Kinder im Netz: Leopoldina fordert Altersgrenzen

Die Nationale Akademie der Wissenschaften warnt vor Risiken intensiver Nutzung und empfiehlt strengere Regeln, weniger Suchtanreize und mehr digitale Bildung

Kinder unter 13 Jahren sollen nach den Vorschlägen der Leopoldina keine eigenen Accounts in sozialen Netzwerken haben dürfen. Für 13- bis 15-Jährige sei eine Nutzung nur mit Zustimmung der Eltern sinnvoll. Jugendliche bis 17 Jahre sollen Social Media zwar nutzen können, aber ohne Funktionen wie endloses Scrollen, personalisierte Werbung oder ständige Push-Nachrichten. Auch in Schulen empfiehlt das Papier klare Regeln: Smartphones sollten dort bis einschließlich Klasse 10 tabu sein.

Psychische Risiken

Das Papier stützt sich auf zahlreiche Studien, die zeigen: Intensive Social-Media-Nutzung kann mit Depressionen, Ängsten, Schlafproblemen und Konzentrationsstörungen einhergehen. Erste Langzeitstudien deuten darauf hin, dass die Netzwerke diese Probleme nicht nur begleiten, sondern auch verstärken oder sogar auslösen können.

Vorsorge statt Warten

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fordern deshalb die Anwendung des Vorsorgeprinzips. Es besagt, dass Risiken ernst genommen und Maßnahmen ergriffen werden müssen, auch wenn noch nicht alle wissenschaftlichen Beweise vorliegen. Gerade in Entwicklungsphasen sei Abwarten keine Option.

Bildung im Fokus

Neben Regeln und Gesetzen hebt die Leopoldina den Bildungsaspekt hervor. Ein digitaler Bildungskanon in Kitas und Schulen soll Kinder und Jugendliche frühzeitig stärken. Lehrkräfte und pädagogisches Personal sollen dabei unterstützt werden, riskantes Verhalten zu erkennen. Auch Eltern sollen durch Informationsangebote eingebunden werden.

Regeln auf EU-Ebene

Für die Umsetzung von Alterskontrollen sieht die Arbeitsgruppe vor allem Europa in der Pflicht. Mit der geplanten „EUDI-Wallet“ könnte ein datenschutzkonformer digitaler Altersnachweis geschaffen werden. Deutschland solle diesen Prozess aktiv begleiten.

Die Rolle der Leopoldina

Die Leopoldina ist die älteste dauerhaft bestehende Wissenschaftsakademie der Welt. 1652 gegründet und seit 2008 Nationale Akademie der Wissenschaften Deutschlands, vereint sie über 1.600 Mitglieder aus mehr als 30 Ländern. Ihre Aufgabe: Politik und Gesellschaft unabhängig und wissenschaftlich beraten. Das aktuelle Diskussionspapier will Denkanstöße geben, wie der digitale Alltag von Kindern und Jugendlichen sicherer gestaltet werden kann.

Diskussionspapier „Soziale Medien und die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen“ (2025)

Fokusgruppe Digitalisierung

Ansprechpersonen:

Dr. Charlotte Wiederkehr und Dr. Matthias Winkler Referentin und Referent der Abteilung Wissenschaft – Politik – Gesellschaft E-Mail: politikberatung@leopoldina.org

Quelle: Pressemitteilung Leopoldina




Studie warnt: früh am Smartphone – später in der Krise

Trotz eindeutiger Forschungsergebnisse setzen viele Kitas in Deutschland weiterhin auf Tablets – und ignorieren damit gravierende Risiken für die psychische Gesundheit der Kinder und Jugendlichen

Es ist immer einfacher, dem eigenen Kind das Smartphone in die Hand zu drücken, während man sich der Präsentation für den nächsten Arbeitstag widmet. Doch nach und nach wird aus dem gelegentlichen Ablenken ein immer häufiger geäußerter Wunsch – und schließlich ein nicht selten dramatisch inszenierter Anspruch. Auf Social Media kursieren inzwischen unzählige Clips, in denen Kleinkinder wütend oder gar hysterisch reagieren, wenn ihnen Smartphones oder Tablets verwehrt werden.

Dass es sich hierbei nicht nur um kurzfristige Erziehungskrisen handelt, zeigt nun eine aktuelle, internationale Langzeitstudie, die im Journal of Human Development and Capabilities veröffentlicht wurde. Die Forschenden rund um Dr. Tara Thiagarajan, Chefwissenschaftlerin der gemeinnützigen Organisation Sapien Labs, haben Daten von über 130.000 jungen Erwachsenen im Alter von 18 bis 24 Jahren aus weltweit mehr als 60 Ländern ausgewertet – darunter allein 14.000 in Indien.

Der frühe Smartphone-Zugang hinterlässt Spuren

Das zentrale Ergebnis der Untersuchung: Wer bereits vor dem 13. Lebensjahr ein Smartphone besaß, zeigte als junger Erwachsener deutlich häufiger Symptome schwerer psychischer Belastungen. Betroffen waren nicht nur depressive Verstimmungen und Angstzustände, sondern auch Realitätsverlust, Halluzinationen, Aggressionen und Suizidgedanken. Bei Frauen, die bereits mit fünf oder sechs Jahren ein Smartphone nutzten, lag der Anteil derjenigen mit suizidalen Gedanken bei alarmierenden 48 Prozent – bei gleichaltrigen Männern immerhin bei 31 Prozent.

Die Studie stellt zudem klar: Dieser Trend ist kulturübergreifend und unabhängig vom Herkunftsland konsistent – was die These untermauert, dass der Einfluss digitaler Geräte auf das sich entwickelnde Gehirn tiefgreifend und global vergleichbar ist. Die vollständige Studie ist öffentlich zugänglich über Sapien Labs (PDF) sowie auf EurekAlert.

Trotz Warnungen: Digitale Medien in deutschen Kitas auf dem Vormarsch

Vor diesem Hintergrund erscheint es geradezu paradox, dass es in Deutschland weiterhin Krippen und Kindertageseinrichtungen gibt, die gezielt Tabletzeiten für Krippen- und Kindergartenkinder einführen, statt Eltern über die langfristigen Risiken digitaler Mediennutzung im frühen Kindesalter aufzuklären.

Wissenschaftliche Warnungen gibt es längst nicht nur von Sapien Labs. Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und UNICEF weisen seit Jahren auf die negativen Folgen übermäßiger Bildschirmnutzung bei Kindern hin – insbesondere auf emotionale Belastungen, Schlafstörungen, Konzentrationsprobleme und soziale Rückzugsverhalten.

Doch anstatt klare Präventionsmaßnahmen zu treffen oder medienfreie Räume zu schaffen, wird vielerorts weiterhin die sogenannte digitale Teilhabe auch im U3-Bereich als pädagogischer Fortschritt verkauft. Eine kritische Debatte über die tatsächlichen Kosten dieser Frühdigitalisierung findet bislang kaum statt.

Besonders bemerkenswert ist, dass Deutschland – gemeinsam mit Norwegen – offenbar eine der wenigen Ausnahmen bildet: Während in Schweden, Finnland, Estland und Dänemark der Einsatz von bildschirmgestützten Lernmitteln in Krippen nicht zum Standard gehört und teilweise durch Empfehlungen oder gesetzliche Einschränkungen ausdrücklich vermieden wird, experimentieren deutsche Träger sogar in U3-Gruppen mit Touchscreens, Tablets und digitalen Bildungsangeboten. Damit steht Deutschland international nahezu allein da – und das, obwohl viele der genannten Länder als Vorreiter einer wissenschaftlich fundierten Frühpädagogik gelten.

Was jetzt gebraucht wird

Dr. Thiagarajan fordert angesichts der Studienergebnisse nichts weniger als einen strikten Ausschluss von Smartphones für Kinder unter 13 Jahren – sowie umfassende politische und bildungssystemische Reformen, um Kinder und Jugendliche in digitalen Umgebungen besser zu schützen. Sie betont: „Wir sehen in den Daten eine sehr klare Altersgrenze, unterhalb derer der Zugang zu Smartphones massiv mit psychischer Instabilität im späteren Leben korreliert.“

Die Frage, die sich nun stellt: Wie viele wissenschaftlich fundierte Warnsignale braucht es noch, bis auch im deutschen Bildungswesen gehandelt wird? Und wie lange wird die Verantwortung für psychische Belastungen bei Heranwachsenden noch allein den Eltern zugeschoben – während Bildungseinrichtungen selbst aktiv zur digitalen Frühprägung beitragen?

Weiterführende Quellen:

Gernot Körner

cover-krenz-medienkompetenz

Medienkompetenz beginnt bei den Erwachsenen

Kinder jeden Alters erleben die vielfältige digitale Mediennutzung überall in ihrem Lebensalltag. Da bleibt es nicht aus, dass sie sich ebenfalls der Faszination digitaler Medien nicht entziehen können. Gleichzeitig gehört es zu den >Lebenskompetenzen< eines Menschen, mit den unübersehbaren und besonders verlockenden Angeboten in einer stark konsumorientierten […]weiterlesen

Armin Krenz: Medienkompetenz beginnt mit der Sach- und Medienkompetenz bei den Erwachsenen und nicht zuvorderst „am“ Kind! Heft, 28 Seiten, 5 €.




Neue Hoffnung zur Behandlung bei Erdnussallergie

Eine neue Untersuchung zeigt, wie sich die orale Immuntherapie bei Erdnussallergie besser an das Immunsystem einzelner Kinder anpassen lässt – und so Risiken verringert werden können

Erdnüsse zählen zu den häufigsten und gefährlichsten Auslösern von Nahrungsmittelallergien bei Kindern. Bereits Spuren reichen aus, um schwere allergische Reaktionen bis hin zur lebensbedrohlichen Anaphylaxie auszulösen. Für Eltern und pädagogische Fachkräfte bedeutet das: strikte Achtsamkeit im Umgang mit Lebensmitteln – auch im Kita- oder Schulalltag. Bislang bestand der einzige Schutz in konsequenter Vermeidung und dem Mitführen von Notfallmedikamenten.

Orale Immuntherapie – eine Chance mit Risiken

Seit einigen Jahren gibt es für betroffene Kinder eine neue Behandlungsoption: die orale Immuntherapie (OIT). Dabei werden unter ärztlicher Aufsicht kleinste Mengen des Erdnussallergens verabreicht, um den Körper schrittweise zu desensibilisieren. Doch nicht alle Kinder profitieren davon gleich gut. Manche zeigen kaum Wirkung – andere reagieren sogar mit schweren Nebenwirkungen.

Studie entdeckt Schlüsselrollen im kindlichen Immunsystem

Ein Forschungsteam um Prof. Dr. Young-Ae Lee vom Max Delbrück Center und Prof. Dr. Kirsten Beyer von der Charité Berlin hat nun wichtige Ursachen dafür identifiziert. In einer im Fachjournal Allergy veröffentlichten Studie untersuchten die Wissenschaftler*innen das Blut von 38 Kindern, die eine OIT erhielten. Mithilfe modernster molekularbiologischer Methoden analysierten sie u. a. Immunzellen, Antikörper, Entzündungsstoffe und Genaktivitäten vor und nach der Therapie.

Das Ergebnis: Kinder, die gut auf die Behandlung ansprachen, wiesen bereits vor Therapiebeginn ein weniger reaktives Immunsystem auf. Ihr Blut zeigte niedrigere Werte bestimmter Antikörper (Immunglobuline) und Entzündungsbotenstoffe (Zytokine).

Immunzellen aus dem Darm als neue Hoffnungsträger

Besonders auffällig: Die Unterschiede zwischen gut und schlecht ansprechenden Kindern betrafen vor allem bestimmte Immunzellen, die selten im Blut, aber häufig im Darm vorkommen. Diese Zellen – darunter sowohl erworbene als auch angeborene Abwehrzellen – zeigten charakteristische Muster in der Genaktivität und DNA-Methylierung, die künftig als Biomarker genutzt werden könnten.

Auf dem Weg zu einer sicheren, personalisierten Therapie

Die Erkenntnisse könnten einen Wendepunkt in der Behandlung kindlicher Erdnussallergien darstellen: Mithilfe eines einfachen Bluttests ließe sich künftig schon vor Therapiebeginn feststellen, ob ein Kind gut auf die orale Immuntherapie ansprechen wird – und wie hoch das Risiko für Nebenwirkungen ist.

Langfristig wäre sogar eine individuell angepasste Dosierung und Therapiedauer denkbar. Für viele betroffene Familien, Einrichtungen und medizinische Fachkräfte wäre das eine enorme Erleichterung im Alltag – und ein bedeutender Schritt zu mehr Sicherheit und Lebensqualität für allergiegefährdete Kinder.

Was bedeutet das für Eltern und Fachkräfte?

  • Aufklärung und Kommunikation bleiben zentral: Eltern, Erzieher*innen und Lehrkräfte sollten im Umgang mit bekannten Allergien gut geschult sein.
  • Individuelle Behandlung statt Standardtherapie: Die neuen Forschungsergebnisse unterstützen den Trend zur personalisierten Medizin.
  • Neue Hoffnung: Die Forschung gibt Anlass zur Hoffnung, dass die bislang angsteinflößende Erdnussallergie bald besser behandelbar und planbarer wird.

Wenn Sie Kinder mit diagnostizierter Erdnussallergie betreuen, sprechen Sie mit den Eltern über mögliche neue Therapieansätze und halten Sie engen Kontakt zu allergologischen Fachärzt*innen. Die Erkenntnisse dieser Studie können helfen, individuelle Risiken besser einzuschätzen – und neue Chancen zu nutzen.

Originalpublikation:

Aleix Arnau-Soler, et al. (2025): „Understanding the Variability of Peanut-Oral Immunotherapy Responses by Multi-Omics Profiling of Immune Cells“. Allergy, https://doi.org/10.1111/all.16627




Misshandlung in der Kindheit schwächt das Körpergefühl

Studie zeigt: Wer als Kind emotional verletzt wurde, hat oft weniger Vertrauen in den eigenen Körper

Eine neue Auswertung von Studien zeigt: Menschen, die als Kinder seelisch misshandelt oder vernachlässigt wurden, vertrauen ihrem Körper oft weniger. Das bedeutet, dass sie innere Signale wie Herzklopfen, Hunger oder Anspannung nicht so gut wahrnehmen und deuten können wie andere.

Diese Fähigkeit, den eigenen Körper von innen zu spüren, spielt eine wichtige Rolle für das Wohlbefinden. Sie hilft dabei, mit Gefühlen und Stress umzugehen und die eigenen Bedürfnisse zu erkennen. Wenn dieses Körpergefühl gestört ist, kann das auch später im Leben Probleme machen.

Weniger Körpervertrauen kann seelische Krankheiten begünstigen

Die Forscherinnen und Forscher berichten: Wer in der Kindheit seelisch vernachlässigt oder beleidigt wurde, hat oft Schwierigkeiten, die Signale des Körpers richtig einzuordnen. Das kann dazu führen, dass man Gefühle schlechter steuern kann, Stress schwerer verkraftet und die eigenen Grenzen nicht gut erkennt.

Die Folge: Das Risiko für seelische Erkrankungen wie Angst, Niedergeschlagenheit oder Essstörungen steigt. „Seelische Gewalt ist oft unsichtbar – aber sie hat starke Auswirkungen“, sagt Julia Ditzer, die Hauptautorin der Studie. Auch ihre Kollegin Dr. Ilka Böhm betont: „Diese Erfahrungen bleiben nicht ohne Folgen – auch wenn sie niemand sieht.“

Kinder brauchen auch Schutz für ihre Gefühle

Die Studienleiterin Prof. Dr. Anna-Lena Zietlow macht deutlich: „Kinder brauchen nicht nur Schutz vor Schlägen oder Übergriffen. Sie brauchen auch liebevolle Zuwendung, Aufmerksamkeit und echte Nähe.“

Zietlow und ihr Team hoffen, dass ihre Forschung dabei hilft, seelische Misshandlung und Vernachlässigung ernster zu nehmen – in der Öffentlichkeit, in der Forschung und in der Arbeit mit Familien.

So wurde die Untersuchung gemacht

Die Forschenden haben Ergebnisse aus 17 Einzelstudien zusammengetragen. Dabei wurden die Daten von 3.705 Personen ausgewertet. Ziel war herauszufinden, ob es einen Zusammenhang zwischen schlechter Behandlung in der Kindheit und einem gestörten Körpergefühl gibt – und welche Art von Misshandlung dabei am stärksten wirkt.

Die Untersuchung zeigt: Körperliche oder sexuelle Gewalt wirken sich weniger stark auf das Körpergefühl aus als seelische Misshandlung und Vernachlässigung. Das heißt: Wenn ein Kind oft ignoriert, beschimpft oder abgewertet wurde, kann es später Schwierigkeiten haben, auf seinen Körper zu hören.

Neue Studie mit Jugendlichen gestartet

Die Forscherinnen und Forscher wollen nun noch genauer hinschauen. In einer neuen Studie untersuchen sie gerade, wie sich schlechte Kindheitserfahrungen auf das Körpergefühl von Jugendlichen zwischen 12 und 17 Jahren auswirken. Ziel ist es, mehr darüber zu lernen, wie solche Erfahrungen die Entwicklung junger Menschen beeinflussen.

Veröffentlicht wurde die Auswertung in der Fachzeitschrift „Nature Mental Health“.

Beteiligt sind Teams der Technischen Universität Dresden und der Freien Universität Berlin.

Originalpublikation:

Ditzer, J., Woll, C. F. J., Burger, C., Ernst, A., Boehm, I., Garthus-Niegel, S., & Zietlow, A.-L. (2025). Childhood maltreatment and interoception: A meta-analytic review. Nature Mental Health. DOI: https://www.nature.com/articles/s44220-025-00456-w

Gernot Körner




Die Kinderlähmung ist noch immer nicht besiegt

Warum jetzt Kinder und immungeschwächte Erwachsene geimpft werden sollten

Die Kinderlähmung, auch Poliomyelitis oder kurz Polio genannt, galt in Deutschland lange als fast ausgestorben. Doch jetzt melden Fachleute: In vielen Städten wurden wieder Polioviren im Abwasser gefunden. Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) sieht deshalb vor allem ungeimpfte Kinder und Menschen mit geschwächtem Immunsystem als gefährdet an – und rät zur Überprüfung des Impfstatus.

Polio kann schwere Schäden verursachen

Polio ist eine hochansteckende Infektionskrankheit. Sie wird meist über Schmierinfektion weitergegeben – also zum Beispiel durch verunreinigte Hände, Türklinken oder Toiletten. Vor allem bei Kindern unter fünf Jahren kann das Virus gefährlich werden. Es greift das Nervensystem an und kann zu dauerhaften Lähmungen führen. Auch Erwachsene können erkranken – vor allem, wenn sie ein geschwächtes Immunsystem haben.

Warum jetzt wieder Polioviren gefunden wurden

Die vom Robert Koch-Institut (RKI) nachgewiesenen Viren stammen ursprünglich aus Impfstoffen. In sehr seltenen Fällen können sich diese Viren verändern und erneut krank machen – vor allem bei Menschen ohne ausreichenden Impfschutz. Erste Spuren solcher Viren wurden bereits Ende 2024 im Abwasser entdeckt. Inzwischen häufen sich die Funde. Das RKI hält es für möglich, dass sich das Virus lokal bereits verbreitet.

Die DGN rät zur Impfung – vor allem bei Kindern

Die DGN warnt: Auch wenn die Impfquote in Deutschland insgesamt hoch ist, gibt es Lücken. Besonders Kinder, die ihre Impfungen nicht vollständig erhalten haben, sind gefährdet. Kinderärztinnen und -ärzte prüfen den Impfstatus in der Regel regelmäßig – aber nicht alle Familien nehmen die Termine wahr.

Zudem gibt es weltweit Regionen – etwa in Krisengebieten wie Gaza oder der Ukraine – in denen Impfprogramme ins Stocken geraten sind. Auch in Deutschland leben viele Kinder aus solchen Regionen. Hier ist besondere Vorsicht geboten.

Auch Erwachsene mit geschwächtem Immunsystem sollten sich schützen

Nicht nur Kinder, auch immungeschwächte Erwachsene sind gefährdet. Dazu zählen Menschen mit bestimmten Erkrankungen oder solche, die Medikamente einnehmen, die das Immunsystem schwächen. Für diese Gruppe empfiehlt die DGN:

•          Den Impfstatus überprüfen

•          Gegebenenfalls eine Grundimmunisierung nachholen

•          Bei bestehendem Schutz auf fällige Auffrischimpfungen achten

Die Grundimmunisierung besteht aus drei Impfungen, die sich über mindestens sechs Monate verteilen.

Hygiene schützt – vor allem Händewaschen

Das RKI weist darauf hin, dass Polioviren oft über den Stuhl ausgeschieden werden. Wer sich nach dem Toilettengang nicht gründlich die Hände wäscht, kann andere anstecken. Deshalb gilt:

•          Regelmäßiges Händewaschen

•          Handdesinfektion im öffentlichen Raum

•          Besonders sorgfältige Hygiene bei Kleinkindern

Wenn Polio ausbricht: Wenige Behandlungsmöglichkeiten

Im schlimmsten Fall führt Polio zu bleibenden Schäden. Dazu gehören:

•          Lähmungen, die sich oft nur teilweise zurückbilden

•          Chronische Erschöpfung (Fatigue)

•          Muskelschwund (postpoliomyelitische Muskelatrophie)

Heilung gibt es keine – nur Unterstützung durch Therapien und Pflege. Medikamente wie Immunglobuline helfen in manchen Fällen, ihre Wirkung ist jedoch noch nicht eindeutig bewiesen. Deshalb bleibt die Impfung der wichtigste Schutz.

DGN ruft zum Handeln auf

Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie mahnt: Auch wenn derzeit keine größere Polio-Welle droht, darf die Gefahr nicht unterschätzt werden. Denn ist ein Mensch erst einmal infiziert, kann es zu schweren Krankheitsverläufen kommen.

Mehr Informationen:

Gernot Körner




Neugier macht Kinder stark und verbindet Familien

Warum der natürliche Entdeckergeist so wichtig ist und wie Eltern und pädagogische Fachkräfte ihn schützen können

Kinder sind von Natur aus neugierig. Sie stellen Fragen, entdecken ständig Neues, experimentieren, beobachten – und lassen nicht locker, bis sie eine Antwort haben. Diese unermüdliche Suche nach Sinn, Zusammenhang und Neuem ist keine bloße Phase, sondern ein grundlegender Motor für Entwicklung, Lernen und Beziehung.

„Neugier ist eine psychologische Superkraft“, sagt der Psychologe Jonathan Schooler von der University of California, Santa Barbara. Studien zeigen: Wer sich neugierig mit der Welt verbindet, lebt zufriedener, kreativer – oft gesünder und länger.

Neugier kann man nicht lehren – aber man kann sie verlieren

Während Kinder mit einem natürlichen Entdeckergeist auf die Welt kommen, wird dieser oft ungewollt eingeschränkt. Überstrukturierte Tagesabläufe, frühzeitige Leistungsanforderungen oder ständige Ablenkung durch digitale Medien können die kindliche Neugier Stück für Stück zurückdrängen. Wer immer nur gesagt bekommt, was richtig ist, lernt irgendwann, nicht mehr selbst zu fragen.

Deshalb ist es für Eltern, Großeltern und pädagogische Fachkräfte so wichtig, Räume offen zu halten, in denen Kinder fragen, ausprobieren, beobachten und staunen dürfen. Denn Neugier braucht vor allem eines: Freiheit.

Wenn Eltern selbst neugierig bleiben

Doch auch Erwachsene profitieren, wenn sie sich gemeinsam mit Kindern auf Entdeckungsreise begeben. Eine fragende Haltung – Warum ist das so?, Was könnte dahinterstecken? – wirkt nicht nur ansteckend, sondern stärkt auch das Miteinander in der Familie.

Psychologin Madeleine Gross, ebenfalls von der UC Santa Barbara, betont: „Neugier bedeutet nicht, ständig neue Reize zu suchen, sondern das Alltägliche wieder mit offenen Augen zu sehen.“ Genau das können Kinder den Erwachsenen zeigen – wenn diese bereit sind, mit ihnen gemeinsam hinzuschauen.

Kleine Anregungen für mehr Neugier im Familienalltag

– Lasst Kinder selbst entdecken, statt sofort alles zu erklären
– Stellt Fragen, auch wenn ihr die Antwort kennt – und hört gemeinsam nach
– Probiert zusammen etwas Neues aus: ein fremdes Gericht, eine unbekannte Pflanze, ein anderer Weg zum Spielplatz
– Schafft Momente ohne Ablenkung – kein Bildschirm, kein Plan, nur Neugier

Neugier ist keine Fähigkeit, die man lehren muss – aber eine Haltung, die man bewahren sollte. Wer sie schützt, fördert nicht nur das Lernen der Kinder, sondern bereichert das Familienleben insgesamt.

Quelle: pressetext.com und University of California, Santa Barbara – Department of Psychological & Brain Sciences




Hitzeschutz für Kinder: So bleiben Kinder bei Sommerhitze gesund

Wie Familien, Kitas und Schulen Kinder vor hohen Temperaturen und UV-Strahlung schützen können

Wenn draußen die Temperaturen steigen, brauchen Kinder besonderen Schutz. Denn ihr Körper kann Hitze weniger gut ausgleichen als der von Erwachsenen. Das Bundesinstitut für Öffentliche Gesundheit gibt Tipps, wie Kinder trotz Hitzewelle gesund durch den Sommer kommen – mit vielen praktischen Empfehlungen und kostenlosen Materialien für Familien, Kitas und Schulen.

Kinder besonders gefährdet bei Hitze und UV-Strahlung

Die Sommer werden immer heißer – und das spüren auch die Kleinsten. Gerade Kinder reagieren empfindlich auf hohe Temperaturen und intensive UV-Strahlung. Mögliche Symptome bei Hitzebelastung sind Kopfschmerzen, Erschöpfung, Schwindel oder Kreislaufprobleme. Schon wenige Minuten in der prallen Sonne können einen Sonnenstich oder Sonnenbrand verursachen – beides kann ernsthafte gesundheitliche Folgen haben.

Auch die empfindliche Kinderhaut ist durch stärkere UV-Strahlung besonders gefährdet. Ohne ausreichenden Schutz steigt das Risiko für Sonnenbrand und langfristige Hautschäden. Wichtig ist deshalb: rechtzeitig vorsorgen – nicht erst, wenn die Sonne brennt!

Hitze? Diese Schutzmaßnahmen helfen Kindern besonders gut

Damit Kinder auch an heißen Tagen gesund bleiben, empfiehlt das Bundesinstitut für Öffentliche Gesundheit folgende Maßnahmen:

  • 💧 Viel trinken: Kinder sollten regelmäßig Wasser oder ungesüßte Tees trinken – auch ohne Durstgefühl
  • 🧢 Kopf schützen: Ein Sonnenhut oder eine Kappe sind ein Muss in der Sonne
  • 🧴 Sonnenschutz auftragen: Sonnencreme mit hohem Lichtschutzfaktor (mind. LSF 30), regelmäßig nachcremen!
  • 😎 Augen schützen: Sonnenbrillen mit UV-Schutz bewahren Kinderaugen vor langfristigen Schäden
  • 👕 Leichte Kleidung: Helle, lockere Kleidung schützt vor Überhitzung und Sonnenstrahlen
  • 🏠 Schatten und kühle Räume nutzen: Zwischen 11 und 17 Uhr möglichst im Schatten oder drinnen bleiben
  • 🍉 Frische Snacks: Obst, Gemüse und leichte Mahlzeiten stärken den Kreislauf
  • 🪟 Wohnräume kühl halten: Frühmorgens und abends lüften, tagsüber abdunkeln

Gut vorbereitet: Tipps & Materialien für Familien und Einrichtungen

Ob zu Hause, in der Kita oder in der Schule – Hitzeschutz braucht Vorbereitung. Auf der Website des Bundesinstituts finden sich viele hilfreiche Informationen:

Quelle: Pressemitteilung Bundesinstitut für Öffentliche Gesundheit




KIM-Studie 2024: Internet-Nutzung im Grundschulalter nimmt deutlich zu

Mehr als die Hälfte der Kinder zwischen sechs und 13 Jahren ist täglich online. Auch die schulische Lebenswelt ist zunehmend von mobilen Endgeräten geprägt

Die aktuelle KIM-Studie 2024 des Medienpädagogischen Forschungsverbunds Südwest dokumentiert einen signifikanten Anstieg der täglichen Internetnutzung bei Kindern. 54 Prozent der internetnutzenden Sechs- bis 13-Jährigen sind inzwischen täglich online. Bei den Acht- bis Neunjährigen hat sich dieser Anteil in nur zwei Jahren nahezu verdoppelt – von 23 auf 40 Prozent.

Smartphones bereits im Grundschulalter verbreitet

46 Prozent der befragten Kinder verfügen über ein eigenes Smartphone. Die Geräte sind nicht nur Teil des privaten Alltags, sondern auch im Schulkontext präsent: 77 Prozent der Kinder mit eigenem Smartphone dürfen dieses grundsätzlich mit in die Schule bringen. In 63 Prozent der Fälle ist die Nutzung auf Pausenzeiten begrenzt, 22 Prozent dürfen das Gerät gar nicht verwenden. Drei Prozent berichten von einer uneingeschränkten Nutzung.

Verschiebungen im Bewegtbildkonsum

Erstmals steht mit Netflix ein Streamingdienst an der Spitze der beliebtesten Plattformen für Filme, Serien und Videos bei Kindern. 21 Prozent der Befragten nannten Netflix, gefolgt von KiKA mit 14 Prozent und YouTube mit 11 Prozent. KiKA bleibt dennoch das wöchentlich am häufigsten genutzte Angebot. Der SWR-Intendant Prof. Dr. Kai Gniffke hebt in diesem Zusammenhang die Rolle öffentlich-rechtlicher Medienangebote im digitalen Umfeld hervor.

Offene Plattformen statt redaktioneller Auswahl

Die Studie dokumentiert eine zunehmende Nutzung offener Plattformen wie YouTube. Inhalte werden individuell aus einem breiten, wenig kuratierten Angebot ausgewählt. Dabei stehen altersgerechte und nicht altersgerechte Inhalte oft nebeneinander. Der Präsident der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg, Dr. Wolfgang Kreißig, verweist auf die Bedeutung dieser Entwicklungen für die Medienrealität von Kindern.

Mediennutzung häufig ohne technische Begleitung

Die Erhebung gibt auch Einblick in das medienerzieherische Verhalten im Elternhaus: 43 Prozent der Eltern mit smartphonebesitzenden Kindern setzen Bildschirmzeitbeschränkungen ein. 39 Prozent kontrollieren die Nutzungsdauer, ein Viertel führt Gespräche über die Bildschirmzeit. 55 Prozent der Eltern verzichten auf technische oder begleitende Maßnahmen.

Nutzung von Social Media trotz Altersbeschränkung

Plattformen wie TikTok und Instagram werden von vielen Kindern unter 13 Jahren genutzt, obwohl dies laut Nutzungsbedingungen nicht zulässig ist. Die Angebote sind dennoch fester Bestandteil des kindlichen Alltags. Der Direktor der Medienanstalt Rheinland-Pfalz, Dr. Marc Jan Eumann, verweist auf fehlende Alterskontrollen bei den Anbietern und auf die Bedeutung von Aufklärungsinitiativen wie „klicksafe“.

Gernot Körner