Lehrkräftemangel deutlich gravierender als angenommen

Laut einer Umfrage des VBE sind mehr als 50.000 Lehrerstellen unbesetzt

Seit 2018 beauftragt der VBE das Sozialforschungsinstitut forsa damit, eine repräsentative Umfrage unter Schulleitungen durchzuführen und sie hinsichtlich ihrer Berufszufriedenheit zu befragen. Von Beginn an wird der Lehrkräftemangel von den teilnehmenden Schulleitungen als größtes Problem genannt. In der letzten Berufszufriedenheitsumfrage gaben dies fast 70 Prozent an. Dieses Jahr wurde erstmals erfragt, wie viele Stellen konkret zu Beginn des laufenden Schuljahres unbesetzt blieben. Das Ergebnis: im Schnitt 1,6 offene Stellen pro Schule. Gemessen an der Gesamtheit der allgemeinbildenden Schulen in Deutschland, die das Bundesamt für Statistik für das zurückliegende Schuljahr mit 32.206 beziffert hat, ergibt dies einen Wert von über 50.000 unbesetzten Lehrkräftestellen bundesweit.

Im Schnitt konnten bundesweit 11 Prozent der Stellen nicht besetzt werden. Auch wenn dieser Wert seit 2018 zu stagnieren scheint, offenbaren die Daten auf den zweiten Blick eine Verschlechterung der personellen Situation. Gab 2017 noch gut ein Drittel der Schulleitungen an, 6 bis 10 Prozent der Stellen nicht besetzen zu können, taten dies in der aktuellen Befragung 9 Prozentpunkte weniger. Stattdessen gaben 9 Prozentpunkte mehr an, 10 – 15 Prozent oder sogar mehr als 15 Prozent der Stellen nicht besetzen zu können. Dies bedeutet, dass sich die Situation an den betroffenen Schulen innerhalb des Betrachtungszeitraumes noch einmal verschlechtert hat. Deutlich dramatischer gestaltet sich die Situation an Grund- sowie an Förder- und Sonderschulen. Hier blieben sogar 14 bzw. 15 Prozent der Stellen offen. Insgesamt gehen 84 Prozent der Schulleitungen davon aus, zukünftig stark oder sehr stark vom Lehrkräftemangel betroffen zu sein.

Der VBE fordert:

  • Eine bundesweite Fachkräfteoffensive, die aus einer Verantwortungsgemeinschaft von Bund, Ländern und Kommunen umgesetzt und finanziert wird.
  • Deutliche Verbesserungen in der Planung und Durchführung der Lehramtsausbildung, um die hohen Abbruchquoten zu senken.
  • Die Attraktivität des Berufsbildes muss sichtbar gesteigert werden. Es braucht die gleiche Bezahlung unabhängig von Schulform und -stufe und eine deutliche Verbesserung der Arbeitsbedingungen an Schule.
  • Den Einsatz multiprofessioneller Teams in den Schulen. Sie können Lehrkräfte von Aufgaben entlasten, für die sie nicht originär ausgebildet sind.

Neben dem Lehrkräftemangel wurden den Schulleitungen auch Fragen zum Thema Seiteneinstieg gestellt. Entsprechend der Antworten sind derzeit an 60 Prozent der Schulen Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger beschäftigt. Dies stellt eine Steigerung von 23 Prozentpunkten im Vergleich zu 2018 dar. Laut Brand eine dramatische Entwicklung, wenn man sich vergegenwärtige, dass dies gerade einmal fünf Jahre seien. An Haupt-, Real- und Gesamtschulen (75 Prozent) sowie Förder- und Sonderschulen (74 Prozent) kommen Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger sogar noch deutlich häufiger zum Einsatz. Gut die Hälfte von ihnen befindet sich in einem befristeten Arbeitsverhältnis, wobei dies mit fast 60 Prozent an Grundschulen auftritt.

Hierzu Brand: „Was uns einst als Notlösung verkauft wurde, ist längst fester Bestandteil der Realität in den Schulen. Das dies besonders in den Schulformen deutlich stärker auftritt, deren Schülerinnen und Schüler einen erhöhten pädagogischen Bedarf mitbringen, sehen wir mit großer Sorge. Hier ist eine solide pädagogische Ausbildung umso wichtiger. Und dass wir besonders in den Grundschulen vermehrt befristete Arbeitsverhältnisse sehen, wo doch besonders in den ersten Jahren der schulischen Bildung eine kontinuierliche Beziehungsarbeit von besonderer Bedeutung ist, muss schnellstens korrigiert werden. Nicht nur, dass Menschen, die bereit sind in die Bresche zu springen, nicht mit derartigen Arbeitsverhältnissen abgespeist werden dürfen, es wirft auch ein zweifelhaftes Licht nach außen. Wen will man mit solchen Arbeitsverhältnissen für diesen großartigen Job begeistern? Hier muss dringend nachgebessert werden.“

Der VBE fordert:

  • Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger müssen eine mindestens sechsmonatige Vorqualifizierung durchlaufen, um grundlegende pädagogische und didaktische Grundkenntnisse erwerben zu können.
  • Bereits im Dienst befindliche Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger müssen darüber hinaus vollumfänglich und bis zur vollständigen Lehrbefähigung weiterqualifiziert werden.
  • Kolleginnen und Kollegen, die Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger bei der Einarbeitung begleiten, müssen für diese zusätzliche Aufgabe zeitlich entlastet werden.

Kontext: Die Berechnung der Schätzung erfolgte auf Basis der Aussagen der befragten Schulleitungen über die nicht besetzten Stellen an der Schule. Es ist zu beachten, dass die vorliegenden Ergebnisse der repräsentativen Umfrage lediglich mit einer möglichen Fehlertoleranz von +/- 3 Prozent auf die Gesamtheit der allgemeinbildenden Schulen übertragen werden können.




Immer weniger Kinder können richtig schwimmen

Jedes fünfte Grundschulkind kann laut einer Studie von Forsa im Auftrag der DLRG nicht schwimmen

Die Zahl der Grundschulkinder in Deutschland, die nicht schwimmen können, hat sich verdoppelt. Zu diesem Ergebnis kam eine repräsentative Umfrage von forsa im Jahr 2022. Die Befragung hatte die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) nach zuletzt 2017 erneut in Auftrag gegeben. Damals konnten den Angaben der Eltern zufolge zehn Prozent der Kinder zwischen sechs und zehn Jahren nicht schwimmen. Nun sind es 20 Prozent.

„Der Unterschied bei den Nichtschwimmern ist gravierend, aber angesichts der Entwicklungen in den vergangenen zwei bis drei Jahren auch wenig überraschend“, sagte DLRG Präsidentin Ute Vogt. Während der Pandemie hat über längere Zeiträume praktisch keine Schwimmausbildung stattfinden können. In der Folge haben aktuell 37 Prozent der Jungen und Mädchen im Grundschulalter noch kein Schwimmabzeichen – auch nicht das auf das Schwimmen vorbereitende Seepferdchen.

Zahl der sicheren Schwimmer unter den Kindern konstant

Mit 57 Prozent ist die Zahl der Kinder, die von ihren Eltern als sichere Schwimmer eingestuft werden, in etwa gleichgeblieben (2017: 59%). Eine Verschiebung gab es jedoch von den unsicheren Schwimmern (23% gegenüber vorher 31%) zu den Nichtschwimmern. Der Anteil der sicheren Schwimmer steigt mit dem Alter: 26 Prozent der Eltern von Sechsjährigen gaben an, ihr Kind schwimme bereits sicher. Bei den Zehnjährigen waren es 83 Prozent.

Aus Sicht der DLRG fällt diese Einschätzung vielen Eltern jedoch schwer. „Mütter und Väter sind noch allzu oft der Meinung, ihr Kind kann schwimmen, wenn es das Seepferdchen hat“, weiß der Leiter Ausbildung im DLRG Präsidium, Christian Landsberg. „Da sind sie jedoch auf dem Holzweg. Das Seepferdchen bescheinigt das Beherrschen von wichtigen Grundlagen. Sicher schwimmen kann erst, wer den Freischwimmer, also das Schwimmabzeichen Bronze, abgelegt hat“, so Landsberg weiter. Vor diesem Hintergrund geht die DLRG anhand der Angaben zu den abgelegten Schwimmabzeichen davon aus, dass derzeit sechs von zehn Kindern (58 Prozent) am Ende der Grundschule keine sicheren Schwimmer sind. 21 Prozent derjenigen, die laut der Eltern sicher oder unsicher schwimmen, haben kein einziges Abzeichen absolviert.

Etwas mehr als jedes zweite Kind (54%) zwischen sechs und zehn Jahren kann das Seepferdchen als erfolgreichen Einstieg in die Schwimmausbildung vorweisen (2017: 69%). Den Freischwimmer hat knapp jedes vierte Kind (24%) absolviert, 13 Prozent können das Deutsche Schwimmabzeichen Silber und drei Prozent Gold nachweisen. Unter den Zehnjährigen haben 42 Prozent der Kinder den Freischwimmer absolviert, 24 Prozent Silber und acht Prozent Gold.

Flächendeckender Schwimmunterricht gefordert

„Was uns in der Deutlichkeit überraschte, sind die Unterschiede nach Einkommen“, räumte die Präsidentin der DLRG ein. Die Hälfte (49%) der Kinder aus Haushalten mit einem monatlichen Nettoeinkommen unter 2.500 Euro kann nicht schwimmen. Hingegen sind es bei einem Haushaltsnettoeinkommen über 4.000 Euro zwölf Prozent. Ute Vogt: „Schwimmen zu können darf keine Frage des Geldes sein. Umso wichtiger ist es, dass jede Schule in die Lage versetzt wird, das Schwimmen angemessen zu unterrichten.“

Da die Schulen alle Kinder erreichen, ließen sich so derartige Unterschiede verringern. Allerdings haben nur 13 Prozent der Jungen und Mädchen das Schwimmen in der Schule gelernt. Eltern (42%), private Schwimmschulen (24%) und Vereine (21%) spielen nach Einschätzung der Befragten eine größere Rolle.

Jeder Zweite ein guter Schwimmer

Über sich selbst gab die Hälfte der Befragten ab 14 Jahren an, gut oder sehr gut schwimmen zu können. Einen nennenswerten Unterschied zwischen Männern und Frauen gibt es nicht. Von den Personen mit einem Hauptschulabschluss beurteilten sich nur 35 Prozent als gute Schwimmer, von den Menschen mit Migrationshintergrund 38 Prozent. Und auch Menschen über 60 Jahre sind durchschnittlich weniger sicher im Wasser (37% gute Schwimmer). Die Befragung zeigte zudem, dass Ältere, Menschen mit Migrationshintergrund und Personen mit geringerer Bildung auch erst später schwimmen lernen.

In diesen Personengruppen gibt es zudem überdurchschnittlich viele Nichtschwimmer. Unter allen Befragten stuften sich fünf Prozent als solche ein. Hingegen waren es unter Menschen mit einem Hauptschulabschluss 14 Prozent und bei den Personen über 60 Jahre acht Prozent. Menschen mit Migrationshintergrund können doppelt so oft nicht schwimmen (9%) wie Menschen ohne diesen (4%).

Schwimmer von frühsten Kindesbeinen an

44 Prozent der Befragten sagten, sie hätten vor dem sechsten Lebensjahr schwimmen gelernt – eine deutliche Steigerung gegenüber einer Befragung aus dem Jahr 2010. Damals waren es nur 30 Prozent. Es ist aus Sicht der DLRG zu begrüßen, dass Kinder früher damit beginnen, schwimmen zu lernen. Wirklich sicher im Wasser waren diese Befragten sehr wahrscheinlich aber noch nicht.

Knapp die Hälfte der Befragten erlernte das Schwimmen (47%) zwischen sechs und elf Jahren; als Jugendliche zwischen zwölf und 17 Jahren sind es immerhin noch acht Prozent. Menschen über 60 Jahre gaben deutlich häufiger an (58%), im Grundschulalter zu Schwimmern geworden zu sein. Das gilt auch für Menschen mit Migrationshintergrund (56%) und Personen mit einem Hauptschulabschluss (57%). Letztere lernten das Schwimmen öfter in der Schule (38% gegenüber zum Beispiel 25% bei Abiturienten).

Anzeichen für weiter rückläufige Bäderversorgung

Immerhin 87 Prozent der Befragten haben ein Schwimmbad in der näheren Umgebung, das gut zu erreichen sei. Im Jahr 2017 waren es 92 Prozent. Bei Menschen aus Orten unter 5.000 Einwohnern ist der Wert von 90 auf 78 Prozent gesunken. „Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass der Trend bei der Bäderversorgung weiter in die falsche Richtung läuft“, sagt DLRG Chefin Ute Vogt und fordert, dass Bund, Länder und Kommunen an einem Runden Tisch zusammenkommen. Dieser sollte eine bundesweite Bedarfsanalyse auf den Weg bringen. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse sollen dann genutzt werden, um die Mängel in der Bäderinfrastruktur systematisch zu beheben.

Im Auftrag der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft e.V. hat die forsa Gesellschaft für Sozialforschung und statistische Analysen mbH 2022 erneut eine repräsentative Befragung zur Schwimmfähigkeit der Bevölkerung durchgeführt. Im Rahmen der Untersuchung wurden insgesamt 2.000 nach einem systematischen Zufallsverfahren ausgewählte Personen ab 14 Jahren in der Bundesrepublik Deutschland befragt. Die Teilgruppe der Eltern bzw. Betreuungspersonen von Kindern zwischen 6 und 10 Jahren wurde auf insgesamt 500 Fälle aufgestockt. Die Erhebung wurde im August 2022 mithilfe computergestützter Telefoninterviews durchgeführt.