Studie warnt: früh am Smartphone – später in der Krise

Trotz eindeutiger Forschungsergebnisse setzen viele Kitas in Deutschland weiterhin auf Tablets – und ignorieren damit gravierende Risiken für die psychische Gesundheit der Kinder und Jugendlichen

Es ist immer einfacher, dem eigenen Kind das Smartphone in die Hand zu drücken, während man sich der Präsentation für den nächsten Arbeitstag widmet. Doch nach und nach wird aus dem gelegentlichen Ablenken ein immer häufiger geäußerter Wunsch – und schließlich ein nicht selten dramatisch inszenierter Anspruch. Auf Social Media kursieren inzwischen unzählige Clips, in denen Kleinkinder wütend oder gar hysterisch reagieren, wenn ihnen Smartphones oder Tablets verwehrt werden.

Dass es sich hierbei nicht nur um kurzfristige Erziehungskrisen handelt, zeigt nun eine aktuelle, internationale Langzeitstudie, die im Journal of Human Development and Capabilities veröffentlicht wurde. Die Forschenden rund um Dr. Tara Thiagarajan, Chefwissenschaftlerin der gemeinnützigen Organisation Sapien Labs, haben Daten von über 130.000 jungen Erwachsenen im Alter von 18 bis 24 Jahren aus weltweit mehr als 60 Ländern ausgewertet – darunter allein 14.000 in Indien.

Der frühe Smartphone-Zugang hinterlässt Spuren

Das zentrale Ergebnis der Untersuchung: Wer bereits vor dem 13. Lebensjahr ein Smartphone besaß, zeigte als junger Erwachsener deutlich häufiger Symptome schwerer psychischer Belastungen. Betroffen waren nicht nur depressive Verstimmungen und Angstzustände, sondern auch Realitätsverlust, Halluzinationen, Aggressionen und Suizidgedanken. Bei Frauen, die bereits mit fünf oder sechs Jahren ein Smartphone nutzten, lag der Anteil derjenigen mit suizidalen Gedanken bei alarmierenden 48 Prozent – bei gleichaltrigen Männern immerhin bei 31 Prozent.

Die Studie stellt zudem klar: Dieser Trend ist kulturübergreifend und unabhängig vom Herkunftsland konsistent – was die These untermauert, dass der Einfluss digitaler Geräte auf das sich entwickelnde Gehirn tiefgreifend und global vergleichbar ist. Die vollständige Studie ist öffentlich zugänglich über Sapien Labs (PDF) sowie auf EurekAlert.

Trotz Warnungen: Digitale Medien in deutschen Kitas auf dem Vormarsch

Vor diesem Hintergrund erscheint es geradezu paradox, dass es in Deutschland weiterhin Krippen und Kindertageseinrichtungen gibt, die gezielt Tabletzeiten für Krippen- und Kindergartenkinder einführen, statt Eltern über die langfristigen Risiken digitaler Mediennutzung im frühen Kindesalter aufzuklären.

Wissenschaftliche Warnungen gibt es längst nicht nur von Sapien Labs. Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und UNICEF weisen seit Jahren auf die negativen Folgen übermäßiger Bildschirmnutzung bei Kindern hin – insbesondere auf emotionale Belastungen, Schlafstörungen, Konzentrationsprobleme und soziale Rückzugsverhalten.

Doch anstatt klare Präventionsmaßnahmen zu treffen oder medienfreie Räume zu schaffen, wird vielerorts weiterhin die sogenannte digitale Teilhabe auch im U3-Bereich als pädagogischer Fortschritt verkauft. Eine kritische Debatte über die tatsächlichen Kosten dieser Frühdigitalisierung findet bislang kaum statt.

Besonders bemerkenswert ist, dass Deutschland – gemeinsam mit Norwegen – offenbar eine der wenigen Ausnahmen bildet: Während in Schweden, Finnland, Estland und Dänemark der Einsatz von bildschirmgestützten Lernmitteln in Krippen nicht zum Standard gehört und teilweise durch Empfehlungen oder gesetzliche Einschränkungen ausdrücklich vermieden wird, experimentieren deutsche Träger sogar in U3-Gruppen mit Touchscreens, Tablets und digitalen Bildungsangeboten. Damit steht Deutschland international nahezu allein da – und das, obwohl viele der genannten Länder als Vorreiter einer wissenschaftlich fundierten Frühpädagogik gelten.

Was jetzt gebraucht wird

Dr. Thiagarajan fordert angesichts der Studienergebnisse nichts weniger als einen strikten Ausschluss von Smartphones für Kinder unter 13 Jahren – sowie umfassende politische und bildungssystemische Reformen, um Kinder und Jugendliche in digitalen Umgebungen besser zu schützen. Sie betont: „Wir sehen in den Daten eine sehr klare Altersgrenze, unterhalb derer der Zugang zu Smartphones massiv mit psychischer Instabilität im späteren Leben korreliert.“

Die Frage, die sich nun stellt: Wie viele wissenschaftlich fundierte Warnsignale braucht es noch, bis auch im deutschen Bildungswesen gehandelt wird? Und wie lange wird die Verantwortung für psychische Belastungen bei Heranwachsenden noch allein den Eltern zugeschoben – während Bildungseinrichtungen selbst aktiv zur digitalen Frühprägung beitragen?

Weiterführende Quellen:

Gernot Körner

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Medienkompetenz beginnt bei den Erwachsenen

Kinder jeden Alters erleben die vielfältige digitale Mediennutzung überall in ihrem Lebensalltag. Da bleibt es nicht aus, dass sie sich ebenfalls der Faszination digitaler Medien nicht entziehen können. Gleichzeitig gehört es zu den >Lebenskompetenzen< eines Menschen, mit den unübersehbaren und besonders verlockenden Angeboten in einer stark konsumorientierten […]weiterlesen

Armin Krenz: Medienkompetenz beginnt mit der Sach- und Medienkompetenz bei den Erwachsenen und nicht zuvorderst „am“ Kind! Heft, 28 Seiten, 5 €.




Online: Bildungskrise in der Kita erfordert radikale Kehrtwende

Einladung zur Veranstaltung von Bildungswende jetzt mit Armin Krenz am 18. September 2025

Die Realität in vielen Kindertageseinrichtungen hat sich in den vergangenen Jahren dramatisch verschärft – nicht nur für pädagogische Fachkräfte, sondern vor allem für die Kinder selbst. Während der Ruf nach Qualitätsstandards, Evaluation und Konzeptentwicklung immer lauter wird, geraten die grundlegenden Bedürfnisse von Kindern zunehmend aus dem Blick. Was sie eigentlich brauchen – Beziehung, Sicherheit, Raum für Spiel, Selbstwirksamkeit und emotionale Entwicklung – wird im Alltag oft durch Bürokratie, Personalnot und institutionelle Routinen verdrängt.

Hinzu kommt: Viele Fachkräfte fühlen sich im Spannungsfeld zwischen fachlichem Anspruch und strukturellem Mangel zerrieben. Teams sind überlastet, Eltern schwer erreichbar, Ausbildungsstandards sinken. Qualifiziertes Personal denkt immer häufiger über einen Ausstieg nach. Gleichzeitig werden Quereinsteiger*innen eingestellt, oft ohne ausreichende pädagogische Qualifikation. Das Ergebnis: Eine Pädagogik, die Kindern in ihrer sensiblen Entwicklungsphase weder Stabilität noch verlässliche Begleitung bieten kann – mit allen bekannten Folgen für das kindliche Verhalten und die gesellschaftliche Zukunft.

Gegen diesen besorgniserregenden Trend setzt sich der renommierte Kindheitsforscher Prof. h.c. Dr. h.c. Armin Krenz mit Nachdruck zur Wehr. In einer aktuellen Onlineveranstaltung fordert er eine „radikale pädagogische Kehrtwende zurück zum Kind“ – weg von überakademisierten Konzepten, zurück zu einer beziehungsorientierten, kindzentrierten Praxis. Es brauche, so Krenz, endlich eine Bildungswende, die diesen Namen auch verdient: Keine Steuerung nach wirtschaftlichen Vorgaben, sondern eine konsequente Orientierung an den Entwicklungsbedürfnissen von Kindern.

Die Veranstaltung findet im Rahmen der bundesweiten Initiative „Bildungswende Jetzt“ in Kooperation mit dem Kitafachkräfteverband statt. Sie richtet sich an pädagogische Fachkräfte, Eltern, politische Entscheidungsträger*innen sowie alle, die sich für eine kindgerechte Bildungspolitik engagieren möchten.

Termin: Donnerstag, 18. September 2025, von 19.00 bis 20.30 Uhr. Die Teilnahme ist kostenfrei, eine Anmeldung ist erforderlich unter:
https://us06web.zoom.us/meeting/register/IzTyZ_w3TYWeIxoEUtEUcw

Die Veranstalter rufen dazu auf, gemeinsam laut zu werden – für eine Bildungswende von unten: kindgerecht, beziehungsstark und menschenwürdig. Denn eines steht fest: Kinder sind keine Datenpunkte. Sie sind Menschen.




Spielerisch stark: Wie Kinder durch Theaterpädagogik ihre Potenziale entfalten

Das Theaterprojekt „Die Piraten im Zauberland“ der Kita Wirbelwind zeigt, wie ganzheitliches Lernen gelingen kann

Viele Kinder lieben es, in unterschiedliche Rollen zu schlüpfen, womit sie ihre „Zauberkräfte“ zum Ausdruck bringen können. Zauberkräfte, um ihren Wunschrollen ganz nahe zu sein: als Polizist:in für Ordnung zu sorgen oder Bösewichte ins Gefängnis zu bringen, als Pirat neue Welten zu entdecken, als Schatzjäger:in vergrabene Kostbarkeiten zu finden, als Prinzessin oder Prinz in einem herrschaftlichen Schloss zu wohnen oder als König bzw. Königin ein Volk zu regieren und bewundert zu werden, als Dinosaurier das Leben in weit zurückliegenden Urzeiten zu erleben oder als Tierärztin bzw. Tierarzt kranke Tiere wieder zu heilen …

Kinder wollen sich ausdrücken, ihre vielfältigen Ausdrucksmöglichkeiten in Sprach- und Spielhandlungen erkunden und ausprobieren, ihre innewohnenden Potenziale entdecken, eigene Handlungsvorstellungen in Aktionen umsetzen, Fantasien ausleben und Weltentdecker:innen sein. Kinder sprühen vor Aktionsideen, wollen kreativ wirksam werden, erlebte Grenzen überschreiten und sich selbst als Akteur:innen der eigenen Entwicklung verstehen, um ihre ganz persönliche Identität zu erfassen und ihre besondere Individualität herauszustellen.

Kreatives Toben mit Sinn

Kinder lieben es zu toben, zu klettern, mit Sprache zu jonglieren, Herausforderungen zu entdecken und gleichzeitig Ziele zu erreichen, mit großer Neugier den Geheimnissen der Welt auf die Spur zu kommen und sich in Szene zu setzen – um den eigenen Selbstwert motorisch, emotional, in sozialen Bezügen und kognitiv zu spüren.

Neben dem Spiel mit Handpuppen, Stabfiguren, Großfiguren, Marionetten sowie dem Tisch-, Papier- oder Schattentheater besitzt die gemeinsame Planung und Durchführung eines eigenen Theaterstücks einen ganz besonderen Reiz für Kinder.

Theater als ganzheitliches Bildungsprojekt

Theaterstücke umfassen viele Merkmale – vom Bühnenbild, über Beleuchtungen, Kostüme, Requisiten, Musikuntermalung, besondere Geräusche, themenbezogene Choreografien, Dialoge, selbst gesungene Lieder, Sprach- bzw. Textanteile. Vor allem aber dient ein Drehbuch als Grundlage für eine Theateraufführung. Hier können Kinder ihre Ideen einbringen, ganz unterschiedliche Rollen in neue Szenerien integrieren, eigene Lebensthemen aufgreifen, Wunschrollen verwirklichen sowie aktiv mitgestalten – bei Kostümen, Requisiten, Texten und Bühnenbild. So entsteht aus vielen Einzelelementen ein „rundes Ganzes“.

Partizipation statt fertiger Angebote

Schauen wir uns dabei die verschiedenen Entwicklungs- und Kompetenzbereiche an, können wir tatsächlich von einer ganzheitlichen Pädagogik sprechen, bei der alle Entwicklungsfelder berücksichtigt werden – ganz ohne isolierte Fördereinheiten. Hier treffen die drei Grundelemente nachhaltiger Bildungsarbeit zusammen:

  1. Die Kinder erleben sich als individuell bedeutsame Akteur:innen, da sie von Beginn bis Auswertung eines Projekts voll partizipativ beteiligt sind.
  2. Es werden keine fertigen Themen oder didaktisch-methodisch vorbereiteten Inhalte vorgesetzt – Kinder schlagen selbst ein für sie bedeutsames Thema vor, das aktiv umgesetzt wird.
  3. All dies geschieht in einer beziehungsfreundlichen Atmosphäre, in der die Kinder ihre Erzieher:innen als authentisch, innerlich beteiligt, neugierig und wertschätzend erleben.

Lernen „ganz nebenbei“

In der Lernpsychologie spricht man hier von concomitant learning – einem „Lernen ganz nebenbei“. Kinder bringen dabei kognitive, emotionale, soziale und motorische Kompetenzen ein, ohne dass sie merken, dass eine gezielte Entwicklungsförderung stattfindet.

Alles lebt vom Engagement der Erzieher:innen, KINDER und deren Themen zum Ausgangspunkt spannender PROJEKTE zu machen. Daraus entsteht eine innere Resonanz, die Bindung stärkt – zum Projekt und zu den pädagogischen Bezugspersonen.

Was hier gelingt – und anderswo oft fehlt

  1. Kinder erleben sich als Akteur*innen – nicht als Reagierende.
  2. Kinder werden zu eigenständigen Lernmotoren – nicht zu Ausführenden vorbereiteter Programme.
  3. Die Arbeit ist prozessorientiert – nicht durch Stundenpläne oder Zielvorgaben vorstrukturiert.
  4. Es werden basale Fähigkeiten aufgebaut – keine bloße Verfeinerung von Fertigkeiten.
  5. Die Themen orientieren sich an der Erlebniswelt der Kinder – nicht an Bildungsplänen oder Jahreszeitenpädagogik.
  6. Es entsteht eine lernförderliche Atmosphäre – im Gegensatz zu normorientierten, funktional organisierten Kita-Strukturen.

Die Piraten im Zauberland: Ein Projekt von Kindern für Kinder

Im folgenden Teil wird das Theaterstück „Die Piraten im Zauberland“ vorgestellt, das von Kindern initiiert, gemeinsam entwickelt und schließlich mit großer Begeisterung aufgeführt wurde. Es war überwältigend mitzuerleben, mit wie viel Fantasie, Engagement und Lernfreude alle Kinder an diesem Projekt beteiligt waren.

Gerade im Kontrast zu kognitiv überfrachteten, angebotszentrierten und durchgetakteten Tagesabläufen zeigt dieses Projekt eindrucksvoll, warum Kinder, die einen spielpädagogisch orientierten Kindergarten wie den Wirbelwind Lunzig (südlich von Gera, Thüringen) besuchen, eine beeindruckende „Schulbereitschaft“ entwickeln – und ihre Erzieher*innen von Herzen mögen. Vielen Dank auch an Brit Drechsler von der Kita Wirbelwind, die nicht nur maßgebend am Projekt mitgewirkt hat, sondern uns auch das Drehbuch zur Verfügung gestellt hat.

Hon. Prof. (a.D.) Armin Krenz




Den Morgenkreis neu gedacht: Wie Kindertreffen kindgerecht gelingen

Margit Franz: Morgenkreise neu gedacht. Kindertreffen in Krippe und Kita kindgerecht gestalten

Margit Franz ist sicher vielen elementarpädagogischen Fachkräften durch ihre über 30 Buchpublikationen, einige Buchreihen und Hunderte von Fachartikeln sowie als Fachreferentin bekannt, weil sie sich unermüdlich um Grundsatzthemen einer qualitätsgeprägten Kita-Pädagogik kümmert. Nun ist ihr neues Buch über den Einsatz und die vielfältige Gestaltung eines Morgenkreises erschienen.

Vom Morgenkreis zum Kindertreffen – ein Perspektivwechsel

Der Morgenkreis: in vielen Kitas ein festes und geschätztes Ritual, in anderen Kitas eher ein „Sorgenkreis“ oder gar ein verworfenes Relikt aus der Vergangenheit. Um einem Team einerseits Reflexionshinweise für ein „Pro und Kontra“ anzubieten und andererseits die vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten eines „Kindertreffens“ zu offenbaren, hat sich die Autorin folgenden Schwerpunkten zugewandt:

(1) Kinder im Mittelpunkt, bei dem es zunächst um eine gleichwertige Kommunikations- und Interaktionsqualität, um Partizipation, Inklusion und um eine Teilnahmefreiwilligkeit der Kinder geht;
(2) Inhaltliche Themen, die sich aus Beschwerde-, Lieblings- oder Expert*innen-, Alltags-, Lebens- oder Erwachsenenthemen ergeben;
(3) Bedenkenswerte Überlegungen zur „idealen“ Gruppengröße, zur Vielfalt im Kindertreffen, zum ‚richtigen‘ Zeitpunkt, zur Dauer, zum Ablauf und zu Gestaltungsmöglichkeiten sowie zur Regelmäßigkeit von Kindertreffen;
(4) Geeignete Materialen, Methoden, Rituale, Spielideen sowie Moderationskompetenzen, die Kindertreffen lebendig werden lassen;
(5) Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit dem Team, den Erziehungsberechtigten sowie potenziellen Kooperationspartnern im sozialen Umfeld;
(6) Unterschiedliche Orte als Treffpunkte für ein Kindertreffen sowie Gestaltung und Ausstattung dieser Zusammenkünfte.

Zum Schluss finden interessierte Leser:innen ein Literaturverzeichnis, um bei Bedarf angesprochene Themen zu vertiefen. So viel sei zum gelungenen Aufbau, zu einer klaren Struktur und zu den inhaltlich sehr bedeutsamen Schwerpunkten angemerkt.

Praxisnah, reflektiert und kindzentriert

Aufgrund der unterschiedlichen Möglichkeiten, einen „Morgenkreis“ zu gestalten, der nicht immer am Morgen um 9.00 Uhr stattfinden muss und die Kinder auch nicht in einem Kreis auf ihren Stühlchen sitzen müssen, plädiert die Autorin dafür, den Morgenkreis auch neu zu denken. Daher löst sie diesen Begriff mit dem Wort „Kindertreffen“ ab. Sie geht dabei in sorgsamer und in einer fachlich tiefgründigen Weise der Frage nach, was Kinder in üblichen Morgenkreisabläufen unzufrieden machen könnte und stellt entsprechende Alternativen vor, in denen Partizipation, dialogisch geführte Gespräche sowie interagierende und bedürfnisorientierte Gestaltungsformen die Langeweile oder Abwehr der Kinder gegenüber dem bisherigen Verlauf von Morgenkreisen ablösen können.

Zusätzlich werden die inhaltlichen Ausführungen immer wieder mit Praxisbeispielen und Reflexionsimpulsen angereichert, so dass das Buch mit Fug und Recht als ein sehr hilfreicher Praxisratgeber bezeichnet werden kann. Da ist es auch nicht ausschlaggebend, dass beispielsweise auf der Seite 24 die Überschriften „positive Formulierung“ und „negative Formulierung“ in den zwei Übersichtskästen vertauscht wurden oder die Autorin auf der Umschlagvorderseite als Herausgeberin benannt wurde. Das schmälert die inhaltliche Qualität des Buches in keiner Weise!

Fazit: Ein inspirierender Ideenschatz für die Kita-Praxis

Wer sich mit dem Sinn und dem Bedeutungswert eines Morgenkreises (Kindertreffens) in der Kita qualitätsgeprägt auseinandersetzen möchte, gerade auch um neue Impulse zu bekommen, damit dieses Ritual wieder kindzentriert (!) durchgeführt und neuen „Pepp“ erhalten kann, erlebt dieses Buch als einen hilfreichen Ideenschatz.

Rezensent: Armin Krenz: armin.krenz@web.de

Margit Franz
Morgenkreise neu gedacht
Kindertreffen in Krippe und Kita kindgerecht gestalten
95 Seiten
ISBN: 978-3-96046-343-6
19,95 €

Weitere Informationen…




Konzeptionsentwicklung: Grundlage für eine ­Innen- und Außenqualität

Kindergarten

Von der Bestandsaufnahme über die Entwicklung bis zum fertigen Konzept

Die Elementarpädagogik ist in den vergangenen 30 Jahren wie kaum ein anderer Wissenschaftszweig in Unruhe versetzt worden. War es in den 90er-Jahren vor allem die Qualitätsentwicklung, die sich erstmals in der Frühpädagogik konsequent bis heute immer mehr durchsetzte, so waren es einige Jahre später die bahnbrechenden Erkenntnisse der Hirn-, Bildungs- und Bindungsforschung, die für die Elementarpädagogik immer mehr in den Vordergrund rückten. Dann forderten die länderspezifischen Bildungskonzepte, Orientierungspläne und Bildungsprogramme die ganze Aufmerksamkeit der elementarpädagogischen Fachkräfte und weitere Neuerungen kamen ins Gespräch: eine bilinguale Pädagogik, Dokumentation von Lerngeschichten, Portfolios, Veränderung klassischer Kindertagesstätten in Familienzentren etc. Damit wird eines deutlich: Die Elementarpädagogik war und ist in einem ständigen Entwicklungsprozess. Insofern fühl(t)en sich landauf, landab ungezählte Kindertageseinrichtungen dazu aufgefordert, bisherige Sichtweisen, Standpunkte und Gewohnheiten zu hinterfragen und aufgrund neuer Erkenntnisse bzw. Notwendigkeiten zu verändern.

Zielbestimmungen geben die Richtung für Konzepte, Konzeptionen und die Praxis der gesamten Pädagogik vor

Es gibt eine altbekannte Weisheit in der Lernzieltaxonomie, die lautet: „Wer nicht weiß, wohin er will, darf sich nicht wundern, dort zu landen, wohin er in keinem Fall wollte.“ Übertragen auf die Elementarpädagogik bedeutet(e) dies, dass es jederzeit notwendig war/ist, für das gesamte Arbeitsfeld und die damit verbundenen Arbeitsbereiche eine Bestandsaufnahme vorzunehmen (Ist-Analyse), um die Ergebnisse mit den sogenannten Soll-Vorhaben zu vergleichen.

Der besondere Sinn liegt vor allem darin, eigene Standpunkte selbstkritisch zu hinterfragen und immer wieder festzustellen, inwieweit die bisherigen Arbeitsmerkmale den aktuellen Notwendigkeiten einer bildungsorientierten und zugleich bindungsstarken Elementarpädagogik sowie den gültigen Verpflichtungen entsprechen. Des Weiteren hilft es, immer wieder eine Grundlagenorientierung herzustellen, um nicht unreflektiert modernistischen Strömungen zu folgen oder persönliche, subjektiv geprägte Vorlieben/Abneigungen zum Ausgangspunkt der realisierten Pädagogik zu erklären. Mit einer solchen Qualitätsevaluation ergibt sich die GRUNDLAGE für das besondere PÄDAGOGISCHE KONZEPT der Einrichtung. Sie wird später wie eine Richtschnur die Ausrichtung des pädagogischen und berufspolitischen (Selbst-)Verständnisses sowie die pädagogische Orientierung vorgeben.

Eine Bestandsaufnahme verfolgt zunächst die folgenden neun Ziele:

(Abb. 1: Ziele einer Bestandsaufnahme zur Herstellung/Verbesserung/Aufrechterhaltung einer Qualität und zur Festlegung konzeptioneller Eckwerte)

Um diesen Zielen möglichst nahezukommen, bietet es sich an, folgenden Fragen nachzugehen:

Beispielhafte Fragen zur Überprüfung des bisherigen KONZEPTS, zur Grundlagenklärung und zur Festlegung/Erarbeitung/Überarbeitung einer Konzeption:

  • Nach welchem pädagogischen Ansatz (unter Berücksichtigung der wesentlichen Merkmale) wird in der Einrichtung gearbeitet? Warum?
  • Wann wurde das letzte Mal eine umfangreiche „Situationsanalyse“ durchgeführt? Sind die Ergebnisse deckungsgleich mit den Zielen des pädagogischen Ansatzes?
  • Gibt es eine pädagogische Konzeption? Wie aktuell, umfassend und konkret ist sie und wann wurde sie das letzte Mal überarbeitet?

Fragen zum Personal:

  • Welche Visionen und Perspektiven bezüglich der Arbeit hat das Kollegium zurzeit?
  • Wie hoch sind die Merkmale Engagement, Arbeitsmotivation, Anstrengungsbereitschaft, Lebendigkeit und Arbeitsfreude ausgeprägt?
  • Wird die Arbeit regelmäßig und strukturiert fachlich reflektiert? Auf welche Art und Weise?

Fragen zur Praxis der Elementarpädagogik:

  • Wie sieht der Tagesablauf aus und wie begründet sich diese Aufbaustruktur? Wird thematisch oder projektorientiert gearbeitet?
  • Wie entstehen pädagogische Projekte bzw. wie ergeben sich thematische Schwerpunkte? Wie werden diese aufgebaut, durchgeführt und ausgewertet?
  • Beziehen sich die Projekte/Themen auf reale Lebenssituationen der Kinder und werden diese in künstlichen Situa­tionen oder Realwelten erfahren?
  • Wie werden Selbstständigkeit, Autonomie, Verantwortlichkeit und Initiative der Kinder praktisch angeregt und unterstützt? Welche Rolle spielen Partizipation, Inklusion und Genderorientierung?

Fragen zur Zusammenarbeit mit den Eltern:

  • Welche Dokumentationsformen zur Erfassung kindeigener Entwicklungsverläufe werden im Kollegium genutzt? Wann/wie oft werden die Ergebnisse mit Eltern besprochen?
  • Wie werden Widersprüche und kritische Äußerungen der Eltern vom Kollegium aufgenommen?
  • Erfahren die Eltern praktische Hilfestellungen bei Erziehungsfragen? Wie?

Weitere bedeutsame Fragen zu anderen Qualitätsfeldern:

  • Existiert eine vertrauensvolle, wertschätzende und arbeitsintensive Teamarbeit oder gibt es Spannungen? Werden Konflikte geklärt oder „unter den Tisch gekehrt“? Wie wird die Teamarbeit gepflegt?
  • Wie sieht die Zusammenarbeit mit anderen Einrichtungen (Grundschulen, anderen Kitas, Beratungsstellen …) aus? Kann die Elementarpädagogik ihr eigenes Profil verdeutlichen?
  • Welche Formen aktiver Öffentlichkeitsarbeit werden regelmäßig in Angriff genommen?

Fragen zur Qualitätssicherung

  • Welche Qualitätsinstrumentarien sind bekannt? Für welches Qualitätsmanagement hat sich die Kindertagesstätte entschieden? Warum? Welche Qualitätsinstrumentarien werden abgelehnt? Aus welchen Gründen?
  • Welche Arbeitsschwerpunkte wurden bisher gezielt bearbeitet, mit welchem Ergebnis und welche Bereiche stehen als Nächste zur Bearbeitung an? Gibt es ein Qualitätshandbuch?
  • Was hat die Qualitätsevaluation bisher an praktischen Veränderungen mit sich gebracht?

Der Aufwand für eine Bearbeitung dieser und entsprechend weiter­führender Fragen ist der Mühe immer wert. Neben inhaltlichen Grundlagenklärungen entsteht ein professionelles Verständnis für eine qualitätsgeprägte Pädagogik sowie eine gemeinsame Einrichtungsidentität. Dies ist die wohl wichtigste Basis für einen gelingenden Alltag. Die Mitarbeiter/-innen der Kindertagesstätten bemerken dann selbst – wenn Grundlagen neu definiert/besprochen, Ziele neu/punktgenau angesteuert, Strukturen neu geordnet, Arbeitsvorhaben neu/kompetent entworfen und Arbeitsvorgänge neu aufgebaut/durchgeführt werden –, wie sich das eigenständige und unverwechselbare Profil dieser Einrichtung immer stärker herausbildet.

Insgesamt geht es bei einer Konzeptfindung, -erörterung, -festlegung immer um die folgenden Schwerpunktbereiche:

(Abb. 2: Die 14 Schwerpunkte zur Findung/Festlegung eines Konzepts und zur späteren Ausführung einer Konzeption)

Eine Konzeptentwicklung sorgt für tragfähige und verbindliche Eckpfeiler, damit im Anschluss eine Konzeption gestaltet oder die bisherige Konzeption umgeschrieben werden kann/muss. Damit entwickelt sich eine Konzeption zum schriftlich formulierten „Spiegelbild der Praxis“.

Die Konzept(ions)entwicklung dient auch zur gezielten Öffentlichkeitsarbeit

„Tue Gutes und rede darüber.“ Diese Aussage trifft auch für eine ­qualitätsgeprägte Öffentlichkeitsarbeit elementarpädagogischer Einrichtungen zu.
Leider hat sich bis heute in der breiten Öffentlichkeit immer noch nicht deutlich genug herumgesprochen, dass Kindertageseinrichtungen eigenständige FACHINSTITUTIONEN und die dort tätigen Mitarbeiter/
-innen FACHKRÄFTE weder liebevolle „Kinderbeschäftigungskräfte“ noch als Hilfskraft eingesetzte „Vorschullehrer/-innen“ sind. Das kann viele unterschiedliche Hintergründe haben. Wahrscheinlich liegt es daran, dass elementarpädagogische Fachkräfte bisher zu wenig für eine breit angelegte und offensiv gestaltete Öffentlichkeitsarbeit beigetragen haben. Umso bedeutsamer ist es daher, dass Kindertageseinrichtungen ihr eigenständiges, unverwechselbares Profil, ihren überaus bedeutsamen Beitrag für eine gesellschaftliche Weiterentwicklung, ihre nicht zu ersetzende Wertigkeit im Hinblick auf die Persönlichkeits- und nachhaltige Bildungsentwicklung der Kinder sowie ihren Anspruch auf Wertschätzung zum Ausdruck bringen: deutlich, unmissverständlich, kontinuierlich und aussagestark formuliert.

Öffentlichkeitsarbeit verfolgt 3 Zielsetzungen

  1. Herstellung einer Transparenz der Aufgaben und hohen Wertigkeit,
  2. Steigerung des Ansehens der Einrichtung in der Öffentlichkeit und
  3. Aufbau, Ausbau und Pflege eines Vertrauens zur Öffentlichkeit.

Wenn auf der einen Seite von Mitarbeiter/-innen des Öfteren der Umstand beklagt wird, dass die Kita in der Öffentlichkeit entweder noch immer als „Aufbewahrungsstätte/Beschäftigungsort für Kinder“ angesehen oder wenn elementarpädagogische Fachkräfte im Vergleich zum „Bildungssystem Schule“ entweder einen untergeordneten Wert oder eine völlig unberechtigte „Zuarbeiteraufgabe für die Grundschule“ zugeschoben bekommen, dann muss es die Elementarpädagogik schaffen, ihre Aufgaben und ihren eigenständigen Erziehungs-, Bildungs- und Betreuungsauftrag kompetent nach außen zu tragen. Daher geht es um die Transparenz!

Elementarpädagogische Einrichtungen sind eine besonders bedeutsame gesellschaftspolitische Institution mit einer nachhaltigen Wirkung. Dieser Stellenwert hat sich jedoch in der Öffentlichkeit immer noch nicht deutlich genug durchgesetzt. Insofern kann eine offensive Öffentlichkeitsarbeit dabei helfen, diese Situation zu verändern.

Daher geht es um die Steigerung des Ansehens!

Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit wird nur dann erreicht, wenn bestimmte Aktionen auffallen und damit der Öffentlichkeit deutlich ins Auge springen. Dabei geht es in der Öffentlichkeitsarbeit selbst nicht um irgendwelche punktuellen „Spots“, bei denen nur dann die Öffentlichkeit gesucht wird, wenn aktuelle Notwendigkeiten dazu drängen, bestimmte Aktionen in Gang zu setzen. Öffentlichkeitsarbeit lebt aus einer qualitätsgeprägten Kontinuität heraus – fachlich fundiert und beziehungsfreundlich in die Öffentlichkeit transportiert. Daher geht es um den Aufbau und die Pflege eines Vertrauensverhältnisses zur Öffentlichkeit mit langfristigen Wirkungen!

Öffentlichkeitsarbeit zeigt sich in einer breiten Vielfalt

Eine qualitätsgeprägte Elementarpädagogik verfolgt das Ziel, ihr PROFIL mit vielfältigen Dokumentationsbelegen transparent zu machen. Dabei nutzen die elementarpädagogischen Fachkräfte möglichst viele unterschiedliche Formen der Öffentlichkeitsarbeit, um die hohe Bedeutung der pädagogischen Arbeit für die Entwicklung der Kinder (und deren Familien) sowie ihre gesellschaftspolitische Wertigkeit zu dokumentieren. Kindertagesstätten präsentieren dabei ihre konzeptionellen Grundsätze/Richtlinien und ihre aktuelle, schriftlich fixierte Konzeption, ihre regelmäßigen Projektdokumentationen und ihre neuesten Jahresberichte.

Sie arbeiten an Fachpublikatio­nen mit und sorgen durch ihr öffentliches Engagement auch auf politischer Ebene für ein kinderfreundliches (entwicklungsförderliches) Umfeld. Ihre Teilnahme an Fachsymposien und Kongressen, ihre Kontaktpflege mit den Ausbildungsstätten (Fach-/Hochschulen) und die vielfältigen, öffentlichen Darstellungen (Ausstellungen/Mitwirkungen bei Aktionen), die Außenrepräsentanz bei Projekten und die Mitwirkung bei kommunalen/gemeindlichen Aktionen prägen ein Bild von der Institution, die das Selbstverständnis klar, nachvollziehbar und offensiv auf den Punkt zu bringen versucht. Nicht zuletzt dadurch schaffen es die Fachkräfte, das traditionell geprägte Bild einer „Kindergärtnerin“/eines „Kindergärtners“ aufzuheben und das einer professionellen Fachkraft mit einem hohen Fachwissen und einer gut ausgeprägten Handlungskompetenz zu stabilisieren.

Literatur

  • Bendt, Ute; Erler, Clauia (2008): Aus bewährter Praxis die eigene Kita-Konzep­tion entwickeln. Eine Anleitung in 8 Schritten. Mühlheim: Verlag an der Ruhr
  • Jacobs, Dorothee (2009): Die Konzeptionswerkstatt in der Kita. Weimar/Berlin: Verlag das netz
  • Krenz, Armin (Hrsg.) (2010): Kindorientierte Elementarpädagogik. Göttingen: Vandenhoeck + Ruprecht
  • Krenz, Armin (2009): Professionelle Öffentlichkeitsarbeit in Kindertagesstätten. Troisdorf/Köln: Bildungsverlag EINS
  • Krenz, Armin (2008): Konzeptionsentwicklung in Kindertagesstätten. Troisdorf: Bildungsverlag EINS
  • Krenz, Armin (2001): Qualitätssicherung in Kindertagesstätten. München: Ernst Reinhardt Verlag
  • Lill, Gerlinde (2007): Begriffe versenken. Sinn und Unsinn pädagogischer Gewohnheitswörter. Weimar/Berlin: Verlag das netz
krenz grundlagen

Diesen Beitrag haben wir aus folgendem Buch entnommen:

Krenz, Armin

Grundlagen der Elementarpädagogik
Unverzichtbare Eckwerte für eine professionelle Frühpädagogik

192 Seiten,
ISBN: 978-3-944548-03-6
24,95 €