Auf Kinder hören – mit Kindern sprechen

Sprache ist der Motor für jede Selbstexploration und Selbstbildung

Die PowerPoint Präsentationen und Seminarunterlagen von Armin Krenz haben sich in zahllosen Vorträgen und Weiterbildungen bewährt. Sie vermitteln kurz und prägnant das Wesentliche für die pädagogische Praxis und stützen sich dabei auf neueste wissenschaftliche Erkenntnisse. Eben hat er mit „Elementarpädagogische Grundsätze auf den Punkt gebracht“ ein neues Buch vorgelegt, in dem er jedes Kapitel mit einem Fachrartikel einleitet. Im Anschluss daran findet sich ein Abdruck der jeweiligen Powerpoint. Jedes Kapitel schließ mit einer ausfürhlichen Literaturliste.

Das Buch unterstützt pädagogische Fachkräfte dabei, in Bereichen wie Raumgestaltung, Kindheitspädagogik oder in der Beziehung zum Kind aktuelles Wissen in die Praxis umzusetzen. Ob in der Ausbildung, als Vorbereitung auf Gespräche im Kita-Team oder zur Auffrischung des eigenen Fachwissens.

Mit Erlaubnis des Autors publizieren wir hier ein vollstädiges Kapitel aus seinem neuen Buch „Elementarpädagogische Grundsätze auf den Punkt gebracht“. Im Anhang finden Sie eine PowerPoint Präsentation von Prof. Krenz, die wir hier einen Monat lang für Sie zur Verfügung stellen.

Was Sprache bedeutet

Sprache ist Erlebnis – durch sie kann der Mensch sich selbst in Erstaunen versetzen.
Sprache ist wie ein Wunder – sie kann dazu beitragen, in völlig neue Gedankenwelten einzutauchen und gedankliche Tiefen zu erleben, die bis dahin völlig unentdeckt geblieben sind.
Sprache ist Genuss – durch sie versetzt sich der Mensch immer wieder selbst in die Lage, den eigenen Worten gerne zu lauschen.
Sprache fasziniert – durch sie ergeben sich Erkenntnisse, die bisherige (entwicklungshinderliche) Überlegungen auflösen können und innovative Gedanken provozieren.
Sprache verbindet – und lässt im ersten Augenblick unüberbrückbar erscheinende Grenzen zusammenbrechen, wodurch der Mensch ins unerwartete Erstaunen gerät.
Sprache erfreut – und bringt in Selbstgesprächen Sonne in das eigene Herz, um beispielsweise Trauer zu verstehen oder den Sinn bzw. die Bedeutung plötzlicher Irritationen zu begreifen.
Sprache beglückt – und eröffnet in einem konstruktiven Selbstgespräch gedankliche Perspektiven, die bis dahin kaum zugelassen werden konnten.
Sprache berührt – und lässt den Menschen in nachsinnende Gedankenwelten kommen, so dass neue Gedankenverbindungen geknüpft werden können und neue Gefühlswelten entdeckt werden.
Sprache ist wie die Feder eines Vogels – leicht, beschwingt und wundervoll zu betrachten, um sich selbst aus festgefahrenen Gedankenstrukturen zu befreien.
Sprache ist wie ein heller Sonnenstrahl – wegweisend für das eigene Leben, zielgebend und richtungsorientierend.

Gleichzeitig kann Sprache aber auch wie ein Schwert sein: scharf wie eine frisch geschliffene Klinge, zerstörend und vernichtend. Sie kann sich wie ein Feuer in das eigene Herz oder in die Herzen anderer Menschen brennen und eine nachhaltig destruktive Wirkung haben.

Sprache kann auch ermüden, abschrecken, Ängste provozieren und krank machen.

Sprache kann damit Selbstbildungswelten im Menschen öffnen oder verschließen und wirkt (unbemerkt) permanent entwicklungsförderlich oder entwicklungshinderlich.

Das größte Problem in der Kommunikation ist, dass wir nicht zuhören, um zu verstehen. Wir hören zu, um zu antworten.

Thomas Schäring


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Armin Krenz
Elementarpädagogische Grundsätze auf den Punkt gebracht
20 PowerPoint Präsentationen als Grundlage für Teambesprechungen, Fortbildungsveranstaltungen, Fachberatungen
Softcover, 336 Seiten, durchgehend vierfarbig
ISBN: 978-3-96304-613-1
29,95 €


Was Kinder dringender denn je brauchen, ist ein sprachaktives, sprechmotivierendes Lebens- und Lernumfeld:

  • Sie brauchen ungeteilte Zeiten, in denen sie mit Ausdauer und nach eigenen Zeitempfindungen Dinge in Ruhe zu Ende führen können, um Sprachgedanken zu entwickeln, zu verfolgen und auch abschließen zu können.
  • Sie brauchen vor allem Erwachsene, die ihre Ausdrucksformen wirklich verstehen, die Symbole ihres Handelns und Erzählens begreifen und sprachlich „übersetzen“.
  • Sie brauchen den Kindergarten als einen Ort, an dem sie ein aktives Mitspracherecht haben: von der Gestaltung des Tagesablaufes bis hin zur Kinderkonferenz.
  • Sie brauchen offene Ohren, die hören, was Kinder zurzeit beschäftigt und dabei immer wieder mit ihnen in einen lebendigen Kommunikationsaustausch über die kinderbedeutsamen Themen einsteigen.
  • Sie brauchen vielfältige Möglichkeiten, das wirkliche Leben – und keine künstlich gestaltete und strukturierte Welt – kennen zu lernen und dabei philosophische Betrachtungen über ihre Beobachtungen vornehmen zu können.
  • Sie brauchen eine Umgebung, in der sie sich in ihrer Individualität entwickeln können und den Fragen –sprachlich ausgedrückt – nachgehen, „Wer bin ich, was macht mich einmalig in dieser Welt, was kann ich gut und was gibt es alles zu lernen?“, bevor eine so genannte Sozialentwicklung auf sie einströmt.
  • Sie brauchen Menschen, die ihnen einen Raum zugestehen, in dem sie mit Versuch und Irrtum das Weltgeschehen um sie herum begreifen und sprachlich in Worte fassen können.
  • Sie brauchen Erwachsene (und ein entsprechendes Umfeld), die der Prozesshaftigkeit in einem Gespräch eine hohe Beachtung schenken und ihnen  als Bündnispartner zur Umsetzung ihrer ureigenen Interessen zur Seite stehen, die immer wieder sprachlich aufgenommen und weiterverfolgt werden können.
  • Sie brauchen und suchen einen Ort, an dem ihr magisches Denken ausreichend Platz findet, erlebt und sprachlich vielschichtig ausgedrückt zu werden.
  • Sie brauchen und suchen in Erwachsenen Mitspieler/innen und keine Dirigenten, die wirklich auf der Ebene von Kindern – im wahrsten Sinne des Wortes – sind und sie brauchen Erwachsene, die mit ihnen sprechen anstatt auf sie einzureden, an ihnen vorbei reden oder über sie zu sprechen.
  • Sie brauchen Menschen, die ihre Stärken sehen und nicht gegen ihre vermeintlichen Schwächen kämpfen, die ihre Stärken und Handlungstätigkeiten sprachlich begleiten (und nicht loben!).
  • Sie suchen Erwachsene, die statt eines Pessimismusses einen hohen Optimismus ausstrahlen und ihr Lebensglück durch eine reichhaltige und motivierende Sprache zum Ausdruck bringen.

Gebe es keine Kommunikation, wären die Menschen aufgeschmissen. Aber aufgrund von Smartphones merken sie nicht einmal, dass sie aufgeschmissen sind.

cool ge Poet 123

Dort, wo der Kindergarten zu einem alltagstauglichen, >bildungsorientierten und lernprovozierendem Lebensraum< geworden ist und die gesamte Kommunikation respektvoll und wertschätzend gestaltet ist, fühlen sich Kinder angenommen und verstanden. Dies schafft die notwendige Sicherheit für Kinder, sich in Sicherheit zu wissen, wodurch es ihnen leichter fällt, eigene Erlebnisse, Erfahrungen und Eindrücke zu äußern, über ihr Gefühlserleben zu sprechen, sich auf neue Erfahrungen einzulassen, auch alte (Sprach)Muster zu verändern und mit neuen Verhaltensweisen zu experimentieren.

Wenn Kinder diesen »lernprovozierenden Bullerbü – Effekt« nicht mehr im Kindergarten erleben können, dann müssen sie auch hier resignieren, verlieren ihre Freude am Sprechen, experimentieren nicht mehr mit ihrer Sprache oder fallen in frühere Sprachformen zurück und entwickeln bzw. verfestigen zusätzlich auffällige Verhaltensweisen, die sich folgenotwendig weiter in die Schulzeit verlagern bzw. Kinder ihre Erfahrungen »auf der Straße« suchen. Das ist – auf die Gegenwart bezogen – dramatisch und wäre im Hinblick auf die Zukunft fatal. Kinder brauchen nötiger denn je einen beziehungsorientierten und lernintensiven, werteorientierten, kommunikationsinteressanten, sprachintensiven Alltags-Lebensraum, in dem Kinder immer wieder aufs Neue Freude an ihrer Sprache empfinden und gleichzeitig auch Freude daran haben, sich mit anderen Kindern und den Erwachsenen zu unterhalten — die Kindertagesstätte kann Kindern diesen Raum bieten und den Kindern nutzbar machen.

Sprechen und Hören ist Befruchten und Empfangen.

Novalis

Es besteht heute überhaupt kein Zweifel daran, was die Sprache nachhaltig fördert:  Eine „integrierte Sprachförderung“ geschieht vor allem durch die Merkmale, die Sprache außergewöhnlich stark aktivieren, provozieren, lebendig werden lassen:ein alltägliches miteinander sprechen; miteinander singen; miteinander dichten und reimen, Dialoge lebendig pflegen und gemeinsam auf die Suche nach Antworten gehen; miteinander philosophieren; Kinderaktivitäten sprachlich Begleitung; gemeinsames Genießen einer lebendigen Bewegungskultur; Geschichten vorlesen und nacherzählen; Märchen vorlesen und nachspielen; Geschichten erfinden und aufschreiben; miteinander spielen; sorgsam aufeinander hören; Hörspiele erfinden und aufzeichnen; Kindergartenzeitungen erstellen und drucken; Kinderkonferenzen gemeinsam gestalten.

„Gute Sprachförderung“ ist damit alltäglich und werteorientiert hörbar – nämlich in einer werteorientierten Kommunikations-, Interaktions-, Konflikt-, Spiel- und Sprachkultur. Sie ist anstrengend und wundervoll zugleich.

Die Menschheit zur Freiheit bringen, das heißt, sie zum Miteinander reden bringen
To bring freedom to mankind means to get them to talk to each other
Mener les hommes à la liberté veut dire les amener à dialoguer

Karl Jaspers

Armin Krenz