Ganzheitlich lernen – mit Herz, Kopf und Hand

Warum sinnliches Erleben und emotionale Intelligenz heute wichtiger sind denn je

Wir leben in einer Zeit, in der die Informationsmenge täglich wächst – und mit ihr der Druck auf Kinder, immer mehr Wissen aufzunehmen. Doch wie lange noch können Geist und Psyche diese Überflutung verkraften? Wann wird emotionale Kälte zu innerer Leere oder gar zu Aggression? Und erkennen wir rechtzeitig, dass nicht reines Faktenwissen unsere Zukunft sichert, sondern die Fähigkeit, Körper, Geist und Seele in Einklang zu bringen?

Kinder der heutigen Wissensgesellschaft erleben die Welt zunehmend durch Bildschirme – weniger durch eigenes, sinnliches Erleben. Die Medienwelt bestimmt, was sie sehen, hören und begehren. Schon früh am Morgen tummeln sich Monster im Kinderfernsehen, während aggressive Helden das Frühstück begleiten. Was bleibt, ist eine Wirklichkeit „aus zweiter Hand“ – mit trügerischer Konsumversprechen statt echter Erfahrungen.

Trügerische Fastfood-Wahrnehmung

Viele Kinder verwechseln heute mediale Trugbilder mit der Realität. Wer kennt sie nicht – die lila Kuh, die längst in den Köpfen spukt, bevor ein Kind eine echte Kuh erlebt hat? Erwachsene können solche Bilder einordnen, Kinder dagegen glauben oft, was sie sehen: „Wenn’s im Fernsehen war, muss es stimmen.“

Die sogenannte Ikomanie – die Sucht nach Bildern – ist ein neues Phänomen unserer Mediengesellschaft. Immer mehr Kinder leiden an Wahrnehmungsstörungen, teils aus organischen, häufig aber aus umweltbedingten Gründen. Während Augen und Ohren durch visuelle und akustische Reize überfordert sind, verkümmern Tast-, Riech- und Gleichgewichtssinn. Es fehlen echte Erfahrungen – mit echten Menschen und echten Dingen.

Sinnesentwicklung braucht echte Erfahrungen

Unsere Sinne sind die Tore zur Welt. Kinder lernen über Sehen, Hören, Tasten, Riechen, Schmecken und Bewegen. Sie begreifen durch Greifen, ertasten die Welt, lange bevor sie sprechen. Diese Primärerfahrungen sind unersetzlich. Sie machen den Unterschied zwischen flüchtigem Konsum und tief verankerter, ganzheitlicher Erinnerung. Der Regenwurm fühlt sich eben nur in der Hand feucht und lebendig an – nicht auf dem Bildschirm.

Wenn Kinder frühzeitig vielfältige sinnliche Erfahrungen machen dürfen, entstehen im Gehirn stabile Denkstrukturen. Diese sind die Grundlage für emotionale Sicherheit und lebenslanges Lernen.

Folgen der Reizüberflutung

Ein Übermaß an einseitigen Reizen schadet: Der durchschnittliche Fernsehkonsum von 4- bis 14-Jährigen liegt bei viereinhalb Stunden täglich. Das belastet nicht nur Augen und Ohren, sondern stört auch die Verarbeitung im Gehirn. Viele Kinder können Reize nicht mehr richtig einordnen oder voneinander unterscheiden. Die Folge: Konzentrationsprobleme, motorische Unruhe, Unsicherheiten im Sozialverhalten.

Oft treten mehrere Wahrnehmungsstörungen gleichzeitig auf. Kinder mit auditiven Einschränkungen hören zwar die Laute, erkennen aber deren Bedeutung nicht. Andere haben eine taktile Über- oder Unterempfindlichkeit – sie suchen ständig starke Reize oder meiden jede Berührung. Solche Störungen beeinträchtigen nicht nur die Wahrnehmung, sondern auch die emotionale Entwicklung.

Mehr als Wissen: Herzensbildung und soziale Kompetenz

Kinder brauchen mehr als Wissensvermittlung. Sie brauchen Räume für sinnliche Erlebnisse, für Beziehungslernen, für Herzensbildung. Die zentralen Zukunftskompetenzen sind soziale Intelligenz, emotionale Stärke und die Fähigkeit, empathisch zu handeln. Diese wachsen nicht in der digitalen Welt, sondern in echter Begegnung – mit Menschen, mit Natur, mit dem echten Leben.

Eltern, Erzieher:innen und Lehrkräfte sind gefragt, eine Umgebung zu schaffen, die Kinder in ihrer ganzheitlichen Entwicklung stärkt: mit Zeit zum Matschen, Toben, Staunen und Fragenstellen. Kinder wollen entdecken, untersuchen, ausprobieren. Und sie brauchen Orte dafür – draußen in der Natur, im Alltag, im echten Leben.

Sinneserziehung als Bildungsaufgabe

Je früher Kinder gezielte Förderung erhalten, desto besser können Wahrnehmungsstörungen ausgeglichen werden. Und je liebevoller und kompetenter wir ihre Sinne ansprechen, desto besser sind sie auf die Herausforderungen der Zukunft vorbereitet. Unsere Kinder können mehr als nur sehen und hören – sie können fühlen, schmecken, riechen, tasten und das Leben mit allen Sinnen gestalten.

Kontakt:

Dr. Charmaine Liebertz
Tel: 0221 9233103
✉️ c.liebertz@ganzheitlichlernen.de
🌐 www.ganzheitlichlernen.de

Charmaine Liebertz

Charmaine Liebertz
Spiele zum ganzheitlichen Lernen

Bewegung, Wahrnehmung, Konzentration, Entspannung und Rhythmik in der Kindergruppe
Softcover, 14,8 x 21 cm, 96 Seiten
Burckhardthaus Verlag
ISBN: 9783944548166
14,95 €

Weitere Informationen…




Emotionale Intelligenz Schritt für Schritt entwickeln

Warum ErzieherInnen und Eltern bei der Entwicklung der sozialen Kompetenzen der Kinder besonders gefordert sind

Jedes Kind bringt bei der Geburt sein unverwechselbares Temperament als emotionale Anlage mit auf die Welt. Es ist das Startpaket für seine lange emotionale Karriere. Schritt für Schritt entwickelt es die Vielfalt seiner emotionalen Fähigkeiten im alltäglichen Umgang mit seinen Eltern, seinen Geschwistern und den vielen Menschen aus seiner Umwelt, und zwar von frühester Kindheit an bis ins hohe Alter.

Nur wer die Herzen bewegt, bewegt die Welt!

Ernst Wiechert

Der emotionale Typus eines Kindes ist also angeboren; die Reifung zu einer emotional intelligenten Persönlichkeit ist jedoch sozial erworben. Erst aufgrund dieser einmaligen Mischung von Anlage und Umwelt entwickelt sich unsere Gefühlszentrale, das limbische System: von den überlebenswichtigen Basisfunktionen hin zu den höher entwickelten Fähigkeiten, die für unser komplexes soziales Miteinander erforderlich sind.

Emotionale Reaktionen sind sozial vermittelt

Da die meisten unserer emotionalen Reaktionen sozial vermittelt und somit individuell sind, gibt es für Eltern und Pädagogen viel zu tun. Denn wir alle müssen von klein auf lernen, unsere angeborenen Gefühle zu steuern, auf diejenigen unserer Mitmenschen zu reagieren und die Wertvorstellungen unserer Kultur zu respektieren. Gefühle bilden sozusagen die Gleise für den Zug des Lebens. Wenn sie in der Kindheit breit und stabil angelegt werden, dann ist ein Entgleisen sehr unwahrscheinlich.

Unsere Kinder brauchen im unsteten Fluss der gesellschaftlichen Veränderungen verlässliche Geländer. Wer glaubt, ein großes Wissensrepertoire allein reiche aus, um ihnen diese Sicherheit zu geben, der übersieht, dass zur Bildung im 21. Jahrhundert vor allem eine Schlüsselqualifikation gehört: emotionale Intelligenz. Ist diese gut ausgeprägt, so geht damit eine positive schulische Entwicklung einher. Umgekehrt bedeutet eine geringe emotionale Kompetenz jedoch einen Risikofaktor für die Schul- und Berufskarriere. Gefühle wirken demnach als Motor der geistigen Entwicklung eines Kindes.


Das Schatzbuch jetzt bei BurckhardtHaus

Viele Jahre lang hat die Pädagogik die emotionale Entwicklung der Kinder dem Zufall überlassen. Das hat traurige Konsequenzen: Etliche Kinder und Jugendliche leiden unter psychischen Erkrankungen wie Essstörungen oder Depressionen. Charmaine Liebertz fordert dazu auf, die Herzensbildung der Kinder zur wichtigsten Aufgabe zu machen. Dazu gibt sie neben gut verständlichen theoretischen Grundlagen über den aktuellen Stand der Hirnforschung auch viele praktische Tipps, stellt Spiele und Übungen zusammen, um die eigenen Emotionen kennen zu lernen, mit ihnen umzugehen, Empathie zu entwickeln und soziale Kompetenz zu erwerben.

Charmaine Liebertz: Das Schatzbuch der Herzensbildung – Grundlagen, Methoden und Spiele zur emotionalen Intelligenz. 200 Seiten, ISBN 978-3-96304-611-7, 20 €


Vernunft und Verstand sind eigebettet in die emotionale Struktur

Jeder Mensch meistert kritische Augenblicke, schwierige Phasen, gefährliche Versuchungen, dauerhafte Belastungen und ungünstige Lebensbedingungen umso besser, je ausgeprägter seine emotionale Intelligenz ist. Er vermag seine eigenen Gefühle und Reaktionen – ebenso wie die anderer – in verschiedenen Situationen einzuschätzen, zu handhaben und zu bewerten.

Die Hirnforschung lehrt uns heute, dass Vernunft und Verstand eingebettet sind in die emotionale Struktur des Menschen. Emotionale Reize wirken auf nahezu alle Bereiche der Großhirnrinde, die unsere Wahrnehmung und komplexen Denkabläufe steuert. Das limbische System bewertet und wägt alles, was wir tun, mit unserem emotionalen Erfahrungsschatz ab. Gedanken und Gefühle sind also im neuronalen Netzwerk eng miteinander verknüpft; sie funktionieren als ganzheitliche Einheit.

Den Umgang mit Gefühlen lernen

Wer in seiner Kindheit und Jugend gelernt hat, mit seinen Gefühlen und denen seiner Mitmenschen umzugehen, der vermag sein geistiges Potenzial voll auszuschöpfen, ohne zum Spielball seiner Emotionen zu werden. Kinder und Jugendliche mit hoher emotionaler Intelligenz verfügen über ein stabiles Selbstwertgefühl, über Problemlösungsstrategien, über ein inneres Krisenmanagement, und vor allem kennen sie Alternativen zu Gewalt und Drogen, um sich selbst zu spüren.

Eines ist jedoch besorgniserregend: Immer mehr Kinder beziehen ihre Identität aus der Interaktion mit zahlreichen Medien. Fernab vom realen Leben stattet sie die virtuelle Welt mit der ersehnten Omnipotenz aus und schenkt ihnen Beachtung. In dieser – etwa in Chatrooms oder Spielen erworbenen – künstlichen Identität verbringen sie oftmals mehr Zeit als in ihrer realen.

Pädagogen im Wettkampf mit virtuellen Erziehungsagenten

Im Wettkampf mit den virtuellen Erziehungsagenten, wie Fernsehen oder Computer, müssen wir Pädagogen mehr denn je den Respekt vor der Würde des Menschen, seine Fähigkeit zum Mitleid und seine emotionale Spannbreite im sozialen Miteinander fördern. Wir können uns nicht länger allein hinter den Strategien der Wissensvermittlung verschanzen und in Sachen Herzensbildung ein Ungenügend abliefern, während die Kinder orientierungslos nach starken Vorbildern suchen.

Das vielfältige Orchester der Gefühle braucht einen Dirigenten! Eine unserer wichtigsten Erziehungsaufgaben ist es, das Kind im Laufe seiner emotionalen Entwicklung zu einem kompetenten Dirigenten heranzubilden. Wir Eltern, ErzieherInnen und Lehrkräfte neigen oft dazu, dieses emotionale Wachstum als selbstverständlich, jede kleinste, neue Bewegung oder Wortschöpfung dagegen als Meilenstein in der kindlichen Entwicklung anzusehen.

Diesen Artikel haben wir aus dem Buch von Charmaine Liebertz „Spiele zur Herzensbildung“. Herzensbildung bedeutet, die Entwicklung des Kindes zu einem offenen, stabilen Erwachsenen, der das Leben als ein Miteinander versteht. Emotionale Intelligenz und das Zusammenspiel von Körper, Geist und Emotion sind der Schlüssel zu einem glückenden Leben. Mit zahlreichen leicht umsetzbaren Spielen, hilft Charmaine Liebertz, eigene Emotionen zu entdecken und soziale Kompetenzen aufzubauen und umzusetzen.

Charmaine Liebertz
Spiele zur Herzensbildung
Emotionale Intelligenz und soziales Lernen
80 Seiten, Broschur
ISBN: 978-3-944548-17-3
14,95 €

Dr. Charmaine Liebertz ist Heilpädagogin und Lehrerin. Sie war zehn Jahre lang wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachbereich Heilpädagogik an der Universität Köln. Lernen besteht für sie nicht nur aus dem Anhäufen von Fakten, sondern muss im Einklang von Körper, Herz, Geist und Humor geschehen. Dafür setzt sie sich in der Gesellschaft für ganzheitliches Lernen e.V. ein, die sie 1996 gründete.