Alle Jahre wieder: Viele Eltern verzweifeln in der Ferienzeit
Dass Kinder die Ferienzeit pädagogisch sinnvoll verbringen können, gelingt meist nur unzureichend
Die Zeiten, in denen ein einziges Einkommen ausreichte, um eine Familie gut zu ernähren, waren einmal. In immer mehr Familien gehen beide Elternteile einer Erwerbstätigkeit nach. Wer dort wie viel verdient und welcher zeitliche Umfang eingesetzt wird, variiert zwar stark, aber es ist längst die Regel geworden, dass beide Elternteile zur finanziellen Unterhaltung ihrer Familie beitragen.
66 Ferientage 2024 versus 30 Urlaubstage
Doch wenn beide arbeiten müssen, wer kümmert sich dann um die Kinder, wenn Schule und Kindergarten geschlossen sind? Bereits im Kindergarten stellt eine längere Sommer-Schließzeit von drei Wochen schon Flexibilität und Planungskompetenz der Elternteile auf die Probe. Doch mit dem Eintritt in die Grundschule wird das Ganze nicht viel leichter. Schließlich ist es nicht so, dass ein Grundschulkind von sechs oder sieben Jahren plötzlich keine Aufsicht mehr benötigt. Und zudem ist es mit Aufsicht allein ja auch nicht getan…
Doch wie überbrückt man die Ferien, ohne dass sich Youtuber, TikToc & Co die Hände reiben? Allein in Baden-Württemberg sind es 2024 ganze 66 Ferientage, einschließlich der flexiblen Ferientage und den zusätzlichen unterrichtsfreien Tagen. Wochenenden schon ausgenommen. Menschen mit Kindern, die auch an Feiertagen und den Wochenenden arbeiten müssen, haben die Problematik ohnehin unabhängig von den Ferien. Aber ab sofort nur noch getrennt in den Urlaub, weil zwei Elternteile im Idealfall 60 Urlaubstage zusammen haben?
Betreuungsplätze: Viel höherer Bedarf als Angebot
Das Bundesfamilienministerium veröffentlichte im letzten Jahr in der Auswertung „Kindertagesbetreuung Kompakt“ konkrete Zahlen zum Betreuungsbedarf im Land. Schon bei Krippenkindern klafft eine Lücke. Daran hat auch der Rechtsanspruch auf Betreuung ab dem ersten Lebensjahr noch nicht ausreichend viel geändert. Bezogen auf Kinder im Grundschulalter äußerten 73 Prozent der Eltern einen Betreuungsbedarf. Einen Hort- oder Ganztagsplatz ergatterten 55 Prozent. Der Rest schaut, wie er diese Lücke irgendwie gewuppt bekommt.
Kinder allein daheim, die Oma als Aufsicht, unlimitierte Medienzeit, Ferienbetreuung
Doch wie stemmt man jetzt die Ferien am besten für Kind und Eltern? An den bildungspolitischen Weichen wird sich von heute auf morgen nicht ausreichend stellen lassen, um Familien wirklich zu entlasten. Dr. Rüdiger Wild, Professor für Pädagogik an der SRH Fernhochschule, erklärt, dass ein Kind im Grundschulalter schon mal alleine zuhause bleibne könne. „Natürlich nicht den ganzen Tag. Es hängt auch stark von der Individualität des Kindes ab. Ein bis zwei Stunden ist das, je nach Typ und Charakter des Kindes, schon in Ordnung. Ein längerer Zeitraum ist im Grundschulalter nicht drin. Erst ab der weiterführenden Schule, ab 10, 11 Jahren kann der Zeitraum verlängert werden.“
Ist die Katze aus dem Haus, sitzen die Mäuse vorm PC
Allerdings, so Wild, sollte man sich im Klaren darüber sein, dass sich der Nachwuchs in dieser Zeit nicht unbedingt pädagogisch sinnvoll beschäftigt. Da würden dann mutmaßlich eher Fernseher und PC bemüht. Und das zu viel und vor allem unkontrollierte Medienzeit gefährlich werden können, ist soweit bekannt. Dazu Wild: „Zuviel Fernsehen behindert die Lust auf die Schule. Es gibt Studien, die besagen, dass Kinder Konzentrationsprobleme bekommen, wenn sie zu lange fernsehen. Es gibt auch das Problem, dass immer mehr Kinder in die Internet-Sucht abgleiten. Das hängt stark vom Charakter des Kindes ab.”
Ferienfreizeit: Was tun, wenn mein Kind nicht will?
Besser also wäre es, professionelle Betreuung in Anspruch zu nehmen, wenn man als Elternteil eben arbeiten muss. In vielen Gemeinden gibt es auch die Option der Ferienbetreuung. So ließe sich zumindest ein Teil der Ferienwochen abdecken, vorausgesetzt man bekäme einen der rar gesäten Plätze. Doch nicht jedes Kind ist begeistert von dieser Option. Was kann man tun, wenn der Nachwuchs lieber allein zu Hause wäre, anstatt an einer organisierten Ferienbetreuung teilzunehmen?
Verständnis: Grundschulkinder verstehen viel
Wild empfiehlt: „Holen Sie Verständnis bei Ihrem Kind ein. Erklären Sie, dass das einfach notwendig ist. Wenn es bei den Eltern nicht anders geht, weil sie arbeiten müssen, dann hilft Verständnis oft schon weiter. Wenn das nicht fruchtet, besteht immer noch die Option, die Betreuung privat zu organisieren. Durch Freunde, Mütternetzwerke, eventuell Leih-Omas falls keine (oder keine verfügbaren) Großeltern vorhanden sind.“
Lücken im Betreuungssystem
Die Betreuungssituation ist je nach Bundesland sehr unterschiedlich geregelt. In manchen Teilen des Landes gibt es viel mehr Hortplätze als anderswo und doch stehen Eltern überall vor der gleichen Thematik. Wild mahnt: „Da geht die Forderung ganz klar an die Bildungspolitik, sich dieses Thema mal genauer anzuschauen! Es braucht viel mehr gute pädagogisch strukturierte Betreuungsmöglichkeiten. Was passiert eigentlich mit den Kindern? Wenn sie permanent vor dem Bildschirm sitzen, wenn die Eltern eben arbeiten müssen? Es ist nachgewiesen, dass sie psychische Probleme bekommen können, weniger in der Lage sind, soziale Beziehungen aufrecht zu halten. Da muss ein Umdenken stattfinden.“
Mehr Betreuungsplätze, bedeuteten mehr Flexibilität für Eltern. Sie sorgen für die Freiheit, mehr oder anders zu arbeiten, einen Schritt in Richtung der Bekämpfung des Fachkräftemangels und bei guter pädagogisch sinnvoller Betreuung auch für glücklichere, sozialere Kinder. Und bis es so weit ist, heißt es Durchhalten!
Oder beruflich umsatteln, auf einen Job, der besser vereinbar ist mit Kind und Karriere. Vielleicht werden Sie ja bei uns fündig, in einem zeit- und ortsunabhängigen Studium.
Katja Narkprasert, SRH Fernhochschule