio-Hof. So geht’s: Die Koordinationsstelle der Demonstrationsbetriebe Ökologischer Landbau schnürt ein auf die jeweilige Zielgruppe zugeschnittenes Gesamtpaket: von der Hofauswahl über inhaltliche und organisatorische Abstimmungen bis hin zur passenden Einstiegspräsentation. Sie plant und führt die halbtägige Veranstaltung mit individuellem Programm – theoretischem Einleitungsvortrag, Betriebsführung, Diskussionsrunden und Verkostung betriebseigener Produkte – durch. Ansprechpartnerin für die Organisation der Fachveranstaltungen und Exkursionen ist Julia Meier, FiBL Projekte GmbH.

Koordinationsstelle Demonstrationsbetriebe Ökologischer Landbau
c/o FiBL Projekte GmbH
Julia Meier
Tel: 069 7137699-455
Julia.Meier@fibl.org




Sprachförderung von Kindern ohne Deutschkenntnisse

multicultural kindergarten

Vom Umgang mit Sprachproblemen – Spiele für die Sprachbildung

Viele Menschen, mit denen ich mich über die Aktivitäten mit den Flüchtlingskindern unterhalten habe, fragen mich, wie wir mit den Sprachproblemen zurechtkommen. Natürlich gibt es Probleme bei der Verständigung. Allerdings führt dies mitunter auch zu kuriosen und lustigen Situationen.

Wir machen uns durch Mimik und Gestik verständlich. Dadurch kommt es oft zu lustigen Situationen, in denen wir viel miteinander lachen. Außerdem lernen die Kinder sehr schnell die deutsche Sprache. Auch die Erwachsenen wollen so schnell wie möglich Deutsch lernen.

So entwickeln sich die Möglichkeiten der Verständigung. Auf Ausflügen wollten die Kinder wichtige Worte, die wir ihnen unterwegs vermittelt haben, gleich auf mein Mobiltelefon sprechen. Ein Junge aus Syrien, der sich erst seit zwei Wochen in Deutschland aufhielt, sprach die Worte „Nicht rumlaufen … hinsetzen! Sonst gefährlich!“ in mein Handy. Ich habe sie bis heute nicht gelöscht.

Die Sprachprobleme sind nicht wirklich das größte Hindernis. Wir können sie durch viel Fantasie, pantomimische Kreativität, Humor, situative Flexibilität und Beziehungsaufbau überwinden. Außerdem ist die Entwicklung der Sprachkompetenz der Kinder und Erwachsenen in Bezug auf das Erlernen der deutschen Sprache ein Prozess, der Zeit braucht. Wenn wir bei den vorgeschlagenen Sprachförderspielen auch die Eltern einbeziehen, kann das viel Freude bringen und wir haben alle etwas davon.


hallo hallo

Diesen Artikel haben wir aus folgendem Buch entnommen:
Grabbet, Regina
Ideen für Bildungsaktivitäten mit Kindern aus Flüchtlingsunterkünften
Burckhardthaus-Laetare
ISBN: 978-3-944548-25-8
112 Seiten, 12,95 €
Mehr auf oberstebrink.de


Sprache als Motor für die Identitätsentwicklung des Kindes

Die Sprache ist der Schlüssel zur Welt. Kinder sind empfänglich für Signale, für Klangfarben, Laute, und Sprechmelodien. Gerade Kinder aus Syrien, Eritrea, Albanien, Afghanistan, Russland, denen die deutsche Sprache fremd ist, erahnen, durch die Art, wie wir unsere Information vermitteln, oft, was wir ihnen mitteilen möchten.

Die Sprachmelodie, die Art der Betonung, der Klang unserer Stimme, Mimik und Gestik spielen hierbei eine Rolle. Es ist erstaunlich, wie viel die Kinder so verstehen können, obwohl wir mit ihnen in deutscher Sprache sprechen, die sie noch nicht verstehen.

Die nonverbale Sprache ist Kommunikation in Handlungsprozessen. Auch bei der verbalen Kommunikation sollte Sprache in Handlungsprozesse eingebunden sein. Erst dann begreift das Kind die Bedeutung der Worte. Deshalb ist in der Sprachentwicklung von Kindern auch das begleitende Sprechen bei Handlungen so wichtig.

Ein sprachliches Trainingsprogramm sollte in kulturelle und soziale Kontexte eingebunden sein. Wichtig ist, dass Kinder spüren, dass Erwachsene sich dafür interessieren, was sie denken. Oft habe ich mir bei Spielen mit Kindern aus den Unterkünften gewünscht, ihre Sprache sprechen zu können, denn ich möchte ihre Gefühle verstehen und ihre Gedanken teilen.

Meist haben die Kinder einen großen Wunsch danach, sich zu verständigen. Wichtig ist, dass wir ihnen bei ihren Bemühungen Aufmerksamkeit schenken und ihre Versuche, sich in deutscher Sprache auszudrücken, mit Wertschätzung begleiten.

Die Kinder lernen die deutsche Sprache am Besten über Sinneserfahrungen. Wenn sie etwa einen Apfel anfassen, riechen und schmecken und dabei immer wieder das Wort „Apfel“ hören, werden sie das Wort für dieses runde, leckere Nahrungsmittel eher in ihren Gehirnzellen abspeichern, als wenn sie vor einem abstrakten Arbeitsblatt eines Sprachförderprogramms sitzen.

Bei der Sprachentwicklung brauchen Kinder persönliche Aktivität. Sie sollten die Möglichkeit der aktiven Teilnahme haben und nicht nur passiv partizipieren.

Begriffe ermöglichen dem Kind „Denkoperationen“ – Sprache leitet Denken ein, verknüpft Erinnerungen mit der Gegenwart. Sprache ermöglicht es, Gefühle auszudrücken. In Kitas und auch in der Kinderbetreuung in den Flüchtlingsunterkünften ist die Sprachförderung, die Unterstützung sprachlicher Bildungsprozesse, ein ganz wichtiger Schwerpunkt.

In der Kita kann die Sprachvielfalt noch besser genutzt werden als in den Unterkünften. Denn in letzteren fehlen die Kinder, die Deutsch als Muttersprache sprechen. Deshalb ist es so wichtig, auch den Kindern in den Unterkünften, die keinen Kitaplatz haben, den Kontakt zu deutschen Kindern zu ermöglichen. Wir sollten sprachlicher Vielfalt mit Respekt begegnen. Nur so erfahren Kinder mit Migrationshintergrund, dass sie mit ihrer Familiensprache auch dazu gehören.

Die Sprache ist Motor für die Identitätsentwicklung des Kindes. Auch außerhalb der Familie sollte das Kind die Möglichkeit haben, sich verständigen zu können.

Das Wechselspiel von kognitiver und interaktiver Entwicklung ist wichtig für die Sprachkompetenz. Wenn die Flüchtlingskinder die Erfahrung machen, dass ihre Sprache nicht ausreicht, um sich auszudrücken und zu verständigen, bemühen sie sich, alles zu tun, um die deutsche Sprache zu lernen.

Mit der ersten Sprache hat das Kind wichtige Schritte beim Aufbau seiner Identität bewältigt. Viele Erzieherinnen und Erzieher in Kitas fordern, dass Eltern mit Migrationshintergrund mit ihren Kindern Deutsch sprechen sollten. In den Flüchtlingsfamilien bemühen sich Eltern um die deutsche Sprache. Das ist für sie jedoch nicht einfach, da wenige Deutschkurse angeboten werden. Daher ist es wichtig, die Eltern wenn möglich bei den Aktivitäten zur Sprachförderung der Kinder mit einzubeziehen.

Aus der Sprachforschung ist bekannt, dass Kinder, die ihre Erstsprache beherrschen, weniger Schwierigkeiten beim Erwerb der Zweitsprache haben. Das Erlernen einer Zweitsprache ist ein kreativer Prozess. Zu Beginn ist zu beobachten, dass die Kinder, die Deutsch als Zweitsprache lernen, im Satz Wörter auslassen, die wenig Informationen enthalten. Das Kind reduziert oft die Vielfalt in den Wortformen auf einige wenige und erleichtert sich auf diese Weise den Einstieg in die neue Sprache.

Natürlich ist die Basis des Konzeptes der situativen Sprachförderung, die Verknüpfung der Erfahrungen im Alltag mit den sprachlichen Übungen der Kinder, ihre Erlebnisse durch Sprache auszudrücken. Dieses sprachliche „Situationslernen“ der Kinder ist schon für Mitarbeiter in der Kita nicht einfach. Für die ehrenamtlichen Mitarbeiter in der Kinderbetreuung ist der Ansatz noch schwieriger umzusetzen.

Da dieser Ansatz jedoch sehr sinnvoll ist, finden Sie hier einige Ideen für gezielte Aktivitäten zur Sprachförderung, die Ihnen die Vermittlung erleichtern sollen:

Sprachspiele zur Sprachförderung

Das Spiel mit der Phantasiesprache

Es ist ein schönes Gefühl für Kinder, die unterschiedliche Sprachen sprechen, sich auf eine gemeinsame Ebene zu begeben. Für ein Spielerlebnis dieser Art, schaffen wir einfach eine Phantasiesprache.
Der Spielleiter zeigt, wie es geht: Er drückt ein Bedürfnis aus. So hat er etwa Durst und möchte, dass ihm jemand etwas zu Trinken gibt. Er wählt nun erfundene Laute und sagt zum Beispiel: „Makasabadu-mokilu-dobade-schomilu!“, oder Ähnliches und zeigt dabei mit Mimik und Gestik, was er möchte.
Auch mit der Betonung seiner Stimme unterstreicht er sein Bedürfnis. Wer glaubt, herausgefunden zu haben, was der Mitspieler mit der lustigen Sprache möchte, bringt es ihm. Vielleicht unterhalten sich die beiden noch ein wenig in der Phantasiesprache. Auf jeden Fall bedankt sich der Spieler, dessen Wunsch erfüllt wurde, überschwänglich. Wer möchte, äußert dann ein anderes Bedürfnis in seiner individuellen Phantasiesprache.
Kinder mit Migrationshintergrund, ohne Kenntnisse der deutschen Sprache, sind häufig in der Situation, dass sie ihre Bedürfnisse zunächst in ihrer eigenen Sprache äußern und froh sind, wenn sie verstanden werden.
In einer Kita mit deutschen Kindern und Kindern mit Migrationshintergrund, können sich die deutschen Kinder durch das Spiel besser in die anderen Kinder hineinversetzen.

Das Spiel mit Gegenständen aus Kartons

In Kartons oder Koffer haben wir verschiedene Gegenstände, darunter auch Lebensmittel, gepackt, die im täglichen Leben wichtig sind. Geheimnisvoll nehmen wir nun, vielleicht nachdem wir ein Lied gesungen haben, einen Gegenstand aus dem Karton, zum Beispiel eine Tasse. Wir benennen den Gegenstand und alle wiederholen das Wort.
Wir wiederholen das so oft, bis wir das Gefühl haben, dass jedes Kind den Gegenstand kennt. Dann kommt der nächste Gegenstand dran, etwa ein Teller, ein Löffel, eine Zahnbürste, … Wenn alles wieder im Karton ist, holen wir einen der Gegenstände heraus und tun so, als wüssten wir nicht, wie er heißt. Die Kinder helfen uns weiter und wir freuen uns darüber.
Dann folgen drei weitere Gegenstände, die wir nacheinander aus dem Karton holen. Je nach Alter sind zehn bis zwanzig Gegenstände im Karton. Wir sollten dieses Spiel öfter wiederholen. Die Kinder können die Gegenstände auch auf ein Blatt Papier malen. Sie können auch ein Blatt vorbereiten, auf dem die Gegenstände abgebildet sind. Nach dem Spiel gehen wir dann alle Wörter noch einmal durch. Die Kinder sind stolz auf jedes Wort, das sie können und sprechen die Worte auch oft mit dem Zettel in der Hand ihren Eltern vor.
Wenn die Kinder die Wörter kennen, erzählen wir eine Geschichte, in der die Wörter vorkommen. Dazu holt immer eines der Kinder den passenden Gegenstand zum Wort heraus.
Wenn wir das Gefühl haben, dass die Worte den Kindern bekannt sind, tauschen wir die Gegenstände im Karton gegen andere aus. Wichtig ist, dass wir uns dabei Zeit lassen und wirklich immer nur einen Gegenstand herausnehmen, damit wir die Kinder nicht überfordern. Auch die Wiederholung ist sehr wichtig. Wir können das Spiel mit Lebensmitteln, Kleidungsstücken, Gebrauchsgegenständen und vielen anderen Dingen spielen. Auch eine Handpuppe kann zum Einsatz kommen. Sie stellt die Dinge lustig und spielerisch vor und tut dann vielleicht so, als habe sie die Worte vergessen.

Wir lernen Deutsch mit unserer Sockenpuppe

Einzelne Socken können wir im Freundes- und Bekanntenkreis sammeln oder in günstigen Geschäften kaufen. Nun gestalten die Kinder die einzelnen Socken bunt, mit Wollresten, Knöpfen, Pappe, Glitzerfäden, Filzstiften und anderem.
Jedes Kind hat somit seine besondere Socke und gibt ihr einen Namen. Die Socke „wohnt“ in einem kleinen Karton, der ebenfalls beklebt oder bemalt wird. Darauf steht dann auch der Name des Kindes, dem er gehört. Die Sockenhandpuppe hilft dem Kind Deutsch zu lernen. Sie kann „Guten Tag!“ oder „Auf Wiedersehen!“ sagen, „Ich habe Hunger“ oder „Ich habe Durst.“, „Ich muss zur Toilette“ oder „Ich möchte mit dir spielen.“ Mit Hilfe der Handpuppe macht Deutschlernen Spaß.
Wenn die Socken dann schon etwas Deutsch können, unterhalten sie sich miteinander. Lustig ist auch ein Sockentheater. Wir schneiden in eine alte Decke oder ein Bettlaken Löcher. Durch diese Öffnungen können wir die Sockenpuppen stecken. Zwei Personen halten das Laken, die Kinder stehen dahinter.
Witzig ist auch, am Anfang Musik abzuspielen, zu der alle Sockenpuppen dann aus den Löchern schauen und tanzen. Danach sollten nur noch vereinzelte Sockenpuppen ihren Auftritt haben, um sich mit deutschen Worten zu unterhalten.

Das Spiel mit dem Aufnahmegerät und der Stimme

Die Kinder finden es lustig, wenn ihre Stimme aufgenommen wird und sie die Stimme dann anhören können. Dazu können Sie moderne Mobiltelefone mit Aufnahmefunktion benutzen, aber auch alte Kassettenrekorder, die es im Secondhandladen oder auf dem Flohmarkt gibt.
Wir können Kinder mithilfe von Bilderbüchern oder Bildkarten, Bilder benennen lassen. Sie sprechen dann die Worte in das Mobiltelefon. Wenn wir die Audioaufnahme abspielen, zeigen die Kinder auf das Bild zum Wort. Lassen Sie sich Zeit und stoppen Sie zwischendurch. Später können die Kinder auch Sätze sprechen.

Kinder drehen Sprachlernvideos für Kinder

Kinder hören nicht nur gerne ihre Stimme, sie sehen sich auch gern selbst in einem Video. Sehr viel Spaß hatten wir mit den Kindern, als sie sich verkleiden durften. Ein Kind verkleidete sich als Marktfrau und hatte einen Gemüsestand. Diesen hatten wir aus Kartons, einem Tisch und Körben angefertigt. Nun pries die Marktfrau einzeln das Obst und Gemüse an, hob jedes Stück hoch und benannte es.
So kann es dann auch beim Bäcker laufen, beim Maler, im Supermarkt an der Kasse, als Polizistin verkleidet, die die Verkehrsregeln erklärt, bei einem Lehrer, der Zahlen an die Tafel schreibt und benennt … Die Kinder finden es lustig, Videos zu drehen. Außerdem lässt sich die Filmarbeit nutzen, um aus der Unterkunft herauszukommen, wenn die Kinder etwa im Zoo die Tiere benennen und filmen, am Hafen Spannendes entdecken oder im Park die Pflanzen oder Bäume identifizieren.
Kinder machen gern Spaß, deshalb können wir beim Drehen der Videos auch lustige Sachen einbauen. Ein integratives Projekt wird daraus, wenn deutsche Kitakinder diese Videos für Kinder drehen, die Deutsch lernen. Die Videos sollten wir so aufnehmen, dass sie später über einen Beamer, einen Fernseher oder Computerbildschirm den Kindern zum Lernen gezeigt werden können.

Auf den Tisch des Hauses

Die Kinder sitzen vor einem Tisch. Ein Spieler fängt an und sagt: „Auf den Tisch des Hauses bitte.“ Und dann nennt er einen Gegenstand, der im Raum ist und geholt werden muss, etwa ein Glas, ein Papier, eine Puppe. Wer zuerst den Gegenstand auf den Tisch gelegt hat, darf sich als Nächster einen Gegenstand auf den Tisch wünschen.

Geräusche-Memo

Die Kinder bilden Paare. Wir teilen jedem Paar ein Geräusch zu (etwa Tiergeräusche). Die Kinder verteilen sich im Raum. Zwei Kinder warten vor der Tür. Wenn sie wieder im Raum sind, hören sie sich das Geräusch von jedem Kind an und ordnen die Paare zu.

Funkerspiel

Jedes Kind bekommt eine Zahl. Der Funker beginnt. Er hält sich die Daumen beider Hände an die Stir nseiten und wedelt mit den Händen. Dabei sagt er: „Der Funker funkt (eine Zahl)“, zum Beispiel 3. Die „3“ muss nun ebenfalls mit den Händen an der Stirn wedeln und einer anderen Zahl zufunken. Wer nicht aufpasst, muss ausscheiden.
Wer die falsche Zahl sagt oder eine Zahl sagt, die schon ausgeschieden ist, ist auch raus. Wer bleibt übrig? Das Spiel wird nach einiger Übung immer schneller gespielt.

Reifen und Bänder

Aus Draht biegen wir einen Kreis, umwickeln ihn und befestigen Bänder daran. Alle halten sich daran fest und bewegen sich rechts und links herum zur Musik.

Ja und Nein

Die Kinder malen sich eine Ja- und eine Nein-Karte. Wir stellen nun einzelnen Kindern Fragen, etwa: „Bist du ein Junge?“ Das Kind zeigt darauf seine Ja- oder Nein-Karte. Wir überprüfen, ob das Kind richtig geantwortet hat. Wenn es falsch liegt, geben wir eine Erklärung durch Bilder, Mimik und Gestik.
Wir können etwa auch fragen: „Ist das eine Banane?“, und dem Kind einen Apfel zeigen. Das Kind entscheidet nun, ob es die Bezeichnung für richtig hält.
So lernen die Kinder Worte zuzuordnen und wir bekommen einen Eindruck davon, welchen Wortschatz sie bereits haben.

Lachen verboten

Alle stehen in einer Reihe. Ein Spieler steht vor der Reihe und sagt laut: „Lachen verboten!“ Sofort sind alle ernst.
Alle, die sich das Lachen nicht ganz verkneifen können, werden „aussortiert“. Die „aussortierten“ Spieler helfen mit, lachende Mitspieler zu entdecken. Wer bleibt übrig?

Regina Grabbet




GEW: „Den Worten müssen Taten folgen“

Bildungsgewerkschaft zum Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP

Positiv zu werten sei, dass die drei künftigen Regierungsparteien ein „Jahrzehnt der Bildungschancen“ ausrufe, die öffentlichen Ausgaben für Bildung deutlich steigern, das Bundesausbildungsförderungsgesetz und das Wissenschaftszeitvertragsgesetz reformieren, in die digitale Infrastruktur investieren sowie das sogenannte Gute-Kita-Gesetz gemeinsam mit den Ländern bis zum Ende der Legislaturperiode in ein Qualitätsentwicklungsgesetz überführen wollen. Ein starkes Signal sei es zudem, dass mit einem neuen Programm „Startchancen“ mehr als 4.000 allgemein- und berufsbildende Schulen mit einem hohen Anteil sozial benachteiligter Schülerinnen und Schüler besonders gestärkt werden sollen. „Das zeigt, dass die Bemühungen der GEW für Chancengleichheit in der Bildung und gute Arbeitsbedingungen Wirkung gezeigt haben“, erklärte Finnern.

Konkrete Schritte müssen bald folgen

Dem von SPD, Grünen und FDP verfassten Koalitionsvertrag müssten aber konkrete Schritte folgen. Dazu gehörten vor allem gute Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten in Kita, Schule, Hochschule sowie in der sozialen Arbeit und der Weiterbildung. Das „Jahrzehnt der Bildungschancen“ müsse durch ein „Jahrzehnt der guten Arbeitsbedingungen“ in allen Bereich der Bildung mit Inhalt gefüllt werden. „Den Worten müssen Taten folgen.“

Schuldenbremse kann Gefahr für Fortschritt sein

Die GEW-Vorsitzende kritisierte, dass der Koalitionsvertrag hinsichtlich der Frage, wie die bildungs-, investitions- und wissenschaftspolitischen Vorhaben künftig finanziert werden sollen, vage bleibt. „Angesichts des Festhaltens der drei Koalitionäre an der Schuldenbremse bleibt offen, wie es gelingen kann, alle Vorhaben umzusetzen.“ Die GEW werde die neue Bundesregierung an ihren Versprechen messen, kündigte Finnern an.




„Bildung auf einen Blick“ – OECD-Studie offenbart Mängel bei der Integration

Bei der Lesekompetenz von Kindern mit Migrationshintergrund liegt Deutschland unter dem OECD Durchschnitt

„Bildung auf einen Blick – OECD-Indikatoren“ ist die maßgebliche Quelle für Informationen zum Stand der Bildung weltweit. Die Publikation bietet Daten zu den Strukturen, der Finanzierung und der Leistungsfähigkeit der Bildungssysteme der einzelnen OECD-Länder sowie einer Reihe von Partnerländern. Mehr als 100 Abbildungen und Tabellen in der Veröffentlichung selbst – sowie Links zu wesentlich mehr Daten in der OECD-Bildungsdatenbank – liefern zentrale Informationen zum Output der Bildungseinrichtungen, zu den Auswirkungen des Lernens in den einzelnen Ländern, zu Bildungszugang, Bildungsbeteiligung und Bildungs- verlauf, zu den in Bildung investierten Finanzressourcen sowie zu den Lehrkräften, dem Lernumfeld und der Organisation der Schulen.

Schwerpunkt „Gerechtigkeit“

Bildung auf einen Blick 2021 legt u. a. einen Schwerpunkt auf das Thema Gerechtigkeit. Es wird untersucht, welchen Einfluss Faktoren wie Geschlecht, sozioökonomischer Status, Geburtsland und regionale Lage auf den Fortschritt durch Bildung und die zugehörigen Lern- und Arbeitsmarktergebnisse nehmen. Ein eigenes Kapitel befasst sich mit dem Unterziel 4.5 von SDG 4 über Bildungsgerechtigkeit, in dem eine Beurteilung vorgenommen wird, an welchem Punkt die OECD- und Partnerländer bei der Bereitstellung eines gleichberechtigten Zugangs zu hochwertiger Bildung in allen Bildungsbereichen stehen. Zwei neue Indikatoren zu den Mechanismen und Formeln für die Zuweisung von öffentlichen Mitteln an Schulen und zur Fluktuationsrate von Lehrkräften runden die diesjährige Ausgabe ab

Mehr Mittel für Chancengleichheit gefordert

Mit Blick auf die Publikation der OECD macht sich die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) dafür stark, mehr Geld für Bildung auszugeben. Der Anteil der öffentlichen Bildungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt (BIP) müsse deutlich wachsen. „Mit den bisher eingesetzten Mitteln schaffen wir es in Deutschland bis heute nicht, für Chancengleichheit zu sorgen“, sagte Anja Bensinger-Stolze, GEW-Vorstandsmitglied Schule. Dies werde insbesondere am Beispiel der Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund deutlich. Ihre Lesekompetenz sei fast 20 Prozent geringer als bei Kindern und Jugendlichen ohne Migrationshintergrund. Damit liege Deutschland unter dem OECD-Schnitt. „Zugewanderte Schülerinnen und Schüler brauchen mehr Förderung und Unterstützung, um ihre sprachlichen Fähigkeiten zu entwickeln. Dafür müssen die Länder entsprechende Programm auflegen“, betonte Bensinger-Stolze.

Anteil der Bildungsausgaben unter OECD-Durchschnitt

„Trotz nomineller Zuwächse bei den Bildungsausgaben investiert Deutschland immer noch zu wenig Geld in Bildung. Der Anteil der öffentlichen Bildungsausgaben von 4,3 Prozent des BIP liegt weiterhin deutlich unter dem OECD-Durchschnitt von 4,9 Prozent“, stellte Bensinger-Stolze fest.

Offensive zur Gewinnung von Lehrkräften

Sie setzte sich für eine Offensive zur Gewinnung von Lehrkräften ein. „Wir müssen den dramatischen Lehrkräftemangel an Grundschulen, der uns insbesondere während der Pandemie auf die Füße fällt, konsequenter als bisher bekämpfen“, sagte Bensinger-Stolze mit Blick auf die Altersstruktur der Lehrkräfte im Primarbereich. Dafür sei es dringend notwendig, die Arbeitsbedingungen zu verbessern und alle voll ausgebildeten Lehrkräfte in allen Bundesländern nach A13 (Beamte) und E13 (Angestellte) zu bezahlen. Nur so werde der Lehrkräfteberuf für junge Menschen bei der Berufswahl wieder attraktiver.

Hier geht es zum Download der Studie




Schuleintritt: Je jünger, desto riskanter

Das Risiko einer lebenslang schlechteren Bildungsleistung ist hoch

Jüngere Kinder in einer Schulklasse haben es schwer. Ihr Risiko, ein Leben lang schlechtere Bildungsleistungen zu erbringen als ihre Mitschüler ist hoch. Das haben Wissenschaftler des Institute of Psychiatry, Psychology & Neuroscience (IoPPN) am King’s College London in Zusammenarbeit mit dem Karolinska Institute und der Orebro University ergeben. Die Forscher fordern mehr Flexibilität beim Schuleintrittsalter.

Körperliche und geistige Krankheiten verbreiteter

Für die im Journal of the American Academy of Child and Adolescent Psychiatry (JAACAP) (https://www.sciencedirect.com/…/pii/S0890856721004548…) veröffentlichte Studie haben die Wissenschaftler Daten von 300.000 Personen aus den schwedischen Nationalregistern erhoben. Die Forscher fanden heraus, dass die Jüngsten in einer Klasse im späteren Leben eher geringe Bildungsleistungen erbrachten und unter Depressionen und Substanzmissbrauchsstörungen wie Schlafstörungen, Konzentrationsschwierigkeiten, Gewichtsverlust, Kreislaufregulationsstörungen, Schweißausbrüche oder Herzrasen litten. Jüngere Kinder mit ADHS schienen jedoch weniger anfällig für Depressionen.

Entwicklungsfortschritt zwischen den Kindern ist enorm

In vereinfachter Form versucht die leitende Autorin Professor Jonna Kuntsi von King’s IoPPN die Erkenntnisse wie folgt zu erklären: „Der Unterschied zwischen dem jüngsten und dem ältesten Kind einer Klasse kann bis zu elf Monate betragen. In der frühen Kindheit ist dies ein signifikanter Unterschied in Bezug auf Reife, Verhalten und kognitive Fähigkeiten. Wir konnten mit der Datenerhebung erkennen, dass es sehr reale und langfristige Konsequenzen hat, der Jüngste in einem Klassenjahr zu sein.“Dabei stellten die Forscher auch fest, dass die negativen Auswirkungen in Ländern wie Dänemark deutlich seltener sind. Das könnte etwas mit dem dort flexibleren Ansatz für das Schuleintrittsalter zu tun haben. Kleine Kinder, die möglicherweise noch nicht schulreif sind, haben die Möglichkeit, später einzuschulen, und haben daher ein geringeres Risiko, negative Nebenwirkungen wie in anderen Ländern zu erfahren.

Weltweit flexiblerer Ansatz gefordert

Dies sollte laut Aussage der Wissenschaftler in allen Ländern so praktiziert werden.King’s IoPPN ist in Partnerschaft mit dem South London and Maudsley NHS Foundation Trust und der Maudsley Charity dabei, ein weltweit führendes Zentrum für die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen zu eröffnen. Das Pears Maudsley Center for Children and Young People wird voraussichtlich 2023 eröffnet und wird Forscher und Kliniker zusammenbringen, um Lösungen zu finden, die die Landschaft für die psychische Gesundheit von Kindern verändern.Weitere Informationen erteilt Patrick O’Brien, Senior Media Officer unter Patrick.1.obrien@kcl.ac.uk .Über das King’s College London und das Institute of Psychiatry, Psychology & NeuroscienceDas King’s College London ist eine der zehn besten britischen Universitäten der Welt (QS World University Rankings, 2018/19) und eine der ältesten in England. King’s hat mehr als 31.000 Studenten (darunter mehr als 12.800 Doktoranden) aus rund 150 Ländern weltweit und rund 8.500 Mitarbeiter.Das Institute of Psychiatry, Psychology & Neuroscience (IoPPN) am King’s College London ist das führende Zentrum für psychische Gesundheit und verwandte Neurowissenschaften in Europa.

Mehr dazu unter https://www.kcl.ac.uk/ioppn

@KingsIoPPNQuelle: King‘s College London




Studie zu den Belastungen von Familien während der Pandemie

Weitreichende Folgen für Bildung, Gesundheit, Lebensqualität und Zukunftsperspektiven

Zu Beginn der Corona-Pandemie im Januar 2020 lebten in Deutschland rund 13,7 Mio. Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren – das entspricht in etwa einem Sechstel der Gesamtbevölkerung. Besonders betroffen vom Lockdown und seinen Folgen waren Schulkinder unter 12 Jahren (4,4 Mio.), für die teilweise eine Notbetreuung vorgesehen war, sowie weitere 4,5 Mio. Jugendliche im Alter von 12 bis 17 Jahren. Die Corona-Pandemie und die damit verbundenen Kita- und Schulschließungen hatten weitreichende Auswirkungen auf Bildung, Gesundheit, Lebensqualität und Zukunftsperspektiven von Familien. Die Folgen untersucht eine neue BiB-Studie. 

Gesundheitliche und entwicklungspsychologische Dimension von hoher Bedeutung

Die gesundheitlichen Auswirkungen der Pandemie auf Kinder und Jugendliche sind vielfältig: Es gibt Hinweise auf einen Anstieg von psychischen Beeinträchtigungen von Kindern, insbesondere bei psychosomatischen Beschwerden, Verhaltensauffälligkeiten und psychischen Erkrankungen, vor allem bei bereits vorbelasteten Kindern. Auch die Persönlichkeits- und Identitätsentwicklung vieler Kinder und Jugendlicher wurde durch die Kontaktbeschränkung beeinträchtigt. Infolge der Pandemie und der damit verbundenen Schulschließungen hat sich die gesundheitsbezogene Lebensqualität bei hochgerechnet 1,7 Millionen Jugendlichen im Alter von 11 bis 17 Jahren erheblich verschlechtert.

477.000 Jugendliche im Alter von 16 bis 19 Jahren mit Depressivitätssymptomatik

Analysen aus dem deutschen Familienpanel pairfam weisen darauf hin, dass nach dem ersten Lockdown (Mai/Juni 2020) etwa 25 Prozent der Jugendlichen auf Basis einer etablierten Skala mit Selbsteinschätzungen eine deutliche Symptomatik von Depressivität aufweisen. Im Jahr vor der Pandemie betraf das lediglich 10 Prozent dieser Altersgruppe. Nach einer Hochrechnung betrifft der Anstieg der Depressivitätssymptomatik rund 477.000 Jugendliche im Alter von 16 bis 19 Jahren. „Die Auswirkungen von Schulschließungen auf die psychische Gesundheit der Kinder und Jugendlichen sind offensichtlich gravierender als bisher angenommen. Davon sind jugendliche Mädchen und Jugendliche mit Migrationshintergrund häufiger betroffen“, erklärt Dr. Martin Bujard vom BiB. „Das Offenhalten der Schulen sollte hohe Priorität haben, damit sich psychische Belastung und Lernrückstände nicht noch weiter verstärken können.“

Lernzeit hat sich durch die Schulschließungen deutlich reduziert

Belastungen für Kinder und Jugendliche betreffen die Bildung, die körperliche und psychische Gesundheit sowie die Persönlichkeitsentwicklung. Die Zeit für schulische Aktivitäten hat sich während des ersten Lockdowns halbiert und lag im zweiten Lockdown bei durchschnittlich rund 60 Prozent. Allerdings gibt es hierbei erhebliche Unterschiede innerhalb der Gruppe der Schülerinnen und Schüler: Einige konnten im Distanzunterricht relativ gut lernen, andere sind besonders stark abgehängt. „Bei einigen vulnerablen Kindern können sich Lernrückstände und psychische Beeinträchtigungen wechselseitig verstärken“, meint Bujard. „Bei den Betroffenen ist es hilfreich, Druck von den Schülerinnen und Schülern nehmen. Bildungsdefizite aufzuholen ist ein langfristiger Prozess, viele belastete Kinder müssen zunächst gestärkt werden und unbeschwerte Zeit mit Gleichaltrigen und Lebensfreude erleben.“

Keine „verlorene Generation“

Angesichts der Zahlen sei es jedoch nicht gerechtfertigt, pauschal von einer ‚verlorenen Generation‘ zu sprechen, findet Dr. Martin Bujard: „Rund zwei Drittel der Kinder und Jugendlichen sind trotz mancher Schwierigkeiten relativ gut durch die bisherigen pandemiebedingten Einschränkungen gekommen. Es ist zu erwarten, dass sie in dieser Phase auch Kompetenzen hinsichtlich Digitalisierung und Selbständigkeit erworben haben.“ Allerdings ist eine differenzierte Sicht notwendig: Belastete Kinder und Jugendliche gibt es in allen Bevölkerungsgruppen, sie finden sich jedoch in einigen soziodemografischen Gruppen deutlich häufiger.

Soziale Ungleichheiten verstärken die Belastung von Familien

Die Schließung von Bildungseinrichtungen aufgrund der Pandemie hat viele Kinder und Jugendliche vor erhebliche Hürden gestellt: „Im Lockdown entfällt Schule als ein mit Lernen assoziierter Ort, der einen festen Rhythmus von Lern- und Erholungszeiten vorgibt, was Folgen für die Lernmotivation, Lernzeiten und Lernerfolg hat“, erklärt die Soziologin Kerstin Ruckdeschel vom BiB. Vor allem Schülerinnen und Schüler aus bildungsfernen Familien oder diejenigen, die zuhause kein Deutsch sprechen, sind durch Schulschließungen besonders benachteiligt. So haben etwa 11 Prozent der schulpflichtigen Kinder Eltern mit einem niedrigen Bildungsabschluss. Bei etwa jedem siebten Schulkind (ca. 1,0 Mio.) wird zuhause überwiegend kein Deutsch gesprochen. Hinzu kommt, dass bei Kontaktbeschränkungen die eigene Wohnsituation entscheidend ist: Gerade in Großstädten leben viele Familien in beengten Verhältnissen – etwa jede vierte Familie mit zwei Kindern lebt in Wohnungen mit weniger als 80 Quadratmetern Fläche. Da die meisten Familien in Mehrfamilienhäusern leben, hat etwa ein Drittel von ihnen keine Gartennutzung.

Große Herausforderung für berufstätige Eltern

Während der coronabedingten Schließungen fühlten sich die Menschen unterschiedlich stark belastet. Bereits im ersten Lockdown zeigte sich, dass dieser für manche Bevölkerungsgruppen (beispielsweise Paare ohne Kinder) auch eine Art Entschleunigung darstellte – bei ihnen sank der wahrgenommene Stress. Dagegen standen viele Eltern besonders im Bereich der Kinderbetreuung und des Homeschooling durch die Schließungen von Kitas und Schulen vor großen Herausforderungen. „Bei Paaren mit jüngeren Kindern unter 10 Jahren hat sich das subjektive Stressempfinden nicht verändert, sondern blieb auf einem vergleichsweisen hohen Niveau“, ergänzt Kerstin Ruckdeschel vom BiB. Der Zeitbedarf wurde von Vätern und Müttern je nach beruflicher Situation unterschiedlich aufgefangen. Viele Väter haben sich in der Familie zusätzlich engagiert, dadurch hat sich im ersten Lockdown der durchschnittliche Anteil der Familienarbeit der Väter erhöht. Mütter jedoch übernahmen nach wie vor den Hauptteil der Familienarbeit. Dies betrifft sowohl die Zeitverwendung als auch die kognitive Planungsarbeit, den sogenannten ‚Mental Load‘.

Wechselseitige Beziehungen zwischen Kindern und Eltern

Die Belastungen durch Schul- und Kita-Schließungen haben sich auf verschiedene Aspekte des Wohlbefindens der Eltern, beispielsweise auf die Lebenszufriedenheit und die emotionale Erschöpfung negativ ausgewirkt. Insbesondere Mütter, Alleinerziehende und Familien mit niedrigem Einkommen waren besonders betroffen, die schon vor der Pandemie einer hohen Belastung ausgesetzt waren. Aber auch hierbei gab es Rückkopplungen zu den Kindern, wie Kerstin Ruckdeschel erklärt: „Viele Studien zeigen übereinstimmend, dass die Belastungen von Eltern auch das Wohlbefinden der Kinder beeinflussen. Die Unterstützung von Kindern bedeutet deshalb immer auch eine Hilfe für die Eltern – und umgekehrt.“

Quelle: Pressemitteilung BiB