Kinder beteiligen, fördern, schützen – Live-Webinare und Online-Workshops

Die Deutsche Liga für das Kind bietet mehrere interdisziplinäre Online-Seminare zu aktuellen Themen der frühen Bildung, Förderung und des Kinderschutzes an

Die Deutsche Liga für das Kind bietet ab November 2025 wieder mehrere interdisziplinäre Live-Webinare und Online-Workshops zu aktuellen Themen der frühen Bildung, Förderung und des Kinderschutzes an. Die Veranstaltungen richten sich an pädagogische Fachkräfte aus Kita, Krippe, Kindertagespflege und Jugendämtern, an Fachberatungen, Lehrende sowie an alle, die sich für das Wohl junger Kinder engagieren.

Live-Webinar-Serie „Kinder beteiligen – fördern – schützen“

In der Reihe beleuchten Expertinnen und Experten aus Medizin, Psychologie, Soziologie und Pädagogik zentrale Fragen einer kinderrechtsbasierten Praxis. Die Referent*innen gehören dem interdisziplinären Vorstand der Deutschen Liga für das Kind an.

Termine (jeweils 16.30–18.30 Uhr):

05.11.2025 – Prof. Dr. Jeannette Roos: Konflikte in der Kita lösen

19.11.2025 – Dr. Areej Zindler: Kinder mit traumatischen Erfahrungen und Fluchterfahrungen – Basiswissen und Praxisimpulse

27.11.2025 – Prof. Dr. Jörg Maywald: Kinderrechtsbasierter Kinderschutz – Die Kita als sicherer Ort für Kinder

10.12.2025 – Dr. Thomas Fischbach: Gemeinsam stark für Kinder mit besonderem Förderbedarf – Kooperation von Fachkräften, Eltern und Therapeuten

Online-Workshop-Serie „kindgeRecht im Alltag von Kita, Krippe, Kindertagespflege“

Die Workshops zeigen praxisnah, wie ein partizipativer, kinderrechtsbasierter Alltag in der frühen Bildung gestaltet werden kann. Themen sind Feinfühligkeit, Selbstreflexion und der bewusste Umgang mit Macht in alltäglichen Schlüsselsituationen.

Termine (jeweils 16.30–18.30 Uhr):

12.11.2025 – Herausfordernde Situationen im Krippen- und Kitaalltag

03.12.2025 – Machtfragen im Alltag: Wer bestimmt wirklich in Schlüsselsituationen?

17.12.2025 – Mit Feinfühligkeit und Responsivität: Schlüsselsituationen kindgeRecht gestalten

Information und Anmeldung: https://fruehe-kindheit-online.de/?cat=c17_Workshops-Workshop.html

Quelle: Deutsche Liga für das Kind e.V.




IQB-Bildungstrend 2024: Leistungsrückgänge, Ursachen und Reaktionen

Neue Daten zeigen deutliche Kompetenzverluste in Mathematik und Naturwissenschaften – Länder, Bund und Gewerkschaften reagieren mit Reform- und Förderinitiativen

Der IQB-Bildungstrend 2024 zeigt einen anhaltenden Leistungsabfall in Mathematik, Biologie, Chemie und Physik. Immer mehr Neuntklässler*innen verfehlen die von der Kultusministerkonferenz (KMK) festgelegten Mindeststandards – besonders in Mathematik und Chemie. Knapp neun Prozent der Jugendlichen erreichen nicht einmal den Mindeststandard für den Ersten Schulabschluss, rund 34 Prozent verfehlen den Mindeststandard für den Mittleren Schulabschluss. Die Ergebnisse markieren einen deutlichen Rückgang gegenüber den Jahren 2018 und 2012.

„Wir brauchen eine gemeinsame Kraftanstrengung“

Simone Oldenburg, Präsidentin der Kultusministerkonferenz, betont: „Der IQB-Bildungstrend 2024 zeigt uns deutlich, wo wir stehen – und wo wir dringend besser werden müssen. Wir brauchen eine gemeinsame Kraftanstrengung, um die Basiskompetenzen unserer Schülerinnen und Schüler zu stärken.“ Bereits 2023 hat die KMK mit QuaMath ein bundesweites Programm zur nachhaltigen Verbesserung der mathematischen Bildung von der Kita bis zum Abitur gestartet.

Pandemie, Motivation und Chancengleichheit im Fokus

„Diese Kohorte begann ihre Schulzeit im Lockdown – mit Homeschooling, Lernrückständen und sozialer Isolation. Rückgänge bei Motivation, Selbstvertrauen und Basiskompetenzen sind ein Warnsignal“, meint Christine Streichert-Clivot, Bildungsministerin des Saarlandes. Sie plädiert dafür, Schule stärker als Lebensort zu begreifen, der Kinder auch emotional und sozial stärkt. Programme wie StarS und das Startchancenprogramm greifen diese Ansätze auf, indem sie Lehrkräfte gezielt fortbilden und multiprofessionelle Teams stärken.

„Schulpolitik ist ein Marathon, kein Sprint“

„In allen Bundesländern sacken die Werte ab“, erklärt die Schulministerin von Nordrhein Westfalen, Dorothee Feller. „Die Ergebnisse geben uns einen klaren Auftrag: Wir müssen gemeinsam mit Schulen und Wissenschaft genau analysieren, was die Ursachen sind und welche Maßnahmen wirken.“ Sie betont, dass Krisen, Kriege, Medienkonsum und Integrationsaufgaben die Schulen zusätzlich fordern. „Unser Ziel ist klar: Wir stellen die Unterrichtsqualität in den Mittelpunkt – mit einem klaren Fokus auf Basiskompetenzen. Schulpolitik ist und bleibt ein Marathon, kein Sprint.“

Bundesbildungsministerin Prien fordert entschlossenes Handeln

Karin Prien, Bundesministerin für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend, bezeichnet die Ergebnisse als „ernstzunehmendes Warnsignal“: „Wir sehen deutliche Leistungsrückgänge in fast allen Bundesländern. Diese Entwicklung gefährdet die Aufstiegschancen junger Menschen und damit die Zukunftsfähigkeit unseres Landes. Bund und Länder müssen jetzt gemeinsam handeln – mit besserer Sprachförderung, Fokus auf Lesen, Schreiben und Rechnen und konsequenter Qualitätssicherung.“

GEW: „Das ist kein Unfall, sondern ein Fehler im System“

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) reagiert mit scharfer Kritik auf die Ergebnisse. GEW-Vorstandsmitglied Anja Bensinger-Stolze erklärt: „Der Abwärtstrend der vergangenen Jahre hat sich verschärft fortgesetzt. Das ist kein Unfall, sondern ein Fehler im System.“ Sie macht den Lehrkräftemangel und die Unterfinanzierung des Bildungssystems verantwortlich:

„In allen Bildungsbereichen herrscht ein riesiger Fachkräftemangel. Anstatt die Arbeitsbedingungen zu verbessern, werden vielerorts Unterrichtsstunden erhöht und Klassen vergrößert.“ Die GEW fordert ein Investitionsprogramm von 130 Milliarden Euro, kleinere Klassen und mehr Zeit für die individuelle Förderung. Gute Bildung und gute Arbeitsbedingungen gehörten untrennbar zusammen, so Bensinger-Stolze.

Positive Entwicklungen trotz schwieriger Lage

Trotz der Leistungsrückgänge berichten viele Jugendliche von hoher Schulzufriedenheit und sozialer Eingebundenheit. Lehrkräfte bewerten den Einsatz digitaler Medien zunehmend positiv und zeigen großes Engagement. Besonders Seiteneinsteiger*innen äußern sich motiviert – ein wichtiger Faktor angesichts des Lehrkräftemangels.

Früh fördern statt später aufholen?

Dr. Tobias Ernst, Vorstand der Stiftung Kinder fordert mit dem Slogan „Lieber früh beginnen als später mühsam korrigieren“ eine intensivere frühe Förderung. Die Stiftung arbeitet an neuen Bildungsangeboten zur mathematischen Frühförderung für pädagogische Fach- und Lehrkräfte in Kita, Hort und Grundschule. Dabei vergisst Ernst, dass die Förderanstrengungen der Stiftung in den vergangenen Jahren offensichtlich nichts gebracht, eventuell sogar zu der negativen Entwicklung mit beigetragen haben. Vermutlich wäre es besser, wenn Kita-Kinder begleitet von Fachkräften wie in früheren Zeiten die Welt im freien Spiel entdecken dürften. Damals waren zumindest die Schulleistungen besser.

Hintergrund zur Studie

Der IQB-Bildungstrend 2024 beruht auf einer repräsentativen Stichprobe von 48.279 Schülerinnen und Schülern aus 1.556 Schulen in allen 16 Bundesländern. Er überprüft das Erreichen der Bildungsstandards in Mathematik, Biologie, Chemie und Physik und ermöglicht erstmals eine Zwölfjahrestrendanalyse (2012–2024).

Hier finden Sie weitere Informationen zu den IQB-Bildungstrends.

Quellen: IQB, Kultusministerkonferenz, Waxmann Verlag, GEW, Stiftung Kinder forschen




Eckpunkte KiBiz NRW – Stellungnahme von Gerhard Stranz

Sozialarbeiter und Bildungsexperte legt differenzierte Einschätzung zur KiBiz-Vereinbarung vor

Gerhard Stranz, langjährig in Dortmund sozialpolitisch engagiert und durch seine Mitarbeit im Didacta-Verband bekannt, hat die Vereinbarung zu den Eckpunkten des KiBiz NRW aufmerksam verfolgt. In seiner Stellungnahme beleuchtet er differenziert Chancen und Grenzen der geplanten Regelungen – stets mit dem Blick auf die praktische Wirkung für Kinder, Familien und Fachkräfte. Wir veröffentlichen seinen Beitrag mit freundlicher Genehmigung des Autors.

Anmerkungen zur Vereinbarung über Eckpunkte einer Reform des Kinderbildungsgesetzes (KiBiz)

Anmerkungen zu der
„Vereinbarung der kommunalen Spitzenverbände (KSV) und der freien und kirchlichen Träger in Nordrhein-Westfalen mit der Landesregierung Nordrhein-Westfalen über Eckpunkte einer Reform des Kinderbildungsgesetzes (KiBiz)“

(Aus dem Titel kann vermutet werden, dass es sich um eine Initiative der Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände mit der Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege handelt, die mit der Landesregierung eine Vereinbarung schließt – also nicht um eine Initiative der Landesregierung!)

Meine zentralen Bewertungen:

Es handelt sich um
– eine Bankrotterklärung der öffentlichen und freien Wohlfahrtsverbände in Bezug auf die Verantwortlichkeit für die Förderung von Kindern nach den Regelungen des Sozialgesetzbuches VIII – § 22 ff. und
– ein historisches Versagen: Verdrängen der eigenen Verantwortlichkeit an der eingetretenen Misere – eine fachliche Inkompetenz in Bezug auf eine dem Kindeswohl entsprechende Ausgestaltung der Rahmenbedingungen für die Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und der Kindertagespflege.

Ich komme zu dieser Einschätzung aufgrund meiner langjährigen aktiven Beteiligung in dem Arbeitsfeld. Dazu einige erläuternde Eckpunkte:

Die Notwendigkeit einer ausgeweiteten, qualitativ verbesserten Förderung und der Abschaffung der Elternbeiträge wurde als Konsequenz aus den Ergebnissen der umfangreichsten Längsschnittuntersuchung an 100 Standorten in den Jahren 1970–75 festgestellt und führte nach der Auswertung im Jahr 1977 u. a. zu dem Beschluss des Landtages, ab dem 1.1.1983 auf Elternbeiträge zu verzichten, damit dieses zentrale Hemmnis für den Besuch von Kindergärten beseitigt wird und alle Kinder Einrichtungen besuchen können. Dieser Beschluss wurde leider im Jahr 1982 zurückgenommen.

Ich habe bei der Weiterentwicklung des Kindergartengesetzes (KiGa) zum Gesetz über Tageseinrichtungen (GTK) mitgewirkt und dabei die Vernetzung zwischen dem im Landtag erkennbaren Willen, Tageseinrichtungen besser auszustatten, mit den Beteiligten des Ministeriums und den Verbänden der öffentlichen und freien Wohlfahrtspflege in Gang gebracht. Ich habe den Prozess der politischen Diskussion im Auftrag des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe in einer Buchveröffentlichung dokumentiert.

Als Mitarbeiter eines Wohlfahrtsverbandes in der Landesgeschäftsführung und für den Bereich der Elterninitiativen, als Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft der Freien und der Landesarbeitsgemeinschaft der öffentlichen und freien Wohlfahrtspflege habe ich sowohl Details der Praxisbedingungen in dem Arbeitsfeld als auch die Fachlichkeit der Trägerverbände und ihr Verhältnis zur Landespolitik kennengelernt.

Mit der Übernahme der Verantwortung für über 100 Einrichtungen bei einem Trägerzusammenschluss in NRW und der Koordination eines Bündnisses, bei dem u. a. alle Gewerkschaften, Fachverbände und auch Wohlfahrtsverbände beteiligt waren, habe ich daran mitgewirkt, die Landespolitik an den Anforderungen der Kinderrechtskonvention zu orientieren und dazu nicht nur Stellung genommen, sondern auch als persönlich Verantwortlicher mit einer erfolgreichen Volksinitiative und landesweiten Protestveranstaltungen – auch vor dem Landtag – auf die Unzulänglichkeiten bei der Abschaffung der Horte und der Billiglösung OGS, der Kürzungen im Landeshaushalt und die vom Ansatz und der Ausstattung her völlig unzulänglich vorgesehene Einführung des Kinderbildungsgesetzes aufmerksam gemacht.

Dabei habe ich – da ich in einem bundesweiten Beratungszusammenschluss eingebunden war – darauf hingewiesen, dass die vorgesehene Umstellung des Fördersystems von der objekt- zur subjektorientierten Förderung, wie sich das in Untersuchungen in anderen Ländern bereits herausgestellt hatte, grundsätzlich nicht geeignet ist, qualitative Verbesserungen zu erreichen. Zudem habe ich durch die Nachverfolgung der Vorlagen aus dem Städtetag NRW herausgefunden, dass neben den berechneten Pauschalwerten für die OGS durch das Schulministerium die Kindpauschalen auf falschen Grundwerten berechnet waren. So waren die Pauschalen für die OGS um rund 33 % zu gering bemessen und bei Tageseinrichtungen, je nach Personengruppe, ebenfalls um bis zu 30 % zu gering.

Diese Hinweise berücksichtigten die Trägerverbände und das Ministerium nicht. Die Trägerverbände akzeptierten die falsch berechneten Pauschalen mit dem abgeschlossenen „Kontrakt für die Zukunft“ mit der Staatskanzlei, da die Frage der eigenen Förderung (durch die sogenannte „Globaldotation“) im Raum stand.

Das zuständige Fachministerium und der damals zuständige Minister Laschet bezeichneten mich u. a. in einer Presseerklärung als Lügner, der die Eltern und Mitarbeitenden in NRW aufhetze. Das war jedoch nie der Fall. Öffentlich hat sich der Minister inzwischen bei mir mit dem Hinweis entschuldigt, dass ich immer recht gehabt hätte, er jedoch die falschen Berater im Ministerium hatte.

Die Beratungsresistenz des Ministeriums und die Kurzsichtigkeit der Verbände und der Kirchen, die zum Zeitpunkt der Einführung des Rechtsanspruchs die Möglichkeit gehabt hätten, aber darauf verzichtet haben, für die Erfüllung dieses Anspruchs die Erstattung der tatsächlich entstehenden Kosten aus öffentlichen Mitteln einzufordern – also auch eine Gleichbehandlung mit kommunalen Einrichtungen, bei denen das der Fall ist –, haben wesentlich zu dem heutigen Dilemma beigetragen:

Dadurch wurde seit 2007 (sprunghafter Anstieg der Teilzeittätigkeit) das Arbeitsfeld unattraktiver für viele junge Menschen, und das Ausbildungsangebot wurde nicht frühzeitig genug ausgeweitet, sodass es zu dem heute bestehenden Fachkräftemangel kommen musste!

Nach dieser Grundsatzeinführung zu den Inhalten der Vereinbarung: 

Die Beteiligten der Vereinbarung scheinen ihre Aufgabenstellung nicht zu kennen, die sich aus dem SGB VIII, den Regelungen der §§ 22 ff., ergibt. 

Bei der Förderung von Kindern, die untrennbar aus den Anteilen Erziehung, Bildung und Betreuung besteht, geht es nicht um die Erfüllung eines „Aufstiegsversprechens“, sondern um eine Förderung des Kindes im Sinne des Kindeswohls. Dabei geht es um eine elementare Förderung, damit um mehr als um „bestmögliche Startchancen“ im Sinne von „gesellschaftlichem Aufstieg“ und aus der Sicht der Gesellschaft um „gesellschaftliche Investitionen“. 

Es geht um jedes einzelne Kind, das für seine Entwicklung jetzt die bestmöglichen Bedingungen benötigt.

A) Die Beteiligten der Vereinbarung verfehlen ihre Aufgabenstellung, wenn sie nicht das Kindeswohl in den Mittelpunkt stellen. 

Kinder benötigen für ihre Entwicklung und den eigenständigen Selbstbildungsprozess eine umfängliche Förderung. 
Das ist mehr als nur „Betreuung“. 

Diese Unterscheidung ist elementar, zumal die Beteiligten der Vereinbarung scheinbar davon ausgehen, dass sich Kinder in bestimmten Zeiten nur „betreuen“ lassen und sich in dieser Zeit dann nicht selber weiterbilden, ihr eigenes Bild von der Welt, in der sie leben, machen. 

  • Kinder unterscheiden nicht nach Zeiten der Bildung, Erziehung und Betreuung. 
  • Kinder leben und lernen immer. 
  • Jede Zeit ist damit auch eine Bildungszeit. Kinder heben keine Lernzeiten für festgelegte Zeiträume in der Zukunft auf. 

So fachfremd können nur Erwachsene mit Konzepten für Rand- und Hauptzeiten denken, die vielleicht noch an die Zeit der Pädagogik des „Nürnberger Trichters“ erinnert.

B) Das Land und die Kommunen haben bei der Bedarfsplanung versagt 

Nach den Regelungen des SGB VIII bestand seit 1991 die Verpflichtung, die Bedarfsplanung so auszurichten, dass auch ein unvorhergesehener Bedarf abgedeckt werden kann. Anstelle dieser Aufgabenstellung, zu der der Bund auch eine Anschubfinanzierung zur Verfügung gestellt hatte, wurde alleine schon bei der Planung von Kindergartenplätzen der Fehler gemacht, dass für die Versorgung nur 3 Jahrgänge berücksichtigt wurden, obwohl Kinder nicht mit dem Erreichen des 6. Lebensjahres eingeschult wurden. 

Es hätten von Anfang an tatsächlich 3,7 Jahrgänge berücksichtigt werden müssen. 

Die Landesregierung hat diese öffentlichen Hinweise, die auch bei Landtagsanhörungen vorgetragen wurden, nicht aufgegriffen. Dies gilt ebenso für die Bedarfsplanung zur Erfüllung des Rechtsanspruchs für Kinder unter 3 Jahren, wobei in NRW eine Bedarfsquote von 35 % bei der Landesförderung und auch von vielen Kommunen bei der örtlichen Planung unterstellt wurde. Diese Quote hatte aber lediglich die Bundesregierung für die Bereitstellung von Mitteln für den Ausbau zugrunde gelegt. 

Angesichts dieser Fehlplanung wurde es auch versäumt, die generative Entwicklung bei den damals tätigen Fachkräften und den Ausbaubedarf für Ausbildungskapazitäten in den Blick zu nehmen. 
(Ich habe in vielen Veranstaltungen darauf aufmerksam gemacht und auch im Zusammenwirken mit der Stadt Düsseldorf, die die Notwendigkeit erkannte, Informationsveranstaltungen für junge Menschen zur Berufsfindung organisiert.) 

Es muss dem Eindruck aus der Vereinbarung entgegengetreten werden, als sei der Fachkräftemangel, die Inflation und das Steigen der Vergütungen „vom Himmel gefallen“. 

C) Verschlimmbesserung des KiBiz verhindern 

Neben der überfälligen Bereitstellung von mehr Mitteln für den Elementarbereich des Bildungswesens ist es notwendig, das KiBiz abzuschaffen und nicht zu reformieren. 

Damit würde das grundsätzlich falsch angelegte System nur noch optimiert. Insofern muss eine systemimmanente Überarbeitung verhindert werden, zumal es ansonsten schwierig werden dürfte, die notwendige Abkehr von der subjektorientierten Förderung zu erreichen. Diese würde auf den Sankt Nimmerleinstag verschoben und Generationen von Kindern müssten unter unzulänglichen Bedingungen auf ihrem Lebensweg begleitet werden. Familie und Fachkräfte würden unnötig belastet. Insofern wäre es total falsch, „das System zu stabilisieren und verlässlicher zu machen“. 

Das System muss abgeschafft und völlig neu aufgelegt werden. 
JETZT. 

Insofern reicht in keiner Weise die Zusicherung der „Stabilitätsgarantie“ (Ziffer 12) (die sich die Vereinbarungspartner gegenseitig geben, anstatt diese Erklärung einseitig von der Landesregierung abgegeben wird!), dass das „Niveau der Kindpauschalen … garantiert“ wird. Das Niveau ist als Ausgangsbasis für eine Reform im System einerseits zu gering und andererseits für eine zukünftige Neuregelung der Finanzierung nicht ausreichend.

Zu den einzelnen Ansätzen:

6. Einführung von Kern- und Randzeiten
Wie bereits oben grundsätzlich ausgeführt, stellt die Absicht, Kern- und Randzeiten einzuführen, indem z. B. „Fachkräfte auf die bildungsorientierten Kernzeiten konzentriert werden“, eine pädagogische Bankrotterklärung dar, in der deutlich wird, dass die Bildungsprozesse von Kindern, deren Wohl und auch die pädagogische Aufgabenstellung, die untrennbar aus Erziehung, Bildung und Betreuung besteht, nicht „verstanden“ sind und die Anforderungen des SGB VIII missachtet werden.
Kinder müssen zu jeder Zeit die bestmögliche Begleitung bei ihrem Selbstbildungsprozess erhalten. Tageseinrichtungen dürfen in Randzeiten nicht wieder als „Verwahranstalten“ gedacht werden und dazu „verkommen“, bei denen es nur darauf ankommt, die „Aufsicht und Kinderschutz“ zu garantieren.

7. Bedarfsgerechte Steuerung der wöchentlichen Betreuungszeiten
Maßgabe für die Bemessung der Zeiten, in denen Kinder eine Tageseinrichtung besuchen oder im Rahmen der Kindertagespflege begleitet werden – was also mehr als eine „Betreuungszeit“ ist –, muss der Bedarf des Kindes sein. Insofern müssen die Bemühungen darauf gerichtet sein, mit den Eltern der Kinder zu erörtern (wobei aus der Einrichtung auch darauf aufmerksam gemacht werden sollte, wenn für Kinder ein längerer Aufenthalt als förderlich angesehen wird), welcher passende Zeitrahmen für den Aufenthalt des Kindes in dem jeweiligen Angebot geeignet ist. Dabei müssen finanzielle Erwägungen zurückgestellt werden.

8. Flexibilisierung der Gruppengrößen
Die vorgesehene „Flexibilisierung“ nach oben ist im Hinblick auf die sowieso schon viel zu große Gruppengröße ein Angebot zu einer „strukturellen Kindeswohlgefährdung“, indem dazu beigetragen wird, dass Bedürfnisse einzelner Kinder nicht mehr angemessen wahrgenommen und berücksichtigt werden.

9. Neue Kita-Formel (= reine Kindpauschale) / 10. Erprobungsklausel
Anstelle der vorgeschlagenen Regelung sollten alternative Förderungskonzepte erprobt werden können, bei denen auf der Grundlage der einzelnen Einrichtung der Ausstattungs- und Förderbedarf einschließlich eines präaktiven Handlungsrahmens vorgesehen wird, so wie das in anderen Bundesländern der Fall ist oder auch dem Ministerium nach einem Planspiel von mir als Modellmaßnahme vorgeschlagen wurde.
(Der Modellantrag wurde abgelehnt, weil die Ministeriumsverwaltung zu „bequem“ war, sich auf ein begrenztes Modellprojekt einzulassen.)

Plätze in Kindertageseinrichtungen und der Kindertagespflege sind keine Stadtteilautos, die punktuell und zeitlich befristet genutzt werden können.
Kindertageseinrichtungen sind Lebensorte für Kinder, die diesen verlässlich und in einer Beziehung zu verlässlichen und fachlich qualifizierten Begleitenden zur Verfügung stehen müssen.
Es kommt dabei nicht auf die optimale Nutzung der Einrichtung an, sondern darauf, dass die Einrichtung bedarfsgerecht für die Kinder zur Verfügung steht und dabei auch, gemessen an der Anzahl der Plätze, ein strukturelles Überangebot vorhält.
Dies muss ansonsten auch sichergestellt werden, zumal Eltern andernfalls von dem ihnen verbrieften Wunsch- und Wahlrecht keinen Gebrauch machen könnten.

Anmerkung zu Ziffer 2 c.)
Die vorgesehene Auslauffinanzierung von Waldkindergärten und eingruppigen Einrichtungen widerspricht der Maßgabe des § 5 SGB VIII, nach dem Eltern ein Wunsch- und Wahlrecht in Bezug auf die Ausgestaltung des Angebotes haben. Der evtl. Hinweis auf die Begrenzung, wenn unverhältnismäßige Mehrkosten entstehen, tritt zurück, wenn es in dem Lebenszusammenhang der Familie die den eigenen Erziehungsvorstellungen entsprechenden Angebote nicht gibt, sodass mit dieser Regelung ein Elternrecht beschnitten würde und sich das Land und die Träger – wie schon bisher bei der Jugendhilfeplanung – über bundesgesetzliche Regelungen hinwegsetzen (was auch in anderen Ländern mit noch größerer Bedeutung scheinbar eine Selbstverständlichkeit geworden ist).

Ich hoffe, mit meinen Hinweisen einen Anstoß gegeben zu haben, die Bedarfslage von Kindern als Ausgangspunkt für die Gestaltung der Rahmenbedingungen zu berücksichtigen und auch die dafür erforderlichen Mittel zur Verfügung zu stellen, damit alle Träger in vergleichbarer Weise in den Stand gesetzt sind, unter optimalen Bedingungen die Förderung von Kindern im Elementarbereich sicherzustellen.




Bildung beginnt im Kleinkindalter – und Chancengerechtigkeit auch

Ergebnisse des NEPS-Transferberichts zeigen: Ungleiche Startbedingungen entstehen früher als oft angenommen – und sind beeinflussbar

Die Grundlagen für Bildungserfolg werden bereits in den ersten Lebensjahren gelegt – und damit auch die Weichen für (Un-)Gleichheit. Eine neue Auswertung von Daten des Nationalen Bildungspanels (NEPS) belegt, wie stark der soziale und ökonomische Hintergrund von Familien die Entwicklung von Kindern im Kleinkindalter beeinflusst. Der aktuelle Transferbericht zeigt, dass insbesondere die frühe sprachliche und sozial-emotionale Entwicklung in einem engen Zusammenhang mit den Bedingungen der familiären Lernumwelt steht.

Sprachliche Kompetenzen: Unterschiede ab dem zweiten Lebensjahr

Bereits mit zwei Jahren zeigen sich deutliche Unterschiede im aktiven Wortschatz von Kindern. Kinder aus sozioökonomisch benachteiligten Haushalten verfügten durchschnittlich über 97 Wörter aus einer festgelegten Liste von 260. Kinder aus bildungs- und ressourcenstärkeren Familien kamen laut elterlicher Einschätzung auf rund 158 Wörter. Diese Differenz verweist auf frühe Entwicklungsvorteile, die sich im weiteren Bildungsverlauf tendenziell verfestigen.

Qualität der Eltern-Kind-Interaktion als zentraler Einflussfaktor

Neben sozioökonomischen Faktoren wirkt sich auch die Qualität der Eltern-Kind-Interaktion deutlich auf die kindliche Entwicklung aus. Als besonders förderlich erweisen sich feinfühliges, responsives und sprachlich anregendes Verhalten – etwa durch das gemeinsame Betrachten von Bilderbüchern oder durch dialogisches Sprechen im Alltag. Diese Form der Interaktion fördert nicht nur den Wortschatz, sondern auch die sozial-emotionale Kompetenz und die Fähigkeit zur Emotionsregulation.


Blickkontakt und Bindung formen das Gehirn

Dr. Walter Hultzsch erklärt, wie Nähe, Blickkontakt und feine Signale die Entwicklung von Aufmerksamkeit, Selbstregulation und Persönlichkeit fördern. Sein Buch verbindet neurowissenschaftliches Wissen mit alltagstauglicher Orientierung für Eltern, Großeltern, Paten und pädagogische Fachkräfte, die Babys in den ersten Lebensjahren achtsam begleiten wollen.

– Erfahrener Kinderarzt mit langjähriger Erfahrung
– Verbindet Neurobiologie, Bindungsforschung und frühe Kommunikation
– Zeigt, wie feinfühlige Eltern-Kind-Interaktion Entwicklung stärkt

Walter Hultzsch: Hey Mama, schau mir in die Augen – und sprich mit mir, Softcover, 120 Seiten, Oberstebrink 2025, ISBN 978-3-96304-072-6, 20 €


Belastungsfaktoren und kindliches Temperament: Wenn Förderung an Grenzen stößt

Ein zentrales Ergebnis der Studie ist der Zusammenhang zwischen kumulierten familiären Belastungen und einer verminderten Interaktionsqualität. In Familien mit mindestens drei Belastungsfaktoren – etwa niedrigem Bildungsniveau, geringem Einkommen oder psychischen Belastungen – zeigte sich, dass ein herausforderndes kindliches Temperament (insbesondere negative Affektivität) die elterliche Feinfühligkeit deutlich einschränken kann. In Haushalten ohne diese Mehrfachbelastung war ein solcher Zusammenhang nicht nachweisbar. Die Daten basieren auf Videobeobachtungen von 2.190 Eltern-Kind-Dyaden und ergänzenden Interviews im Rahmen der NEPS-Startkohorte 1.

Früh ansetzen: Unterstützung für Familien in Risikosituationen

Die Ergebnisse legen nahe, dass Unterstützungsmaßnahmen möglichst frühzeitig ansetzen sollten – idealerweise bereits im ersten Lebensjahr. Projekte wie die Bremer Initiative zur Stärkung frühkindlicher Entwicklung (BRISE), die an die NEPS-Studien anschließen, untersuchen gezielt die Wirksamkeit solcher Interventionen bei Familien mit erhöhtem Unterstützungsbedarf. Die Autorinnen des Berichts, Prof. Dr. Sabine Weinert (Otto-Friedrich-Universität Bamberg) und Dr. Manja Attig (LIfBi), betonen, dass elterliches Verhalten formbar ist – insbesondere dann, wenn Angebote niedrigschwellig, alltagsnah und präventiv angelegt sind.

Pädagogische Perspektiven

Die Erkenntnisse des Transferberichts verdeutlichen, wie eng Bildungschancen und frühe familiäre Lebenslagen miteinander verflochten sind – und dass frühe, gezielte Unterstützung wirkt. Für pädagogische Fachkräfte eröffnen sich daraus wichtige Ansatzpunkte: Der frühpädagogische Bereich ist nicht nur ein Ort kindlicher Bildung, sondern auch ein zentraler Begegnungsraum für Familien. Die Qualität der Zusammenarbeit mit Eltern, die Beobachtung kindlicher Bedürfnisse sowie der sensible Blick auf Belastungskonstellationen sind entscheidende Faktoren, um Entwicklungsprozesse gezielt zu unterstützen. Wenn es gelingt, Bildungsbenachteiligungen nicht erst zu dokumentieren, sondern ihnen im frühesten Kindesalter präventiv entgegenzuwirken, kann ein wichtiger Beitrag zu mehr Chancengerechtigkeit geleistet werden – und das bereits lange vor dem Schuleintritt.