Kinder aus benachteiligten Familien bekommen seltener KiTa-Platz

Zu diesem Schluss kommt das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) in einer aktuellen Studie

Ob Kinder einen Betreuungsplatz in einer KiTa bekommen oder nicht, hängt stark von den sozioökonomischen Verhältnissen ihrer Eltern ab. Daran hat sich auch zehn Jahre nach Einführung des Rechtsanspruchs auf einen KiTa-Platz nach dem vollendeten ersten Lebensjahr wenig geändert.

Zu diesem Schluss kommt das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) in einer aktuellen Studie, die Daten zur KiTa-Nutzung von rund 96.000 Jungen und Mädchen untersucht hat. Demnach haben Kinder aus bildungsferneren Familien, aus armutsgefährdeten Verhältnissen oder aus Haushalten, in denen kein Deutsch gesprochen wird, deutlich geringere Chancen auf einen Betreuungsplatz – trotz vielfach geäußerter Betreuungsbedarfe. Anlässlich des Bildungsgipfels der Bundesregierung am 14. und 15. März empfehlen die Forscherinnen und Forscher des BiB, gerade für diese Kinder Zugangsbarrieren zu frühkindlicher Bildung dringend weiter abzubauen.

Geringe Teilhabe von Kindern aus armutsgefährdeten Familien

Im Jahr 2020 hatte nur etwa jedes vierte (23 Prozent) armutsgefährdete Kind unter drei Jahren einen Platz in einer KiTa, während es bei Familien aus nichtprekären Verhältnissen doppelt so viele waren (46 Prozent). Gleichzeitig ist die Betreuungslücke bei KiTa-Plätzen in ärmeren Familien viel größer – sie beträgt rund 17 Prozent, bei reicheren Familien ist nur etwa jeder zehnte Betreuungswunsch nicht erfüllt.

Größter Betreuungsbedarf in Familien, die zu Hause kein Deutsch sprechen

Ein ähnliches Muster zeigt sich bei Familien mit Migrationshintergrund. Unter allen Kindern, die zu Hause hauptsächlich Deutsch reden, besuchen 38 Prozent eine KiTa. Unter Jungen und Mädchen, in deren Familien kein Deutsch gesprochen wird, sind es hingegen nur 24 Prozent. Dr. Sophia Schmitz, Mitautorin der Studie, weist auf eine große Betreuungslücke hin: „Familien, die zu Hause kein Deutsch sprechen, äußern genauso häufig einen Wunsch nach einem KiTa-Platz wie andere Familien. Trotzdem gehen diese Kinder viel seltener vor dem 3. Lebensjahr in KiTa: Nur jedes zweite Kind besucht eine KiTa, trotz eines Betreuungswunsches der Eltern.“ Vor dem Hintergrund, dass diese Kinder von einem frühen KiTa-Besuch und einem schnellen Spracherwerb besonders profitieren würden, seien diese Befunde alarmieren.

Frühzeitige Bildungsteilhabe von hoher gesellschaftlicher Bedeutung

Trotz vielfältiger Ausbaubemühungen in den vergangenen Jahren halten die Autorinnen und Autoren der Studie zusätzliche Anstrengungen für nötig.

„Wenn wir Bildungsungleichheiten verringern wollen und möchten, dass alle Kinder ihre Potenziale bestmöglich entfalten, dann müssen wir die Teilhabechancen für alle Kinder erhöhen“, resümiert Prof. Dr. C. Katharina Spieß, Direktorin des BiB. Dazu gehört auch, Familien niedrigschwellig über die Vorteile einer frühen KiTa-Bildung zu informieren oder Eltern bei der Suche nach Betreuungsplätzen aktiv zu unterstützen – aber auch der weitere KiTa-Ausbau gehört dazu.

„Wenn man bedenkt, dass heute nahezu jedes zweite Kind unter zehn Jahren eine Zuwanderungsgeschichte hat, müssen Zugangsbarrieren zu einer guten frühkindlichen Bildung für Kinder mit Migrationshintergrund dringend abgebaut werden“, so Spieß weiter.

Dies sei auch im Hinblick auf die alternde Gesellschaft in Deutschland eine wichtige Aufgabe, denn Bildungsinvestitionen in der frühen Kindheit seien im Vergleich zu späteren Bildungsphasen besonders effizient.

Umfassende Datenanalyse zur Betreuungssituation

Die Untersuchung basiert auf der DJI-Kinderbetreuungsstudie (KiBS) für die Jahre 2013 bis 2020 und beruht auf den aktuellsten Daten, die der Forschung gegenwärtig zur Verfügung stehen. Sie sind repräsentativ für Deutschland und umfassen Informationen von etwas weniger als 96.000 Kindern unter drei Jahren zu KiTa-Betreuungswünschen der Eltern sowie der tatsächlichen KiTa-Nutzung.

Zum Rechtsanspruch auf einen KiTa-Platz

Der bundesweite Rechtanspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung oder in der Kindertagespflege ab dem ersten vollendeten Lebensjahr wurde zum 1. August 2013 eingeführt. Seitdem ist der quantitative KiTa-Ausbau im U3-Bereich weiter vorangeschritten und wurde durch weitere Gesetze und Investitionsprogramme zu qualitativen Verbesserungen – wie dem Gute-KiTa-Gesetz – erweitert. Das Gute-KiTa-Gesetz sah vor, die Qualität der frühen Bildung, Erziehung und Betreuung in den Einrichtungen bundesweit weiterzuentwickeln und die Teilhabe in der Kindertagesbetreuung zu verbessern. Zur weiteren Finanzierung dieses Vorhabens trat zum 1. Januar 2023 das KiTa-Qualitätsgesetz in Kraft; dabei unterstützt der Bund die Länder in den kommenden beiden Jahren mit insgesamt rund vier Milliarden Euro.

Dr. Christian Fiedler, Bundesinstitut für Bevölkerungsfragen




Der frühe Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit erhöht die Bildungschancen

Neue Analysen des BiB und bisherige Befunde zu den Wirkungen der Staatsangehörigkeitsreform

30 Prozent der in Deutschland lebenden Kinder haben mindestens ein Elternteil mit eigener Migrationserfahrung. Auch ein Teil von ihnen würde von der derzeit diskutierten Reform des Staatsangehörigkeitsgesetzes profitieren. Analysen zu den Wirkungen früherer Reformen des Staatsangehörigkeitsrechts geben Hinweise darauf, dass die Einführung des Geburtsortsprinzips beim Erwerb der Staatsangehörigkeit die Bildungschancen der davon betroffenen Kinder begünstigt. So zeigen neue Berechnungen des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB), dass sich mit dem Erlangen der deutschen Staatsangehörigkeit bei Geburt sowohl Bildungserwartungen als auch schulische Leistungen von Kindern ausländischer Eltern erhöhen können. Erwartungen von Kindern und Eltern hinsichtlich künftiger Schulabschlüsse der Kinder, sogenannte „Bildungsaspirationen“, gelten als wichtiger Indikator für den Bildungserfolg von Kindern und Jugendlichen. Das zeigen zahlreiche nationale und internationale Studien.

Frühzeitiger Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit erhöht den Bildungserfolg bei Kindern

Analysen des BiB auf Basis des Nationalen Bildungspanels (NEPS) haben die Reform des Staatsangehörigkeitsgesetzes von 1999 evaluiert, mit der das sogenannte „Geburtsorts­prinzip “ ergänzend eingeführt wurde. Dies bedeutet: Kinder ausländischer Eltern, die ab dem 1. Januar 2000 in Deutschland geboren wurden und von denen mindestens ein Elternteil bereits mindestens acht Jahre lang rechtmäßig in Deutschland gelebt hat und ein unbefristetes Aufenthaltsrecht besitzt, erlangen automatisch bei Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit.

Zur Messung eines möglichen kausalen Effektes des frühen Erwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit auf den Bildungserfolg von Kindern vergleicht das BiB Kinder auf zwei verschiedenen Ebenen:

  • Zum einen Kinder, die im Jahr vor der Reform geboren sind mit Kindern, die im Jahr nach der Reform geboren wurden.
  • Zum anderen Kinder, deren Eltern die vorgeschriebene achtjährige Aufenthaltsbedingung erfüllen mit Kindern, deren Eltern diese Bedingung nicht erfüllen.

Die Ergebnisse des BiB belegen, dass sich der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit von Kindern bei Geburt positiv auf die Wahrscheinlichkeit auswirkt, wonach das Abitur der gewünschte und als realistisch angesehene Schulabschluss des Kindes und der Eltern ist.

„Sowohl Eltern als auch Kinder selbst erwarten sehr viel häufiger als diejenigen, die nicht von der Reform betroffen waren, dass das Kind bzw. es selbst die Schule mit dem Abitur abschließt“, erklärt Elena Ziege, Bildungsforscherin am BiB. Es sind 14 bzw. 16 Prozent mehr, die dies erwarten. Mit der deutschen Staatsangehörigkeit steigt aber nicht nur die Erwartung, das Abitur erfolgreich abzuschließen – es nimmt auch die Wahrscheinlichkeit zu, dass das Kind nach der vierten Klasse tatsächlich ein Gymnasium besucht. Im Vergleich zu den Kindern, die nicht von der Reform betroffen waren, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit von 46 auf 62 Prozent. Der Effekt, dass eher ein Gymnasium besucht wird, lässt sich über die gesamte Schulzeit beobachten.

Teilhabe der Kinder steigert soziale Interaktion der Eltern

Andere wissenschaftliche Untersuchungen belegen ebenfalls die positive Wirkung des frühzeitigen Staatsangehörigkeitserwerbs auf Kinder mit Migrationshintergrund: Die deutsche Staatsangehörigkeit vergrößert demnach auch die Wahrscheinlichkeit eines Kitabesuchs. Zusätzlich verbessern sich ihre Deutschkenntnisse, das sozioemotionale Verhalten und die Schulleistungen. Darüber hinaus wiederholen Kinder, die nach der Staatsangehörigkeitsreform die deutsche Staatsangehörigkeit durch Geburt erwerben konnten, seltener eine Klasse.

Weitere Studienergebnisse zeigen auch, dass sich durch den frühen Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit der Kinder die soziale Interaktion der Eltern mit Deutschen erhöht. Darüber hinaus verbessern die Eltern ihre Deutschfähigkeiten und lesen häufiger deutsche Zeitungen, was sich wiederum positiv auf die Kinder auswirken kann. „In der empirischen Forschung gibt es zahlreiche Hinweise darauf, welche positiven Auswirkungen ein früherer Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit auf die Bildungschancen von Kindern und Jugendlichen in Deutschland haben könnte – auch das sollte bei der gegenwärtigen Diskussion nicht außer Acht gelassen werden“, so BiB-Direktorin C. Katharina Spieß.

Dr. Christian Fiedler Pressestelle, Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB)