Polio-Impfung bleibt unverzichtbar: Warum Kinderlähmung noch immer ein Risiko ist

Zwar ist die Krankheit fast besiegt, aber laut Studie können nur dauerhaft hohe Impfquoten schützen

Zum Welt-Polio-Tag, erinnert die Weltgesundheitsorganisation (WHO) an eine der größten Errungenschaften der modernen Medizin: die Impfung gegen Kinderlähmung. Sie hat Millionen von Lähmungen verhindert und unzählige Leben gerettet. In den 1950er Jahren erkrankten in Deutschland jedes Jahr tausende Kinder an Polio – heute gilt das Land als poliofrei. Doch eine aktuelle Studie unter Beteiligung der Universität Bielefeld, veröffentlicht im Deutschen Ärzteblatt, macht deutlich: Die Gefahr ist noch nicht gebannt.

„Die Eindämmung von Polio gehört zu den größten Erfolgen der Public Health“, betont Professor Dr. Oliver Razum von der Universität Bielefeld, Letztautor der Studie. „Aber auch in Deutschland müssen wir weiter gegen Polio impfen. Eine vollständige Ausrottung der Krankheit wird in absehbarer Zeit nicht gelingen.“

Globale Erfolge mit Hindernissen

Die Untersuchung trägt den Titel „Erfolge und Hindernisse in der Spätphase der Globalen Polio-Ausrottungsinitiative“ und fasst die Entwicklung des weltweiten Impfprogramms zusammen, das die WHO bereits 1988 gestartet hat. Seither ist die Zahl der Krankheitsfälle um beeindruckende 99,99 Prozent gesunken. Doch in einzelnen Regionen bleibt das Virus aktiv – und damit eine Gefahr für alle.

Warum Polio nicht verschwindet

Poliomyelitis, kurz Polio oder Kinderlähmung, wird durch hochansteckende Viren übertragen. Die meisten Infektionen verlaufen unbemerkt. Doch bei einem kleinen Teil der Betroffenen führen sie zu dauerhaften Lähmungen – oft an den Beinen – oder sogar zum Tod, wenn die Atemmuskulatur betroffen ist.

Zwar gelten Europa, große Teile Asiens und der Amerikas als poliofrei. Doch in Pakistan und Afghanistan zirkulieren weiterhin sogenannte Wildviren. Hinzu kommt ein weiteres Problem: In Ländern mit niedrigen Impfraten können sich abgeschwächte Impfviren so verändern, dass sie wieder gefährlich werden. Durch internationale Reisen gelangen solche Viren auch in Industrieländer – in den vergangenen Jahren wurden sie sogar in Abwasserproben in europäischen Städten, darunter in Deutschland, nachgewiesen.

Impfmüdigkeit und Geldmangel gefährden den Fortschritt

Die Forschenden warnen vor einer gefährlichen Kombination aus Impfmüdigkeit, Finanzierungslücken und globalen Krisen. Einige internationale Geldgeber, darunter die US-Entwicklungsagentur USAID, haben ihre Mittel für die Polio-Bekämpfung gekürzt. Das erschwert Impfkampagnen, insbesondere in Regionen mit instabilen Gesundheitssystemen oder Konflikten.

„Wir dürfen uns nicht allein auf das Ziel der Ausrottung verlassen“, mahnt Razum. „Entscheidend ist, dass wir überall auf der Welt dauerhaft hohe Impfquoten erreichen.“ Auch Ärztinnen und Ärzte in Deutschland seien gefordert, regelmäßig den Impfstatus ihrer Patient*innen zu prüfen und fehlende Impfungen nachzuholen.

Was Bildungseinrichtungen tun können

Auch Erzieher*innen und Lehrkräfte können dazu beitragen, dass das Bewusstsein für Impfprävention erhalten bleibt – etwa durch altersgerechte Aufklärung über Hygiene, Gesundheit und globale Verantwortung. Impfprogramme sind nicht nur medizinische, sondern auch gesellschaftliche Schutzschirme: Sie zeigen, wie gemeinsames Handeln das Leben vieler Menschen verbessern kann.

Polio ist fast besiegt – aber eben nur fast. Damit Kinderlähmung nie wieder zur Bedrohung wird, braucht es weiterhin Engagement, Aufklärung und Impfbereitschaft – in allen Ländern, und in jedem Alter.

Weitere Informationen unter: https://www.uni-bielefeld.de/fakultaeten/gesundheitswissenschaften/ag/ag3/index.xml

Quelle: Universität Bielefeld / Deutsches Ärzteblatt (2025)




Qualität der Kindertagesbetreuung in Deutschland

Umfassende Auswertung der Surveys und amtlichen Daten zur „Entwicklung von Rahmenbedingungen in der Kindertagesbetreuung“ (ERiK)

Die umfassende Auswertung der Surveys und amtlichen Daten zur „Entwicklung von Rahmenbedingungen in der Kindertagesbetreuung“ (ERiK) zeigt, dass es in jeder vierten Kindertageseinrichtung Stellen gibt, die länger als sechs Monate nicht besetzt werden konnten. Personalausfälle werden überwiegend zu Lasten des bestehenden Personals beispielsweise durch Überstunden aufgefangen. Über die Hälfte der Leitungen gibt an, dass der häufigste Grund für eine Kündigung des Personals eine andere Arbeitsstelle im Feld der frühen Bildung ist. Hier zeichnet sich somit die Mobilität innerhalb des FBBE-Feldes ab. Die Befunde des Forschungsberichts II spiegeln die zentralen Herausforderungen der frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung (FBBE) aus unterschiedlichen Perspektiven wider.

Beiträge für die Kindertagesbetreuung sind für manche Eltern einfach zu hoch

Nach wie vor konnten die Forschenden des Deutschen Jugendinstituts (DJI) soziale Selektivität und ungleiche Teilhabe beobachten, wie die geringere Inanspruchnahme von FBBE-Angeboten durch Kinder mit Migrationshintergrund im Vergleich zu Kindern ohne Migrationshintergrund zeigt. Ein Zugangshindernis sind die Beiträge, die Eltern für die Kindertagesbetreuung entrichten müssen. Trotz der durch das KiTa-Qualitäts- und -Teilhabeverbesserungsgesetz (KiQUTG) eingeführten Maßnahmen zur Entlastung von Beiträgen berichtet die Mehrheit der Träger, dass in ihren Kindertageseinrichtungen Elternbeiträge anfallen. Zudem berichten fast alle Träger, dass sie Verpflegungskosten von den Eltern verlangen. Etwa ein Drittel der Eltern aus der KiBS-Studie 2020 gibt wiederum an, dass sie aus unterschiedlichen Gründen keine Elternbeiträge zahlen. Dabei variiert der Anteil der Eltern mit einer Beitragsbefreiung stark zwischen den Ländern.

Über die im KiQuTG genannten Themen hinaus ist die Bedeutung des Gesundheitsschutzes und der Gesundheitsförderung in der frühen Bildung während der Pandemie deutlich geworden. Fort- und Weiterbildungen zu gesundheitsbezogenen Themen werden vom pädagogischen Personal vergleichsweise häufig besucht. Während der Coronapandemie entstanden unter anderem durch die Schwierigkeiten bei der Umsetzung von Schutzmaßnahmen teilweise herausfordernde strukturelle Voraussetzungen. Diese erschwerten die Förderung von Kindern erheblich.

Maßnahmen der Qualitätsentwicklung und -sicherung

Damit rücken zentrale Fragen nach möglichen Maßnahmen der Qualitätsentwicklung und -sicherung in der Kindertagesbetreuung und den damit einhergehenden Steuerungsansätzen im System in den Fokus. Etwa zwei Drittel der befragten Träger in den ERiK-Surveys 2020 geben interne Evaluation als die Maßnahme an, die in den von ihnen verantworteten Einrichtungen vorgeschrieben ist. Externe Evaluationen werden bei einem Drittel der Träger genutzt. Sie sind selten verpflichtend. Während die Träger Vorgaben für die Umsetzung interner und externer Evaluationen in Kindertageseinrichtungen machen, sind Qualitätsmaßnahmen im Bereich der Kindertagespflege überwiegend beim Jugendamt angesiedelt.

Das Projekt ERiK am DJI

Das Projekt ERiK am DJI in Kooperation mit dem Forschungsverbund DJI/TU Dortmund setzt mit dem ERiK-Forschungsbericht II die Veröffentlichungsreihe über die empirischen Grundlagen, Analysen und Ergebnisse des Monitorings zum KiQuTG fort. Ziel des Vorhabens ist es, herauszuarbeiten, welche Veränderungen sich in der Qualität und Teilhabe im System seit dem Inkrafttreten des KiQuTG abzeichnen.

Der ERiK-Forschungsbericht II beinhaltet sowohl umfassende Auswertungen aus amtlichen Statistiken als auch erstmals Auswertungen der Daten aus den ERiK-Surveys 2020. Die Daten aus den bundesweiten Befragungen von Leitungen und pädagogischem Personal in Kindertageseinrichtungen, von Kindertagespflegepersonen und Jugendämtern sowie von Trägern von Kindertageseinrichtungen bilden die Grundlage für viele Auswertungen zu weiteren Indikatoren und Kennzahlen. Einzelheiten zu den Surveys 2020 sind in den ERiK-Methodenberichten I und II dokumentiert. Darüber hinaus werden die amtlichen Daten der Kinder- und Jugendhilfestatistik (KJH) und die Daten der Kinderbetreuungsstudie (KiBS) des DJI aus dem Jahr 2020 ausgewertet. Die kombinierte Auswertung dieser verschiedenen Datenquellen ist in dieser Breite einzigartig.

Analysegrundlage für die komplexen Steuerungsanforderungen

„Die Beobachtung der Rahmenbedingungen in der Kindertagesbetreuung ist von zentraler Relevanz für die komplexen Steuerungsanforderungen, die sich dem System stellen. Die Daten der ERiK-Surveys 2020 liefern eine breite Analysegrundlage, die es bisher in diesem Umfang noch nicht gegeben hat. Durch die Berücksichtigung der verschiedenen Akteurs-Perspektiven im Erhebungsprogramm liegen nun Daten und Informationen vor, zu denen es bisher kein empirisches Wissen gab. Hinzu kommt die Kombination mit den amtlichen Daten, die den Monitoringansatz des KiQuTG auch international einzigartig macht,“ erläutert Nicole Klinkhammer, die das Projekt bis September 2022 geleitet hat.

Der ERiK-Forschungsbericht II bildet zusammen mit den Fortschrittsberichten der Länder die empirische Grundlage für die jährlichen Monitoring-Berichte des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), wie den Gute-Kita-Bericht 2021, und für die Evaluationsberichte der Bundesregierung. Die zusätzliche Veröffentlichung des ERiK-Methodenbericht II bietet in Verbindung mit dem ersten ERiK-Methodenbericht einen umfassenden Überblick über die im Rahmen des ERiK-Projekts erhobenen Survey-Daten. Das ERiK-Projekt wird durch das BMFSFJ gefördert.

Originalpublikation:

https://www.dji.de/…/ERiK_Forschungsbericht_II_E-Book.pdf

Sonja Waldschuk/DJI




„Wer öffnen will, muss impfen“

Bildungsgewerkschaft GEW zum Beschluss des Bundeskabinetts zum Infektionsschutzgesetz

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) begrüßt grundsätzlich, dass der Bund jetzt über das Infektionsschutzgesetz auch für Schulen und Kitas verbindliche Vorgaben machen will. Diese müssten allerdings zeitlich klar begrenzt sein.

Klare rote Linien

„Damit werden in der Corona-Pandemie klare rote Linien gesetzt und der föderale Flickenteppich beendet“, sagt die GEW-Vorsitzende Marlis Tepe mit Blick auf die Entscheidung im Bundeskabinett. „Die GEW hält es grundsätzlich für richtig, dass Kitas und Schulen ihre Aufgaben – Bildung und Betreuung – erfüllen können. Der Gesundheitsschutz für Lehrkräfte, pädagogisches Personal sowie Kinder und Jugendliche und deren Eltern muss gesichert sein, wenn Kitas und Schulen öffnen. Deshalb ist es falsch, bei Schulen und Kitas erst ab einem Inzidenzwert von 200 die Notbremse zu ziehen.“

100 statt 200

Tepe macht deutlich, dass die für die Gesellschaft geltende Grenze von 100 auch in den Bildungseinrichtungen umgesetzt werden müsse. Alles andere sei nicht nachvollziehbar. Neue Studien zeigten, dass sich das Virus in Form der sogenannten britischen Mutante bei Kindern und Jugendlichen besonders schnell ausbreitet. Auch der Reproduktionswert sei nach neuen Untersuchungen im Schulalltag besonders hoch.

Testungen müssen bereitgestellt werden

Tepe begrüßt, dass Schülerinnen und Schüler Bildungseinrichtungen nur getestet besuchen dürfen. Das setze jedoch voraus, dass zwei Testungen pro Woche bereitgestellt und logistisch umgesetzt werden. „Das ist bisher jedoch nicht überall in Deutschland der Fall“, betont die GEW-Vorsitzende.

„Es sind noch viele Fragen offen: Ist es möglich, pro Woche 24 Millionen Tests an die Schulen zu bringen? Wo finden die Tests statt? Gibt es Räume oder Zelte vor der Schule, die groß genug sind, dass die Hygienevorschriften eingehalten werden können, damit sich die Schülerinnen, Schüler und Kita-Kinder beim Selbsttest nicht gegenseitig anstecken? Gibt es vor Ort ausreichend geschultes Personal?“

Keine weiteren Hinweise zum Gesundheitsschutz

Tepe fordert, dass alle Lehrkräfte sowie die Erzieherinnen und Erzieher mindestens zwei Mal wöchentlich Testangebote erhalten sollten, einer Testpflicht für alle Beschäftigten stehe sie jedoch kritisch gegenüber. Sie moniert, dass es in dem Gesetz für Schulen und Kitas keine Hinweise zu weiteren notwendigen Gesundheitsschutzmaßnahmen wie den A-H-A+L-Regeln oder zum Thema Raumlüfter gebe.

Die GEW-Vorsitzende unterstreicht: „Parallel zu den Tests müssen die Impfangebote für die Lehrkräfte so schnell wie möglich deutlich erhöht werden. Dafür müssen alle Lehrkräfte und weitere im Bildungsbereich Beschäftigte in die Impfgruppe 2 aufgenommen werden. Nur die Impfungen bieten einen hohen Schutz für alle Menschen in Schulen und Kitas. Wer öffnen will, muss impfen.“

Quelle: Pressemitteilung GEW