Was folgt aus der PISA-Studie?

Viele Forderungen gehen an Kindern und Jugendlichen vorbei, dienen aber Profitinteressen

In den vergangenen Jahrzehnten entwickelte sich die PISA-Studie zu einem der effektivsten Werbemittel für die Bildungswirtschaft. War den zahlreichen Maßnahmen, die nach den ersten Studien ergriffen wurden, noch ein bescheidener Erfolg vergönnt, stehen wir nach 23 Jahren ziemlich schlecht da. Denn laut der aktuellen Studie haben die getesteten 15-Jährigen noch schlechter abgeschnitten als jene im Jahr 2000. Dabei handelt es sich um Leistungen in Mathematik, Lesen und Naturwissenschaften. Für die Anstrengungsbereitschaft der Jugendlichen, ihre Motivation oder ihre sozialen Fähigkeiten interessiert sich dagegen die Studie nicht.

Aber sind die PISA-Ergebnisse nun wirklich ein „Debakel“ oder gar ein „Bildungs-Desaster“ wie vielfach zu lesen ist? Letztlich waren diese ja zu erwarten. Die Antwort darauf ist in einer Hinsicht einfach, in anderer nur schwer zu geben. Eines ist schon mal sicher: Unsere 15-Jährigen sind die Betroffenen, ganz sicher aber nicht die Schuldigen.

Viel hilft nicht viel

In Bezug auf die Maßnahmen, die in den vergangenen Jahrzehnten ergriffen wurden, ist das aktuelle Ergebnis eine Bankrotterklärung. Der ganze „Bildungswahn“, wie er seit der Jahrtausendwende einsetzte, hat uns nichts gebracht, manchmal sogar geschadet. Das war die einfache Antwort. Schon heute beschäftigen sich die ersten Forschenden mit Defiziten bei Studierenden, die daraus entstanden sind, dass sie vor allem zahlreiche sinnliche Erfahrungen in ihrer Kita-Zeit nicht mehr sammeln konnten, weil diese durch einseitige Förderprogramme erdrückt wurden.

Lösungen und gute Beispiele gibt es genug

Jetzt kommt das Komplizierte: Es stimmt, dass unser Bildungssystem seit etlichen Jahrzehnten nur unzureichend funktioniert. Deshalb ist es durchaus legitim, eine grundlegende Reform des Bildungssystems zu fordern. Nur worin sollte diese denn bestehen? Aus wissenschaftlicher Sicht wissen wir heute fast alles über das Lernen. Damit wäre auch geklärt, wie der Bildungsbetrieb heute laufen müsste. Und dass dies auch in der Praxis gut funktioniert, erleben wir Jahr für Jahr bei der Verleihung des deutschen Schulpreises. 102 Bildungseinrichtungen gibt es auf der Website des Deutschen Schulpreises zu bestaunen (https://www.deutscher-schulpreis.de/).

Wirtschaftliche Interessen verhindern den Fortschritt

Schade nur, dass die guten Beispiele so wenig Nachahmerinnen und Nachahmer finden. Die Gründe dafür sind vielfältig und gelegentlich kompliziert. Beginnen wir einmal damit, dass sich Entscheidungsträger nicht von Lobbyisten beraten lassen sollten, deren erstes Interesse darin besteht, die Profitinteressen ihrer Verbände und ihrer Mitglieder zu befriedigen. Das mag zwar billig und auf den zahlreichen Empfängen angenehm sein, entspricht aber bestenfalls teilweise den Interessen der von Bildungsbemühungen Betroffenen.

Bildung als gesellschaftliche Aufgabe

Nachdem diesen einfachen Umstand schon so viele nicht verstehen wollen oder können, wird es noch viel schwieriger, in der Gesellschaft das Bewusstsein dafür zu schaffen, dass Bildung eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, die wir nicht einfach den Behörden überlassen dürfen. Während sich letztere – frei von jeglicher pädagogischer und didaktischer Kompetenz – oftmals nicht als Unterstützer sondern Bremsklötze notwendiger Neuerungen auszeichnen, gilt es sich gesamtgesellschaftlich aus der Komfortzone zu begeben.

  1. Wir können nicht mehr Lehrkräfte und pädagogische Fachkräfte fordern, wenn die Menschen, die diese Berufe ergreifen sollen, niemals geboren wurden. Denn die oftmals zu Unrecht gescholtene Boomergeneration muss sich zumindest einen Vorwurf gefallen lassen: Sie hat zu wenige Kinder bekommen. Jetzt muss es darum gehen, wie wir mit dem vorhandenen Personal klarkommen und die Berufe im Bildungsbereich attraktiv gestalten können.
  2. Wir müssen uns wieder selbst mehr um unsere Kinder kümmern. Die oftmals überlasteten und von Personalnot gezeichneten Betreuungs- und Bildungsstätten können das voraussichtlich immer weniger leisten. Eltern und Elterninitiativen, die finanziell und organisatorisch deutlich besser gefördert werden müssen, sollten sich mehr engagieren können. Dabei wäre es von entscheidender Bedeutung, dass das Leben mit Kindern und die gesamtgesellschaftliche Verantwortung für diese stärker in den Mittelpunkt gerückt wird.
  3. Wenn die soziale Ungleichheit in dieser Gesellschaft dafür verantwortlich ist, dass Bildungschancen ungleich verteilt sind, müssen wir uns endlich nachdrücklich für mehr soziale Gerechtigkeit engagieren. Neu ist das übrigens überhaupt nicht. Das Problem gibt es schließlich schon seit Jahrtausenden.
  4. Gleiches gilt für die Inklusion. Selbstverständlich ist diese durch die Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention durch die Bundesrepublik Deutschland ein verbindliches Recht. Das ist darin begründet, dass Inklusion eine große Chance für unsere Gesellschaft ist. Wenn wir aufhören, Menschen nach ihrem vermeintlichen materiellen Nutzen oder ihrer Macht Wert zu schätzen (was übrigens niemandem nutzt), wird unsere Gesellschaft zusammenwachsen. Sinn einer Gemeinschaft ist doch, sich gegenseitig zu helfen.
  5. Ebenso bekannt sind die Herausforderungen, vor denen Kinder stehen, die nicht oder nur schlecht unsere Sprache sprechen. Seit Jahrzehnten wissen wir, dass neben Sprachförderung nur eine gelungene Integration helfen kann, die Probleme zu beheben. Wie heißt es so schön in Goethes Faust: „Der Worte sind genug gewechselt, lasst uns nun endlich Taten sehen!“
  6. Wir müssen der Wissenschaft einen deutlich breiteren Raum im gesellschaftlichen Bewusstsein einräumen als bisher. Der Wissenschaftsbetrieb liefert uns regelmäßig Erklärungen für Fragen rund um Bildung und Lernen. Aber Vorsicht: Nicht jede oder jeder, der einen Professoren- oder Doktortitel trägt, ist auch eine ernsthafte Wissenschaftlerin oder ein Wissenschaftler.
  7. Alle an der Gesellschaft Beteiligten sollten über mehr Wissen im Bereich der geistigen und körperlichen Entwicklung des Menschen verfügen. Denn nicht was uns gefällt, ist gut für ein Kind, sondern das, was es auf seiner jeweiligen Entwicklungsstufe benötigt und ihm guttut.
  8. Investitionen in den Bildungsbetrieb sollten für alle von größter Bedeutung sein. Dabei sollte an erster Stelle stehen, dass die Kinder und das Bildungspersonal sich in ihrer Bildungseinrichtung wohl fühlen. Stinkende Toiletten oder kaputte Heizungen sind ein unverzeihlicher Skandal.
  9. Nicht zuletzt gilt es, Räume für Kinder und Jugendliche wieder zu öffnen, in denen sie ungestört spielen, ihren eigenen Interessen nachgehen und sich miteinander austauschen können. Naturräume würden zudem Möglichkeiten für sinnliche Erfahrungen öffnen, in denen Kinder auch Selbstwirksamkeit zusätzlich erleben könnten.
  10. Wir müssen jene Politiker untersützen, die diese Punkte unterstützen, und jene abwählen, die hier keinen Zugang finden.

Bildung gehört ins Zentrum der Politik

Neben der Gesellschaft sind selbstverständlich Politik und auch der Bildungsbetrieb gefragt. Es ist durchaus fraglich, ob es möglich ist, der heutigen Politikerinnen- und Politikergeneration klar zu machen, dass eine gute Bildung die Lösung für alle Herausforderungen ist. Deshalb gehört Bildung auch in das Zentrum der Politik. Dabei geht es aber eben nicht nur um Mathematik, Lesen und Naturwissenschaften. An erster Stelle wären hier Kreativität, Forschergeist, Selbstbewusstsein, Anstrengungsbereitschaft und soziale Fähigkeiten gefragt. Bildung muss unabhängig sein von Weltanschauung, Ideologie und wirtschaftlichen Interessen. Bevor wir einen Menschen mit unseren Ansichten und unseren Erwartungen belasten, muss er sich erst soweit entwickeln können, dass er dies auch beurteilen kann. Insofern sollten auch Politikerinnen und Politiker sich an den Rat von wirklich unabhängigen Fachleuten halten und gegenüber Verbänden und Interessensgruppen eine gesunde Skepsis an den Tag legen.

Die berechtigen Interessen werden unterdrückt

Und der Bildungsbetrieb selbst? Qualifikation, Mut, Engagement und ein ehrliches Interesse an den Kindern wären gefragt. Bei der Ausbildung fängt es an. Aber viel fataler ist es, dass sich viele Fachkräfte, sobald sie in einer festen Anstellung oder gar verbeamtet sind, nicht mehr weiterbilden müssen. Das führt dazu, dass viele an alten Zöpfen hängen bleiben, die uns auch nicht vorangebracht haben. Dabei muss jedem, der im Bildungsbetrieb aktiv ist, klar sein, dass er die berechtigen pädagogischen Interessen der Kinder und Jugendlichen an erster Stelle zu vertreten und zu erfüllen hat. Dafür ist Mut und jede Menge Engagement notwendig. Gleichzeitig gilt es jeder Versuchung zu widerstehen, die darauf zielt, Menschen nach einem Idealbild zu formen. Erstens hat das noch niemals in der Geschichte geklappt und zweitens ist das der beste Weg zu verhindern, dass sich Kinder und Jugendliche wirklich entwickeln können.

Die vielgliedrige System hat erneut versagt

Zudem sollten wir uns endlich davon verabschieden, dass unser drei- bzw. viergliedriges Schulsystem eine sinnvolle Lösung ist. Kinder sind viel zu unterschiedlich dafür. Die internationale Erfahrung zeigt, dass die erfolgreichen Systeme vor allem jene sind, die auf ein möglichst langes gemeinsames Unterrichten setzen. Und genau das würde auch für einen besseren gesellschaftlichen Zusammenhalt setzen.

All das würde uns schon ein ordentliches Stück weiterbringen. Aktionismus, wie etwa die vielbeschworene Rückkehr in irgendwelche Pauksysteme oder das Vorantreiben der Digitalisierung werden uns dagegen nicht nutzen. Pauksysteme sind gut für eintönige Arbeiten oder den veralteten, überkommenen Militarismus, der uns in unsägliches Leid geführt hat. Und digitale Geräte mit dem notwendigen Lehrpersonal können nur ein zusätzliches Angebot sein, um den Kindern und Jugendlichen in Ihrer Orientierung in einer wachsenden digtalisierten Welt zu sein. Ihre Wirkung auf das Lernen ist nicht ansatzweise erforscht. Am Anfang stehen jedoch sinnliche Erfahrungen und Menschen, die für die Erfahrung des Lebens und der Welt begeistern.

Mehr Vertrauen in die Kinder und ihren eigenen Selbstbildungsprozess verlangt nicht mehr Aktion, sondern mehr Aufmerksamkeit und Wertschätzung. So wird aus weniger mehr, um Raum für echte Bildungserfahrungen zu öffen.

Gernot Körner




PISA-Studie: Leistungsabfall in Mathematik, Lesen und Naturwissenschaften

Die Kompetenzen der 15-Jährigen sind gegenüber den Tests 2018 deutlich gesunken

Die Jugendlichen in Deutschland schneiden in Mathematik, im Lesen und in Naturwissenschaften deutlich schlechter ab als noch 2018. Dies zeigt die neue PISA-Studie. Rund ein Drittel der getesteten 15-Jährigen hat in mindestens einem der drei Bereiche nur sehr geringe Kompetenzen. Die Ergebnisse bestätigen einen Abwärtstrend, der sich in den vorherigen PISA-Studien bereits angedeutet hatte. Die Schülerinnen und Schüler erreichen in Mathematik und Lesen nur noch das Durchschnittsniveau der OECD-Staaten. Lediglich in den Naturwissenschaften liegen ihre Ergebnisse weiterhin darüber.

In Deutschland sind die Leistungseinbußen überdurchschnittlich groß

Die PISA-Studie untersucht regelmäßig, wie gut 15-jährige Schülerinnen und Schüler gegen Ende ihrer Pflichtschulzeit alltagsnahe Aufgaben in Mathematik, im Lesen und in den Naturwissenschaften lösen können. Die aktuelle Studie, die von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) koordiniert und in Deutschland vom Zentrum für internationale Bildungsvergleichsstudien (ZIB) an der Technischen Universität München (TUM) geleitet wird, wurde im Frühjahr 2022 durchgeführt.

In vielen OECD-Staaten haben sich die durchschnittlichen Mathematik- und Lesekompetenzen der Jugendlichen im Vergleich zur vorherigen PISA-Studie von 2018 verringert. Dies gilt in geringerem Maße auch für die naturwissenschaftliche Kompetenz.

In Deutschland sind die Leistungseinbußen in allen drei Bereichen überdurchschnittlich groß. Deutschland liegt damit nur noch in den Naturwissenschaften signifikant über dem Durchschnitt der OECD-Staaten (492 zu 485 Punkten). In Mathematik (475 zu 472 Punkten) und Lesen (480 zu 476 Punkten) entsprechen die Ergebnisse jetzt dem OECD-Durchschnitt, der in beiden Bereichen ebenfalls gesunken ist.

Unter dem Niveau von 2000

Nach der ersten PISA-Studie 2000 hatte Deutschland seine Ergebnisse zunächst verbessern und auf hohem Niveau halten können. In den vergangenen PISA-Runden hatte sich allerdings ein Abwärtstrend angedeutet. Die Ergebnisse in Mathematik und Naturwissenschaften liegen nun unter dem Niveau der PISA-Studien der 2000er Jahre, als Mathematik (PISA 2003) und Naturwissenschaften (PISA 2006) jeweils zum ersten Mal vertieft untersucht wurden. Beim Lesen entsprechen die Ergebnisse in etwa der PISA-Studie 2000, als Lesen erstmals Studienschwerpunkt war.

Nur sehr wenige OECD-Staaten konnten zwischen 2018 und 2022 Teile ihrer Ergebnisse verbessern, beispielsweise Japan im Lesen und in den Naturwissenschaften sowie Italien, Irland und Lettland in den Naturwissenschaften. In Mathematik haben die Jugendlichen in Japan und Korea im Schnitt die höchsten Kompetenzen. Im Lesen stehen Irland, Japan, Korea und Estland an der Spitze. In den Naturwissenschaften erreichen Japan, Korea, Estland und Kanada die besten Werte.

Schwerpunkt der achten PISA-Studie: Mathematik

Bei der achten PISA-Studie (Programme for International Student Assessment) wurden in Deutschland die Kompetenzen von rund 6.100 repräsentativ ausgewählten 15 Jahre alten Schülerinnen und Schüler an rund 260 Schulen aller Schularten getestet. Zudem wurden die Jugendlichen zu ihren Lernbedingungen und Einstellungen sowie ihrer sozialen Herkunft befragt. Schulleiterinnen, Schulleiter, Lehrkräfte und Eltern beantworteten Fragen zu Gestaltung und Ressourcen des Unterrichts sowie zur Rolle des Lernens in der Familie. Weltweit nahmen rund 690.000 Schülerinnen und Schüler an der Studie teil. Jede PISA-Studie nimmt einen Bereich intensiver unter die Lupe, diesmal Mathematik.

Der deutsche Teil der Studie wird im Auftrag der Kultusministerkonferenz und des Bundesministeriums für Bildung und Forschung vom ZIB geleitet, an dem neben der TUM das Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation (DIPF) und das Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik (IPN) beteiligt sind.

Mehr Schülerinnen und Schüler erreichen nur sehr geringe Kompetenzen

Entsprechend der im Test erreichten Punktzahlen ordnet die Studie die Schülerinnen und Schüler sechs Kompetenzstufen zu. Schülerinnen und Schüler, deren Kompetenzen nicht über der Kompetenzstufe eins liegen, benötigen zusätzliche Förderung, um eine berufliche oder weitere schulische Ausbildung bewältigen und an allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens teilhaben zu können.

Rund ein Drittel der 15-Jährigen hat in mindestens einem der drei getesteten Felder nur diese sehr geringen Kompetenzen. Circa jeder sechste Jugendliche hat in allen drei Bereichen deutliche Defizite. Die Anteile dieser besonders leistungsschwachen Jugendlichen sind seit 2018 größer geworden und betragen in Mathematik rund 30 Prozent, im Lesen rund 26 Prozent und in den Naturwissenschaften rund 23 Prozent.

Auf der anderen Seite des Spektrums befinden sich die besonders leistungsstarken Schülerinnen und Schüler. In Mathematik ist ihr Anteil auf rund neun Prozent und im Lesen auf rund acht Prozent gesunken. In den Naturwissenschaften blieb dieser Anteil bei rund zehn Prozent stabil.

Faktor Corona-Pandemie

Aus den Befragungen von Schulleiterinnen, Schuleitern, Schülerinnen und Schülern lassen sich Hinweise für mögliche Gründe für die verschlechterten Ergebnisse ableiten: Zum einen gehen die Forschenden davon aus, dass die Schulschließungen während der Corona-Pandemie einen negativen Effekt auf den Kompetenzerwerb hatten. In Deutschland wurde der Distanzunterricht weniger mit digitalen Medien und mehr mit Materialien, die an die Jugendlichen geschickt wurden, bestritten als im OECD-Durchschnitt. „Deutschland war im internationalen Vergleich nicht gut auf den Distanzunterricht vorbereitet, was die Ausstattung mit Digitalgeräten angeht – hat dann aber aufgeholt“, sagt die Studienleiterin Prof. Doris Lewalter, Bildungsforscherin an der TUM und Vorstandsvorsitzende des ZIB. Förderangebote wurden von weniger als der Hälfte der leistungsschwächeren Schülerinnen und Schüler wahrgenommen.

Die Auswertung der internationalen Daten zeigt allerdings, dass es keinen systematischen Zusammenhang zwischen der Dauer der Schulschließungen und Leistungsrückgängen zwischen 2018 und 2022 gibt. Es gibt sowohl Staaten mit relativ wenigen Schließtagen, die deutlich schlechtere Ergebnisse vorweisen als 2018, als auch Staaten mit relativ vielen Schließtagen, die nur geringfügig weniger oder sogar etwas mehr Punkte erreichen als 2018.

Faktor Sprachschwierigkeiten

Ein zweiter möglicher Faktor für die Erklärung der Ergebnisse im Studienschwerpunkt Mathematik: In Deutschland ist der Zusammenhang zwischen den Kompetenzen der Jugendlichen und dem sozioökonomischen Status der Familien wie auch ihrem Zuwanderungshintergrund weiterhin stark ausgeprägt. Die 15-Jährigen, die selbst zugewandert sind, haben heute deutlich geringere Kompetenzen in Mathematik als die entsprechende Gruppe im Jahr 2012, in dem diese Frage zuletzt untersucht wurde. In den Familien dieser Jugendlichen wird heute zu Hause seltener Deutsch gesprochen als in den entsprechenden Familien 2012.

„Dieser Befund erklärt die Gesamtergebnisse aber nur zum Teil“, betont Lewalter. „Die mathematischen Kompetenzen der Jugendlichen ohne Zuwanderungshintergrund sind im Vergleich zu 2012 ebenfalls geringer geworden – sogar deutlicher als bei den Jugendlichen, deren Eltern zugewandert, die aber selbst in Deutschland geboren sind.“

Faktor Interesse und Motivation

Um den längerfristigen Negativtrend zu erklären, schauen die Forschenden deshalb auch auf die Befragungen der Schülerinnen und Schüler zu Motivation, Einstellungen und Unterrichtsgestaltung. Im Vergleich zum Jahr 2012 haben die Jugendlichen weniger Freude und Interesse an Mathematik. Zugenommen hat dagegen die Ängstlichkeit gegenüber dem Fach. Zudem sehen die 15-Jährigen weniger Nutzen darin, Mathematik zu lernen.

„Die Ergebnisse zeigen außerdem, dass sich die Schülerinnen und Schüler weniger durch ihre Mathematiklehrkraft unterstützt fühlen – diese Unterstützung ist aber ein wichtiges Merkmal für guten Unterricht. Zudem nehmen die Jugendlichen den von ihren Lehrkräften intendierten Lebensweltbezug im Unterricht nur in Teilen wahr. Das erschwert es ihnen zu erkennen, welche Bedeutung Mathematik in ihrem Leben spielt – worunter wiederum die Motivation für das Fach leiden kann“, sagt Lewalter.

„Gemeinsame Kraftanstrengung“

Als wichtigste Konsequenzen aus den PISA-Ergebnissen empfehlen die Bildungsforscherinnen und Bildungsforscher:

• eine systematische Diagnose und Förderung von Sprach- und Lesekompetenz von der Vorschule bis zum Sekundarbereich. „Die Beherrschung der deutschen Sprache ist die Basis für jeden schulischen Erfolg“, sagt Lewalter.

• eine kontinuierliche Weiterentwicklung des Unterrichts und den Einbezug digitaler Medien. „Die Lebensrealitäten der Jugendlichen ändern sich rasant und damit auch die Ausgangslage für die Anwendung von Mathematik, Lesen und Naturwissenschaften“, sagt Lewalter.

• eine bedarfsorientierte Ressourcenzuwendung, um die Ausstattung von Schulen zu verbessern, die viele Kinder und Jugendliche aus sozioökonomisch benachteiligten Familien und mit Zuwanderungshintergrund unterrichten.

„Deutschland hat es nach der ersten PISA-Studie 2000 geschafft, mit wirksamen Förderprogrammen die Kompetenzen der Jugendlichen deutlich zu verbessern“, sagt Lewalter. „Mit einer gemeinsamen Kraftanstrengung von Politik, Schulen und Gesellschaft kann es wieder möglich sein, einen solchen Aufschwung einzuleiten.“

Publikation:

Doris Lewalter, Jennifer Diedrich, Frank Goldhammer, Olaf Köller, Kristina Reiss (Hrsg.): PISA 2022. Analyse der Bildungsergebnisse in Deutschland. Münster 2023. DOI: 10.31244/9783830998488

https://www.pisa.tum.de/pisa/pisa-und-pisa-ceco-publikationen/

Weitere Informationen:

PISA 2022: https://www.pisa.tum.de/pisa/pisa-2022/

Beispielaufgaben: https://www.pisa.tum.de/pisa/beispielaufgabe

Quelle: Mitteilung der Technischen Universität München




9 % des Kita-Personals fehlt eine entsprechende Ausbildung

Weniger Bildungsmöglichkeiten, mehr Betreuung durch Laien

Viele Eltern in Deutschland erleben gerade unmittelbar die Auswirkungen der fehlenden Fachkräfte: Immer mehr Kitas reduzieren die Betreuungszeiten oder bieten zeitweise nur eine Notbetreuung an. Vor dem Hintergrund fehlender pädagogischer Fachkräfte in Kitas werden die sogenannten Fachkräftekataloge in einigen Bundesländern deutlich erweitert. Diese setzen die Qualifikationsanforderungen für die pädagogische Arbeit fest. Ziel ist es, mehr personelle Ressourcen in die Kitas zu bringen.

In einigen Bundesländern dürfen nun beispielsweise auch Logopäden und Geburtshelfer ohne die spezifische, fachschulische Ausbildung für die Arbeit mit Kita-Kindern als pädagogische Fachkraft in einer Kita arbeiten. Der Indikator „Qualifikationsniveau des pädagogischen Personals in Kitas“ im Ländermonitor gibt Auskunft über das Ausbildungsniveau der Fachkräfte.

Die Aufweichung des Fachkräfteangebots steht dabei im Zusammenhang mit dem Personalmangel in Kitas und verhält sich doch konträr zum Anspruch, gute pädagogische Arbeit leisten zu wollen. Eine Studie, die ebenfalls in Kooperation zwischen Bertelsmann Stiftung und FernUni entstanden ist, zeigt die Auswirkungen des Personalmangels auf das pädagogische Handeln: Weniger Bildungsmöglichkeiten für die Kinder, mehr reine Betreuung – unter Aufsicht zunehmend pädagogischer Laien.

Abhängig von der Mitarbeit der Auszubildenden

Hatten 2012 noch 94,1 Prozent des pädagogischen Personals in Kitas (inklusive Horte) einen fachlichen Berufsabschluss (Ausbildung oder Studium), so sind dies zum 1. März 2022 nur noch 90,9 Prozent. Hingegen steigt im selben Zeitraum der Anteil der Beschäftigten ohne Ausbildung sowie von Personen, die sich aktuell noch in der Ausbildung befinden von 5,9 Prozent auf 9,1 Prozent. In Berlin ist dieser Anteil besonders stark von 6,5 Prozent (2012) auf 16,1 Prozent (2022) gestiegen. Die Anzahl der Personen in Kitas (inklusive Horten), die sich aktuell in Ausbildung befinden, hat sich in zehn Jahren verdoppelt. Waren 2012 noch 3,4 Prozent der Beschäftigten Auszubildende, sind es 2022 6,8 Prozent. Das pädagogische Berufsfeld der frühen Bildung ist damit zunehmend von der Mitarbeit und Unterstützung ihrer Auszubildenden abhängig.

Das Hauptmotiv, sich für den anspruchsvollen Beruf Erzieherin oder Erzieher zu entscheiden, ist noch immer in erster Linie die Freude an der Arbeit mit Kindern. „Damit diese Motivation in der praktischen Arbeit nicht auf der Strecke bleibt, braucht es gute Arbeitsbedingungen und verlässliche Strukturen. Dazu gehören auch Kolleginnen und Kollegen, die die gleichen Fachkompetenzen vorweisen, so dass nicht zusätzliche Belastungen durch die Anleitung der fachfremd Tätigen entstehen“, sagt Prof. Dr. Julia Schütz, Leiterin des Lehrgebiets Empirische Bildungsforschung. „Hierfür braucht es einerseits eine gute Fachberatung sowie andererseits unbedingt Fort- und Weiterbildungsangebote.“

Weitere Informationen: https://www.laendermonitor.de/de/startseite

Carolin Annemüller, FernUniversität in Hagen




Fast 20.000 Teilnehmer beim Streiktag Bildung

Bildungsgewerkschaft zu Warnstreiks im Rahmen der Tarifrunde im öffentlichen Dienst der Länder

Fast 20.000 Landesbeschäftigte, die an Bildungseinrichtungen arbeiten, sind dem bundesweiten Warnstreikaufruf der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) zum „Streiktag Bildung“ gefolgt. Mit Streiks und Aktionen haben in Hamburg 4.000, in Berlin 6.000, in Leipzig 7.000 und in Karlsruhe 1.000 Streikende ihren Unmut über die Blockadehaltung der Arbeitgeber (Tarifgemeinschaft deutscher Länder, TdL) in der laufenden Tarifrunde gezeigt. Lehrkräfte, Erzieherinnen, Sozialarbeiter und -pädagogen, Hochschullehrende sowie studentische Beschäftigte haben sich an den Aktionen beteiligt und damit den Forderungen der Gewerkschaften in der Länderrunde Nachdruck verliehen.

Maike Finnern, GEW-Vorsitzende, sagte in Berlin: „In unseren Schulen und Hochschulen arbeiten die Kolleginnen und Kollegen am Limit. Sie stehen für die Zukunft unseres Landes. Sie bilden und erziehen Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene. Ihre Arbeit ist unverzichtbar. Zugleich leiden sie unter dem enormen Fachkräftemangel. Auch die Inflation ist nicht spurlos an ihnen vorbeigegangen. Die Gehälter müssen jetzt spürbar steigen. Die Profis in der Bildung brauchen 10,5 Prozent, mindestens aber 500 Euro mehr. Ich erwarte, dass die Arbeitgeber jetzt ein ordentliches Angebot vorlegen.“

Anja Bensinger-Stolze, GEW-Vorstandsmitglied für Schule, sagte in Hamburg: „Statt eines Angebots jammern die Länder-Arbeitgeber auch in dieser Tarifrunde über die steigenden Personalkosten, über hohe Schuldenstände und fehlendes Geld. Was sie verschweigen: Das Geld ist da! Laut Statistischem Bundesamt haben die Länder in den ersten beiden Quartalen 2023 sogar Schulden abgebaut. Fast alle Bundesländer haben mehr Steuern eingenommen als sie Geld ausgegeben haben. Ich fordere den Verhandlungsführer der TdL, Andreas Dressel, Finanzsenator hier in Hamburg, auf: Investieren Sie in die pädagogischen Fachkräfte, die die Bildungseinrichtungen am Laufen halten! Die Kolleginnen und Kollegen sind Profis – und Profis brauchen mehr!“

Doreen Siebernik, GEW-Vorstandsmitglied für Jugendhilfe und Sozialarbeit, sagte in Leipzig: „Wenn die Arbeitgeber jetzt nicht wach werden und die Kolleginnen und Kollegen im öffentlichen Dienst anständig und fair bezahlen, dann verschärft sich der Fachkräftemangel weiter. Wir durchleben die größte Bildungskrise der Geschichte Deutschlands. Wenn die Arbeitgeber jetzt Ausgaben kürzen, machen sie sich auch an den Kindern in unserem Land schuldig und nehmen Ihnen ihr Recht auf eine gute Kindheit, auf beste Bildung und Teilhabe. Es braucht jetzt gute Arbeitsbedingungen und eine gute Bezahlung gehört einfach dazu.“

Daniel Merbitz, GEW-Vorstandsmitglied für Tarif- und Beamtenpolitik, sagte in Karlsruhe: „Bei diesen Arbeitgebern müssen wir jeden Cent erstreiken. Sie rücken ohne Streiks nichts heraus. So sieht ihre Wertschätzung aus. Im Bildungsbereich brennt die Hütte: Inflation, Fachkräftemangel, Überlastung. Und was machen die Arbeitgeber? Sie stellen das Löschwasser ab. Selbst den Tarifschutz für studentische Hilfskräften blockieren sie. Wir lassen ihnen nicht durchgehen, dass sie sich wegducken!“

Info:

Die Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes wollen 10,5 Prozent Gehaltserhöhung, mindestens aber 500 Euro monatlich mehr, einen Tarifvertrag für alle studentischen Beschäftigten (TV Stud) sowie ein Nachziehen der Verbesserungen im Sozial- und Erziehungsdienst bei den Kommunen auf Landesebene durchsetzen. Der Tarifvertrag soll ein Jahr laufen. Die Arbeitgeber hatten auch in der zweiten Verhandlungsrunde Anfang November kein Angebot vorgelegt.

Für die Tarifrunde im öffentlichen Dienst der Länder sind insgesamt drei Verhandlungsrunden geplant. Die dritte und voraussichtlich letzte Runde ist vom 7. bis 9. Dezember 2023 in Potsdam geplant.

Pressemitteilung: GEW




Bilinguale Bildung durch die Immersionsmethode

phorms

Internationale Fachkräfte machen es möglich

Sprachwissenschaftler:innen halten das Krippen- und Kindergartenalter für den idealen Zeitpunkt, um Kinder erstmals an eine Fremdsprache heranzuführen, denn in diesem Alter saugen Kinder neues Wissen und neue Wörter förmlich auf. Deshalb startet das bilinguale Konzept von Phorms schon in der Krippe und umfasst Kindergarten, Vorschule und Grundschule sowie Gymnasium bzw. Sekundarschule.

Dabei lernen die Kinder Deutsch und Englisch nach der Immersionsmethode

Das bedeutet, dass sie in ein „Sprachbad“ eintauchen, die neue Sprache hören, sprechen und entdecken und sie in authentischen alltäglichen Zusammenhängen und in ihrem gewohnten Umfeld erleben. Sie erlernen die Fremdsprache dadurch so selbstverständlich wie ihre Muttersprache. Die immersive Methode legt viel Wert auf Mimik und Gestik – die Kinder erschließen sich Gesagtes so auch aus dem Kontext.

Wenn die rezeptiven Fähigkeiten zunehmen und das Lese- sowie Hörverstehen besser werden, nehmen die Kinder die neue Sprache schrittweise in ihren alltäglichen Sprachgebrauch auf.


Ermöglicht wird dies bei Phorms durch Lehrkräfte und Pädagogische Fachkräfte aus Deutschland und dem englischsprachigen Ausland, die in einer Campusgemeinschaft Hand in Hand zusammenarbeiten. Dabei gilt das Prinzip „One Person sticks to one language.“ – die Pädagog:innen bleiben jeweils in ihrer eigenen Muttersprache. In der Kita gibt es in jeder Gruppe deutsche und internationale Pädagogische Fachkräfte und in der Schule unterstützen Teaching Assistants die Lehrkraft in der jeweils anderen Sprache. So entsteht ganz natürlich ein bilingualer Alltag für Kinder und Pädagog:innen.

Die Vielfalt unserer Mitarbeitenden ist unsere große Stärke, denn alle bringen ihren sprachlichen, kulturellen und beruflichen Hintergrund in ihre Arbeit ein. Damit das so bleibt, legen wir Wert auf eine respektvolle und offene Kommunikation sowie auf eine inspirierende und wertschätzende Arbeitsatmosphäre. Unser Team arbeitet gern abseits starrer Systeme und ist bereit, die Stärken der Kinder und Jugendlichen zu unterstützen und zu begleiten sowie mit einem aufmerksamen Blick neue Perspektiven zu suchen. Ein weiterer Bonus: Unsere Kolleg:innen können in dem internationalen Umfeld stark von den jeweils anderen Erfahrungen mit Bildungssystemen und -konzepten profitieren, sodass bei Phorms das Beste aus vielen pädagogischen Welten zusammenkommt.

Weitere Informationen finden Sie auf jobs.phorms.de




Kinder brauchen ein Gegenüber, das zuhört und mit ihnen spricht

Die Leiterin der Kita Dietrich-Bonhoeffer in Bremen, Kirsten Vöge, im Interview zum Thema „Sprachförderung“

Die Kita Dietrich-Bonhoeffer liegt im Bremer Stadtteil Huchting. Ein „durchmischter“ Stadtteil am Stadtrand, in dem verschiedene soziale Milieus zusammenkommen. Die Kita begleitet mit Krippe und Kindergarten derzeit 128 Kinder. Gemeinsam mit einer Kollegin leitet Kirsten Vöge die Einrichtung. Da die Kita auch inklusiv ist, arbeitet hier mit insgesamt 53 Kolleginnen und Kollegen Fach- und Hilfskräfte unterschiedlicher Profession. Von den 128 Kindern haben 28 einen besonderen Förderbedarf.

Stärkere Untersützung für mehr Kinder

Auch in Huchting ist die Zahl der Kinder, die im Spracherwerb stärker unterstützt werden müssen, gestiegen. Die Kita ist auch deshalb eine Sprachkita. Zwei Fachkräfte kümmern sich speziell um diesen Bereich. Dass die Zahl der Kinder, die sprachliche Schwierigkeiten haben, auch in Huchting gewachsen ist, hat sich laut Kirsten Vöge in den Ergebnissen des sogenannten PRIMO-Tests gezeigt. Das ist ein Sprachtest, an dem alle Bremer Kinder ein Jahr vor der Einschulung teilnehmen. Waren es in den vergangenen Jahren immer zwischen 12 bis 15 von 40 Kindern die auffällig waren, zeigte sich im jüngsten Test, dass diesmal knapp 30 Kinder einen besonderen Förderbedarf hatten.

Auf der Suche nach den Ursachen

Daraufhin hätte das Team noch einmal genauer hingesehen, wie der Hintergrund der Betroffenen sei. Wie immer gebe es keine einfachen Antworten, so Vöge. Zunächst einmal betreffe das Kinder, die Deutsch nicht als Muttersprache sprechen würden und die relativ spät in die Kita kämen. Deren Anteil sei in den vergangenen Jahren gewachsen. Eine besondere Gruppe sind auch die Kinder aus der Ukraine, deren Familien vor der Frage stünden, ob es sich um eine Übergangssituation handelt oder ob sie sich auf das neue Land einlassen.

Sprache und Sprachfreude verstärken

Daneben wächst auch die Zahl der Kinder, die hierzulande geboren sind und dennoch einen erhöhten Sprachförderbedarf haben. Hier kann Kirsten Vöge nur Vermutungen anstellen. „Wir nehmen verstärkt zur Kenntnis, dass Kinder früh mit Medien Kontakt haben, also mit Medien, mit Smartphones, mit Tablets und dann natürlich gut beschäftigt sind“, sagt sie. Diese Kinder hätten kein Gegenüber, mit dem sie sprechen könnten, das ihnen Feedback gebe, das sie bestätige, in dem, was sie sagten. Und wenn niemand die Sprache und die Sprachfreude verstärke, dann sei das womöglich auch ein Hemmnis. Die Kinder müssten an das Kommunizieren herangeführt werden. Und da läge der Ball schon bei den Eltern, die auf ihr Kind eingehen sollten.

Zugang zu Büchern verstärken

Auch der Zugang zu Büchern sei ein großes Thema. Vöge fragt danach, ob sich jemand in den Familien mit einem ein Buch hinsetze und vorlese. „Ich müsste ja nicht mal die Geschichte vorlesen, die in diesem Buch steht, sondern einfach ins Gespräch kommen über Bilder, die wir gemeinsam betrachten.“

Um den Familien hier mehr Anregung zu geben, habe man nun eine Ausleihbücherei vor Ort. Neben dem Besuch in der Stadteilbücherei, könnten die Kinder nun auch hier wöchentlich Bücher ausleihen, um einfach überhaupt die Möglichkeit zu haben, zu Hause gemeinsam Bücher anzuschauen.

Sprache als Querschnittaufgabe

Viele Sachen, die in der Kita getan würden, sind lauf Vöge keine besonderen Sachen. Die Haltung in der Kita sei zunächst einmal, Sprache als Querschnittaufgabe zu sehen. Überall stecke Sprache drin und Sprache sei der Schlüssel zur Welt. Vieles stamme aus dem Bundesprojekt „Sprachkita“. Das sei das Fundament. „Wir nutzen jede Möglichkeit im Alltag, um ins Gespräch zu gehen oder dem Kind ein Feedback zu geben“. Dann gebe es eine feste Struktur. So etwa die festen Essenszeiten, zu denen jederzeit Tischgespräche geführt werden könnten. Die Kinder hätten immer eine relativ homogene Gruppe um sich, in der sie ihr Gegenüber kenne und vertrauen würden. So könnten sie sich jederzeit an einem Gespräch beteiligen. Vertrauen und Bindung seien nun mal die Grundlage, um lernen und sich einlassen zu können.

Brücken schaffen mit Metacom Karten

Bedingt durch den erhöhten Förderbedarf setze man auch Metacom Karten ein. Das seien Karten, die eine Situation in einem sehr leichten Bild oder einen Gegenstand zeigten, durch deren Nutzung Kinder die Möglichkeit haben, in einen Kontakt zu kommen. Das sei nun zunächst nicht sprachlich. Aber in jedem Fall habe das Kind die Möglichkeit, etwas auszudrücken. Zudem seien sprachbegleitende Gebärden von besonderer Bedeutung, die überall im Alltag eingesetzt würden. Kinder könnten diese Gebärden mit Worten, mit Lauten und Singen in Verbindung bringen. Damit könnte eine Brücke gebaut werden kann.
Das Wichtigste ist laut Vöge, dass sich jede Fachkraft jederzeit darüber bewusst ist, dass sie das Sprachvorbild für die Kinder darstellt. Zudem sollte jedem klar sein, was für eine Kompetenz oder sogar Macht er habe, Sprache anzuregen oder auch nicht, „durch mein eigenes Sprechen, durch meine Nutzung von gewissen Worten. Das sollten wir in jedem Moment, in dem wir im Kita-Alltag unterwegs sind, wissen.“

Kinder wirklich wahrnehmen

Eltern rät sie, mit ihren Kindern direkt im Kontakt zu sein, ihr Kind wirklich wahrzunehmen, zu hören, was es sagt, was es ausdrücken möchte und es darin zu unterstützen, indem sie natürlich immer positiv darauf reagieren und es verstärken. Das wäre die Grundvoraussetzung,

„Und dann würde ich sagen, das Handy mal in der Tasche lassen und Bücher oder Geschichten nutzen, um gemeinsame Welten auch zu erschaffen.“, ergänzt sie. Dabei gehe es nicht unbedingt darum, die Bücher zu lesen, sondern einfach nur gemeinsam anzuschauen. Gemeinsam Bilder anzusehen, etwas zusammen zu machen und das, was das Kind dort anbiete, zu verstärken, sei enorm wichtig nicht nur für den Spracherwerb.

Über gemeinsame Erlebnisse zur eigenen Familiensprache finden

Gemeinsame Erlebnisse würden Anregungen zu gemeinsamen Gesprächen schaffen, um Sprache in den Alltag zu integrieren. So entstünde eine Familiensprache, die das Fundament für jede weitere Sprache sei. Dabei sollten Eltern einfach die Sprache nutzen, in der sie selbst sicher seien. Denn mit dem Kind Deutsch zu sprechen, wenn man selbst unsicher in dieser Sprache sei, helfe der sprachlichen Entwicklung des Kindes nicht. „Wenn ich allerdings eine Sprache spreche, in der ich groß geworden bin, in der ich denke und träume, dann ist das eine gute Grundlage. Da kann man natürlich sehr schnell feststellen, spricht das Kind diese Sprache wirklich gut oder gibt es auch in der Familiensprache eigentlich Punkte, bei denen man denkt, oh, das könnten Hinweise auch auf eine verzögerte, eine Entwicklungsstörung sein und da gibt es Hilfebedarf.“ Und diese Hilfen stehen in der Kita in Huchting und in der Gemeinde zur Verfügung.

Gernot Körner




Veranstaltungsangebote zu „Kinder beteiligen, fördern, schützen“

Die Online-Live-Workshopreihe der Deutschen Liga für das Kind von November bis Januar

Die Online-Live-Workshopreihe der Deutschen Liga für das Kind geht weiter. Von Ende November bis Januar gibt es wieder einige Veranstaltungen. Die Referentinnen und Referenten der Workshops gehören dem interdisziplinären Vorstand der Liga an. Neben kinderärztlicher Expertise, einem entwicklungspsychologischen oder erziehungswissenschaftlichen Blick, bringen diese auch soziologische Sichtweisen ein sowie aktuelles fachliches Wissen in speziellen Bereichen, etwa der Arbeit mit traumatisierten Kindern sowie Ergebnisse neuer Forschungsvorhaben.

29.11.2023, 16.00 – 18.00 Uhr 

„Die Kita als sicherer Ort für Kinder. Grenzverletzendes Verhalten von Fachkräften verhindern.“ mit Bianka Pergande. Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung, selbstverständlich auch in der Kita. Dass das Wohl einzelner Kinder oder auch von Kindergruppen beeinträchtigt wird, kommt in Kindertageseinrichtungen aber gar nicht so selten vor. Thematisiert wird dies jedoch selten. Was aber genau ist grenzverletzendes Verhalten? Wie häufig kommt es im Alltag von Kitas vor? Wie kann solchen Situationen vorgebeugt werden und wie sieht eine wirksame Unterstützung im Team aus, um Grenzverletzungen zu verhindern?

13. Dezember 2023, 16.00 – 18.00 Uhr 

„Zwischen sexueller Bildung und Schutz vor Missbrauch. Sexualpädagogik in der Kita.“ mit Professor Dr. Jörg Maywald. Sinnesfreude und Körperneugier gehören zur gesunden Entwicklung jedes Kindes. Dennoch bestehen bei vielen Fachkräften große Unsicherheiten. Was ist „normal“ und wann muss ich mir Sorgen machen? Wie kann sexualisierter Gewalt wirksam vorgebeugt werden? Was tun, wenn „etwas“ passiert ist?

10. Januar 2024, 16.00 – 18.00 Uhr  

Aufwachsen unter schwierigen Bedingungen: langfristige Hypothek oder vorbereitendes Übungsfeld?
mit Professorin Dr. Sabine Walper, Direktorin des Deutschen Jugendinstituts

Weitere Infomationen

Die Online-Live-Workshops finden jeweils nachmittags zwischen 16.00 und 18.00 statt. Informationen und Buchung: https://fruehe-kindheit-online.de/?cat=c17_Workshops-Workshop.html

Auch Kontingentbuchungen für Kita-Teams oder durch Fachberatungen sind möglich.

Quelle: Information der Deutschen Liga für das Kind




GEW ruft den „Streiktag Bildung“ aus

Bildungsgewerkschaft zur Tarifrunde öffentlicher Dienst Länder

Für den 28. November ruft die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) den „Streiktag Bildung“ aus. Länderbeschäftigte, die an Bildungseinrichtungen arbeiten, sollen an vier zentralen Kundgebungsorten mit Streiks und Aktionen ihren Unmut über die laufende Tarifrunde laut artikulieren. Die Bildungsgewerkschaft rechnet in Hamburg, Berlin, Leipzig und Karlsruhe jeweils mit mehreren tausend Beschäftigten, die an diesem Tag die Arbeit niederlegen. Lehrkräfte, Erzieherinnen, Sozialarbeiter und -pädagogen, Hochschullehrende sowie studentische Beschäftigte sollen sich an den Aktivitäten beteiligen und den Forderungen der Gewerkschaften in der Länderrunde Nachdruck verleihen.

10,5 Prozent Gehaltserhöhung gefordert

Die Gewerkschaften wollen 10,5 Prozent Gehaltserhöhung, mindestens aber 500 Euro monatlich mehr, einen Tarifvertrag für alle studentischen Beschäftigten sowie ein Nachziehen der Verbesserungen im Sozial- und Erziehungsdienst bei den Kommunen auf Landesebene durchsetzen. Der Tarifvertrag soll ein Jahr laufen. Die Arbeitgeber hatten auch in der zweiten Verhandlungsrunde Anfang November kein Angebot vorgelegt. „Die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) hat in vielen Fragen ihren gesellschaftlichen und sozialen Kompass komplett verloren. Die Beschäftigten geben auf der Straße mit Streiks und Aktionen die richtige Antwort auf diesen Konfrontationskurs der Arbeitgeber“, betonte GEW-Vorsitzende Maike Finnern am Dienstag in Frankfurt a.M. Sie erinnerte daran, dass die Inflation noch nicht vorbei sei. Die Beschäftigten hätten aus den vergangenen beiden Jahren einen großen Nachholbedarf beim Gehalt.

Info:

Für die Tarifrunde im öffentlichen Dienst Länder sind drei Verhandlungsrunden geplant. Die dritte Runde findet am 7./8. Dezember in Potsdam statt.

Hier finden Sie die Ansprechpartnerinnen und -partner für die Kundgebungen sowie alle wichtigen Informationen:

Hamburg:
11:00 Uhr: Kundgebung am Dammtorbahnhof (Dag-Hammarskjöld-Platz) u.a. mit Anja Bensinger-Stolze (Leiterin des OB Schule beim GEW Hauptvorstand)
11:30 Uhr: Demo zur Finanzbehörde
13:20 Uhr: Abschlusskundgebung vor dem Curiohaus
13:30 Uhr: Musik und Kundgebung im Curiohaus
Rückfragen: Bodo Haß, stellvertretender Vorsitzender der GEW Hamburg, 0170/7076933, Birgit Rettmer, Tarifexpertin der GEW Hamburg, 0151/16128471

Berlin:
10 Uhr: Demo-Beginn am Schlossplatz (U Museumsinsel).
12 Uhr: Kundgebung vor dem Brandenburger Tor (Platz des 18. März).
Bei der Kundgebung wird u.a. die GEW-Vorsitzende Maike Finnern sprechen.
Rückfragen: Markus Hanisch, Pressesprecher der GEW Berlin, 030/219993-46

Leipzig:
10:30 Uhr: Auftaktkundgebung auf dem Simsonplatz (vor dem Bundesverwaltungsgericht) zusammen mit Kolleg*innen aus Sachsen-Anhalt und Thüringen
12:30 Uhr: Ende der Abschlusskundgebung auf dem Johannisplatz
Hauptrednerin ist Doreen Siebernik, GEW-Vorstandsmitglied Jugendhilfe und Sozialarbeit.
Rückfragen: Matthes Blank, Pressesprecher GEW Sachsen, 0173/3927918

Karlsruhe::
13 Uhr: Auftaktkundgebung auf dem Festplatz
13:30 Uhr: Demonstration
14:30 Uhr: Kundgebung auf dem Kronenplatz
Hauptredner: Daniel Merbitz, GEW-Vorstandsmitglied Tarif- und Beamtenpolitik
Rückfragen: Martin Schommer, Referent für Tarif-, Beamten- und Sozialpolitik der GEW Baden-Württemberg, 0711/21030-12, 0152/54084324, Matthias Schneider, Pressesprecher der GEW Baden-Württemberg, 0711/21030-14

Die Gewerkschaften verhandeln für rund 2,5 Millionen Beschäftigte. Im Organisationsbereich der GEW wird beispielsweise für Beschäftigte an Schulen wie Lehrkräfte, im Sozial- und Erziehungsdienst der Länder wie Erzieherinnen und Schulsozialarbeiter sowie für Hochschullehrende und studentische Beschäftigte verhandelt.

Ver.di hat die Verhandlungsführerschaft für die Gewerkschaften des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB).

Quelle: Pressemitteilung GEW