Was Kinder wirklich brauchen

Damit sich Kinder selbst erfahren und entwickeln können

In den vergangenen Jahrzehnten haben sich der Alltag, die Lebens­situation und der Lebensraum für die Kinder in unserer Gesellschaft stark verändert. Die Entwicklungsphase Kindheit droht verloren zu gehen. Gesucht sind Orte und Menschen, die vielfältige Erfahrungen und Entwicklung ermöglichen. Dem geht Prof. Dr. Armin Krenz aus seinem Beitrag nach. Wir haben diesen aus seinem Buch „Elementarpädagogik aktuell“.

Kinder müssen eine ständige Zunahme an Erfahrungsverlusten hinnehmen

Wer mit Kindern arbeitet, wird sich sicher manchmal fragen, ob es wünschenswert wäre, heute noch einmal Kind zu sein. Da ist es nahe­liegend, zunächst nachzuspüren, wie es einem in der eigenen Kindheit ergangen ist, was gute und was schlechte Erinnerungen ausmachen. An was erinnern wir uns? Ans Höhlen­bauen im Wald, an Versteckspiele in Kornfeldern, ans Bäumeklettern, an ausgelassene Spiele auf bun­ten Wiesen, an Fahrradtouren mit den Eltern, an die Wochenendfahrten zu Verwandten …

In der Erinnerung verklärt sich vieles, und schnell ist man ver­sucht, ein­schränkende, verletzende, zerstörende und belastende Erfahrungen außen vor zu lassen. War da nicht auch die Strenge mancher Lehrer in der Schule, das eingeschränkte Spielmaterial zu Hause, die klei­ne Woh­nung oder die leidige Gemüsesuppe, die trotz innerer Ablehnung ge­gessen werden musste?

Ungeachtet persönlicher Erfahrungen hat sich die Kindheit – das be­stätigt die Forschung – in den vergangenen beiden Jahrzehnten drastisch verändert. Das Leben in unserer Gesellschaft wird für Kinder (und nicht nur für diese) immer unübersichtlicher. Sie können das Leben in all sei­nen Facetten nicht mehr in Ruhe und mit ausreichend Zeit wahrnehmen oder bestimmte Verhal­tensmuster durchspielen und ausprobieren.

Die Entwicklungsphase Kindheit droht verloren zu gehen. Zu den ein­schneidendsten Veränderungen gehören:

  • Kinder sind als Konsumenten entdeckt worden. Konsum, so wird ihnen versprochen, bedeutet Glück, und der Besitz bestimmter Markenprodukte ist zu seinem Grad­messer geworden. Dies betrifft inzwischen bereits die Kinder im Kindergartenalter. Das Habenmüssen und diesbezügliche Vergleichen verdrängt zunehmend andere elementare Bedürfnisse.
  • Erfahrungen werden zunehmend aus zweiter Hand, aus dem übergroßen Angebot der Medien gewonnen. Für viele Kinder erschließt sich die Welt nur noch zum kleinen Teil über die eigene Aktivität. Fernsehen, Videospiele, Computer und Internet haben den Kinder­alltag mittlerweile fest im Griff. Nicht nur zeitlich, sondern auch inhaltlich hinterlassen diese Medien ihre Spuren im Erleben der Kinder.
  • Der Urlaub unterliegt zunehmend einem Anspruch, der sich nicht an den Bedürfnissen der Kinder orientiert. Für Kinder reicht es in der Regel völlig aus, gemeinsam mit den Eltern und anderen Kindern (Geschwistern) spielerisch ihre Umwelt zu entdecken. Die Reisever­anstalter und die Werbung suggerieren aber schon den Kindern, dass Urlaubsreisen in die entferntesten Winkel unserer Erde beson­ders attraktiv seien.
  • Die hohe Bevölkerungsdichte Deutschlands hat zur Folge, dass der Einzelne immer weniger Platz hat. Das Straßennetz wird enger gezogen. Brachliegende Grundstücke, auf denen es sich ins unserer Kindheit herrlich spielen ließ und die zum Treffpunkt aller Kinder der Wohngegend wurden, gibt es immer seltener. Gepflegte Grünanlagen sind mit Regeln belegt, und öffent­liche Spielplätze lassen wenig Raum für freies Spielen, da sie bestimmte Spielfunktionen vorgeben. Selbst dort, wo es noch Wald oder Wiesen gibt, ist es meist nicht mehr möglich, „mal eben“ rauszugehen und andere Kinder zu treffen. Bedenkt man, dass es immer mehr Einzelkinder gibt, ist diese Entwicklung umso problematischer.
  • Eltern versuchen, auf eingeschränkte Spielmöglichkeiten ihrer Kinder zu reagieren, indem sie deren Tagesrhyth­mus durch Kurse wie Judo-, Ballett- oder Klavier­unter­richt neben Kindergarten- oder Schulzeit strukturieren.
  • Die Angst vor Gefahren, allein durch den Straßenverkehr, verhindert, dass sich die Kinder in der ihnen verbleiben­den freien Zeit informell mit ihren Freunden treffen können. Wieder muss alles arrangiert und geregelt wer­­den. Das Mobiltelefon ist für viele Kinder zum ver­längerten Sprachrohr in einer anonymisierten Welt geworden. Spontane, lebendige Beziehungen der Kinder unter­einander werden immer seltener.

Soziale Kompetenz lässt sich nur dadurch erlernen, indem man sich auf andere Menschen und deren Erfahrungen einlässt

Kinder hatten früher viel größere Chancen, sich in selbst organisiertem Maße zu entwickeln, selbst gewählte Freundschaften in selbstbe­stimmter Art zu gestalten und räumliche sowie persönliche Schwer­punkte neben alltäglichen Verpflichtungen zu r­ealisieren. Auf den Punkt gebracht bedeutet diese Entwicklung, dass das ­Kinderleben heute immer zerrissener, Kindertagesabläufe in zunehmendem Maße zerteilt und Kinder­welten immer stärker eingeengt werden.


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Diesen Artikel haben wir aus folgendem Buch entnommen:
Elementarpädagogik aktuell
Die Entwicklung des Kindes professionell begleiten
Krenz, Armin
Burckhardthaus-Laetare
ISBN: 9783944548012
208 Seiten, 24,95 €
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Dem mag man entgegenhalten, dass Kinder heutzutage mehr Spielmaterial, größere Bildungschancen, eine bessere Förderung und vielschichtigere Kommunikationswege nutzen können. Bei näherer Betrachtung zeigt sich aber, dass Kinder trotz dieser Chancen eine ständige Abnahme an Erfahrung hinnehmen müs­sen! Aus entwicklungspädagogischer Sicht muss diese Tatsache sowohl Eltern als auch pädagogische Fachkräfte aufrütteln, weil Kinder vor allem über das eigene Handeln lernen. Nicht um­sonst heißt es: „Aus Erfahrung wird man klug.“ Wenn Kinder zunehmend Erfahrungsverlusten ausgesetzt sind, können sie sich nicht gleichzeitig als Akteure ihrer ei­genen Entwicklung begreifen.

Viele Möglichkeiten haben die Kinder dann nicht mehr: Entweder sie resignieren, ziehen sich zurück und klagen darüber, dass ihnen „sooo langweilig“ sei, oder sie suchen sich Mittel und Wege, die Welt trotzdem zu entdecken, etwa durch Regel- und Grenzüberschreitungen oder den Versuch, auf sich aufmerksam zu machen, nach dem Motto „Seht her, hier bin ICH!“

Gesucht: Orte und Menschen, die vielfältige Erfahrungen und Entwicklung ermöglichen

Wenn Kinder in einer Weise aufwachsen, in der ihnen bedeut­same Er­fahrungen vorenthalten und Zeitstrukturierungen sowie organisatori­sche Vorgaben übergestülpt werden, sind sie mehr denn je darauf angewiesen, noch Handlungsschritte unternehmen zu können, die ihrer Entwicklung dienen. Wie aber müssen Orte sein, die Kindern das bieten, was sie brauchen?

  • Kinder brauchen einen Ort, an dem sie ihre eigene Iden­tität auf- und ausbauen, sich von Spannungen freispielen und erfahren können. Sie sind auf der Suche nach sich selbst: „Das bin ich, das kann ich, das schaffe ich, und das traue ich mir zu.“ Indem sie aktiv werden und Eigeninitiative zeigen, entwickeln sie eine Beziehung zu ihrem Können und erwerben das notwendige Selbst­bewusstsein. Warum klettern Kinder auf Bäume oder Dächer, lassen sich auf verschie­dene kleine und große Abenteuer ein, hüpfen von Mauern und laufen um die Wette? Weil Kinder ihre Kraft erfahren und erpro­ben möchten!
  • Kinder brauchen Gelegenheiten, ausgiebig und immer wieder mit anderen Kindern zusammenzutreffen und den Umgang mit ihnen zu erfahren und zu erleben. Soziale Kompetenz lässt sich nur durch ein Einlassen auf andere Menschen, durch Erfahrungen mit anderen erlernen. Kinder suchen das Miteinander, sie brauchen die Erfahrung, gemeinsam etwas auszuhecken und solidarisch zusammenzuhalten. In spielerischen Gefahrensituationen erleben sie, wie stark und stützend Gemeinschaft sein kann.
  • Sie brauchen die Erfahrung von der Verlässlichkeit menschl­i­cher Beziehungen, besonders dann, wenn es darum geht, Erlebnisse einzuordnen oder unverständ­liches Verhalten (zum Beispiel der Eltern/ErzieherInnen) auszuhalten.
  • Kinder brauchen Rückzugsmöglichkeiten, um dem allgegen­wärtigen Blick von Erwachsenen zu entrinnen und sich allein (oder mit anderen) Beschäftigungen hinzugeben, die nur ihnen bekannt sind.
  • Kinder brauchen Freiräume, um sich zu bewegen, zu laufen, zu toben, zu rollen, zu springen und zu hüpfen, kurz: um ganzheitliche Körper- und Sinneserfahrungen machen zu können.
  • Kinder brauchen genügend Zeit, in der sie mit Ausdauer und nach eigenem Zeitempfinden Dinge in Ruhe zu Ende führen können. Sie benötigen und suchen Orte, an denen sie ihr eigenes Zeitmaß leben können, wo wenig gedrängelt wird und ihre geistigen Fähigkeiten Entfaltungsmöglichkeiten erhalten.
  • Kinder brauchen einen Ort, an dem sie ein aktives Mit­sprache­­recht haben. Dies beginnt bei der täglichen Kommuni­­kation und endet bei fest eingeplanten Kinder­konferenzen. Sie haben zudem das Recht auf Versuch und Irrtum, ohne dafür bestraft oder ausgelacht zu werden.
  • Kinder brauchen eine Umgebung, in der sie sich in ihrer Individualität entwickeln können, und sie brauchen Menschen, die ihnen einen Freiraum zugestehen, in dem sie durch Auspro­bieren und auch Irrtümer die Vorgänge in ihrer Umgebung, ihrer Umwelt begreifen können.
  • Kinder brauchen Erwachsene (und ein entsprechendes Umfeld), die der Prozesshaftigkeit eine höhere Beachtung schenken als dem Herstellen von „ästhetischen Produkten“, und sie brauchen diese Erwachsenen als Bündnispartnerinnen ihrer ureigenen Interessen.

Aufgaben des Kindergartens

Wenn es Kindern nicht mehr möglich ist, grundsätzliche und entwick­lungsrelevante Erfahrungen zu Hause oder im häuslichen Umfeld zu machen, so muss es einmal mehr die Aufgabe des Kindergartens be­ziehungsweise der Kita sein, hier ausgleichend einzugreifen. Wer sich dieser Herausforderung bewusst stellt, kommt nicht darum herum, seine bisherigen Aufgaben hinsichtlich Schwerpunkten, Arbeitsweisen und Methoden neu zu überdenken. ErzieherInnen gestalten die Arbeit in Kindergarten und Kita vor allem vor dem Hintergrund von drei Erfah­rungshorizonten: ihrer eigenen Biografie (mit den erlebten Werten und Normen), ihrer Ausbildung (mit den teilweise immer noch herr­schenden traditionellen pädagogischen Vorstellungen) und ihrer kon­kreten individuellen Erfahrung, die sie während ihrer Arbeit als Erzie­herin bisher gemacht haben. Gespräche mit den Kolleginnen bieten die Chance, gesellschaftliche und lokale Veränderungen wahrzunehmen und in der Einrichtung entsprechend zu reagieren.

Kindergarten und Kita als pädagogische Institutionen unterliegen immer auch der Gefahr, sich von bildungspolitischen Strömungen beeinflus­sen zu lassen und die tatsächlichen Gegebenheiten nicht ausreichend zu berücksichtigen. Gegen eine vorbehaltlose Übernahme dieser Strö­mungen sollten sich die Fachkräfte vor Ort solidarisieren. Denn theore­tische oder politische Vorstellungen und Betrachtungen über die „Ge­staltung der Zukunft von Kindern“ haben nicht unbedingt etwas mit der Realität heutiger Kind­heit (und ihren entwicklungsbe­zogenen Folgen für die Kinder) zu tun. Gerade weil soziale Erfahrungen in der „natürlichen“ Lebenswelt der Kinder gegenwärtig nur noch ein­geschränkt möglich, zum Teil sogar unmöglich geworden sind, müssen Kindergarten und Kita diesen Aspekt in ihrer Einrichtung gezielt berücksichtigen: So dramatisch der Verlust sozialer Beziehun­gen der Kinder unter­einander in ihrem Lebensumfeld ist, desto bedeut­samer wird für viele Kinder ihre Zeit im Kindergarten/in der Kita.

Anregungen zur Reflexion im Team: Kindergarten – ein Garten für Kinder

Ein großer Garten mit altem Baumbestand und einer reichen Tier- und Pflanzenwelt entführt uns in ein wahres „Reich der Sinne“. Es gibt allerlei Farben, Formen und Düfte zu entdecken. Blumen und Sträucher entwickeln ihre Pracht zu unterschiedlichen Jahreszeiten, sodass eine Blütezeit die andere ablöst. Hecken dienen Kleintieren zum Schutz und bieten Nistgelegenheiten für verschiedene Vogelarten. Große Bäume spenden Schatten, sodass der Boden in regenarmen Zeiten nicht gänz­lich austrocknet. Ein solcher Garten zeichnet sich durch seine Vielfalt und Widerstandsfähigkeit aus, im Gegensatz zu Monokulturen mit ihrer besonderen Anfälligkeit für Krankheiten und gegenüber ungünstigen Witterungsbedingungen.

Die ErzieherInnen im Kindergarten beziehungsweise in der Kita können ihre Aufgaben entsprechend eines Gärtners/einer Gärtnerin nun auf dreierlei Arten verstehen: Es gäbe die Möglichkeit, alles einfach wach­sen zu lassen und darauf zu vertrauen, dass sich der Garten „irgend­wie“ von selbst entwickeln wird (Laisser-faire-Stil). Eine zweite Mög­lichkeit bestünde darin, das Gelände in einen gepflegten Vorstadtgarten verwandeln zu wollen, in dem die Beete „unkrautfrei“ gehalten werden und der Gärtner/die Gärtnerin nach eigenem Geschmack und Gutdün­ken entscheidet, was, wo, wie, neben wem und in welcher Höhe wächst (autoritärer Stil). Drittens könnten aber auch Gartenfachleute, die über ein profundes Wissen verfügen, dafür Sorge tragen, dass sich alle Pflanzenarten optimal entwickeln, wobei ihnen selbstverständlich auch ihre Ausbreitung und Ausweitung zugestanden wird. Solche GärtnerInnen sorgen vor allem für eine gute Bodenbeschaffenheit nach dem Motto: „Nicht die Pflanze ist krank, wenn sie nicht gedeiht, son­dern der Boden ist für ihr Wachstum ungeeignet.“ Diese Sichtweise entspricht einem demokratischen Stil, weil die elementaren Bedürfnis­se der einzelnen Pflanzen berücksichtigt und wertgeschätzt werden. Dieses Bild von einem Garten soll dazu anregen, allein oder im Team darüber zu reflektieren, ob die eigene Einrichtung einem solchen Garten für Kinder entspricht, in dem sie sich individuell entwickeln und entfal­ten können.

Armin Krenz




Spielen und Lernen: Spielfähigkeit ist die Voraussetzung für Schulfähigkeit

Kinder lernen auf vielfältige Weise:

Kinder lernen auf vielfälige Weise: durch Nachahmen, Erproben, Experimentieren, Vergleichen, Wiederholen, Fragen stellen, Antwortsuche, Zuhören, Erzählen, Üben, spontanes Erproben… Wichtig ist dabei weniger eine eindimensionale Handlung sondern vielmehr eine aktive Tätigkeit, die sich aus den unterschiedlichsten Lernmöglichkeiten zusammensetzt. Dabei zieht das Kind immer und immer wieder Erfahrungen aus seinen vielfältigen Handlungen, durch die es in seinen gedanklichen Annahmen bestätigt oder irritiert wird, die es in Erstaunen versetzen, fröhlich oder wütend, ängstlich oder traurig werden lassen, in eine Anspannung oder zur Entspannung führen, durch die es handlungsmotiviert oder handlungsverunsichert wird. Kinder gewinnen auf diese Art und Weise Erkenntnisse und entwickeln Sichtweisen bzw. Einstellungen, entdecken neue Facetten ihrer Talente, bauen durch Versuch und Irrtum unterschiedliche Fähigkeiten auf und entwickeln in zunehmendem Maße Fertigkeiten, die ihnen helfen, ihre eigenen Handlungsimpulse zielgerichtet umzusetzen.

Nun stellt sich die Frage, ob auch das Spiel mit seinen unterschiedlichen Spielformen dazu beiträgt, dass diese o.g. Lernmöglichkeiten aktiviert, unterstützt bzw. auf- und ausgebaut werden.

Seit Rousseau und Fröbel sowie durch vielfältige Forschungsarbeiten in den letzten dreißig Jahren im In- und Ausland ist bekannt, dass das Spiel in einem entscheidenden Maße einen Einfluss auf die Erweiterung des kindlichen Lernpotentials besitzt und damit vielfältige Kompetenzen des Kindes erweitert- angefangen von einer Stabilisierung der Ich-Identität über die Verbesserung der Belastbarkeit bis hin zu einer Erweiterung der sozialen Sensibilisierung. Im Spiel spiegeln sich dabei nicht nur die Seelenstruktur des Kindes und seine Einschätzung seines subjektiv erlebten Selbstbildes wider; vielmehr gibt es durch sein Spielverhalten auch einen Einblick in seine zukünftige Entwicklung! Auf den Punkt gebracht weisen alle bedeutsamen Forschungsergebnisse auf folgende drei Aspekte hin:

Das Spiel
•  ist von entscheidender Bedeutung für die Persönlichkeitsentwicklung des Kindes;
•  ist der Nährboden für den Auf- und Ausbau außergewöhnlich vieler personaler und schulischer Fertigkeiten;
•  erweist sich auch als eine Grundlage für später notwendige berufliche Merkmale.

Aspekte des Spiels

Doch auch wenn diese Erkenntnisse schon lange vorliegen und wei­testgehend in der Praxis bekannt sind, erschreckt auf der anderen Seite die Realität damit, dass es zunehmend mehr Kinder und Jugend­liche gibt, die bereits kaum noch spielen (können). Wenn das Spiel als eine aus der tiefen Neugierde entstandene, freiwillige, spontane und geplante, lebendige und freudvolle Auseinandersetzung des Kindes mit sich und seiner Umwelt verstanden werden kann, wird deutlich, was dieses Grundverständnis mit den gerade vorgestellten drei Aspekten zu tun hat. Das Spiel trägt immer wieder dazu bei, selbstaktiv zu werden, sich den unbekannten Dingen des Lebens zuzuwenden und sich mit ihnen auseinanderzusetzen, Lösungsstrategien für Handlungsabsichten zu entwerfen und einzusetzen, Neues zu wagen und bekannte Handlungsmuster zu erweitern, Gewohnheiten und Routine zu überwinden und damit kreative Aspekte in den eigenen Handlungsspielraum zu integrieren. Betrachtet man diese „lebensbedeutsamen Grundleistungen“, dann wird auch an dieser Stelle schon eine Tatsache besonders deutlich: Kinder erwerben im Spiel so genannte „generalisierende Fähigkeiten“ und entwickeln „generalisierende Leistungen“, die als Grundlage für außergewöhnlich viele Fertigkeiten des Menschen notwendig sind. Im Einzelnen sind es folgende Merkmale:

  • Vernetzungen und Verbindungen herstellen: zwischen unterschiedlichen Dingen kombinieren und koordinieren können;
  • Zuwendung aufbringen: Interesse, Aufmerksamkeit, Kontakt und Beziehungen zu den Dingen, zu den an einer Tätigkeit beteiligten Personen und den Abläufen herstellen können;
  • Analysen vornehmen: Situationen, Zustände, Dinge und Personen herauslösen und differenziert betrachten können;
  • Synthesen bilden: Teile eines Ganzen wieder zusammenfügen und Sinnverbindungen/Zusammenhänge herstellen können;
  • Vergleiche anstellen: Gemeinsamkeiten bzw. Unterschiede zwischen Personen, Dingen und Ereignissen erkennen können;
  • Systematisierungen vornehmen: eine strukturierte, gezielt und aufgebaute Vorgehensweise entwickeln und umsetzen können;
  • Codierungen verinnerlichen: Gedächtnisleistungen und damit die Merkfähigkeit weiterentwickeln können;
  • Wahrnehmung erweitern: die Vielfalt der Sinnestüchtigkeit ausformen, sie immer wieder aufs Neue aktivieren und in eine permanente Phase der Präzisierung bringen können;
  • funktionelle Systeme entwickeln: geeignete Schemata im Bereich der Kognition und der Handlungsvielfalt aufbauen können, um selbst gesetzte oder erwartete Strategien zur Verfügung zu haben;
  • Regelsysteme erkennen und zu nutzen wissen: einzelne Tätigkeiten aufeinander abstimmen können;
  • Kreativität entwickeln: bisherige Handlungskonzepte auf ihre Effizienz hin überprüfen und neuartige Strategien entwerfen und ausprobieren können.

Es besteht kein Zweifel darüber, dass sich diese Grundleistungen nicht nacheinander sondern immer in einer Abhängigkeit voneinander entwickeln. Betrachtet man nun diese Zentralfunktionen, wird schnell deutlich, dass sie einerseits in fast allen Spielen zu entdecken sind und gleichzeitig die Grundlage des Lernens bilden. Insoweit überraschen folgende Aussagen zum Spiel in keiner Weise wenn es beispielsweise heißt: Spielen und Lernen bilden eine nicht zu trennende Einheit; oder: Spielen ist Lernen bzw. Lernen ist Spiel.

Das Spiel und seine Bedeutung für den Aufbau einer Schulfähigkeit

Um die inhaltliche Vernetzung des Spiels und seine Bedeutung für den Aufbau einer Schulfähigkeit zu verstehen ist es notwendig, sich etwas ausführlicher dem Bereich und Begriff der „Schulfähigkeit“ zu nähern.

„Und nun beginnt der Ernst des Lebens“ – kaum ein Erwachsener wird sich nicht an diesen Satz erinnern, als er vom Kindergarten bzw. Elternhaus in die Schule kam. Die Bedeutung dieser Aussage schien deutlich auf der Hand zu liegen: die Zeit des Spielens, des „Un-Sinn-Machens“, des Lachens oder einfach die „unbeschwerte Zeit des Kindseins“ war vorbei. Von nun an sollte ein anderer Wind wehen: Kindheit ade und eine Ära der neuen Pflichten sollte beginnen.

Es gibt in der Pädagogischen Psychologie wohl kaum einen Begriff, der seit vielen Jahrzehnten im Feld der Wissenschaft so umstritten und gleichzeitig in der Praxis so kontrovers diskutiert wird wie das Wort „Schulfähigkeit. Viele Eltern, (elementar)pädagogische Fachkräfte, Schulen, Kinderärzte und Schulärzte haben bestimmte, festgelegte Vorstellungen, was mit diesem Begriff gemeint ist. Viele ErzieherInnen in Kindertagesstätten verbinden aufgrund ihrer persönlich geprägten und richtungorientierten, pädagogischen Sichtweise ebenfalls widersprüchliche Vorstellungen mit diesem Begriff. Auch unter Wissenschaftlern kommt es zu völlig unterschiedlichen Einschätzungen darüber, welche Verhaltensdispositionen bzw. Merkmale schulpflichtige und gleichzeitig schulfähige Kinder aufweisen sollten, um einen anstehenden Schulbesuch (zumindest einigermaßen) erfolgreich zu meistern. Zusätzlich bringen alte und wieder aktualisierte Forderungen (Beispiel: Einschulung von fünfjährigen Kindern) oder breit angelegte Untersuchungen (Beispiel: TIMMS, PISA 2000, 2003, 2005, IGLU-Daten …) neue Diskussionsimpulse in die Öffentlichkeit und sorgen für weitere Irritationen.

Warum nun diese Vorbemerkung? Weder die PISA-Studien noch übliche, schulinterne Prüfungsverfahren, weder dogmatische Einlassungen und anspruchsvolle Erwartungen sehr leistungsgeprägter Eltern noch hemdsärmelige Forderungen der Politik tragen dazu bei, die Frage nach den Merkmalen einer fachlich begründbaren Schulfähigkeit sachlich zu beantworten. Gefragt ist vielmehr eine sorgsame Betrachtung des Begriffes – ausgerichtet auf relevante wissenschaftliche Erkenntnisse und praktische, sinnverbundene, nachvollziehbare Notwendigkeiten.

„Das Konzept individueller Unterschiede

Es gab einmal eine Zeit, da hatten die Tiere eine Schule. Das Curriculum bestand aus Rennen, Klettern, Fliegen und Schwimmen, und alle Tiere wurden in allen Fächern unterrichtet. Die Ente war gut im Schwimmen; besser sogar als der Lehrer. Im Fliegen war sie durchschnittlich, aber im Rennen war sie ein besonders hoffnungsloser Fall. Da sie in diesem Fach so schlechte Noten hatte, musste sie nachsitzen und den Schwimmunterricht ausfallen lassen, um das Rennen zu üben. Das tat sie so lange, bis sie auch im Schwimmen nur noch durchschnittlich war. Durchschnittliche Noten waren aber akzeptabel, darum machte sich niemand Gedanken darum, außer: die Ente. Der Adler wurde als Problemschüler angesehen und unnachsichtig und streng gemaßregelt, da er, obwohl er in der Kletterklasse alle anderen darin schlug, darauf bestand, seine eigene Methode anzuwenden. Das Kaninchen war anfänglich im Laufen an der Spitze der Klasse, aber es bekam einen Nervenzusammenbruch und musste von der Schule abgehen wegen des vielen Nachhilfeunterrichts im Schwimmen. Das Eichhörnchen war Klassenbester im Klettern, aber sein Fluglehrer ließ ihn seine Flugstunden am Boden beginnen, anstatt vom Baumwipfel herunter. Es bekam Muskelkater durch Überanstrengung be den Starübungen und immer mehr „Dreien“ im Klettern und „Fünfen“ im Rennen. Die mit Sinn fürs Praktische begabten Präriehunde gaben ihre Jungen zum Dachs in die Lehre, als die Schulbehörde es ablehnte, Buddeln in das Curriculum aufzunehmen. Am Ende des Jahres hielt ein anormaler Aal, der gut schwimmen und etwas rennen, klettern und fliegen konnte, als Schulbester die Schlussansprache.“ (Originalquelle unbekannt)

a) Schulreife – Schulfähigkeit – Schulbereitschaft

Vor einigen Jahrzehnten sprach man durchgängig von „Schulreife“, weil man der festen Überzeugung war, dass Kinder, die einerseits körperlich den so genannten „ersten Gestaltswandel“ abgeschlossen hatten (also die so genannte körperliche Kleinkindform überschritten hatten) und gleichzeitig ein stabiles Körperbild besaßen, automatisch als „schulreif“ angesehen und entsprechend eingestuft werden sollten. Dieses „Konstrukt Schulreife“ stammt aus einer Zeit, in der die gesamten Veränderungen im Zeitfenster Kindheit und Jugend nahezu ausschließlich als „Reifungsphänomene“ verstanden wurden. Dabei ging man von der Annahme aus, dass mit diesem ersten Gestaltswandel auch automatisch die „seelische Entwicklung“ eines Kindes Entwicklungsfortschritte macht. So waren es vor allem H. Hetzer und W. Zeller, die durch ihre Aussagen für diese jahrzehntelange Annahme sorgten. „Denn gerade bei den Aufgaben, die grundsätzlich neue Leistungen und Einstellungen fordern, sind die Unterschiede zwischen den Kleinkindformen und den Schulkindformen erhebliche, während dort, wo die mit zunehmendem Alter zu beobachtende Leistungssteigerung vorwiegend eine quantitative ist, wo der Leistungszuwachs auf zunehmender Erfahrung und Übung beruht, die Unterschiede zwischen den beiden Kindergruppen geringfügig sind. Dem Gestaltswandel entspricht also ein Wandel der seelischen Struktur und die Zusammenhänge zwischen den körperlichen Veränderungen und dem seelischen Anderswerden sind deutlich zu erkennen.“ (Hetzer 1936, S. 21). W. Zeller greift diese Annahme auf und schreibt:In diesem ersten Gestaltswandel wird auch die seelische Gestalt des Kindes gleichzeitig mit den körperlichen Veränderungen verwandelt. Die kleinkindhafte Seelenstruktur mit ihrem magischen Weltbild und der ganzheitlichen synthetischen Wahrnehmung macht einer neuen seelischen Haltung Platz, deren wesentlicher Grundzug die Fähigkeit zu analysierenden Denkvorgängen ist.“ (Zeller 1952, S. 26) Kinder seien damit in der Lage, beispielsweise analysierend zu denken, systematischer ihre Umgebung wahrzunehmen und konstruktiver an gestellte Aufgaben heranzugehen. Dabei wurde nicht selten diese „Schulreife“ vor allem mit Hilfe der so genannten „Philippinoprobe“ überprüft: das Kind sollte seinen rechten Arm mitten über den Kopf die Hand zum linken Ohr führen. Hinzu kamen dann ein paar Aufgaben, meist durch den Schularzt, den Schulleiter oder eine Lehrkraft, bei denen die Kinder ein überschaubares „Bündel an Fertigkeiten“ aus dem Bereich des Wissens (kognitiver Bereich) und Könnens (motorischer Bereich) unter Beweis stellen sollten. So ging es beispielsweise darum, Bildreihen in systematischer Abfolge zu ordnen (Beweis für logisches Denken), passende Bilder zu erzählten Geschichten zu zeigen (Beweis der Inhaltserfassung), gesehene und dann verdeckte Bilder sprachlich zu beschreiben (Beweis für Gedächtnisleistungen), größere und kleinere Mengen zu unterscheiden (Beweis für ein Mengenverständnis), geometrische Formen zu erkennen und gleichen Formen zuordnen zu können (Beweis der Formerfassung) oder „ein Männchen“ zu malen (Beweis zur Erfassung des Körperschemas). Darüber hinaus wurden Aufgaben gestellt, bei denen Kinder von eins bis zwanzig „richtig“ zählen sollten, den eigenen Vor- und Zunamen schrei­ben oder ihre Wohnanschrift nennen konnten. Doch schon Mitte der 70er-Jahre des letzten Jahrhunderts hat der „Deutsche Bildungsrat“ von dem Einsatz und Gebrauch solcher „Test“untersuchungen dringend abgeraten! Ebenso haben viele wissenschaftliche Untersuchungen dokumentiert, dass solche o.g. Überprüfungen einer angenommenen „Schulreife“ in keinerlei fachlich berechtigten Art und Weise Aussagekraft bezüglich eines erfolgreichen Schulbesuchs eines Kindes besitzen. Die Gründe sind schnell genannt:

  1. Solche „Testverfahren“ beschränken sich ausschließlich auf den kognitiven und motorisch-körperlichen Bereich und das wiederum nur in einem selektiven Ausschnitt. Seit vielen Jahren weiß man aber, dass sich eine Schulfähigkeit aus weitaus wichtigeren, bedeutsameren Faktoren ableiten lässt.
  2. Eine dialogische, wechselseitige Kommunikationsfähigkeit mit dem Kind kommt bei einer solchen Überprüfung gar nicht zum Tragen.
  3. Basale Fähigkeiten wie Fantasie und Kreativität sind hier nicht nur unerwünscht sondern werden auch als störend erlebt.
  4. Die Ergebnisse der Testverfahren im obigen Sinne waren bzw. sind immer abhängig von dem Aufbau des Prüfverfahrens, der Tagesverfassung eines Kindes, der Beziehungsqualität zwischen testender und der gestesteten Person, von der Sprach- und Aufgabenqualität des Testverfahrens selbst, von dem Raum, in dem das Testverfahren durchgeführt wurde bis hin zu aktuellen Störreizen, die einen subjektiv starken Einfluss auf das Verhalten eines Kindes haben können.
  5. Die Ergebnisse solcher Testverfahren haben eine außergewöhnlich hohe Fehlerquote bezüglich ihrer Aussagerelevanz – je nach Testverfahren bis zu 60%.
  6. Solche Testverfahren konzentrieren die gesamte Aufmerksamkeit auf das Kind. Dabei bleibt die „Beschulungsfähigkeit der entsprechenden Schule“ ebenso außer Acht wie die persönlich-fachliche Kompetenz der Lehrkräfte bzw. alle schulorganisatorischen oder strukturellen Bedingungsgrößen, die die Qualität einer „Bildungs- und Lernatmosphäre“ auszeichnen. So schrieb beispielsweise der „Deutsche Ausschuss für das Erziehungs- und Bildungswesen“ schon 1966 in seinem Gutachten und seinen Empfehlungen: „Die Entscheidung darüber, wann ein Kind für die Arbeit in der Schule reif ist, hängt davon ab, wie der Anfangsunterricht in der Schule erteilt wird.“
  7. Testverfahren im o.g. Sinne können weder objektive noch gerechte Aussagen treffen, weil zu viele Ereignisse einen Einfluss auf alle Ergebnisse haben. Solche Testsituationen sind keine „sterilen Testlabors“, wo unter isolierten Bedingungen gearbeitet wird. Aufgrund der in Deutschland weit verbreiteten Testgläubigkeit (bei Eltern, pädagogischen Fachkräften und Ärzten) gibt ein Verfahren allerdings „Autorität und Gewicht“. Alleine diesem Grund „verdankt“ der o.g. „klassische Schulreifetest“ an vielen Orten bis heute seine Existenz – allerdings ohne fachliche Berechtigung oder Aussagekompetenz.

b) Schulfähigkeit – was ist aktuell darunter zu verstehen?

Unter Beachtung zurückliegender und aktueller Forschung zur Schulfähigkeit kann eine Definition in Anlehnung an Prof. Witzlack – die zwar schon älter ist aber dennoch gleichzeitig mit jetzigen Forschungsdaten eine enge Parallelität aufweist – wie folgt aussehen:

„Schulfähigkeit ist die Summe ganz bestimmter Verhaltensmerkmale und Leistungseigenschaften eines Kindes, die es braucht, um im Anfangsunterricht und der weiteren Schulzeit Lernimpulse wahrzunehmen, aufzugreifen und im Sinne einer Lernauseinandersetzung zu nutzen, um persönlichkeitsbildende (im emotionalen, motorischen sowie sozialen Bereich) und inhaltliche Weiterentwicklungen (im kognitiven Bereich) anzunehmen und umzusetzen. Dabei ist Schulfähigkeit als ein vernetzter Teil eines Ganzen zu betrachten: sie ist immer abhängig von den besonderen Rahmenbedingungen einer Schule und den Persönlichkeitsmerkmalen sowie den fachlichen Kompetenzen der dort tätigen Lehrkräfte.“ (vgl. Witzlack, G. in: Krenz, 4. Aufl. 2006, S. 63).

Um diese Definition besser zu verstehen, bedarf es einiger Erklärungen:

  1. Schulfähigkeit umfasst nicht nur einige wenige Kriterien, sondern besteht aus einem ganzen Bündel sehr spezifischer Merkmale.
  2. Schulfähigkeit ist durch ganz bestimmte Merkmale charakterisiert – keine Schule, kein Schularzt kann sie für sich individuell auslegen oder subjektiv interpretieren.
  3. Schulfähigkeit beinhaltet aber nicht nur ganz bestimmte Merkmale sondern auch dem Kind zur Verfügung stehende Leistungseigenschaften, die bekannter Weise für einen weitestgehend erfolgreichen Schulbesuch den Kindern als Verhaltensdispositionen zur Verfügung stehen müssen. Diese werden vor allem durch die häusliche Entwicklungsbegleitung durch die Eltern (vor der Schulzeit) von den Kindern aufgebaut und internalisiert.
  4. Schulfähigkeit ist ein Begriff, der nicht nur eine Bedeutung für das erste Schuljahr besitzt, sondern auch für die weiteren Schuljahre von großer Bedeutung ist. Insofern ist eine Schulfähigkeit mittel- und längerfristig zu betrachten und darf sich nie lediglich auf den Zeitpunkt der Einschulung beziehen.
  5. Schulfähigkeit umfasst grundsätzlich die Fähigkeiten, für Lernreize offen zu sein, Lern(an)reize zuzulassen und diese mit einer persönlichen Wertigkeit und einem subjektiv vorhandenen Interesse zu versehen.
  6. Schulfähigkeit hat sowohl mit einer Wissensorientierung/-erweiterung als auch immer mit einer Persönlichkeitsbildung/-entwicklung zu tun.
  7. Sie bezieht dabei stets die vier „Lernfelder“ eines Menschen ein: den gefühlsorientierten, umgangsgeprägten, handlungsorientierten und wissens-/denkorientierten Bereich.
  8. Schulfähigkeit ist kein „Lernfeld“, das oberflächlich antrainierbar ist, sondern nur dann wirklich vorhanden ist, wenn dieser Bereich sogenannte „persönlichkeitsstabile, verinnerlichte Verhaltensweisen“ beherbergt, die dann in entsprechend geforderten und notwendigen Situationen eingesetzt bzw. umgesetzt werden (können).
  9. Schulfähigkeit ist abhängig von den Rahmenbedingungen, denen das Kind als „lernende, lerninteressierte Person“ ausgesetzt ist. Dazu zählen alle Besonderheiten einer Schule, die Lehrer/innen mit ihren spezifischen, bindungsbedeutsamen Persönlichkeitsmerkmalen und ihrem fachlichen Können, ihr methodisch/didaktisches Know-how, die Klassengröße und die Zusammensetzung einer Schulklasse, die räumlichen Bedingungen sowie die materielle Ausstattung. Gleichzeitig bilden Lerninteresse, Lernfreude, Lernbereitschaft und Lernwille der (angehenden) Schülerinnen und Schüler die Grundlagen, um sich mit den unterschiedlichen Aufgabenstellungen und Lernherausforderungen beschäftigen zu wollen und aktiv auseinanderzusetzen.

Würde man nun versuchen, die Kompetenzen eines Kindes zu klassifizieren, die notwendig sind, um Leistungsinteresse und Lernmotivation im Unterricht aufzubringen, so ergeben sich 16 Kompetenzmerkmale. Diese können vier Schulfähigkeitsbereichen ohne Schwierigkeit zugeordnet werden.

c) Schulfähigkeitsbereiche und ihre Kompetenztendenzen

In der aktuellen Betrachtung von „Schulfähigkeit“ werden seit einigen Jahren vier Schulfähigkeitsbereiche klassifiziert, wobei ihnen – im Rahmen einer hilfreichen Übersicht sowie einer praktikablen Erfassung – wiederum jeweils vier Kompetenztendenzen der Kinder zugeordnet werden. Diese gilt es, möglichst (zumindest im Ansatz ausgeprägt) schon für die erste Klasse als internalisierte Verhaltensbereitschaft zur Verfügung zu haben.

Schulfähigkeit
emotionale Schulfähigkeit soziale Schulfähigkeit
motorische Schulfähigkeit kognitive Schulfähigkeit

Tab. Die vier Schulfähigkeitsbereiche

Basisbereich emotionale Schulfähigkeit: Kinder besitzen Belastbarkeit, um beispielsweise schwierige Aufgaben erfüllen oder auch aktuelle, persönliche Wünsche zurückstellen zu können. Sie können Enttäuschungen ertragen, um kleinere oder größere Misserfolge verkraften zu können oder in der Lage zu sein, an schwierigeren Aufgabenstellungen weiterhin mitzuarbeiten. Sie nehmen neue, unbekannte Situationen und Aufgaben angstfrei wahr, von denen sie vielleicht im ersten Augenblick den Eindruck haben, dass sie unlösbar erscheinen und sie besitzen Zuversicht bzw. Optimismus, um sich selbst und durch ihre eigene Motivation immer wieder in ihrem Lernwunsch zu aktivieren.

Basisbereich soziale Schulfähigkeit: Kinder können zuhören, um beispielsweise Aufgabenstellungen zu verstehen und Arbeitsanforderungen sachgerecht ausführen zu können. Sie fühlen sich auch als Einzelperson in einer Gruppe angesprochen, auch wenn sie nicht persönlich und direkt angesprochen worden sind, sondern beispielsweise eine Aufgabenstellung an die „anonyme Gruppe“ gerichtet wurde. Sie erfassen bedeutsame Regeln, die eine konstruktive Kommunikation in einer Gruppe möglich werden lassen und sind in der Lage, ein überwiegend konstruktives Konfliktlöseverhalten bei persönlichen oder sozial geprägten Irritationen zu zeigen.

Basisbereich motorische Schulfähigkeit: Kinder besitzen eine grundständige, flüssige viso-motorische Koordination (Finger- und Handgeschicklichkeit), um koordinierte Schreib-/Zeichenbewegungen ausführen zu können; sie besitzen Eigeninitiative, um beispielsweise selbsttätig entsprechende Arbeitsaufgaben zu übernehmen und sie können Belastungen weitgehend selbständig und selbstaktiv verändern, um bestehenden Anforderungen nachkommen zu können. Sie besitzen eine Gleichgewichts-, taktile und kinästhetische Wahrnehmung, um aus ihrer Innenwahrnehmung eine Konzentration auf ihre Außenwahrnehmung zu richten und zu steuern.

Basisbereich kognitive Schulfähigkeit: Hierzu gehört es, dass Kinder ein gewisses Maß an Konzentrationsfertigkeit, Ausdauer und Aufmerksamkeit aufweisen können, um ihr Lern- und Arbeitsinteresse möglichst zielgerichtet fokussieren zu können. Sie verfügen über ein ausgeprägtes auditives Kurzzeitgedächtnis, eine auditive Merkfertigkeit und ein visuelles Gedächtnis, das ihnen helfen wird, zurückliegende Ereignisse und aktuelle Anforderungen/Erkenntnisse mit aktuellen Erwartungen und Erfordernissen zu verbinden. Sie zeigen Neugierdeverhalten und Lerninteresse, um immer wieder aufs Neue möglichst selbstmotiviert eine Aufgabenstellung zu erledigen und sie sind in der Lage, ein folgerichtiges Denken an den Tag zu legen bzw. Gesetzmäßigkeiten zu erkennen, um logische Zusammenhänge nachvollziehen, übertragen und selbst ableiten/herstellen zu können.

Bei allen sechzehn Kompetenztendenzen geht es nicht darum, dass ein Kind in allen Merkmalsbereichen eine hundert prozentige Erfüllung unter Beweis stellt. Vielmehr geht es – wie der Begriff selbst schon zum Ausdruck bringt – um eine grundsätzliche Existenz dieser Aspekte! In letzter Zeit wird dementsprechend der Begriff >SCHULBEREITSCHAFT< immer stärker unter Fachleuten genutzt, um einerseits eine grundsätzliche Bereitschaft der schulpflichtigen Kinder anzunehmen und andererseits Ausgrenzungen von Kindern zu vermeiden (Stichwort: Inklusion). Wenn Kinder – im Sinne einer Skalierung – diese Kompetenztendenzen „eher häufig oder überwiegend“ in Alltagssituationen zeigen, so ist davon auszugehen, dass sie damit so genannte basale Qualitäten im Sinne einer vorhandenen Schulfähigkeit besitzen. Erst wenn mehrere Merkmale dieser Kompetenztendenzen kaum oder gar nicht ausgeprägt sind, ist voraussagbar, dass Kinder sowohl schon zum Schulstart als auch mit sehr hoher Wahrscheinlich in der weiteren Schulzeit Lernschwierigkeiten haben werden.

In diesem Zusammenhang sei eine weitere, wichtige Anmerkung gestattet. In einigen Bundesländern (z.B. in Bayern und NRW) wird inzwischen auch der Stichtag für die Einschulung schrittweise vorgezogen (ab Schuljahr 2007/2008): vom bisher üblichen 30. Juni eines jeden Jahres auf den 31. Dezember ab 2014/15, wobei pro Schuljahr der Einschulungsstichtag um einen Monat vorverlegt wird. Damit soll erreicht werden, dass schließlich eine Einschulung mit fünf Jahren erfolgen wird. Diese (politisch gesetzte) Tatsache widerspricht allerdings diametral allen ernst zu nehmenden, wissenschaftlichen Forschungsergebnissen, die bisher in Deutschland vorliegen. Angefangen von dem achtjährigen „Kindergarten-Vorklasse-Versuch“ des Landes NRW (1970–1977), der schon damals als versuchsweise Umsetzung des Beschlusses des Deutschen Bildungsrates von 1970 zur Vorverlegung des Schuleintrittalters gedacht war bis hin zu den Ergebnissen einer Analyse der IGLU-Daten (November 2005, vorgestellt von P. Puhani und A. Weber, beide TU Darmstadt) unter dem Aspekt „Früheinschulung/Späteinschulung“. Die Ergebnisse beider Studien bringen eindeutige Daten zutage:

  1. Kinder, die vor Vollendung ihres sechsten Lebensjahres eingeschult wurden, weisen im vierten Schuljahr in den IGLU-Aufgaben deutlich schlechtere Leistungsergebnisse auf als spät eingeschulte Kinder.
  2. Früheinschulung widerspricht damit der Erwartung, dass durch die vorgezogene Einschulung ein Zeitjahr gewonnen wird. Im Gegenteil: die Gefahr ist außergewöhnlich hoch, dass dadurch bei vielen Kindern das Gegenteil des Erwünschten erreicht wird.
  3. Früheingeschulte Kinder weisen sich besonders häufig durch eine fehlende Konzentrationsfertigkeit, mangelnde Belastbarkeit und Frustrationstoleranz sowie fehlende Selbstorganisation aus. Im Übrigen erfolgt in Finnland, dem „Pisa-Sieger“, die Einschulung erst mit sieben Jahren.
„Kleine Kinder und überhaupt Kinder vor der Schulfähigkeit sollen noch nicht ge-, nicht beschult, sondern sollen entwickelt werden. Nur die Einseitigkeit und Halbheit schuf Kleinkinderschulen‘, welche ein Widerspruch mit der Kindernatur sind.“ aus einem Brief Friedrich Fröbels an Ida Seele

d) Fazit

Schulfähigkeit ist damit nicht das Ergebnis einer immer früher angesetzten kognitiven Förderung eines Kindes sondern vielmehr das Ergebnis einer stabilen Gesamtpersönlichkeitsentwicklung von Kindern, ausgestattet mit einem gut und sicher ausgeprägten Selbstwertgefühl. Weder vorverlegte „Kader(vor)schulen einer bildungsoffensiven Frühförderpädagogik“ noch „schulvorgezogene, kognitionsfokussierte Trainingseinheiten im Kindergarten“ können eine Schulfähigkeit mit nachhaltigen Tendenzen fördern. Genau das Gegenteil ist der Fall. Es gibt von Jahr zu Jahr eine steigende Tendenz von gut begabten Schulversagern. Dabei haben Kinder und Jugendliche mit einem gut ausgeprägten Intelligenzquotienten massive Schulschwierigkeiten, weil die drei anderen Schulfähigkeitsbereiche – und hier insbesondere im emotionalen und sozialen Kompetenzbereich – größere bzw. große Defizite aufweisen. Allzu lange wurde (und wird bis heute) der Begriff „Schulfähigkeit“ mit dem Begriff „Intelligenz“ gleichgesetzt bzw. verwechselt. Um es mit einer einfachen Analogie auszudrücken: Intelligenz ist wie der Besitz eines Fahrrades – der Besitz eines Rades gibt aber noch keine Auskunft darüber, ob der Radbesitzer auch Rad fahren kann. Letzteres meint Schulfähigkeit. Vieles zu wissen heißt nicht, automatisch Vieles zu können.

Gerade in der heutigen Zeit braucht eine Industriegesellschaft wie Deutschland Querdenker und Menschen, die mit viel Eigeninitiative und in Kenntnis ihrer besonderen Begabungen (Qualitäten) Lebens- und Arbeitsanforderungen erkennen und selbstaktiv gestalten, Menschen, die Bildungswagnisse eingehen und kreative Möglichkeiten suchen bzw. finden, ihren Lebens- und Berufsweg selbstverantwortlich und sozial verträglich zu gestalten. Menschen, die innovative Problemlösungsmöglichkeiten entdecken und perspektivorientiert handeln. All das sind Herausforderungen der Gegenwart und in noch stärkerem Maße Handlungsnotwendigkeiten in der Zukunft.

Um diesem gesellschaftlich notwendigen und politisch sehr bedeutsamen Aspekt entgegenzukommen, brauchen Kinder und Jugendliche eine lebendige und konstruktiv ausgerichtete Kommunikations-, Umgangs-, Konflikt-, Freizeit- und Sprachkultur, die sie schon im Elternhaus erleben. Gleichzeitig brauchen Kinder dafür eine entdeckungsorientierte, spannende, lebensbezogene und aktive Elementar- und Schulpädagogik, in der die Fülle der unterschiedlichen Spielformen und Aktionsprojekte Tag für Tag erfahren und erlebt werden kann. Nur so zeigen sich Elternhäuser, Kindertagesstätten und später auch die Schulen als „Orte für Entdecker, Tüftler und Forscher“ in bester Qualität im Sinne eines Auf- und Ausbaus von Schulfähigkeit/Schulbereitschaft. So lernen Kinder „nebenbei“
(= concomitant learning) ihr Leben kennen, entdecken ihre vielfältigen Potenziale und Begabungen, entwickeln Lern- und Handlungsstrategien und erfahren gleichzeitig „nebenbei“ eine erfüllte, glückliche Kindheit.

Es besteht eine enge und nicht zu trennende Verbindung zwischen der Spielfähigkeit eines Kindes und seiner Schulfähigkeit. Ingrid Pramling Samuelsson, Inhaberin des Lehrstuhls für frühkindliche Erziehung an der schwedischen Universität Göteborg, bezeichnet das Spiel als zentralen Faktor in unserem Leben. Sie hebt immer wieder hervor, dass die Entwicklungsmöglichkeiten eines Kindes in seiner frühen Entwicklungszeit immens seien und dabei statte die unerschöpfliche Vielfalt des Spielens die Kinder mit einem Reaktionsmuster aus, das seine zukünftige Erlebnis- und Gestaltungswelt entscheidend beeinflussen werde. Doch so bahnbrechend neu ist ihre Erkenntnis nicht.

Schon in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts konnte die Psychologin Monika Keller mit ihren weithin bekannten Untersuchungen belegen, dass bedeutsame kognitive Fähigkeiten wie der Erwerb und die zielgerichtete Nutzung von Begriffen und Wissen, der Aufbau von Strategien zur zielgerichteten Betrachtung und Lösung von Problemen, ein faktenorientiertes, schlussfolgerndes und logisches Denken sowie der sorgsame Umgang mit der Sprache als ein wesentliches Medium zur konstruktiven Kommunikation sich auch und gerade in Interaktionssituationen vollziehen, die nicht auf kognitive Lernziele ausgerichtet sind. Und hier sind als Beispiele die vielfältigen Spielformen als solche Interaktionssituationen zu nennen. Sie stieß in ihren empirischen Untersuchungen (1970-1978) vor allem auf die Tatsache, dass Kinder, die viel spielten, ein ausgeprägtes Maß an „Aufmerksamkeit, Konzentrationsfertigkeit, Wahrnehmungs- und Beobachtungsfertigkeit sowie einer analytischer Wahrnehmung“ aufwiesen.

Diese Kinder zeigten darüber hinaus einen konstruktiven Problemlösestil, ein angemessenes reaktionsschnelles Handeln und eine gewissenhafte Planung bei schwierigen Aufgabenstellungen, ein vorausschauendes Denken und vor allem Anstrengungsbereitschaft. Das Spiel ist damit nicht nur eine kindertypische Ausdrucksform sondern vielmehr auch ein „indirekter, direkter Weg“ zum Aufbau und zur Verbesserung einer Schulfähigkeit! So zeigte sich beispielsweise auch in dem Modellversuch „Wiener Spielprojekt“, der von der Psychologin Waltraud Hartmann (Universität Wien und Leiterin des Charlotte-Bühler-Instituts für praxisorientierte Kindheitsforschung) geleitet wurde, dass durch das „freie Spiel “ ein fließender Übergang vom Kindergarten zur Grundschule geschaffen werden sollte, um Kindern mit Schulschwierigkeiten effektiv zu helfen. Die Wissenschaftlerin interessierte sich dabei weniger für die Schulleistungen der Kinder als vielmehr für deren Persönlichkeitsentwicklung, weil sie davon ausging, dass das Spiel innerlich motiviert ist und den Kindern vor allem hilft, eigene Gefühle nach außen zu tragen. Dies sah sie als eine Voraussetzung dafür an, dass Kinder in einem erholten und entspannten Zustand besonders gut lernen.

So wurden über den ganzen Schulvormittag bestimmte Spielzeiten verteilt. Freie Spielphasen vor dem Unterrichtsbeginn, in den Pausen und während des Unterrichts – außerdem wurden Spiele zur Veranschaulichung und Differenzierung von Themenbereichen und im Förderunterricht angeboten. Obgleich das Spielprojekt zunächst nur für die erste Klasse gedacht war wurde es wegen der positiven Auswirkungen auf das Lern- und Leistungsverhalten der Kinder und aufgrund der angenehmen Erfahrungen der Lehrkräfte bis zur vierten Klasse fortgesetzt. Außenstehende Skeptiker bezweifelten dennoch immer wieder, ob die „Spielprojektkinder“ auch genügend lernen würden. So wurden regelmäßig vergleichende Leistungstest mit diesen Kindern und einer Kontrollgruppe durchgeführt.

Das Ergebnis war eindeutig: die „Spielprojektkinder“ zeigten im Vergleich zur Kontrollgruppe erstens eine größere Schulzufriedenheit, zweitens mehr Pflichteifer und drittens ein hochsignifikant besseres Ergebnis bezüglich eines divergenten Denkens! Außerdem konnten bei den Kindern im sozialen Bereich positive Effekte beobachtet werden und zusätzlich zeigten die „Spielprojektkinder“ keinen Leistungsabfall zur Kontrollgruppe. Eine spätere Nachuntersuchung der Kinder in der neunten Klasse ergab sogar, dass die ehemaligen „Spielprojektkinder“ weiterhin sprachlich kreativer waren. In Deutschland führte der Erziehungswissenschaftler Hanns Petillon von der Universität Landau von 1992 – 1996 an sechs Grundschulen in Rheinland-Pfalz ein ähnliches Projekt mit dem Konzeptschwerpunkt „Lern- und Spielschule“ durch, mit dem Ergebnis, dass die Leistungs-, Kreativitäts- und Persönlichkeitsentwicklung ähnlich positiv verlief wie bei dem Wiener Projekt.

Was hier jedoch zusätzlich in besonders starkem Maße auffiel: die Kinder zeigten ganz besonders hohe Werte im sozialen Bereich. So nahmen die Ausgrenzung anderer Kinder und ein aggressives Verhalten deutlich ab. Das deutlich geringere Aggressionspotenzial wirkte sich zusätzlich lernfördernd auf die gesamte Gruppe aus und die Kinder verglichen ihre gezeigten Leistungen weniger mit denen anderer Kinder sondern legten den Vergleichsmaßstab vielmehr an den bewältigten Aufgaben selbst an.

Bedingungen zur Förderung des Spiels

Wenn das Spiel des Kindes als eine grundlegende Haupttätigkeit seines Lebens gesehen und als solche auch eingestuft werden muss, dann ist es erforderlich, dass Kinder auch entsprechende Spielbedingungen erhalten, um entsprechende Entwicklungsprozesse auf- und auszubauen. Entsprechend der Beschaffenheit dieser Bedingungen wird das Spielverhalten von Kindern eher gefördert oder behindert– schlimmstenfalls unterbunden. Gleichzeitig ermöglichen oder verhindern die vorhandenen Spielbedingungen die vielfältigen Spielformen, die jede für sich ganz spezifische Lernerfahrungen initiiert und in einen weiteren Gestaltungsprozess führt. Grundsätzlich zählen zu den wesentlichen Spielbedingungen die Merkmale Zeit, Platz, Materialien, Mitspieler/innen, Entscheidungsfreiheit und Ruhe (vgl. Baer 1981, S. 39 ff.).

Zeit: Je jünger die Kinder sind, desto intensiver sind sie ganz in ihr Spiel vertieft. Beobachtungen haben ergeben, dass kleine Kinder bis zu neun Stunden am Tag spielen, wenn man ihnen die Möglichkeit dafür einräumt. Spielen ist die Zeit, die frei von äußeren Erwartungen oder Verpflichtungen ist und sie ist für Kinder immer ausgefüllt. Dabei spielt es keine Rolle, ob sie auch tatsächlich – von einer Außensicht betrachtet – immer „aktiv“ sind. Das Spielen ist durch Tätigkeiten und zurückgezogene Beobachtungen, wildes Agieren und stummes Betrachten, Gespräche mit anderen und eine innere Zwiesprache mit sich selbst gekennzeichnet, in denen das Kind seinem subjektiven Spielerlebnis nachgeht. Unterbrechungen oder Zeitabbrüche stören diesen Ereignisprozess ganz erheblich.

Platz: Zunächst nutzen kleinere Kinder ihren unmittelbaren Lebensraum für ihre Spielaktivitäten. Solange sie noch im Kinderwagen oder im „Laufstall“ sind und noch nicht den freien Gang beherrschen, fixieren sie sich auf ihre eigene, kleine Spielfläche. Mit zunehmendem Alter richten sie ihre ganze Aufmerksamkeit allerdings auch auf ihr gesamtes, weiteres Umfeld. So werden alle Räume der Wohnung, der eigene Garten und/oder öffentliche Rasen- und Spielflächen, öffentliche Plätze, Wiesen und Wälder, die Wohnungen ihrer Spielkameraden und alle zur Verfügung stehenden Flächen zu ihrem Spielplatz, den sie nach eigenen Vorstellungen und Möglichkeiten (um)-gestalten und nutzen. Angesichts der Tatsache, dass alle Spielräume ihren eigenen Charakter und ihre eigenen Besonderheiten besitzen ist es notwendig, dass Kinder diese unterschiedlichen Spielorte kennen lernen, nutzen und damit vielfältigste Erfahrungen in abwechslungsreicher Umgebung und großzügiger Vielfalt machen können. Es bleibt nicht aus, dass Kinder aufgrund eigener Spielvorstellungen andere Maßstäbe an Ordnung oder Sauberkeit anlegen als Erwachsene! Sie sollten daher darauf achten, das Spiel der Kinder nicht durch einengende Regeln oder normativ geprägte Erwartungen einzuschränken, unattraktiv werden zu lassen oder gar zu unterbinden.

Materialien: So vielfältig die Spielformen und Ausdrucksmöglichkeiten der Kinder sind so vielfältig sind ihre Spielmaterialien. Ob es der eigene Körper ist (mimisches Ausdrucksspiel) oder ob es die unterschiedlichen Materialen zum Bauen und Werken sind, die zur Herstellung von Spielgegenständen benötigt werden, ob es Verkleidungsutensilien für das Rollenspiel oder Bäume und große Steine sind, die zu Kletter- und Fangspielen einladen, ob ein unübersichtliches Gelände zum Versteckspiel dient oder Zelte und Höhlen als Burgen umgedeutet werden, ausgediente Elektrogeräte zum Zerlegen als Fundus für Experimentierspiele benötigt werden oder – selbst entwickelte – Musikinstrumente die Fantasie anregen, Stifte und Farben zum Malen oder zur endgültigen Gestaltung von Kulissen eingesetzt werden – immer sind es vielfältigste und sehr unterschiedliche Dinge, die das Spiel reichhaltiger werden lassen. Bei allen Materialien geht es aber nicht in erster Linie um fertige Spielmittel – vielmehr müssen die Materialien auch immer wieder entgegen ihrer funktionalen Bestimmung zweckentfremdet werden können und veränderbar sein, Neugierde provozieren und die Fantasie des spielenden Kindes anregen. (Anmerkung: Im klassischen Verständnis des Spiels sind daher „Spiele“ auf dem Gameboy oder PC-„Spiele“ Beschäftigungen und keine Spiele!) Anfang der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts entstand in einem Suchtarbeitskreis in Oberbayern die pädagogische Idee des so genannten „spielzeugfreien Kindergartens“ mit den intendierten Zielen, dass Kinder weniger Konsumabhängigkeit entwickeln (indem sie lernen sollten, Langeweile und Frustration auszuhalten), mehr Kreativität aufbauen, mehr Lebenskompetenzen zeigen (indem sie die Erfahrung machen müssen, mehr miteinander zu reden und zu agieren) und vor allem, dass dies der „Suchtprophylaxe“ dienlich sei. Kinder könnten im Sinne einer Vermeidungsstrategie nicht mehr zum Spielzeug „flüchten“ und wären damit später weniger anfällig für Süchte aller Art. Dr. Hans Mogel, Psychologieprofessor an der Universität Passau, sagt dazu Folgendes: […] „Kindern kein Spielzeug zu geben ist Spielzeugdeprivation. Das ist eine Form von Kindesmisshandlung. Deprivation geht auf Kosten des Erlebens von Geborgenheit und der Entwicklung eines gesunden Selbstwertgefühls. […] Wenn Kinder die Realität unserer modernen Gesellschaft bewältigen sollen, dann brauchen sie auch Spielzeug, welches diese Gesellschaft widerspiegelt. […] Die Kindergärten können auf teures Modespielzeug durchaus verzichten, aber Puppen, Klötzchen und Bausteine sollten sie auf jeden Fall behalten.“ (H. Mogel. In: Focus Nr. 27/1997, S. 152). Thomas Dannenberg, Di­plompsychologie, äußert sich in dem gleichen Beitrag unter der Überschrift „Versuchskaninchen Kind“ so: „Ein Teil der Kinder reagiert mit Stress und Ängstlichkeit auf das Chaos im spielzeugfreien Kindergarten“ (S. 151) und Dr. Hans-
Rudolf Becher, Pädagogikprofessor an der Universität zu Köln kommt zu dem Schluss: „Der Wechsel zwischen Phasen mit Spielzeug und ohne Spielzeug ist an sich sehr sinnvoll – aber Spielzeug über einen festen Zeitraum zu verbieten ist ein unpädagogisches Zwangsmittel. Man sollte nicht neben der Welt her erziehen.“ (S. 153).

Mitspieler/innen: Da das Spiel – je nach Spielform und Absicht des Kindes – sehr unterschiedliche Funktionen besitzt, ermöglicht es der spielenden Person, entweder mit sich alleine und dem Spiel zu kommunizieren  o d e r  mit sich, dem Spiel und anderen Menschen (Gleichaltrigen, älteren und jüngeren Kindern, Eltern, Großeltern, Nachbarschaftskindern oder ErzieherInnen) zu interagieren. So kann das Kind in diesen Spielsituationen Erlebnisse, Erfahrungen und (Sinnes)Eindrücke verarbeiten, zukünftige, für das Kind bedeutsame Situationen kognitiv bzw. emotional ordnen oder „einfach nur“ mit Freude eine Spielhandlung erleben. Doch bei allen Spielerlebnissen gibt es einen „roten Faden“: das Spiel unterstützt das Kind dabei, seine eigene Identität zu finden bzw. zu stabilisieren bzw. seine soziale Kompetenz zu erweitern. Und hierbei bekommt es Hilfe und Anregungen durch seine Mitspieler/innen. Sie sind es, die durch ihre Spielimpulse neue Aspekte in ein Spiel hineintragen und so dafür sorgen, dass das spielende Kind zu neuen, inneren Auseinandersetzungen finden kann.

Entscheidungsfreiheit: Da jedes Spiel aus seiner „Zweckfreiheit“ heraus lebt und sich durch sich selbst zum Umgang mit den Spielmaterialien bzw. Mitspieler/innen auffordert, gewinnt jedes Spiel für Kinder nur dadurch einen (An)Reiz, wenn es für das Kind motivierende Merkmale enthält. So lebt das Spiel in erster Linie aus der kindeigenen Freude daran, sich auf die Spielhandlung selbst einlassen zu wollen. In der Praxis ist häufig zu beobachten, dass immer wieder zwischen „sinnvollen“ (konstruktiven) und „sinnlosen“ (destruktiven) Spielen unterschieden wird. Eine solche Differenzierung ist weder fachdidaktisch noch entwicklungspsychologisch haltbar, weil jedes Kinderspiel sinnvoll und damit entwicklungsbedeutsam ist. Gerade so genannte „didaktisierte Spiele“ bieten kaum die Möglichkeit, eigenen Fantasien und kreativen Gestaltungsmöglichkeiten nachgehen zu können. Wo dann durch Erwachsene entsprechende Spielreglementierungen folgen oder gar disziplinierend auf Kinder eingewirkt werden soll, ist der Sinn eines Spiels im originären Sinne nicht mehr vorhanden.

Ruhe: Auch wenn es bei den unterschiedlichsten Spielformen häufig lebendig und laut zugeht, brauchen Kinder Ruhe, um sich weitestgehend ungestört in ihren Spielsituationen wohl fühlen zu können. Nahezu jedes Spiel ist durch einen Spielaufbau gekennzeichnet – so gibt es einen Einstieg, eine intensive Hauptphase und einen Abschluss. Störungen von außen würden dabei diese Struktur unterbrechen und für Kinder durcheinander bringen. Mögen manche „Ratschläge“ der Erwachsenen auch noch so gut gemeint sein, ein Spiel so oder so zu gestalten, ändert dies nichts an der Tatsache, dass Spielaufläufe dadurch eine andere Wendung als vom Kind beabsichtigt bekommen. Damit kann sich ein Kind aber nicht mehr in sein Spiel fallenlassen.

Aufgrund dieser hohen Bedeutung des Spiels für die Entwicklung der Kinder ergeben sich viele Fragen, mit denen sich (sozial)pädagogische Fachkräfte auseinandersetzen müssen.

Fragen, die die eigene Person betreffen:

Wird dem Auf- und Ausbau der eigenen Spielfähigkeit ein hoher Wert beigemessen und auf welche Art und Weise wurde bisher die eigene Spielfähigkeit erweitert?

Welche Rolle nehme ich in den unterschiedlichen Spielformen ein? Trete ich in der Regel als Mitspieler/in, Spielunterbrecher/in, Spielentwickler/in, Spielinitiator/in, Spielverderber/in oder Spielbeobachter/in auf?

Welche Spielformen machen mir am meisten Freude und warum?

Mit welchen Spielformen habe ich persönlich am meisten Schwierigkeiten und warum?

Wirke ich in der Spielzeit der Kinder als Spielvorbild und biete ich mich damit immer wieder als Spielmodell an?

Welche Vorstellungen von „Spielregeln“ habe ich während des Spiels der Kinder/mit Kindern und inwieweit sind sie dazu geeignet, das Spielverhalten der Kinder im Hinblick auf „Kreativität und Fantasie, Selbstständigkeitsentwicklung und Autonomie“ entscheidend zu unterstützen?

Fragen, die die Spielpraxis direkt betreffen:

Welche Spielformen wurden bisher in der Praxis ausreichend bzw. zu wenig initiiert und berücksichtigt?

Gibt es Spielformen, die in der Vergangenheit völlig ausgeblendet wurden?

Wird den Kindern genügend Zeit und Raum zur Verfügung gestellt, um das Spiel in seiner Vielfalt zu entdecken und zu erleben?

Sind die räumlichen und strukturellen Rahmenbedingungen in der Einrichtung dazu geeignet, das Spielverhalten der Kinder anzuregen und zu unterstützen?

Stehen den Kinder ausreichend attraktive Spielmittel zur Verfügung?

Legen die vorhandenen Spielmittel (im Innen- und Außenbereich der Einrichtung) durch ihren Aufbau und ihre Struktur den Spielablauf fest oder bieten sie ausreichende Möglichkeiten zur Selbstgestaltung und Veränderung?

Welche Regeln und Vorgaben gibt es, die das Spielverhalten der Kinder aktivieren und welche Regeln oder normativen Einflüsse sind dazu geeignet, das Spielverhalten der Kinder einzuschränken?

Wenn „Spielen der Urgrund der Entwicklung ist“ (Renz-Polster, 2013, S. 159) und in bundesdeutschen Kindergärten aufgrund der verschulten Bildungsmaschinerie das Spielen immer mehr ins Abseits gedrängt wird, dann – so Renz-Polster – „müssen sich nicht etwa die Erzieherinnen rechtfertigen, die Kinder frei spielen lassen, sondern diejenigen, die dies nicht tun.“ (2013, S. 210).

Entwicklungsorientierte Elementarpädagogik

Diesen Artikel haben wir aus folgendem Buch entnommen:
Entwicklungsorientierte Elementarpädagogik
Kinder sehen, verstehen und entwicklungsunterstützend handeln

Krenz, Armin
Burckhardthaus-Laetare
ISBN: 9783944548029
200 Seiten, 24,95 €
Mehr dazu auf www.oberstebrink.de

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Spielen und lernen: Formen des Kinderspiels

Spielformen und ihre Bedeutung für die Entwicklung der individualen und sozialen Identität (Teil 3)

Wendet man sich nun den unterschiedlichen Spielformen zu, so ist festzustellen, dass es vielfältige Versuche und Ansätze gibt, das „Phänomen Spiel“ im Allgemeinen und im Besonderen zu klassifizieren. Dabei stellt sich immer die Frage, nach welchen Kriterien bzw. Einteilungsprinzipien eine solche Spieleinordnung vorgenommen werden kann bzw. sollte, ist es doch sehr schwer, das „Spiel“ in seiner ganzheitlichen Vielfalt zu erfassen.

So hat Prof. Dr. Hans Scheuerl Folgendes zum Ausdruck gebracht:

„Spiel enthielt und enthält offenbar allezeit paradoxe Züge: es umreißt Brutalität wie sensibelsten Feinsinn; es reicht vom Ästhetischen bis ins Obszöne, von der unmittelbaren Kraftäußerung, die sich selbst genießt, bis zur listigen Zurückhaltung und Verstellung, die ihre Augenblicksbedürfnisse mit kühlem Pokergesicht um des späteren Triumphes willen aufspart; es reicht vom elementaren Sich-Austoben bis zur gekonnten, beherrschten, manchmal lange trainierten Artistik.“

(Scheuerl 1985, S. 15)

Die in der spielpädagogischen Forschung bekannten Klassifikationsmodelle erstrecken sich dabei vom Entwicklungsmodell (1) über das Spiel-Modell (2), das Sozialform-Modell (3), das Spielinhaltsmodell (4), das Funktionsmodell (5), das Spielort-Modell (6) und das Spielmaterialmodell (7).

In der ersten Klassifizierung ist der Ausgangspunkt der spielende Mensch, der einen jeweiligen Entwicklungsstand erreicht haben muss, um diese Spielform zu realisieren und in die nächste Spielform kommen zu können. Im Spiel-Modell ist das Spiel selbst der Ausgangspunkt (vom Wettkampfspiel zum rauschhaften Spiel), im Sozialform-Modell ist es die Art der Zusammenstellung der Mitspieler/innen (vom Solospiel zum Großgruppenspiel), im Spielinhalts-Modell ist es die Spieldidaktik und seine jeweilige besondere Bedeutung, im Funktions-Modell ist neben der besonderen Spieltätigkeit auch der Spielzweck entscheidend, im Spielort-Modell geht es primär um den Ort der Spielhandlungen (Spiele für drinnen oder draußen, Wasser-, Wald- oder Wiesenspiele …) und im Spielmaterial-Modell ist das Spielmaterial selbst der Ausgangspunkt (Ball-, Würfel-, Brett-, Kartenspiele etc.). Schaut man sich alle Klassifikationsmodelle an ergeben sich unweigerlich Fragen, weil einige Gliederungsschemata sehr allgemein und andere wiederum sehr eng gehalten sind, weil sie nur sehr wenige Kategorien enthalten. Doch darf diese Betrachtung nicht zu dem Schluss führen, auf jegliche Kategorisierung zu verzichten, auch wenn dies schon vor vielen Jahren z.B. die Spieleforscher Buytendijk und Bally gefordert haben. Eine Spielpädagogik kann und wird ohne eine Klassifizierung nicht auskommen können, weil ein Ordnungsschema gerade für die vielfältige Praxis hilfreich und für die Besonderheiten der unterschiedlichen Spielformen im Hinblick auf die Entwicklungsunterstützung bei Kindern von einem besonderen Wert ist. Auch wenn jeder Klassifizierungsversuch seine Schwächen besitzt, scheint dabei am besten ein Ordnungssystem zu sein, das sich entwicklungspsychologisch in der Reihenfolge der aufeinander aufbauenden Spielformen und durch ihre Auftretenshäufigkeit ergibt.

  • Das „Sensumotorische Spiel“: Diese Spielform, die früher auch als „Funktionsspiel“ bezeichnet wurde, umfasst vor allem die Spielaktivitäten der ein- und zweijährigen Kinder. Ihre Freude an Körperbewegungen, das Spiel mit eigenen Körperteilen und einigen, wenigen Gegenständen. Die mehrfachen Spielwiederholungen und das lebhafte Interesse am Erlebnis von „Spannung und Entspannung“ motiviert Kinder immer wieder, Bewegungshandlungen auszuprobieren, Gegenstände in Bewegung zu bringen und Spielrituale zu wiederholen.
  • „Entdeckungs- und Wahrnehmungsspiele“, auch „Informations- und Explorationsspiele“ genannt, beziehen sich darauf, Gegenstände und Zusammenhänge zu erkunden, Geräusche zu erfassen, Spielabläufe mit verschiedenen Materialien zu beobachten, die Beschaffenheit der Materialien zu „begreifen“, Neues an/in den Materialien zu erkunden und mit allen interessanten Dingen zu hantieren.
  • Das „Bauspiel“ mit (Holz)Bausteinen, Alltags- oder Naturmaterialien kann auch als ein „werkschaffendes Spiel“ bezeichnet werden. Hier steht das Bedürfnis des Kindes im Vordergrund, etwas aufeinander, voreinander, hintereinander zu legen, um beispielsweise hohe Türme, Häuser, Berge, Burgen, Wegbegrenzungen o.Ä. zu erbauen. Treibender Motor ist dabei die kindeigene Schaffensfreude, bei der das Kind die Erfahrung macht, ein „wirksamer Baumeister“ sein zu können.
  • „Produktionsspiele zum Gestalten“ gehen über ein eher eingegrenztes Material wie beim Bauspiel hinaus. Hier nutzen Kinder die unterschiedlichsten Dinge und Gegenstände wie Verpackungsmaterialien, Holzteile, Seile, Kartons, Papier, Kleber, Dosen etc., um alleine oder mit anderen Kindern ein bestimmtes Produkt zu erstellen. Die Vielfalt der Materialien und ihre unterschiedlichen Nutzungsmöglichkeiten geben den Ausschlag dafür, dass vor allem die Fantasie der Kinder angeregt und ihre Handlungsimpulse immer wieder aufs Neue aktiviert werden.
  • Das „Konstruktionsspiel“ bezieht sich nun wieder mehr auf ganz bestimmte Spielmaterialien, die miteinander verknüpft werden können und eine Einheit bilden. Das wohl bekannteste Konstruktionsspiel ist Lego. Neben der Freude und dem Interesse des Kindes, bestimmte Zielobjekte in freier Assoziation oder nach einer Vorgabe herzustellen, sind hier vor allem ganz bestimmte kognitive Leistungen gefragt wie beispielsweise Abstraktionsvermögen, perspektivisches und logisches Denken. Im Konstruktionsspiel müssen vor allem drei Aspekte zusammen kommen: das Kind mit seinen genauen Konstruktionsvorstellungen, das vorhandene Material, das die Konstruktionserstellung zulässt und das notwendige Werkzeug, das bei der Konstruktionserstellung unerlässlich ist (z.B. Schraubendreher).
  • „Bewegungsspiele“ drücken sich von einfachen Fangspielen, Such- und Versteckspielen bis hin zu komplizierteren Hüpf- und Ballspielen oder auch freien Bewegungsimprovisationen aus. Auch wenn hier zunächst ein „Wettkampfgedanke“ ins Spiel kommt, so darf in keinem Fall vergessen werden, dass Bewegungsspiele zuallererst eine geregelte Möglichkeit sind, motorisch geprägte Aktivitätsbedürfnisse auszuleben, Bewegungseinschränkungen auszugleichen und Gefühle über Motorik zu kompensieren. Das Zusammenspiel von Bewegung, der Kooperation mit anderen und der erlebten Beziehungsnähe zu den Mitspielern macht den besonderen Reiz der unterschiedlichen Bewegungsspiele aus. Gleichzeitig bieten Bewegungsaktivitäten aber auch eine wichtige Möglichkeit, um aufgestaute Gefühle wie Ärger oder Wut, Belastungsstress, Frustrationen, erlebte Isolationsmomente, erfahrene und quälende Einschränkungen, unbefriedigte Grundbedürfnisse oder Einsamkeit und Entfremdung zu kompensieren. Dabei stellt die Spielform „Bewegungsspiele“ eine weitere Ausdrucksform zur Verfügung: die „Aggressionsspiele zum Austoben“. Darunter werden wilde Rauf- und Kampfspiele verstanden, die unter Beachtung fester Spielregeln (ohne bedeutsame Verletzungsgefahr) den Beteiligten dabei helfen, aggressive Stimmungen und aufgestauten Stress abzubauen.
  • „Musikspiele“ bieten durch den spielerischen Umgang mit Instrumenten und der eigenen Stimme vielfältige Möglichkeiten, Musik und Sprache (Gesang) aktiv zu erleben und nicht nur den „Unterhaltungswert aus der Konserve“ zu nutzen. Gerade durch eigene, selbst initiierte und selbst gestaltete Musikerlebnisse, bei denen die Kinder ihre musikalischen Ressourcen entdecken und zu nutzen in der Lage sind, ergeben sich viele Spielaktionen, die Kinder dazu führen, eigene Stimmungslagen mit dem Ausdrucksmittel „Musikgestaltung“ zu verbinden. Musikwissenschaftler sprechen hier von der Begegnung bzw. der Deckungsidentität von „inneren und äußeren Tönen“. Für die unterschiedlichen Musikspiele können einerseits vorhandene Musikinstrumente genutzt aber auch selbstgebaute Musikinstrumente eingesetzt werden. Sicherlich kann dieser Spielform auch das „Tanzspiel“ zugeordnet werden, weil Tanz- und Musikspiele häufig ineinander übergehen. Tanzspiele bestehen nicht nur aus traditionellen Tänzen – vielmehr erleben Kinder viel Freude an einer rhythmischen Bewegung nach Musik, an Körperkontakt mit anderen Mittänzern und an veränderbaren Beziehungen während des Tanzspiels. Dabei kann es sein, dass die Bewegungsgestaltung während des Tanzspiels frei assoziiert oder auch vorgegeben ist. Entscheidend allerdings bleibt immer das Zusammenspiel von Musik, ihrer Ausdruckskraft, der Melodie, dem Rhythmus und der eigenen Tanzgestaltung.
  • Im „Finger- und Handpuppenspiel“, dem sogenannten „kleinen Theaterspiel“, können sich Kinder mit den unterschiedlichen Personen identifizieren, sich in ihnen selbst entdecken oder von ihnen abgrenzen, je nachdem welche Verhaltensweisen und Persönlichkeitsmerkmale die dargestellten Charaktere präsentieren. Mit der Fingerpuppe bis zur Handpuppe können Spielszenen aufgeführt werden, um Kinder damit in eine Selbstbetrachtung zu führen oder Stellungnahmen bzw. Einschätzungen vorzunehmen, um über sich oder andere Menschen, Handlungsaspekte oder Handlungsfolgen nachzudenken. Die Faszination dieser Spielform hat bis heute bei Kindern trotz der medialen Welt nicht nachgelassen. Das besondere an dieser Spielform ist der Umstand, dass die Spielakteure in einer beziehungsnahen Kommunikation mit den Kindern stehen und jederzeit situationsorientiert in eine neue, aktuelle Interaktion mit Kindern treten können.
  • Das „Marionetten-, Stockpuppen-, Stabpuppen- und Figurenspiel“ kann als eine Fortsetzung der zuvor genannten Spielform bezeichnet werden. Dabei findet das Spielszenario auf einem fest umrissenen Raum statt mit mehr oder weniger vielen Elementen (Bühnenbilder, Licht, Geräuschen, benutzbaren Gegenstände, szenische Gestaltung der „Bühne“…). Dabei erwecken die Spieler die Holz-/Papierfiguren zum Leben und bauen häufig direkte Lebenssituationen der Kinder in ihre Spielhandlungen ein. Je älter die Kinder sind, desto mehr ist es auch möglich, sie in die aktiven Spielhandlungen mit aufzunehmen und zum gestaltenden Akteur werden zu lassen.
  • Das „Symbol- oder Fiktionsspiel“ ist ein so genanntes „als-ob-Spiel“ und wird von vielen Spieleforschern als die hauptsächliche und eigentliche Spielform von Kindern bezeichnet. So geben Kinder sowohl den ausgewählten Spielgegenständen als auch der ausgewählten Spielhandlung ein „eigenes Gesicht“. Dabei werden Puppen zu Kindern, Stühle zu Schiffen, Tische zu Höhlen, Kartons zu Schatzkisten, Holzstangen zu Gewehren oder beispielsweise bunte Stifte zu Zauberstäben. Auf der einen Seite können Symbol- und Fiktionsspiele als Solospiele, auf der anderen Seite aber auch als parallel- oder kommunikationsverbindende Spiele durchgeführt werden. Diese Spielform wird zwar häufig auch als „Rollenspiel“ bezeichnet, ist aber unter genauerer Betrachtung noch kein wirkliches Rollenspiel.
  • Das „Rollenspiel“ ist ein festes, von Kindern thematisch geleitetes Zusammenspiel von mindestens zwei Personen, die sich in fiktive Rollen begeben (haben). Meist sind es Darstellungen von Personen und Situationen, die Kinder erlebt haben oder in ihrer Vorstellung so erleben wollen. Im Rollenspiel erproben Kinder ihre eigenen Verhaltensweisen oder nutzen es zur Verarbeitung von erlebten Konfliktsituationen aus ihrem Alltag. Je jünger die Kinder sind, desto einfacher sind diese Rollenspiele und mit zunehmendem Alter werden sie immer differenzierter und umfassender bis sie in einem so genannten „sozialen Rollenspiel“ enden. Hierbei werden die Rollen exakt verteilt und spielerisch immer differenzierter ausgefüllt, die benutzten Requisiten ähneln immer stärker den Gegenständen ihrer Realität und die Ansprüche an soziale, emotionale und kognitive Kompetenzen steigen mit der Zunahme an der Rollenspielkomplexität. Durch das Rollenspiel versuchen Kinder unbewusst, die von ihnen dargestellten Situationen besser zu verstehen, neu wahrzunehmen und differenzierter zu durchschauen, ihre Lebenssituation zu stabilisieren und durch die spielerische Darstellung ihre erlebten Gefühle auszudrücken. Sofern das Rollenspiel als Verarbeitungshilfe dienen soll, kann es ihnen helfen, einen neuen Abstand zur erlebten oder in der Zukunft anstehenden Situation zu gewinnen, auch um mögliche Handlungsalternativen zu finden und ausprobieren zu können.
  • Das „Schattenspiel“, das auch als Schemenspiel oder Figurenschattenspiel bezeichnet wird, übt aus unterschiedlichen Gründen einen besonderen Reiz auf Kinder aus. So ist es vor allem die Zweidimensionalität, die Körperlosigkeit, das Phantastische und Unfassbare, das häufig lautlos dargestellte Spiel und die manches Mal grotesk wirkende Darstellung, die Kinder in seinen Bann zieht. Neben den (selbst hergestellten) Figuren können aber auch Personen ein „Menschenschattenspiel“ durchführen, bei dem dann vielfältigste „Tricks“ angewandt werden können – beispielsweise ist es nicht schwer, größere Gegenstände zu verschlucken, mit übernatürlich groß wirkenden Drachen zu kämpfen, plötzlich zu verschwinden oder zu fliegen. Hier können sowohl „phantastische Geschichten“ als auch „belastende Lebenssituationen“ zum Thema werden  – es können Ängste aktualisiert und im Nachhinein aufgegriffen und bearbeitet werden.
  • Der Begriff „Freispiel“ (auch Freies Spielen genannt) ist eigentlich eine so genannte Tautologie, zumal jedes Spiel für Kinder frei sein sollte. In ihm wählen die Kinder aus, was sie in welcher Zeit an welchem Ort mit wem spielen möchten. Dabei liegt die Betonung zunächst weniger auf dem Aspekt der Freiheit als vielmehr auf dem Begriff des Spiels. Das heißt, dass ein Freispiel durch sehr unterschiedliche Spielhandlungen der Kinder charakterisiert ist. Voraussetzung für ein freies Spielen ist demnach die Existenz einer Spielfähigkeit der Kinder, weil andererseits Spielhandlungen sonst nicht zustande kommen können. Kinder, die keine oder nur eine sehr eingeschränkte Spielfähigkeit besitzen, erleben eine Freispielzeit als Überforderung und wissen mit dieser ungeplanten Zeit wenig bis gar nichts anzufangen. Häufig fühlen sich Kinder dadurch veranlasst, motorisch aktiv zu sein (um der Aktivität willen) oder anderen Kindern mit unsozialen Verhaltensweisen gegenüber zu treten. Dies geschieht nicht aus einem eigenen Wollen heraus sondern vielmehr aus dem Bedürfnis nach Stressreduktion. Spielfähige Kinder hingegen nehmen eine Freispielzeit gerne in Anspruch, um eigenen Spielideen nachzukommen, selbstständige Spielhandlungen aufzubauen, ausgewählte Spielmaterialien in ihren Spielablauf aufzunehmen und Spielerlebnisse damit zu genießen. Entscheidend ist also beim Freispiel die Ausgangssituation der Kinder. Das Freispiel darf daher weder zu einem starren Zeitfenster im Tagesverlauf von Kindern werden noch darf es dazu „missbraucht“ werden, anzunehmen, Kinder lernen im Freispiel Selbstständigkeit und Verantwortungsbewusstsein. Diese weit verbreiteten Vorstellungen haben beispielsweise über Jahrzehnte hinweg die Kindergartenpädagogik geprägt und letztlich auch dazu beigetragen, dass der Bildungsauftrag nur eingeschränkt umgesetzt werden konnte. Zum Schluss dieser Spielform sei angemerkt, dass Eltern und Fachkräfte selbstverständlich die Möglichkeit und eine damit verbundene Aufgabe haben, dann neue Spielimpulse in ein Freispiel der Kinder hineinzusetzen, wenn der Ideenreichtum der Kinder ausgeschöpft zu sein scheint.
  • „Interaktionsspiele“ sind zumeist eher kurze Spielhandlungen, die von einem Spielleiter initiiert, begleitet und gesteuert werden, wobei die Abläufe und Gestaltungsmöglichkeiten der ursprünglichen Spielstrukturen auch verändert werden können. Ursprünglich stammt diese Spielform aus der therapeutischen und damit gruppendynamischen Arbeit, bei der es um Selbsterfahrung und Sensibilisierung für andere Menschen geht. Interaktionsspiele kennen weder die Kategorien „richtig & falsch“ bzw. „Sieger & Verlierer“ noch geht es darum, dass sich einzelne Mitspieler in den Interaktionsspielen besonders hervortun. Sie dienen vielmehr der Erweiterung der eigenen Wahrnehmungsfähigkeit, der Verbesserung der Wahrnehmungsoffenheit für andere Menschen und bestimmte Situationen, der Erweiterung eigener Handlungsmöglichkeiten, der Verbesserung der Kommunikations- und Konfliktfähigkeit, der Erweiterung eines Kooperationsverhaltens und der Veränderung eigener stereotyper Denk- und Verhaltensmuster. Trotz dieser Schwerpunkte erfassen die Interaktionsspiele immer die ganze Person, die sich in bestimmten Interaktionssituationen erfahren kann und damit in die Lage versetzt wird, über sich und das bisherige Kommunikationsverhalten, über Einstellungen und Sichtweisen, konstruktive oder destruktive Handlungsmomente zu reflektieren.
  • Die umfangreichste „Spielesammlung“ in der gesamten Spielliteratur entstammt der Spielform der „Sozialen Regelspiele“(auch Gemeinschaftsspiele genannt). Auch wenn alle anderen Spielformen ebenfalls mehr oder weniger immer irgendwelche Regeln in sich tragen, so hat diese Bezeichnung dennoch ihren Sinn: Soziale Regelspiele sind in den meisten Fällen so aufgebaut, dass sie einen Wettkampfcharakter mit sich bringen und die Konkurrenz der Mitspieler eher provozieren; sie bestehen in ihrer Struktur aus einem festgelegten Ablauf und verlangen von allen Mitspielern, die bekannten Regeln bis zum Ende des Spiels zu beachten und auch einzuhalten. Es gibt viele Kinder, die einen Leistungsvergleich mit den Mitspielern suchen um möglichst selbst der/die Bessere zu sein. Allerdings muss an dieser Stelle deutlich darauf hingewiesen werden, dass für diese Spielform eine Vielzahl spezifischer Verhaltensweisen notwendig ist (beispielsweise ein Grundmaß an Belastbarkeit; Frustrationstoleranz, Empathie und Anstrengungsbereitschaft). Alle beteiligten Mitspieler müssen in der Lage sein, sich mehr auf den Spielgegenstand selbst, die Spielaufgabe und den -verlauf einzulassen und damit weniger die subjektive, persönliche Wertigkeit in den Mittelpunkt des Sozialen Regelspiels zu stellen. Kinder, deren seelische Grundbedürfnisse eher unbefriedigt geblieben sind, haben weitaus größere Schwierigkeiten, sich auf diese anspruchsvolle Spielform einzulassen als Kinder, die durch eine Grundbedürfnisbefriedigung zu ihrer Selbstkompetenz finden konnten. Gleichzeitig ist bekannt, dass der Auf- und Ausbau eines sozialen Regelbewusstseins bei Kindern ein Lernprozess ist, der einen Zeitraum von ca. 10 Jahren umfasst. So ist verständlich, dass Kinder ihre eigenen Regeln entwickeln, um sich an ihnen selbst messen zu können. Sollte ein Mitspieler also die Regeln missachten oder innerhalb des Spielablaufes verändern, so würde damit entweder das ganze Spiel als beendet erklärt oder die anderen Mitspieler einigen sich darauf, diesen Regel verletzenden Spieler vom weiteren Spielverlauf auszuschließen. Diese Konsequenz kann und darf aber nicht dem Kind selbst angelastet werden, weil es offensichtlich „in seiner Sozialentwicklung noch nicht soweit ist“. Schon hier wird sicherlich deutlich: das Soziale Regelspiel wird häufig viel zu früh in die Pädagogik eingeführt und mit Kindern erlebt (Beobachtungen dokumentieren, dass Soziale Regelspiele mit Kindern zwischen dem dritten und vierten Lebensjahr nicht unüblich sind anstatt diese Spielform erst bei Kindern ab dem fünften, sechsten Lebensjahr verstärkt zu nutzen). Daher steht diese Spielform – aus entwicklungspsychologischer Sicht betrachtet – in der Reihe der Spielformen erst im Abschlussbereich.
  • Zum Schluss der Spielformen kann der große Bereich des „Theaterspiels“ genannt werden. Darunter fallen zunächst viele andere Begriffe wie beispielsweise das „Pantomimische Spiel“, das „Märchenspiel“, das Maskenspiel“, „Schwarzes Theater“ und schließlich als die anspruchvollste Spielform das „Planspiel“. Um jedoch auch hier dem Spielgedanken treu zu bleiben sei angemerkt, dass jede Form des Theaterspiels nur dann als SPIEL bezeichnet werden kann, wenn alle Akteure gemeinsam das Stück aussuchen und bestimmen, die Texte auf ihren Bedeutungsgehalt für alle Mitspieler hin überprüfen und ggf. modifizieren (umschreiben), die Rollen selbst verteilen und ggf. neue Rollen hinzufügen oder vorhandene Rollen aus dem festgelegten Stück verbannen können. Theaterspiele leben aus den Einfällen der Mitspieler, sind offen für Erweiterungen und bieten Platz, interessante Ideen und Einfälle zu integrieren. Theaterspiele werden von Kindern dann besonders gerne angenommen, wenn sie auch bei der gesamten Bühnengestaltung aktiv einbezogen werden, so dass das Ganze zu einem einzigen, großen Spiel wird, in dem Handwerk und Konstruktion, Bewegung und Musik, Tanz und Produktion sinnverbunden miteinander vernetzt sind.

Jede Spielform hat demnach ihren besonderen und einzigartigen Wert im Hinblick auf die Entwicklung von Kindern.

Vielleicht mögen sich manche Fachkräfte am Schluss dieser Ausführungen fragen, wo die sogenannten „Denk- und Lernspiele“ bleiben. Sind denn nicht auch die „Denksportaufgaben für kluge Köpfe“, die „Logeleien“ und „Kopfnüsse zum Knacken“, die„mathematischen Lernspiele“, die „Denkspiele mit Pfiff“ und „Strategiespiele für den klugen Denker“, die „Spiele mit lehrhaftem Charakter“ und die „Sprachlernspiele für kleine Genies“ eine eigene Spielform? Sogenannte „Denk- und Lernspiele“ sind im Gegensatz zu den vorher benannten sechzehn Spielformen im eigentlichen Sinne keine Spiele. Hier handelt es sich vielmehr um „Lern- und Übungsformen“, die einerseits nur den kognitiven Bereich von Kindern trainieren sollen und damit andererseits nur bestimmte Teilfunktionen des Menschen ansprechen. Sie sollen Wissen vermitteln, kognitive Lernprozesse stimulieren und können ohne Schwierigkeiten bestimmten richtlinienorientierten Lernzielen zugeordnet werden. Jedem aufmerksamen Betrachter wird damit klar, dass bei diesen „Übungen“ ein „Spiele-Charakter“ nicht mehr zu erkennen ist. Daher kann an dieser Stelle auch nicht auf diese „Spielform“, die keine ist, eingegangen werden.

krenz elementarpaedagogik

Diesen Artikel haben wir aus folgendem Buch entnommen:
Entwicklungsorientierte Elementarpädagogik
Kinder sehen, verstehen und entwicklungsunterstützend handeln

Krenz, Armin
Burckhardthaus-Laetare
ISBN: 9783944548029
200 Seiten, 24,95 €
Mehr dazu auf www.oberstebrink.de

Literatur:

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Spielen und lernen: Zur Theorie des Kinderspiels

Die hohe Bedeutung des Spiels als Bildungsmittelpunkt für Kinder und als Basiswert einer späteren „Schulfähigkeit“ (Teil 2)

Vor zwei Wochen haben wir einen Beitrag von Prof. Dr. Armin Krenz mit dem Titel „Grundsatzgedanken zur Psychologie des Spiels“ veröffentlicht. Im zweiten Teil geht es nun um die „Theorie des Kinderspiels“ bevor wir uns in einem dritten Teil den „Spielformen“ zuwenden.

Über die Bedeutung des Spiels

Ein Blick in die Zeitgeschichte zeigt, dass verschiedene Vertreter aus den Bereichen der Philosophie, Theologie, Psychologie, Pädagogik, Medizin, Soziologie und der Anthropologie ihre Einschätzung zur Funktion und Bedeutung des Spiels für die Entwicklung des Menschen vorgenommen haben. So unterschiedlich die Berufsfelder sind, so unterschiedlich, widersprüchlich und gegensätzlich sind auch deren Sichtweisen.

Aus ihnen entstanden Meinungen und Hypothesen, warum Kinder in den meisten Fällen gerne und intensiv spielen, welche Wirkungen das Spiel auf die Entwicklung der kindlichen Persönlichkeit hat, ob das Spiel auch einen gesellschaftsrelevanten Sinn besitzt und inwieweit das Spiel im Rahmen unterschiedlicher pädagogischer bzw. psychologischer Zielsetzungen genutzt werden kann bzw. eingesetzt werden sollte.

Meinungen und Hypothesen

Aus diesem Grunde scheint es sinnvoll zu sein, die bedeutendsten Vertreter und ihre jeweiligen Einschätzungen in Kürze zu nennen.

Hall und Wund gehen davon aus, dass sich im Spiel des Kindes die Stammesentwicklung (Philogenese) des Menschen wiederholt. Sie beziehen sich dabei vor allem darauf, dass Kinder mit Vorliebe Erd-/Holz- oder Baumhöhlen bauen, auf Abenteuerspielplätzen ihrem ungebremsten Entdeckerinteresse nachgehen oder selbst mit Spielgegenständen immer wieder Häuser errichten, mit Dinosauriern hantieren oder Jagdrollenspiele und Ähnliches unternehmen. Spencer vertritt die so genannte Kraftüberschusstheorie. Seiner Meinung nach steckt das Kind voller Energie und nutzt das Spiel dazu, seine unverbrauchte Kraft hierbei umzusetzen.

Diese Annahme kann beispielsweise dadurch gestützt werden, wenn wir Kinder beobachten, die gerade bei Bewegungsspielen ein unglaubliches Maß an Handlungsdrang ausagieren.

Schaller – ähnlich wie Guts-Muths – glaubt, dass das Spiel dem Menschen die Möglichkeit bietet, nach einer partiellen Erschöpfung einen wichtigen Ausgleich zu finden und Carr ist davon überzeugt, dass im Spiel aufgestaute Gefühle, dem Menschen inne liegende Instinkte und gedankliche sowie motorische Impulse abreagiert werden können.

Locke gesteht dem Kind zu, das Spiel aus dem Grunde zu erleben, dass es im Gegensatz zum Erwachsenen noch nicht in der Ernsthaftigkeit des Lebens eingebunden ist und Kant sieht im Spiel eine absichtslose Beschäftigung, die lediglich der eigenen Muße dienlich ist.

Schiller schuf mit seinen philosophischen Betrachtungen „über die ästhetische Erziehung des Menschen in einer Reihe von Briefen“ eine Vernetzung zwischen Spiel, Schönheit und ästhetischem Sein. Er schätzt das Spiel als etwas so Bedeutsames ein, das es den Menschen erst vollständig macht.

Groos vertritt in seiner Einübungs- und Vorübungstheorie die Ansicht, dass das Kind im Spiel die Möglichkeit findet, die vielfältigsten, angelegten Fähigkeiten zu üben und mit zunehmendem Alter in einer Form der Selbstausbildung weiter zu entwickeln.

Richter geht von einem experimentierenden Spiel einerseits und vom dramatisierenden Phantasieren und Entladen körperlichen Überschusses durch Bewegung andererseits aus. Dabei geht seiner Meinung nach das Kind mit allen Gegenständen im Spiel so um als wären sie lebendig.

Stern schätzt das Spiel als eine Tätigkeit ein, die einen direkten Bezug des Kindes zu den drei Zeitdimensionen – Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft- besitzt und in deren zeitlichen Dimensionen symbolische, magische und entwicklungsausgerichtete, funktionsübende Momente zum Tragen kommen.

Bühler gibt der Funktionslust des Kindes mit seiner Spiel- und Wiederholungsfreude die größte Bedeutung und geht davon aus, dass das Kind durch seine hohe Spontaneität immer wieder versucht, aktuell herausfordernde Situationen spielend zu bewältigen und zu meistern.

Für Fröbel wird das Spiel zur höchsten Stufe der Kindheitsentwicklung, in der es vor allem darum geht, Äußerliches innerlich und Innerliches äußerlich zu machen, entsprechend der Vorstellung, dass Eindrücke ausgedrückt werden müssen und das eigene Ausdrucksverhalten einen Eindruck in der Welt hinterlassen soll.

Der Holländer Buytendijk vergleicht das Spiel mit einem Theaterstück, in dem es immer einen Anfang, einen Höhepunkt und ein Ende gibt. Für ihn geht es um die spielerische Dynamik im Umgang mit Dingen oder Lebewesen, die für das Kind im Spiel eine besondere Bedeutung besitzen und aus diesem Grunde dazu geeignet sind, eine Spieltätigkeit auszulösen.

Der Philosoph und Kunsthistoriker Huizinga geht von einem sehr weiten Spielbegriff aus. Er sieht die gesamte Kultur als eine Form des Spiels an, indem er beispielsweise die Spielregeln in der Kommunikation als ein „Spiel mit Regeln“ betrachtet, Menschen ihre individuellen „Spielrollen“ übernehmen und das ganze Leben ein „Spiel“ ist.

Piaget ordnet das Spiel des Kindes als einen permanenten Versuch ein, sein Umfeld in das eigene Denken, Handeln und Gestalten einzubeziehen, um erlebte Situationen zu begreifen und möglichst aktiv mitbestimmen zu können. Für ihn ergibt sich daraus die logische Notwendigkeit, dass damit das Kind im Spiel vor allem eine egozentrische Haltung einnehmen und ausdrücken wird.

Hetzer glaubt im Spiel der Kinder eine wesentliche Möglichkeit ihrer Befriedigung entdecken zu können. Ereignisse, die aus Sicht der Kinder unbefriedigend oder belastend verliefen, können nun durch das Nachspielen und ein anderes Gestalten einen nachträglich besseren Verlauf nehmen als in der erlebten Realität. Haigis glaubt, dass das Spiel vor allem die „Lust an existenzieller Erregung“ für Kinder bedeutet – jedes Risiko schafft ein Erlebnis zur emotional bestärkenden Berechtigung der eigenen Existenz und lässt das Kind damit spüren: „Ich bin wer! Nämlich ich.“

Freud vertritt in der Einschätzung und Beurteilung des kindlichen Spiels die Katharsishypothese. Seiner Einschätzung nach führt jedes Spiel zu einer Reinigung (Katharsis) von Erlebnissen, Erfahrungen und Eindrücken aus der Vergangenheit und hilft dem Kind immer wieder aufs Neue, sein seelisches Gleichgewicht aktiv wiederherzustellen.

Schlussfolgerungen aus den „Spieltheorien“

Diese Übersicht stellt lediglich eine Auswahl an so genannten „Spieltheorien“ dar. Bei näherer Betrachtung müssen interessierte (sozial)pädagogische Fachkräfte zu folgenden Schlüssen kommen:

  • Jede Einschätzung zur Funktion und Bedeutung des Spiels ist aus einer bestimmten ideologischen Haltung oder einem bestimmten Kenntnisstand heraus konstatiert.
  • Die Einschätzungen des Spiels reichen von einer besonderen Wertschätzung bis zu einer unumstößlich größten Bedeutung für die kindliche Entwicklung. Diese besonders hohe Bedeutung wird ganz aktuell durch den Kinderarzt und Ethnologen, Dr. Herbert Renz-Polster unterstrichen, der speziell dem freien Spiel in der Natur einen unersetzbaren Bedeutungswert für die gesamte Entwicklung des Menschen zuordnet. Er beschreibt diesen Umstand mit einem Erfahrungsfeld, „das unter die Haut geht“, das Abenteuer bedeutet und eine sinnliche Dichte wie nichts Vergleichbares bereit hält. Beim freien Spiel in der Natur ist das Kind dem LEBEN ausgesetzt und wer in Freiheit leben will, muss diese Freiheit erfahren können. Andernfalls ist das Kind der „schleichenden Enteignung der Kindheit“ ausgesetzt. (2013, S. 50, 61, 67)
  • Die besondere Bedeutung des Spiels für die weitere Entwicklung des Kindes entstand erst von dem Zeitpunkt an, als auch das Kind selbst (unter dem Gesichtspunkt einer eigenen Entwicklungszeit, der Kindheit) immer stärker in den Mittelpunkt einer respektvollen Betrachtung gerückt wurde.
  • Eine „alleinige“ Spieltheorie gibt es aufgrund der unterschiedlichen Sichtweisen nicht!
  • Da das Spiel des Menschen – in der Kindheit, Jugendzeit und Erwachsenenwelt – eine immer schon existierende Ausdrucksform war und ist muss davon ausgegangen werden, dass das Spiel eine Lebensnotwendigkeit ist.
  • Die Bedeutung des Spiels für die weitere Entwicklung von Kindern kann aus zweierlei Sichtweisen betrachtet werden: der Erwachsenensicht mit ihren dogmatischen Absichten und aus der Perspektive des Kindes und seinen Entwicklungswünschen und -möglichkeiten. So besteht heute kein Zweifel daran, dass das Spiel in der Entwicklung des Kindes eine ganz zentrale Stellung einnimmt. Spiel ist damit keine Spielerei!

Definitionen des Spiels

So unterschiedlich und auch widersprüchlich die „Spieltheorien“ von ihren Verfasser/innen geprägt sind, so vielschichtig stellt sich das Spiel auch in der Praxis dar. Immer wieder haben Wissenschaftler/innen aus vielen Ländern und zu unterschiedlichen Zeiten versucht, eine Definition des Spiels zu finden und es existieren in der Vielfalt der Literatur auch ungezählte, unterschiedliche Ansätze einer Definition. Vielen Definitionen ist vor allem eines gemeinsam: sie betonen die „freie Handlung“ des Spiels. So haben sich bis in die heutige Zeit zwei Grundaussagen von Huizinga und Caillois allgemein durchgesetzt:

„Spiel ist eine freiwillige Handlung oder Beschäftigung, die innerhalb gewisser festgesetzter Grenzen von Zeit und Raum nach freiwillig angenommen, aber unbedingt bindenden Regeln verrichtet wird, ihr Ziel in sich selbst hat und begleitet wird von einem Gefühl der Spannung und Freude und einem Bewusstsein des ‚Anderseins’ als das ‚gewöhnliche Leben’.“

Huizinga 1956, S. 46

Und Caillois ergänzt diesen Gedankengang:

„Das Spiel ist: 1. eine freie Betätigung, zu der der Spieler nicht gezwungen werden kann, ohne dass das Spiel alsbald seines Charakters der anziehenden und fröhlichen Unterhaltung verlustig ginge; 2.eine abgetrennte Betätigung, die sich innerhalb genauer und im voraus festgelegter Grenzen von Zeit und Raum vollzieht; 3. eine ungewisse Betätigung, deren Ablauf und deren Ergebnis nicht von vornherein feststeht, da bei allem Zwang, zu einem Ergebnis zu kommen, der Initiative des Spielers notwendiger Weise eine gewisse Bewegungsfreiheit zugebilligt werden muss; 4. eine unproduktive Betätigung, die weder Güter noch Reichtum noch sonst ein neues Element erschafft, und die, abgesehen von einer Verschiebung des Eigentums innerhalb des Spielerkreises, bei einer Situation endet, die identisch ist mit der zu Beginn des Spiels; 4. eine geregelte Betätigung, die Konventionen unterworfen ist, welche die üblichen Gesetze aufheben und für den Augenblick eine neue, allgemeingültige Gesetzgebung einführen; 5. eine fiktive Betätigung, die von einem spezifischen Bewusstsein einer zweiten Wirklichkeit oder einer in Bezug auf das gewöhnliche Leben freien Unwirklichkeit begleitet wird.“

Caillois 1958, S. 16

Ergänzt werden kann diese letzte Definition durch die Fixpunkte, die Chateau dem Spiel zuschreibt: Spiele haben keinen materiellen Wert, sie sind durch Freude charakterisiert, die erlebte Spielfreude ist aktiv und unmittelbar, sie zeichnen sich durch einen bestimmten Spielernst aus, sie bedeuten Wettkampf – wenn nicht mit anderen, so mit sich selbst- und das Spielen ist ein Aufsuchen von Schwierigkeiten, um sie selbst zu meistern. (Chateau 1964). Vielleicht hat Portmann das Spiel am einfachsten und prägnantesten definiert wenn er schreibt:

„Spiel ist freier Umgang mit der Zeit, ist erfüllte Zeit; es schenkt sinnvolles Erleben jenseits aller Erhaltungswerte; es ist ein Tun mit Spannung und Lösung, ein Umgang mit einem Partner, der mit einem spielt – auch wenn dieser Partner nur der Boden ist oder die Wand, welche dem Spielenden den elastischen Ball zurückwerfen.“

Portmann 1976, S. 60

krenz elementarpaedagogik

Diesen Artikel haben wir aus folgendem Buch entnommen:
Entwicklungsorientierte Elementarpädagogik
Kinder sehen, verstehen und entwicklungsunterstützend handeln

Krenz, Armin
Burckhardthaus-Laetare
ISBN: 9783944548029
200 Seiten, 24,95 €
Mehr dazu auf www.oberstebrink.de

Literatur:

Auerbach, S. (2001): Spielerische Intelligenz. München: Beust

Bäcker-Braun, K. (2008): Kluge Babys – Schlaue Kinder. Grundlagen, Spiele und Ideen zur Intelligenzentwicklung. München: Don Bosco

Baer, U. (1981): Wörterbuch der Spielpädagogik. Basel: Lenos

Beins, H.J./Cox, S. (2001): „Die spielen ja nur!?“ Psychomotorik in der Kindergartenpraxis. Dortmund: borgmann

Caillois, R. (1958): Die Spiele und die Menschen. Maske und Rausch. Stuttgart: Kohlhammer

Chateau, G. (1969): Das Spiel des Kindes. Natur und Disziplin des Spielens nach dem dritten Lebensjahr. Paderborn: Schöningh

Einsiedler, W. (1991): Das Spiel der Kinder. Zur Pädagogik und Psychologie des Kinderspiels. Bad Heilbrunn: Klinkhardt

Flitner, A. (1977): Spielen – Lernen. Praxis und Deutung des Kinderspiels. München: Piper

Friedrich, G./Friedrich, R./Galgoczy, V. de (2008): Mit Kindern Gefühle entdecken. Ein Vorlese-, Spiel- und Mitsingbuch. Weinheim: Beltz

Flor, D./Petillon, H. (1997): Abschlussbericht Spiel- und Lernschule. Saarburg: Staatliches Institut für Lehrerfort- und -weiterbildung

Fritz, J. (1991): Theorie und Pädagogik des Spiels. Eine praxisorientierte Einführung. Weinheim/München: Juventa

Gebauer, K. (2007): Klug wird niemand von allein. Düsseldorf: Patmos

Hanifl, L./Hartmann, W./Rollett, B. (1994): Die Auswirkungen des Wiener Spielprojekts in der Volksschule auf die Schullaufbahn und Persönlichkeitsentwicklung der Schüler der 9. Schulstufe unter besonderer Berücksichtigung der sprachlichen Kreativität. In: Olechowski, R./Rollett, B. (Hrsg.). Theorie und Praxis. Aspekte empirisch-pädagogischer Forschung – quantitative und qualitative Methoden. Frankfurt/Main: Peter Lang

Huizinga, J. (1956): Homo ludens. Reinbek: Rowohlt, 2. Aufl.

Kathke, P. ( 2001): Sinn und Eigensinn des Materials. Band 1 und 2. Neuwied/Berlin: Luchterhand

Keller, M. (1973): Spiel und kognitives Lernen, ein Widerspruch? In: Daublebsky, B.: Spielen in der Schule. Stuttgart: Klett

Keller, M. (1976): Kognitive Entwicklung und soziale Kompetenz. Stuttgart: Klett

Kohl, M.F. (2004): Matschen. Kreatives Arbeiten mit verschiedenen Modelliermassen. Seelze-Velber: Kallmeyer

Krenz, A. (2007): Was Kinder brauchen. Aktive Entwicklungsbegleitung im Kindergarten. Mannheim: Cornelsen Scriptor

Krenz, A. (Hrsg.) (2007): Psychologie für Erzieherinnen und Erzieher. Grundlagen für die Praxis. Mannheim: Cornelsen Scriptor

Krenz, A. (2008): Ist mein Kind schulfähig? Ein Orientierungsbuch. München: Kösel, 5. Aufl.

Krenz, A. (2008): Kinder brauchen Seelenproviant. Was wir ihnen für ein glückliches Leben mitgeben können. München: Kösel

Lange, U./Stadelmann, T. (2002): Sand-Wasser-Steine. Spiel-Platz ist überall. Weinheim: Beltz

Liebertz, C. (2000): Das Schatzbuch ganzheitlichen Lernens. Grundlagen, Methoden und Spiele für eine zukunftsweisende Erziehung. München: Don Bosco, 2. Aufl.

Loo, O. van de (Hrsg.) (2005): Kinder-Kunst-Werk. Künstlerisches Arbeiten mit Kindern und Jugendlichen. München: Kösel

Mogel, H. (1994): Psychologie des Kinderspiels. Heidelberg: Springer, 2. Aufl.

Oerter, R. (1999): Psychologie des Spiels. Weinheim: Beltz

Partecke, E. (2002): Kommt, wir wollen schön spielen. Praxishandbuch zur Spielpädagogik im Kindergarten. Weinheim/München: Juventa

Partecke, E. (2004): Lernen in Spielprojekten. Praxishandbuch für die Bildung im Kindergarten. Weinheim: Beltz

Pausewang, F. (2006): Dem Spielen Raum geben. Grundlagen und Orientierungshilfen zur Spiel- und Freizeitgestaltung in sozialpädagogischen Einrichtungen. Berlin: Cornelsen Verlag

Pohl, G. (2008): Kindheit – aufs Spiel gesetzt. Berlin: Dohrmann, 2. Aufl.

Portmann, A. (1976): Das Spiel als gestaltete Zeit. In: Bayer. Akademie der Schönen Künste (Hrsg.): Der Mensch und das Spiel in der verplanten Welt. München: Akademieverlag

Retter, H. (1991): Kinderspiel und Kindheit in Ost und West. Spielförderung, Spielforschung und Spielorganisation in einzelnen Praxisfeldern – unter Berücksichtigung des Kindergartens. Bad Heilbrunn: Klinkhardt

Rossetti-Gsell, V. (1998): Spielen – Sprache der kindlichen Seele. Freiburg: Herder

Samuelsson, I.P. (1990): Learning to learn. A study of Swedish preschool children. New York: Springer

Scheuerl, H. (1985): Zum Stand der Spieleforschung. In: Einsiedler, W. (Hrsg.): Aspekte des Kinderspiels. Pädagogisch-Psychologische Spielforschung. Weinheim: Beltz

Seitz, R. (1998): Phantasie & Kreativität. Ein Spiel-, Nachdenk- und Anregungsbuch. München: Don Bosco

Steininger, R. (2005): Kinder lernen mit allen Sinnen. Wahrnehmung im Alltag fördern. Stuttgart: Klett-Cotta

Treeck, M. -J.G. van (1990): Spielend fördern. Integriertes Lernen durch Spiel. Dortmund: borgmann

Weber, C. (2004): Spielen und Lernen mit 0-3-Jährigen. Weinheim: Beltz

Wege, B. vom/Wessel, M. (2004): Spielen im Beruf. Spieltheoretische Grundlagen für pädagogische Berufe. Troisdorf: Bildungsverlag EINS

Weinberger, S. (2001): Kindern spielend helfen. Eine personzentrierte Lern- und Praxisanleitung. Weinheim: Beltz




Spielen und lernen: Grundsatzgedanken zur Psychologie des Spiels

Die hohe Bedeutung des Spiels als Bildungsmittelpunkt für Kinder und als Basiswert einer späteren „Schulfähigkeit“ (Teil 1)

Spielen und lernen ist unser Thema, weil uns Kinder wichtig sind und das der einzige Weg ist, wie Kinder wirklich lernen können. Zum Thema „Spielen“ hat Prof. Dr. Armin Krenz in seinem Buch „Entwicklungsorientierte Elementarpädagogik“ einen sehr umfassenden Beitrag über rund 50 Seiten verfasst. Da die Erfahrung zeigt, dass aktuell eher kürzere Beiträge viele Leser finden, veröffentlichen wir daraus, seine „Grundsatzgedanken zur Psychologie des Spiels“. Alle 14 Tage publizieren wir einen weiteren Teil.

Die Frage nach dem Warum

Wenn sich (sozial)pädagogische Fachkräfte mit dem großen und gleichzeitig bedeutsamen Thema „Psychologie des Spiels“ auseinandersetzen wollen, wird zunächst eines sehr deutlich werden: Es gibt kaum einen zweiten Themenschwerpunkt in der Psychologie und Pädagogik, der in einem gleichen Maße so umfangreich in der Literatur berücksichtigt und behandelt wurde/wird. So sind hunderte von Büchern auf dem Markt, die sich dem „Spiel“ zuwenden und es gibt weltweit ungezählte wissenschaftliche Untersuchungen, die sich ganz bestimmten Phänomenen des Spiels gewidmet haben. Die Frage nach dem „warum“ ist auf den ersten Blick vielleicht schnell zu beantworten – weil das Spiel(en) in allen Kulturen und zu allen Zeiten ein fester Bestandteil im Leben des Menschen war bzw. ist und dadurch überall eine große Beachtung findet.

Das Spiel gehört zum Leben des Menschen

Ob in der Steinzeit, der Antike, im Hochland von Mexiko oder im alten Ägypten, im Mittelalter, in sakralen Handlungen oder auf Hinterhöfen: auf der ganzen Welt legen Aufzeichnungen, Dokumente und Berichte Zeugnis davon ab, dass das Spiel aus dem Leben des Menschen nicht wegzudenken war und es damit ganz offensichtlich eine wichtige Funktion im Leben von Menschen erfüllt hat. Insofern kann dieses wichtige Phänomen Spiel auch in der Alltagspädagogik gar nicht ausgeblendet werden, sondern muss zweifelsohne eine Berücksichtigung in der Kleinkindpädagogik finden. Andreas Flitner, einer der großen Spielforscher des letzten Jahrhunderts, schrieb:

„Das Kinderspiel ist eine zu auffällige Erscheinung aller Zeiten und aller Kulturen, als dass die Menschen es nicht von jeher beachtet […] hätten […]. Schon die frühesten Bilder des alten Reichs der Ägypter zeigen Puppen, Spieltiere, Bälle und Wagen zum Ziehen; sie zeigen Kinder, die tanzen und hüpfen, übereinander wegspringen und sich balgen, ja sogar theatralische Szenen spielen und dabei Masken tragen […]. In der vorindustriellen Gesellschaft haben die Kinder auch unmittelbar an den eigenen Spielen der Erwachsenen teilgenommen […], so wie ihr ganzes Kinderleben noch in das Leben und Arbeiten der Erwachsenen eingefügt war. Erst das Industriezeitalter zerstörte diese Gemeinschaft. Erst an der Schwelle entstand deshalb die moderne pädagogische Reflexion, welche Theorie und Erforschung des Kinderspiels ermöglichte.“

Flitner, A. (1977): Spielen- Lernen. Praxis und Deutung des Kinderspiels. München: Piper, S. 13

Heute hingegen verbinden viele Menschen mit dem Begriff „Spiel“ weniger bedeutsame Lebensrituale oder gesellschaftspolitische Aspekte als vielmehr die einfache Gleichung, dass das Spiel vor allem etwas sei was zu Kindern gehöre. Jeder, der sich mit seiner eigenen Kindheit beschäftigt wird automatisch auch an eigene Kinderspiele denken.

„Das ganze Leben ist ein Spiel“

Nebenbei fällt aber auch auf, dass das Wort selbst in unserer Sprache häufiger vorkommt als auf den ersten Blick gedacht. So sagen wir bei Dingen, die uns unwichtig erscheinen: „Das spielt doch keine Rolle.“ Menschen, die ein hohes Risiko eingegangen sind, haben „alles aufs Spiel gesetzt“ und wenn eine befreundete Person etwas getan hat, durch das man selbst tief verletzt wurde und von der man sich nun trennen wird, hat sie „ein für alle Mal verspielt“. Menschen, die das Leben nicht so ernst nehmen, besitzen aus Sicht der ernsthafteren Personen eine „Spielernatur“ und andere wiederum sind der festen Überzeugung: „Das ganze Leben ist ein Spiel“. Wenn jemand ein außergewöhnlich hohes Risiko eingeht, dann sagen wir, er „spielt mit dem Feuer“ und wenn jemand etwas nicht versteht heißt es: „Der weiß gar nicht, was hier gespielt wird.“ Menschen, die viele Schicksalsschläge hinnehmen mussten, wurde „im Leben übel mitgespielt“ und einem Übeltäter kann es passieren, dass er bei seiner Festnahme die Worte hört: „Das Spiel ist aus.“

Phänomen Spiel

So vielschichtig die jeweiligen Bedeutungen dieser alltagssprachlichen Aussagen sind, so unterschiedlich werden auch in der „Psychologie des Spiels“ bestimmte Phänomene betrachtet. Doch darf diese Tatsache nicht dazu führen, dass man sich weniger ernsthaft diesem „Phänomen Spiel“ zuwendet. Im Gegenteil: es kommt darauf an, in der ungewöhnlich großen Menge fachwissenschaftlicher Arbeiten das Wesentliche zu entdecken und für die Praxis nutzbar werden zu lassen. Im Rahmen des 16. Weltkongresses der Internationalen Gesellschaft für Spiel (IPA- International Play Association), die 2005 in Berlin tagte und bei der sich Fachleute aus aller Welt darüber austauschten, welche Rolle das Spiel(en) heute einnimmt, äußerten sich beispielsweise Fachleute und Politiker wie folgt:

„Allzu oft wird Spiel als Zeitvertreib betrachtet, um Kinder ruhig zu halten bis sie erwachsen sind. Allzu oft wird Spiel auch als ein Bildungswerkzeug angesehen. Aber nur selten ist man sich der Tatsache bewusst, dass Kinder beim Spielen für das Leben lernen.“

Jan van Gils, IPA Präsident 2005

„Beim Spielen lernen Kinder den Umgang mit anderen; sie probieren sich aus, entwickeln körperliche Fähigkeiten und geistige Talente. Darum müssen Kinder spielen dürfen… Ich freue mich besonders, wenn Erwachsene den Lärm spielender Kinder als Zukunftsmusik empfinden.“´

Horst Köhler, ehem. Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland

„Spielen ist ein Kinderrecht. Wir alle sind aufgefordert, uns für dieses Recht einzusetzen.“

Edelgard Bulmahn, damalige Bundesministerin für Bildung und Forschung

„… für Kinder ist die Fähigkeit zu spielen einzigartig. Hier können sie ihre Gefühle artikulieren und aktiv ihre Umgebung mitgestalten.“

Renate Schmidt, ehemalige Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

„Kinder lernen im Spiel am besten. Und sie eignen sich dabei mehr an als es jede Paukerei vermag: nämlich ein lebendiges Wissen, das nicht auswendig gelernt werden kann …“

Klaus Wowereit, ehem. Regierender Bürgermeister von Berlin

kirenz elementarpaedagogik

Diesen Artikel haben wir aus folgendem Buch entnommen:
Entwicklungsorientierte Elementarpädagogik
Kinder sehen, verstehen und entwicklungsunterstützend handeln

Krenz, Armin
Burckhardthaus-Laetare
ISBN: 9783944548029
200 Seiten, 24,95 €
Mehr dazu auf www.oberstebrink.de