Frauen und Männer wollen die bezahlte Elternzeit gleichmäßig aufteilen

spannungsfeld-vereinb

Frauen und Männer bevorzugen eine gleichmäßige Aufteilung der Elternzeit mit sieben Monaten je Partner:in

Das zeigt eine repräsentative Befragung im Auftrag der Bertelsmann Stiftung. Gelebte Praxis ist allerdings derzeit noch das traditionelle Modell: Frauen beziehen im Schnitt 11,6 Monate Elterngeld, Männer nur 2,8 Monate. Denn bisher ist der volle Elterngeldanspruch bereits bei zwei Partnermonaten ausgeschöpft. Daher schlagen die Expert:innen eine Ausweitung der bislang zwei im Gesetz vorgesehenen Partnermonate auf mindestens vier Monate und eine Anhebung des Elterngeldes vor. Eine solche Reform entspricht nicht nur den Vorstellungen der Frauen und Männer. Sie lindert auch den Fachkräftemangel und verbessert damit die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft.

46 Prozent der Väter beziehen Elterngeld – und damit immerhin doppelt so viele wie vor 15 Jahren. Aber drei Viertel von ihnen nehmen nur die zwei Partnermonate, mit denen der volle Elterngeldanspruch ausgeschöpft werden kann. Dabei entspricht das nicht den Vorstellungen der Mehrheit: In einer repräsentativen Befragung der Bertelsmann Stiftung sollten die befragten Frauen und Männer ihr bevorzugtes Modell angeben. Dabei gewinnt das egalitäre Modell, in dem beide sieben Monate Elternzeit nehmen: 44 Prozent aller Befragten sagen, dass sie eine gleichmäßige Verteilung der Elternzeit bevorzugen. Dahinter folgt mit knapp 39 Prozent die traditionelle Aufteilung (Mutter: 12 Monate, Vater: 2 Monate).

Bei der Elternzeit sind Männer und Frauen sich einig: Beide sollten sieben Monate nehmen

Ob eine stärkere Beteiligung der Väter in den ersten Lebensmonaten des Kindes in der Bevölkerung akzeptiert ist, hat das Institut Arbeit und Qualifikation im Auftrag der Bertelsmann Stiftung mittels einer Vignettenbefragung erforscht. Das Ergebnis: Sowohl Frauen als auch Männer ziehen die gleichmäßige Ausgestaltung der Elternzeit vor. 45 Prozent der Frauen und 42 Prozent der Männer wollen das egalitäre Modell. 41 Prozent der Frauen und 36 Prozent der Männer votieren für das traditionelle Modell. Zudem kann sich ein knappes Viertel aller Befragten sogar vorstellen, dass der Vater die längere Zeit Elterngeld bezieht. „Die Mehrheit der Paare ist längst bereit für eine faire Verteilung von Elternzeiten. Es wird höchste Zeit, dass die Politik eine moderne Elterngeldregelung beschließt, die den Vorstellungen der Eltern entspricht und Väter stärker einbindet – ohne zu starke finanzielle Einbußen für Familien“, sagt Michaela Hermann, Arbeitsmarktexpertin der Bertelsmann Stiftung.

Das würde auch eine Schwäche der aktuellen Elterngeldregelung beheben: Denn wenn Väter nur zwei Monate Elternzeit nehmen, hat dies laut einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung keinen positiven Effekt auf die schnellere Rückkehr von Frauen in den Job. „Und das kostet: Individuell führt es zu Karrierebrüchen, geringerem Einkommen und später weniger Rente für Frauen. Aber es bedeutet auch: weniger Fachkräfte und ein Verlust an Wirtschaftswachstum“, betont Hermann. Nehmen Väter stattdessen vier bis sechs Monate Elternzeit, dann unterbrechen Frauen im Mittel nur noch acht statt 11,6 Monate ihre Erwerbstätigkeit.

Reform des Elterngeldes rechnet sich, bringt Fachkräfte und Wirtschaftswachstum

Eine Elterngeldreform würde aber nicht nur eine gerechtere Aufteilung der Sorgearbeit ermöglichen. Weil die Frauen früher an den Arbeitsmarkt zurückkehren, ließen sich so auch Fachkräfte gewinnen und die Wirtschaft stärken. Konkret schlagen die Expert:innen eine Ausweitung der bisher zwei auf mindestens vier Partnermonate sowie eine Erhöhung der Lohnersatzrate von bisher 65-67 auf 80 Prozent vor. Ein höheres Elterngeld stabilisiert das Haushaltseinkommen, Väter erhalten einen stärkeren Anreiz, Sorgearbeit zu übernehmen, und Mütter können schneller wieder ihre Erwerbsarbeit aufnehmen. Selbst bei vorsichtigen Schätzungen würde dadurch zusätzliche Beschäftigung in Höhe von 200.000 Vollzeitstellen entstehen.

Auch nach Abzug der Kosten für ein erhöhtes Elterngeld würde dadurch das BIP um 16,5 Milliarden Euro steigen – ein zusätzliches Wirtschaftswachstum von 0,4 Prozentpunkten. „Eine Reform der Elterngeldregelung wäre eine lohnende Investition für Wirtschaft und Wettbewerbsfähigkeit“, betont Eric Thode, Volkswirt und Arbeitsmarktexperte der Bertelsmann Stiftung. „Und die langfristig positiven Effekte für die Einkommen und Renten von Frauen sind dabei noch gar nicht berücksichtigt.“

Ostdeutsche Frauen besonders deutlich für faire Aufteilung

Wie prägend das kulturelle Umfeld langfristig ist, zeigt sich auch im regionalen Vergleich. Ostdeutsche Frauen, die auch nach Geburt ihrer Kinder früher in den Beruf zurückkehrten, bevorzugen mit 50 Prozent eine egalitäre Elternzeit-Aufteilung – deutlich mehr als westdeutsche Frauen (44 Prozent) und Männer (knapp 43 Prozent). Die geringste Zustimmung für eine gleichmäßige Aufteilung zeigen mit 40 Prozent ostdeutsche Männer.

Eltern wünschen sich weniger Behördenkram und leichtere Antragstellung

Die befragten Eltern wurden außerdem gebeten, anzugeben, welche Maßnahmen ihnen in der Kinderphase bei der Vereinbarkeit helfen würden. „Weniger Behördenkram und eine leichtere Antragstellung“ werden am häufigsten genannt (44 Prozent). Rund ein Drittel der Eltern sagt, eine kostenlose Kinderbetreuung, flexible Arbeitszeiten und eine bezahlte Haushaltshilfe würde sie entscheidend entlasten. Weder für Frauen noch für Männer steht eine Reduzierung der Arbeitszeit ganz oben auf der Wunschliste. „Der Wille zur Erwerbsarbeit ist nach wie vor da. Die Übernahme von Sorgearbeit darf für Eltern deshalb nicht zu Lasten der beruflichen Entwicklung gehen“, sagt Michaela Hermann.

studie spannungsfeld 3

Jansen, A. und Kümmerling, A.
Spannungsfeld Vereinbarkeit: Elternzeitpräferenzen
und Vereinbarkeitswünsche von Frauen und Männern.
Bertelsmann Stiftung (Hrsg.). Gütersloh

Die Studie gibt es hier zum kostenlosen Download as PDF

Zusatzinformationen:

Die Studie ist der dritte Teil einer Veröffentlichungsreihe des Projekts „Spannungsfeld Vereinbarkeit: Onlinebefragung zur Aufteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit im Paarkontext“, das das Institut Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen im Auftrag der Bertelsmann Stiftung durchgeführt hat. Die Datengrundlage bildet eine Onlinebefragung von 2.523 Frauen und Männern im erwerbsfähigen Alter (18-65 Jahre). Die Befragung wurde zwischen dem 19.12.2023 und dem 19.1.2024 vom Umfragezentrum Bonn und einem Online-Access-Panel mit Incentivierung von bilendi durchgeführt. Sie wurde im Rahmen der ESOMAR-Richtlinie durchgeführt, das für die Erhebung genutzte Panel ist nach ISO 20252:2019 zertifiziert.

Wir beziehen uns außerdem auf eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung, die die Erwerbsunterbrechungen von Müttern in Abhängigkeit der Elternzeit ihrer Partner untersuchte: Frodermann et al (2023): Elternzeiten von verheirateten Paaren: Mütter kehren meist schneller auf den Arbeitsmarkt zurück, wenn ihre Partner Elternzeit nehmen. IAB-Kurzbericht 1/2023, Nürnberg.

Quelle: Pressemitteilung Bertelsmann Stiftung

Hier haben wir über den zweiten Teil der Studie berichtet:




Familiengründung ist Teamarbeit!

eaf fordert zur Geburt zehn Tage bezahlte Freistellung für den zweiten Elternteil

In diesen Tagen hat sich der Familienausschuss in einer öffentlichen Anhörung mit einem Antrag der Fraktion DIE LINKE zur Einführung eines zehntägigen Elternschutzes beschäftigt. Grundlage ist eine EU-Richtlinie, die einen Rechtsanspruch auf einen sogenannten „Vaterschaftsurlaub“ vorsieht. Deutschland hat ein im EU-Vergleich modernes Elterngeld, zu dem die bezahlte Freistellung eine sinnvolle Ergänzung wäre.

„Ein Kind kriegt man nicht mal eben so. Das Team Eltern muss schon zur Geburt gemeinsam an den Start gehen können“, betont eaf-Präsident Dr. Martin Bujard und stellt fest: „Ausschließlich den Müttern bei der Geburt eine bezahlte Freistellung einzuräumen, ist nicht mehr zeitgemäß. Eltern sehen die Familiengründung als gemeinsame Aufgabe und wollen sich von Anfang an gegenseitig partnerschaftlich unterstützen.“

Zwar ist es auch jetzt schon möglich, dass Väter bzw. Co-Mütter für kurze Zeit unbezahlte Elternzeit nehmen können. Die bezahlte Elternzeit beginnt aber erst ab einem Zeitraum von mindestens zwei Monaten. Mehr als die Hälfte der Väter nehmen gar keine Elternzeit, viele Familien geben an, dass die Väter aus finanziellen Gründen nicht so lange aussteigen können oder berufliche Nachteile fürchten.

„Hier ist noch ein Bewusstseinswandel in der Arbeitswelt notwendig“, so Bujard. „Das Signal einer bezahlten Freistellung für Väter zum Zeitpunkt der Geburt richtet sich an die Gesellschaft, aber insbesondere an Arbeitgeber und Kollegen: Mit der Geburt eines Kindes sind beide Eltern für den Familienalltag zuständig und das kann dann auch bei beiden dazu führen, dass die Erwerbsarbeit phasenweise zurückstehen muss.“ Eltern von Anfang an Zeit für ihr Familienleben zu ermöglichen, ist ein wichtiges Anliegen der eaf. 

Quelle: Pressemitteilung der evangelischen arbeitsgemeinschaft familie (eaf)




Immer mehr Väter nehmen Elternzeit

Jeder vierte Elterngeldbeziehende ist männlich – allerdings nur für kurze Zeit:

Windeln wechseln statt Job – zumindest eine Zeit lang? Was für viele Väter früherer Generationen noch undenkbar war, haben hierzulande 462 300 Väter im Jahr 2020 bewusst gewählt – und Elterngeld bezogen. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) anlässlich des Vatertags mitteilt, war jeder vierte Elterngeldbeziehende (25 %) im vergangenen Jahr männlich – im Jahr 2015 war es noch jeder fünfte (21 %).

Eltern können das klassische Elterngeld ab 2 bis zu 14 Monaten beziehen. Eltern, deren Kinder ab dem 1. Juli 2015 geboren wurden, können für bis zu insgesamt 36 Monate das sogenannte Elterngeld Plus beantragen.

Nur kurze Auszeit vom Beruf

Die meisten Väter haben 2020 jedoch nur eine vergleichsweise kurze Auszeit vom Beruf geplant: Knapp drei von vier Vätern (72 %) planten 2020 mit der minimalen Elterngeldbezugsdauer von 2 Monaten. Zum Vergleich: Die meisten Mütter (62 %) beantragten das Elterngeld für einen Zeitraum von 10 bis 12 Monaten. Männer planten beim Elterngeldbezug mit einer durchschnittlichen Dauer von 3,7 Monaten, Frauen mit 14,5 Monaten. Die wenigsten Väter entschieden sich 2020 dafür, das Elterngeld länger als ein Jahr für eine berufliche Pause zu nutzen. Allerdings hat sich ihr Anteil seit 2015 verdoppelt. 

Väter aus Sachsen erhielten am häufigsten Elterngeld

Ein Vergleich der Bundesländer zeigte im Jahr 2020 deutliche Unterschiede, jedoch keine übergreifenden Muster wie etwa ein Nord-Süd- oder Ost-West-Gefälle: Väter aus Sachsen bezogen mit einem Anteil von 30,0 % am häufigsten Elterngeld, gefolgt von jenen in Bayern und in Berlin mit jeweils 27,2 %. Dagegen beantragten im Saarland (19,1 %) und Bremen (20,7 %) die wenigsten Väter Elterngeld.

Bremer Väter beabsichtigten 2020 durchschnittlich 5,4 Monate Elterngeld zu beziehen – der bundesweite Spitzenwert. Auf den Plätzen zwei und drei folgten die Väter aus Berlin (4,9 Monate) und Nordrhein-Westfalen (4,3 Monate). Am wenigsten Zeit kalkulierten Väter aus Baden-Württemberg, Bayern und Thüringen mit jeweils 3,1 Monaten ein. 

Quellen: Statistisches Bundesamt und statista