Ein Viertel weniger HPV-Impfungen bei Kindern
Mit dem Rückgang der Zahl der Impfungen wächst die Gefahr vor Krebs durch Humane Papillomviren
Die Zahl der Schutzimpfungen gegen Humane Papillomviren (HPV-Impfungen) gehen in Deutschland dramatisch zurück. 2022 wurden 25 Prozent weniger Kinder und Jugendliche als im Vorjahr gegen Krebs geimpft. Besonders stark ist der Rückgang bei 15- bis 17-jährigen Jungen. Hier sanken die HPV-Impfungen um 42 Prozent. Insgesamt gab es bei Jungen ein Minus von 31 Prozent und bei Mädchen einen Rückgang von 21 Prozent.
Besorgniserregend niedrig
Das ist das Ergebnis einer aktuellen Sonderanalyse des Kinder- und Jugendreports der DAK-Gesundheit. Auch der Vergleich zum Vor-Pandemie-Jahr 2019 zeigt einen rückläufigen Trend. Humane Papillomviren (HPV) werden sexuell übertragen und können unter anderem Gebärmutterhalskrebs und Krebs im Mund-Rachen-Raum hervorrufen. Dr. Thomas Fischbach, Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzt*innen e. V. (BVKJ) bewertet die Erstimpfungsquote als besorgniserregend niedrig. DAK-Vorstandschef Andreas Storm fordert eine Impf-Offensive und mehr Aufklärung über Vorteile einer HPV-Impfung.
Abrechnungsdaten von rund 794.000 Kindern und Jugendlichen
Für die aktuelle DAK-Sonderanalyse im Rahmen des Kinder- und Jugendreports untersuchten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von Vandage und der Universität Bielefeld Abrechnungsdaten von rund 794.000 Kindern und Jugendlichen bis einschließlich 17 Jahren, die bei der DAK-Gesundheit versichert sind. Analysiert wurden anonymisierte Versichertendaten aus den Jahren 2017 bis 2022.
„Der Rückgang bei HPV-Impfungen ist alarmierend und ein schlechtes Zeichen für die Gesundheitsvorsorge unserer Kinder. Ein erhoffter Nachholeffekt nach der Corona-Pandemie ist leider ausgeblieben“, sagt Andreas Storm, Vorstandschef der DAK-Gesundheit. „HPV-Impfungen sind wichtig, denn sie können junge Menschen vor Krebserkrankungen schützen. Wir brauchen eine Impf-Offensive im Kontext HPV. Wir müssen vor allem Eltern für die Vorteile einer HPV-Impfung sensibilisieren. Und wir müssen versuchen, eine mögliche Impfskepsis abzubauen. Wichtig ist, dass wir eine Trendumkehr schaffen, damit in Zukunft wieder mehr Kinder und Jugendliche gegen Krebserkrankungen geschützt werden können.“
Geringe Impfquoten vor allem bei Jungen
Die DAK-Auswertung zeigt, dass 2022 deutlich weniger Kinder und Jugendliche erstmalig eine HPV-Impfung erhalten haben als 2021. So gingen die Impfungen bei Mädchen um 21 Prozent und bei Jungen um 31 Prozent zurück. Besonders stark sanken die Erstimpfungszahlen bei jugendlichen Jungen im Alter von 15- bis 17-Jahren. Hier steht ein Minus von 42 Prozent.
Starke Rückgänge im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit
Im Vergleich zum Vor-Corona-Jahr 2019 sind die Rückgänge noch ausgeprägter: 2022 erhielten 37 Prozent weniger Kinder und Jugendliche erstmalig eine Impfung gegen Krebs als 2019. Auch hier gingen die Zahlen bei Jungen mit 44 Prozent stärker zurück als bei Mädchen mit 31 Prozent. Deutliche Negativtrends zeigen sich vor allem in der Altersgruppe der 15- bis 17-Jährigen – insbesondere bei jugendlichen Jungen mit einem Minus von 59 Prozent. Auch der Anteil erstmalig geimpfter Kinder, die ins impfrelevante Alter von neun Jahren eintreten, ist im Bundesdurchschnitt 2022 zuletzt gesunken.
Impfskepsis wächst
„Die Ergebnisse des DAK-Kinder- und Jugendreportes 2023 zeigen leider eine deutlich rückläufige HPV-Erstimpfungsquote. Der Anteil der gegen HPV geimpften Kinder war schon vor der Pandemie nicht besonders hoch, gerade im Vergleich zu anderen europäischen Ländern. Nun ist er besorgniserregend niedrig“, so Dr. Thomas Fischbach, Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzt*innen e. V. (BVKJ). „Darüber, wie dieser massive Rückgang zu erklären ist, kann ich nur spekulieren. Sicherlich hat die HPV-Impfung im Zuge der hohen medialen Aufmerksamkeit rund um die Corona-Schutzimpfung zeitweise weniger Beachtung erfahren. Auch kann ich eine leicht erhöhte Impfskepsis beobachten, ausgelöst durch die vielen Diskussionen um vermeintliche Folgeschäden der Corona-Schutzimpfung. Das hat ganz bestimmt auch Auswirkungen auf die HPV-Impfung.“ Positiv zu bewerten sei der gestiegene Anteil impfender Pädiaterinnen und Pädiater.
„Für die Zukunft wünsche ich mir, den Bekanntheitsgrad der HPV-Impfung durch Werbeinformationen für Eltern und Patienten weiter zu erhöhen. Da sehe ich auch die Krankenkassen und die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung in der Verantwortung“, so Fischbach weiter. „Ebenfalls wünschenswert wäre ein elektronischer Impfausweis mit einer niedrigschwelligen Informations- und Erinnerungsmöglichkeit und dass die Relevanz der HPV-Impfung im Schulunterricht stärker thematisiert wird.”
STIKO: Impfempfehlung für Mädchen und Jungen
Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt die Impfung gegen HPV für Jungen im Alter von 9 bis 14 Jahren. Die Empfehlung wurde zusammen mit der wissenschaftlichen Begründung für diese Entscheidung im Epidemiologischen Bulletin 26/2018 veröffentlicht. Seit 2007 empfiehlt die STIKO die HPV-Impfung für Mädchen. Das Impfziel der HPV-Impfung von Mädchen und Jungen ist die Reduktion der Krankheitslast durch HPV-assoziierte Tumoren. Im Anhang sind die Ergebnisse des systematischen Reviews zur Wirksamkeit und Sicherheit der HPV-Impfung bei Jungen bzw. Männern in tabellarischer Form dargestellt (Quelle: Robert Koch Imstitut).
Laut Robert Koch-Institut erkranken in Deutschland jedes Jahr rund 6.250 Frauen und 1.600 Männer an HPV-bedingtem Krebs. Eine Impfung sollte idealerweise vor dem ersten Geschlechtsverkehr erfolgen. Die DAK-Gesundheit übernimmt die HPV-Impfung für alle Kinder im Alter bis 17 Jahren und zusätzlich im Rahmen einer Satzungsleistung für alle 18- bis 26-Jährigen. Damit geht die Kasse über den gesetzlichen Leistungsanspruch hinaus.
Veröffentlicht: Epidemiologisches Bulletin 26/2018
Informationen zur HPV-Impfung: www.dak.de/hpv
Umfangreichen Analyse-Ergebnisse finden Sie hier: https://www.dak.de/dak/unternehmen/reporte-forschung/kjr-2023-fokusanalyse-hpv-impfungen_45978