Wie die Qualität im Kinderschutz verbessert werden kann

25 Expertisen des DJI beschreiben Herausforderungen für Kinderschutz-Fachkräfte in Baden-Württemberg

Mehrere Gesetzbücher, unter anderem das Bürgerliche Gesetzbuch, das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen, das Jugendgerichtsgesetz sowie das Gesetz zur Kooperation und Information im Kinderschutz, stellen die Grundlagen für einen gelingenden Kinderschutz in Deutschland dar. Und sie sollen die Situation von benachteiligten Kindern und Jugendlichen verbessern. Die Gesetzestexte sehen unter anderem einen professionellen Kinder- und Jugendschutz, eine gelingende Prävention vor Ort und mehr Beteiligung von Kindern, jungen Menschen, Eltern und Familien sowie eine enge Zusammenarbeit zwischen dem Allgemeinen Sozialen Dienst (ASD) und dem Gesundheitswesen, den Strafverfolgungsbehörden, den Familiengerichten, der Jugendstrafjustiz und anderen wichtigen Akteurinnen und Akteuren im Kinderschutz vor. Die Umsetzung stellt Jugendämter und dort tätige Fachkräfte, aber auch Familiengerichte und andere Fachpersonen im Kinderschutz immer wieder vor große Herausforderungen.

Hier setzt das Projekt „Qualitätsentwicklung im Kinderschutz in Baden-Württemberg“ des Deutschen Jugendinstituts (DJI) an: Forschende befragten Fachkräfte des ASD zu ihrer Arbeitssituation im Kinderschutz. Insgesamt beteiligten sich 84 Prozent der Fachkräfte mit Kinderschutzaufgaben. Die Ergebnisse wurden vor Ort mit dem befragten Personal und den Leitungen diskutiert und interpretiert. Jedes Jugendamt legte auf dieser Grundlage bis zu drei Qualitätsentwicklungsbedarfe fest.

Themenfelder, die Jugendämter beschäftigen

Bei den Qualitätsentwicklungsbedarfen handelte es sich um Themen, die das jeweilige Jugendamt besonders beschäftigten. Häufig genannt wurden beispielsweise die Ausgestaltung der Beziehung zu Kindern und ihren Erziehungsberechtigten in Kinderschutzverfahren sowie die Vermittlung passender und spezialisierter Hilfen für verschiedene Bedarfe in den Familien. Zu weiteren Themen zählten die Zusammenarbeit mit den Gerichten und dem Gesundheits- und Bildungsbereich sowie Prozesse, die zu nachvollziehbaren und qualifizierten Entscheidungen in Kinderschutzverfahren führen. Darüber hinaus thematisierten die Fachkräfte den Umgang mit Multiproblemfamilien und das Vorgehen bei Verdacht auf sexuelle Gewalt sowie Unterstützungsmöglichkeiten bei besonderen Belastungen und Kritik.

Forschungsstand zu ausgewählten Kinderschutzthemen

Zu den genannten Qualitätsentwicklungsbedarfen analysierten DJI-Forschende zusammen mit Kinderschutz-Expertinnen und -Experten in insgesamt 25 Expertisen den Forschungsstand. Und sie gaben Empfehlungen für die Gestaltung einer qualifizierten Kinderschutzarbeit. Im Umgang mit Kindern ist es beispielsweise wichtig, eine Gesprächsatmosphäre zu erzeugen, in der ihnen mit Zeit, Aufmerksamkeit und Interesse begegnet wird. Bei der Exploration der Bedürfnisse und Gefährdungslagen eines Kindes sollte zunächst eine positive Beziehungsebene geschaffen und offene, nichtleitende Fragestellungen bevorzugt werden. Für Entlastung der im Kinderschutz Tätigen können unter anderem Co-Arbeit, Wertschätzung und Rückhalt im Team, klare Strukturen und Verfahrensabläufe sowie eine regelhafte Fallsupervision sorgen.

Das Projekt wurde vom Ministerium für Soziales und Integration Baden-Württemberg gefördert.

https://www.dji.de/ueber-uns/projekte/projekte/qualitaetsentwicklung-im-kinderschutz-in-baden-wuerttemberg.html

https://www.dji.de/ueber-uns/projekte/projekte/qualitaetsentwicklung-im-kinderschutz-in-baden-wuerttemberg/projekt-publikationen.html

https://www.dji.de/themen/kinderschutz.html

Sonja Waldschuk, Deutsches Jugendinstitut e.V.




Studie empfiehlt flächendeckende Etablierung von Beauftragten für Kinderrechte

Studie empfiehlt flächendeckende Etablierung von Beauftragten für Kinderrechte

Eine im Auftrag des Deutschen Kinderhilfswerkes (DKHW) erstellte Expertise spricht sich für die Etablierung von Ombudspersonen bzw. Beauftragten für Kinderrechte auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene aus. Als Ausgangspunkt dient eine vergleichende Untersuchung von Ombudspersonen und vergleichbaren Stellen auf europäischer Ebene.

Aufgaben der teilweise neu zu schaffenden Stellen wären neben der Bekanntmachung der Kinderrechte vor allem die Interessenvertretung von Kindern in Politik und Gesellschaft, das Monitoring der Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention, die Förderung der Beteiligung und Partizipation von Kindern sowie die Bearbeitung von Beschwerden von Einzelnen und Gruppen.

Eine einzelne Beauftragtenstelle reicht nicht aus

Die Expertise stellt zudem fest, dass eine einzelne Beauftragtenstelle, beispielsweise auf der Bundesebene, diese unterschiedlichen notwendigen Aufgaben nicht befriedigend umsetzen könne. Vielmehr müsse ein Netzwerk von Beauftragten auf kommunaler, Länder- und Bundesebene entwickelt werden, die miteinander kooperieren, sich inhaltlich abstimmen und eine gemeinsame Strategie zur Förderung der Kinderrechte entwickeln und umsetzen. Ausgangspunkt der Expertise ist eine vergleichende Untersuchung von Ombudspersonen und vergleichbaren Stellen auf europäischer Ebene.

Handlungsbedarf und Handlungsmöglichkeiten

„Die Studie weist eindrucksvoll den Handlungsbedarf und Handlungsmöglichkeiten für ein Netz an Beauftragten für Kinderrechte nach. Die zu bearbeitenden Aufgabenfelder sind klar definiert und umreißen den Auftrag an die Politik auf allen Ebenen tätig zu werden und entsprechende Stellen einzurichten“, betont Holger Hofmann, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerkes. „Für uns als Kinderrechtsorganisation steht die Umsetzung der Kinderrechte und der sich damit verbindenden Aufgaben im Zentrum. Dabei können die auf den unterschiedlichen politischen Ebenen angesiedelten Beauftragten hinsichtlich ihrer Aktivitäten sinnvolle Schwerpunkte setzen: Einzelfallarbeit beispielsweise wäre auf der kommunalen Ebene zu verorten, während die Landes- und Bundesebene die Gesetzgebung begleiten würde“, so Hofmann weiter.

Good-practice-Erfahrungen und Wissen sicherstellen

„Aus Sicht des Deutschen Kinderhilfswerkes sollten Ombudsstellen auf der Landesebene den Informationsfluss unter den Kommunen, Good-practice-Erfahrungen und Wissen sicherstellen, gemeinsame Positionierungen erarbeiten und dessen Transfer gewährleisten. Ähnliches gilt für eine entsprechende Stelle auf Bundesebene, für die unterschiedliche Konstruktionen denkbar wären, etwa analog dem Unabhängigen Beauftragten gegen den sexuellen Missbrauch von Kindern, unter Einbeziehung der Kinderkommission des Deutschen Bundestages oder mit Verantwortung bei Servicestellen zivilgesellschaftlicher Träger“, sagt Hofmann.

Gesetzliche Absicherung der Stelle erforderlich

Die Untersuchung für das Deutsche Kinderhilfswerk kommt weiterhin zu dem Ergebnis, dass Ombudspersonen oder Beauftragte nicht nur eine symbolische Funktion erfüllen, sondern ihre Aktivitäten substanziell umzusetzen seien. Dafür wären eine gesetzliche Absicherung der Stelle, ihrer Aufgaben und des Verfahrens zur Berufung erforderlich. Zudem sei auf inhaltliche Unabhängigkeit, Weisungsfreiheit sowie eine hinreichende personelle und finanzielle Ausstattung zu achten. Sowohl bei der Ausgestaltung als auch an der Strategieentwicklung seien Kinder und Jugendliche zu beteiligen. Denn der oder die Beauftragte verfüge nicht qua Amt über die „richtige“ Einschätzung der Kinder- und Jugendinteressen, befinde sich aber in der Position, die erforderlichen Perspektiven zusammenzubringen und diese an die richtigen Stellen in Politik und Verwaltung zu adressieren.

Download

Die Erstellung der Expertise „Ombudspersonen und vergleichbare Stellen im europäischen Vergleich – ein Ausblick für Deutschland“ durch Prof. Dr. Ulrike Urban-Stahl von der Freien Universität Berlin und Dr. Thomas Meysen vom SOCLES International Centre for Socio-Legal Studies erfolgte im Rahmen eines Projekts der Koordinierungsstelle Kinderrechte des Deutschen Kinderhilfswerkes. Die Koordinierungsstelle Kinderrechte begleitet die Umsetzung der Europaratsstrategie für die Rechte des Kindes und die EU-Kinderrechtsstrategie. Sie wird gefördert durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ). Die Expertise kann unter https://dkhw.de/studie-ombudsstellen heruntergeladen werden.

Quelle: Pressemitteilung Deutsches Kinderhilfswerk