Offen und gemeinsam trauern hilft Kindern am meisten
Abschied nehmen ist niemals leicht. Schon gar nicht, wenn man sich für immer von einem Menschen oder dem geliebten Haustier trennen muss. Umso wichtiger ist es, dass Sie aktiv mit der Trauer umgehen und auch Ihr Kind in den Prozess mit einbeziehen. Wenn Sie offen mit Ihrer Trauer umgehen, können Sie danach im Idealfall gestärkt in die gemeinsame Zukunft blicken.
Warum trauern wichtig ist
Trauern ist nicht nur schmerzhaft, sondern auch wichtig für uns Menschen. Die aktuelle Wissenschaft ist sich einig, dass unverarbeitete Trauer das psychische Wohlbefinden auf Dauer gefährdet und zu schwerwiegenden Erkrankungen führen kann. Natürlich trauert niemand gerne. Doch Psychologinnen und Psychologen haben herausgefunden, dass Trauer das persönliche Wachstum fördert und von den Trauernden selbst im Nachhinein oft als positiv wahrgenommen wird.
Wie Kinder trauern
Kinder haben schon früh ein Verständnis vom Tod. Allerdings realisieren sie erst ab einem Alter von neun bis zehn Jahren, dass dieser einen unwiederbringlichen Einschnitt darstellt. Davor erleben sie zum Beispiel den Verlust eines verstorbenen Menschen als vorübergehenden Abschnitt.
Bei Erwachsenen verläuft die Trauer typischerweise in vier aufeinander folgenden Phasen. Doch Kinder trauern anders. Man spricht bei unseren Kindern von einer tropfenweisen Trauer. Das heißt, dass die Trauer sich bei ihnen von Tag zu Tag unterschiedlich stark äußern kann. Viele Kinder fangen etwa nach einer kurzen Traurigkeit schnell wieder an zu spielen, zu lachen oder zu toben – nur um danach doch wieder niedergeschlagen zu sein. Für manche Erwachsene mag das befremdlich wirken. Doch auch dieses Verhalten ist ein Ausdruck von Trauer. Ebenso kann es vorkommen, dass trauernde Kinder unter Schlafstörungen, ängstlichem Verhalten oder sogar körperlichen Beschwerden leiden.
Egal, wie Ihr Kind trauert: Das Wichtigste ist, dass Sie Ihrem Kind in dieser schwierigen Zeit besonders viel Aufmerksamkeit schenken und geduldig mit ihm umgehen. Versuchen Sie Ihrem Kind die Situation zu erklären und beziehen Sie es aktiv in Ihre eigene Trauer und die damit einhergehende Bewältigung mit ein. Obwohl es vielleicht einfacher erscheint, ist es wichtig, dass Sie den Grund Ihrer Trauer nicht tabuisieren, sondern offen mit der Situation umgehen.
Was Kindern hilft
Es ist immer besser, über die eigene Traurigkeit zu sprechen, als das Thema totzuschweigen. Wenn Ihr Kind sieht, wie Sie weinen, fällt es ihm auch leichter. Das ist wichtig, denn genau wie wir Erwachsenen, brauchen auch Kinder die Möglichkeit, sich mitzuteilen und ihre Gefühle nach außen zu transportieren.
Neben kullernden Tränen gibt es viele weitere Ausdrucksformen der Trauer. Durch Malen, Singen, Tanzen oder Basteln können viele Kinder ihren Emotionen einfacher freien Lauf lassen als mit Worten.
Auch bestimmte Trauer-Orte können helfen. Das kann ein Grab sein oder ein Platz, der mit dem oder der Verstorbenen verbunden wird. Begeben Sie sich gemeinsam an solche Orte, um dort bewusst zu trauern und inne zu halten. Zugleich sollte es jedoch auch Orte geben, an denen nicht getrauert wird. Zum Beispiel im Kindergarten. Denn trauern ist psychisch und physisch anstrengend. Deshalb ist es wichtig, Ihrem Kind auch immer wieder Pausen einzuräumen.
Quelle: Eine Pressemitteilung von KMK kinderzimmer GmbH & Co. KG
Jedem Erwachsenen, Eltern und ErzieherInnen fallen sicher auf Anhieb etliche Beispiele ein, wenn es darum geht, Kinderängste zu nennen. Seien es Ängste aus der eigenen Kindheit oder Ängste eigener beziehungsweise anvertrauter Kinder. Sie sind ein Teil des Lebens und haben in bestimmten Grenzen etwas mit der Wahrnehmung des Lebens zu tun. Gleichzeitig können Ängste aber auch die gesamte Lebensgestaltung bestimmen und schränken damit die Lebensqualität ein.
Ängste werden als eine Bedrohung erlebt!
Kinder (und auch Erwachsene) kennen viele Ängste: die Angst vor dem Alleingelassen werden, einer Krankheit oder einer bedrohlich erlebten Dunkelheit; die Angst vor dem Krokodil unter dem Bett oder dem Verlust einer Freundin/eines Freundes; die Angst davor, ausgelacht zu werden oder Unverständnis für etwas zu ernten; die Angst vor irgendeiner Strafe oder vor einer drohenden Ungerechtigkeit, vor schlimmen Umweltkatastrophen oder unangenehmen Konsequenzen für Leib und Seele; die Angst vor Gewitter, Blitz und Donner oder die Angst vor bestimmten Menschen; die Angst vor unbekannten Situationen oder die Angst, an bestimmten Aufgaben zu scheitern; die Angst, aus einer Gruppe ausgeschlossen zu werden und zum „Sündenbock“ erklärt zu werden oder die Angst davor, Erwartungen nicht zu erfüllen.
Kinder erleben Ängste ganz ursprünglich
Wenn sich Erwachsene über Ängste unterhalten, dann schauen sie auf viele Jahre Lebenserfahrung zurück und haben mit der Zeit (mehr oder weniger) gelernt, mit ihren Ängsten umzugehen. Bei Kindern ist das anders. Sie erleben ihre Ängste ganz nah, aktuell, tiefgehend und ursprünglich. So hält sich Jan vielleicht an der Mutter fest und lässt sie nicht los, wenn es darum geht, dass er „endlich allein im Kindergarten bleiben soll“. Jennifer läuft vielleicht zur ErzieherIn und bittet um Hilfe, weil andere Kinder sie verfolgen. Benno verkriecht sich vielleicht in der hintersten Ecke des Kindergartenraums, weil er Angst vor bestimmten Kindern hat, und Jonathan hält sich krampfhaft die Ohren zu, weil ihn die lauten Geräusche im Raum massiv ängstigen.
Lioba schreit ihre Welt zusammen, weil sie plötzlich nicht mehr allein von dem Baum herunterkommt, und Christian senkt immer dann seine Augen auf den Boden und dreht sein Gesicht weg, wenn andere etwas von ihm wollen. Dennis versteckt sein Spielzeug und bewacht es mit einem Schwert, aus Angst davor, andere könnten ihm etwas wegnehmen, und Esther weigert sich zu malen, weil sie Angst davor hat, nicht so gut wie andere Kinder ihre Ideen aufs Papier zu bringen. Frederick hält sich bei einer Kindertheateraufführung die Augen zu, weil er Angst hat, das Geschehen auf der Bühne weiter zu sehen, und Gerrit wirft sich auf den Boden, trampelt wild um sich und schreit unüberhörbar, weil er Angst hat, seinen Willen nicht durchsetzen zu können.
Kinderängste zeigen sich mit vielen Masken
Viele Kinder fühlen sich von ihren Ängsten regelrecht überfallen, sodass sie nicht die Angst in der Hand haben, sondern die Angst hat die Kinder in der Hand! Sie wird als eine gewaltige Macht erlebt, die so viel Dominanz besitzt, dass ein Kind glaubt, sich gegen sie nicht wehren zu können, weil sich Kinder selbst als schwach erleben. Kinderängste bergen das Gefühl in sich, dass sie stärker sind als alles andere auf der Welt und so reagieren Kinder auch körperlich auf erlebte Angstsituationen mit Schweißausbrüchen, einem schnelleren Herzschlag und einer deutlichen Veränderung der Pupillen. Das Gefühl Angst wird zu einer unüberwindbaren Macht, wobei sich Kinder in dieser Angstsituation völlig machtlos einschätzen.
Allerdings sind viele Kinderängste auch in Verhaltensweisen und körperlichen Reaktionen versteckt, die auf den ersten Blick gar nicht mit Ängsten in Verbindung zu stehen scheinen! Vor allem sei hier auf gewalttätige oder aggressive Ausdrucksformen verwiesen: die Angst, zu kurz zu kommen, lässt manche Kinder zum Knüppel greifen und zuhauen; die Angst, nicht beachtet zu werden, bringt manche Kinder dazu, laut herumzukommandieren und andere Kinder zu treten; die Angst davor, nicht zu seinen Wunschvorstellungen zu kommen, findet ihren Ausdruck darin, rücksichtslos das zu wollen, was man glaubt, jetzt unbedingt haben zu müssen. Die Angst davor, sich mit sich selbst auseinandersetzen zu müssen, lässt manche Kinder in eine ständige Unruhe fallen und immer aktiv sein.
Kinderängste zeigen sich also auf unterschiedliche Art und Weise. Zum einen im Weinen oder als Rückzugsverhalten, zum anderen in Wut, Aggressivität oder Gewalt. Darüber hinaus können sich Kinderängste auch in psychosomatischen Reaktionen äußern, etwa bei bestimmten Formen des Stotterns, des Einnässens, einer hohen Reizbarkeit, einer tiefen Antriebsschwäche oder einer ständigen Unruhe, in Schlaflosigkeit oder nächtlichen Aufschreien und bösen Träumen, durch Magendruck und Völlegefühl, Darmbeschwerden, Atemschwierigkeiten oder in einer unkoordinierten Motorik oder in starken muskulären Verspannungen. Ja, selbst besondere Formen von Hautausschlägen können Ausdrucksformen von Ängsten sein.
Überforderungen sind die häufigsten Gründe für Kinderängste
Die Zeit der Kindheit dient der Entwicklung der Kinder in erster Linie dazu, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen, eigenes Können auszuprobieren, die Tage als gegenwärtige Zeitgeschenke zu erleben und mit viel Ruhe zu genießen. Demgegenüber gibt es täglich unzählige Bedingungen, die genau diese Möglichkeiten und Notwendigkeiten einschränken: sei es die Hektik vieler Erwachsener, die Ungeduld im täglichen Miteinander oder die ungebremst starke Fülle an Erwartungen, wie ein Kind zu sein hat, was es in seinem Alter schon alles können müsste/sollte, was es selbst im Kindergarten zu leisten hat oder wie es sich verhalten muss! Sei es das überaus starke Angebot an Spielmaterialien oder die kaum zu steigernde Reizüberflutung durch Medien auf allen Ebenen und Kanälen. Sei es die Konsumorientierung, mit der Kinder täglich konfrontiert werden, oder sei es die Unzufriedenheit der Erwachsenen, die auf Kinder (in)direkt übertragen wird, sei es die Reizüberstülpung in Kinderräumen (auch Kindergartengruppen) oder die unüberschaubare Menge der Kinder in vielen Kindergruppen. Sei es die frühe Ausrichtung auf „kognitive Förderung“, obgleich Kinder über ihre motorischen Handlungsfähigkeiten „lernen“ und bis zum siebenten Lebensjahr in ihrer „magischen Welt“ leben, oder die Verplanung der Zeit durch Kinderkurse oder Training, die Kindern die Zeit nimmt, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen.
Es gibt so viele Lebensbedingungen, in denen Kinder heute aufwachsen, die von ihnen (unbewusst) als Überforderung erlebt werden müssen. Auf diese Weise können einzelne Wahrnehmungen nicht mehr von Kindern betrachtet, verstanden und geordnet werden, sodass sie in einer kognitiven (und damit gleichzeitig emotionalen!) Unruhe aufwachsen. Die Folge davon sind Ängste, weil es keine „Auszeit“ zur Strukturierung der Wahrnehmungsreize gibt.
Unterforderungen als Verstärker mancher Kinderängste
Kinder erleben alles, was um sie herum geschieht, als eine Herausforderung mitzuwirken, sich mit ins Spiel zu bringen, an Aktionen teilzuhaben und den Situationen einen eigenen Stempel aufzudrücken. Alles nach dem Motto: „Da habe ich mitgewirkt!“/„Ich war dabei!“/„Ich habe nicht nur zugeschaut, sondern ganz aktiv mitgemacht!“ Viele Beobachtungen in der Praxis – bezogen auf Eltern und manche ErzieherInnen – zeigen auch das Bild, dass Kinder unterfordert werden, indem ihnen bestimmte Verhaltensweisen nicht zugetraut werden! Etwa, wenn es um ein wildes, ausgelassenes Herumrennen geht („Nicht so schnell! Was kann da alles passieren!“), wenn es sich um Kletter- und Springaktivitäten handelt („Das ist zu hoch! Ihr werdet euch verletzen!“) oder wenn sich die Handlungsmotive auf bestimmtes Hantieren mit irgendwelchen Werkzeugen beziehen („Eine Werkbank ist zu gefährlich!“). Oftmals werden Kinder von vielen Tätigkeiten ausgeschlossen, die sich Erwachsene selbst vorbehalten oder den Kindern noch nicht zumuten – etwa bei der Mithilfe beim Rasenmähen, bei der Mitarbeit zur Vorbereitung des Essens, bei dem Aufbau von Kinderhütten, Tierställen usw. oder bei der Reparatur von Haushaltsdingen. Kinder würden liebend gern dabei sein, mithelfen, mit anfassen und sich aktiv mit einbringen.
Diesen Artikel haben wir aus folgendem Buch entnommen: Elementarpädagogik aktuell Die Entwicklung des Kindes professionell begleiten Krenz, Armin Burckhardthaus-Laetare ISBN: 9783944548012 208 Seiten, 24,95 € Mehr auf oberstebrink.de
Machen Kinder des Öfteren die Erfahrung, dass ihnen bestimmte Dinge eher nicht zugetraut werden, können sie sich als klein, unvollkommen und überflüssig erleben und mit der Zeit auch Ängste vor bestimmten Gegenständen (Messer, Nägel, Hammer, elektrische Geräte, Sägen, hohe Bäume und Klettergerüste …) entwickeln. Nach der Devise: „Was mir nicht zugetraut wurde, traue ich mir mit der Zeit auch immer weniger zu.“ Viele Kinder sagen recht schnell: „Das kann ich nicht!“/„Dazu bin ich noch zu klein!“/„Mach du das mal lieber!“/„Ich weiß nicht, wie das geht.“
Die Macht der Kinderängste
Kinderängste werden immer dann für die Entwicklung von Kindern problematisch, wenn sie zu einem beherrschenden Merkmal des Kinderlebens werden, weil sich Kinder entweder kaum/gar nichts mehr zutrauen oder glauben, alles tun zu müssen und schaffen zu können! Beide Ausdrucksformen sind ein Beispiel für unterschiedliche Kinderängste! Normalerweise gehört die Angst als ein Grundgefühl (neben den emotionalen Werten wie Freude, Trauer und Wut) zu unserem Leben dazu. Sie ist allerdings nur dort „gesund“, wo sie uns Menschen vor realen Gefahren oder vor unüberlegten Handlungen warnt. Etwa beim Überqueren einer viel befahrenen Straße, beim Herunterlehnen über ein Fensterbrett in luftiger Höhe, beim Herunterspringen auf einen harten Steinboden, beim Verirren in einem großen Wald oder beim Verlaufen in einer fremden Umgebung mit gleichzeitiger Unkenntnis der Landessprache (Ausland), beim Rudern, wenn sich das Wetter dramatisch verschlechtert und womöglich die Schwimmweste fehlt oder etwa beim Klettern im Gebirge.
Ängste sind im Gegenzug dort hinderlich, wo sich kleine und große Menschen Dinge nicht zutrauen, auch wenn sie notwendig/zu leisten sind, wie etwa beim Verlaufen fremde Menschen nach dem Weg zu fragen, sich in fremden Situationen zu helfen wissen, Handlungsschritte auszuprobieren und Risiken einzugehen. Haben Kinderängste eine solche Macht über Kinder, dass sie von ihren Ängsten beherrscht werden, dann warnen Ängste nicht mehr vor einer realen Gefahr, sondern viele Situationen werden subjektiv als angstauslösend erlebt. Das wiederum führt im Leben der Kinder (und auch der Erwachsenen) zu einer Einschränkung der Leistungsfähigkeit, Liebes- und Kommunikationsfähigkeit. Sie isoliert die „angstbesetzten“ Kinder, indem sie ihre Ansprüche entweder zunehmend zurückstellen oder diese mit massiver Macht in den Mittelpunkt ihres Lebens – und den anderer Menschen – stellen. Werden Kinderängste dann nicht frühzeitig erkannt und den Kindern genommen, können sie sich zu einem festen, starren Lebensplan entwickeln, der an lebenslanger Bedeutung gewinnt.
Kinderängste sind ein Ausdruck von Unsicherheiten und Irritationen
Kinderängste werden sich in Kinderseelen nur dort breit machen (können), wo Kinder durch bestimmte, für sie bedeutsame Situationen verunsichert beziehungsweise irritiert wurden/werden. Ein sicheres Kind, das ein stabiles Selbstwertgefühl besitzt, das bestimmte Sicherheiten in sich trägt (ich bin gut; ich kann was; ich schaffe Anforderungen, die ich mir selbst stelle) und damit ein bestimmtes Maß an Belastbarkeit besitzt (ich bin nicht am Boden zerstört, wenn mal was nicht klappt, was ich mir vorgenommen habe; die Welt hört nicht auf sich zu drehen, wenn ich mal meinen Willen nicht durchsetzen kann; auch andere haben Bedürfnisse und nicht nur ich), wird auch bei kleineren einmaligen Verunsicherungen keine Ängste entwickeln.
Diese prägen sich vielmehr dann aus, wenn entsprechende Verunsicherungen oder Irritationen entweder häufiger auftreten oder in ihrer Ausprägung so massiv sind, dass sie auch schon bei einem einmaligen Erlebnis von tragender Bedeutung sind (fachsprachlich wird von einem quantitativen beziehungsweise qualitativen Eindruckswert gesprochen). Also muss es in der Pädagogik immer darum gehen, Kindern in ihrer Entwicklung dabei zu helfen, ein ausreichendes Maß an Selbstwertgefühl entwickeln zu können.
Kinderängste können jederzeit abgebaut werden
Die Ängste der Kinder entstehen nicht dadurch, dass sie wie Regen vom Himmel fallen, sondern dadurch, dass Kinder Über- oder Unterforderungen in bestimmten, bedeutsamen Lebensbereichen erfahren, erdulden, erleiden müssen! So gibt es vielfältige Wege, Kinderängste abzubauen: Eltern und ErzieherInnen müssen gemeinsam auf die Suche gehen, Gründe/Auslöser für das angstbedingte Verhalten bei den Kindern zu finden. Das ist die Grundlage für die Möglichkeit, Ängste Stück für Stück abzubauen.
Eltern und ErzieherInnen müssen in einer sorgsamen Analyse der Umfeldbedingungen – sowohl im Elternhaus, in der Freizeit und im Freundeskreis als auch im Kindergartenbereich – selbstkritisch und offen dafür sorgen, dass keine angstauslösenden Über- oder Unterforderungen an die Kinder gestellt werden.
Eltern und ErzieherInnen haben die Aufgabe, Kindern ein Gefühl von Sicherheit zu vermitteln. Das geschieht durch ein Zugestehen der humanen Kinderrechte ebenso wie durch die Bereitstellung eines großen Erfahrungsraums, in dem Kinder Kinder sein können, wo Kinder die Möglichkeit des Experimentierens haben und wo sie sich in ihrer Einmaligkeit angenommen fühlen.
Eltern und ErzieherInnen können Kindern dadurch helfen, Ängste abzubauen beziehungsweise gar nicht erst aufkommen zu lassen, wenn sie mit den Kindern gemeinsam feste Regeln besprechen, die eine hohe Sinnbedeutung haben. Kinderängste können sowohl durch starke Regeln und starre Strukturen aufgebaut und unterstützt werden als auch durch Unübersichtlichkeiten, fehlende Strukturen und erlebte Widersprüchlichkeiten.
Kinderängste werden dort abgebaut, wo gemeinsam mit anderen Kindern viele Angstsituationen hergestellt und „bestanden“ werden, etwa beim Bau von großen, dunklen Höhlen, bei dem Bau von dunklen Gängen, dem (gesicherten) Besteigen von Höhen, dem Bestehen von Gefahren, Abend- und Nachtwanderungen, beim Kämpfen gegen selbst hergestellte Drachen und andere Urzeittiere, bei dem Besteigen von Bäumen, beim Kampf gegen lebensgroße Stoffgespenster, bei einem Duell von Piratinnen und Piraten, beim Übernachten im Zelt, beim Lagerfeuer und im Erzählen von Gespenstergeschichten und bei anschließenden Möglichkeiten, mit Zeit und in Ruhe die Erlebnisse nachzubereiten!
Kinderängste werden schließlich dadurch in Sicherheiten verwandelt, wo Kinder Erwachsene erleben, die sich durch Zuverlässigkeit Optimismus und Vertrauen auszeichnen, die auch über ihre Ängste sprechen/berichten können und nicht im Sinne der Kinder immer die „Superhelden“ und BesserwisserInnen sind. Dann gehört auch der viel gehörte Satz „Davor brauchst du keine Angst zu haben“ endlich in die Mottenkiste einer kinderfremden Sprache.
Alles über die Corona-Schutzimpfung für Kinder
geschrieben von Redakteur | Januar 29, 2022
Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung informiert mit einem Merkblatt über die Impfung
Die Corona-Schutzimpfung für Kinder und Jugendliche ist in vielen Familien ein wichtiges Thema, das oft mit Unsicherheiten behaftet ist. Seit Juni 2021 können nun auch Kinder ab 12 Jahren gegen das Coronavirus geimpft werden. Mit ihrem neuen Merkblatt zur Corona-Schutzimpfung für Kinder möchte die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) Eltern und Sorgeberechtigte bei der Entscheidungsfindung unterstützen.
Eine allgemeine Impfempfehlung für diese Altersgruppe hat die Ständige Impfkommission (STIKO) bisher nicht ausgesprochen, da Kinder und Jugendliche meist ohne Krankheitszeichen oder mit mildem COVID-19-Verlauf erkranken und die Datenlage für eine allgemeine Empfehlung noch nicht ausreicht.
Sie empfiehlt aktuell jedoch die Impfung für junge Menschen ab 12 Jahren bei bestimmten Vorerkrankungen, bei engem Kontakt zu Personen, die nicht selbst geimpft werden können oder die vermutlich keinen ausreichenden Impfschutz aufbauen können sowie bei einem erhöhten beruflichen Ansteckungsrisiko im Rahmen einer Ausbildung oder Tätigkeit in bestimmten Einrichtungen. Zu den Vorerkrankungen zählen beispielsweise starkes Übergewicht und schwere Erkrankungen am Herzen, dem Nervensystem, an Lunge oder Nieren. In diesen Fällen ist das Risiko für einen schweren COVID-19-Krankheitsverlauf erhöht.
Infomationen über Nebenwirkungen
Das Merkblatt der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung informiert außerdem darüber, welche Impfstoffe es für Kinder und Jugendliche ab 12 Jahren gibt und welche Impfreaktionen und Nebenwirkungen auftreten können. Eine Checkliste, die bei der Entscheidung über die Impfung helfen kann, rundet das Angebot ab.
Arzt- und Kinderarztpraxen, weitere Multiplikatorinnen und Multiplikatoren sowie Eltern und Sorgeberechtigte können sich das Merkblatt auf der Internetseite der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung www.infektionsschutz.de kostenlos herunterladen.
Quelle: Dr. Marita Völker-Albert / Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung
Ernährung in der Schule: Was Eltern wünschen und Kinder wollen
geschrieben von Redakteur | Januar 29, 2022
Umfrage zeigt den Unterscheid zwischen den Wünschen der Eltern und ihrem Nachwuchs
Was Eltern wünschen, dass ihr Nachwuchs isst, hat oftmals nur wenig mit dem zu tun, was sich die Kinder wünschen. Das gilt insbesondere für die Schulverpflegung. Die Ernährungskampagne Snack5 hat sich diesem Thema in einer neuen Studie gewidmet.
Sind die Schulkinder in Bezug auf die Ernährung während ihres Schultags wirklich gut versorgt? Welche Rolle spielt das Snackangebot in und außerhalb der Schule? Wie sehen das die Eltern? Und wie ihre Kinder? Diesen Fragen ist die Ernährungskampagne „Snack5“ nachgegangen. Im Rahmen einer Studie wurden Ende des vergangenen Jahres 1.260 Befragungen von Kindern und ihren Eltern in Deutschland und Österreich durchgeführt. Zu dieser Zeit war das schulische Essensangebot wegen der Pandemie stark eingeschränkt. Die Befragten wurden aber gebeten, sich bei der Beantwortung der Fragen auf die Situation vor der Pandemie zu beziehen. Hier einige Ergebnisse:
Die Erwartungen der Eltern an ihre Kinder
Am liebsten wäre es den Eltern, wenn ihre Kinder die Zwischenmahlzeiten von zu Hause mitnehmen würden. Das wünschen sich immerhin rund 80 Prozent. Die zweite Präferenz der Eltern lautet, die Kinder mögen sich ihre Snacks in der Schule kaufen. Einkäufe in Supermärkten, Bäckereien oder Imbissstuben im Umfeld der Schule sehen Eltern am wenigsten gern. Sie sorgen sich, dass das Angebot dort ungesünder sein könnte. Verbieten wollen die meisten der Snackkauf außerhalb der Schule aber nicht. Rund 60 Prozent erlauben ihn sogar.
Zwischen Wunsch und Wirklichkeit
Wenn sich die Kinder Snacks außerhalb der Schule besorgen, wünschen sich Eltern, dass sie belegte Brötchen, frisches Obst oder frisches Gemüse kaufen. Das liest sich wie ein frommer Wunsch angesichts der Tatsache, dass sich die Eltern nach eigenen Aussagen gar nicht sicher sind, ob es ein Angebot an frischem Gemüse oder Obst im Umfeld der Schule überhaupt gibt. Bei belegten Brötchen und süßen Backwaren sind sich um die 80 Prozent der Eltern in Deutschland und Österreich sicher, dass sie schulnah zu kaufen sind, bei frischem Gemüse hingegen sind es nur um die 30 Prozent.
Die Kinder folgen jedenfalls in ihrem Einkaufsverhalten eindeutig nicht dem Wunsch der Eltern: Süße Backwaren, belegte Brötchen und Süßigkeiten wie Bonbons oder Schokolade nehmen in Deutschland wie in Österreich die ersten drei Plätze der Snacks ein, für die sich die Kinder entscheiden. Übrigens: Solche Snacks kaufen die Kinder mindestens einmal pro Woche außerhalb der Schule (Deutschland 74 Prozent, Österreich 65 Prozent). Auffällig ist auch die intensive Nutzung von Fast-Food-Angeboten, die zu 37 Prozent schulnah in beiden Ländern vorhanden sind.
Was sich Kinder wünschen
Bei allen gutgemeinten und fachlich richtigen Ernährungstipps für Kinder lohnt es sich, sich immer wieder vor Augen zu führen, was aus Sicht der Kinder die wichtigste Motivation ist, wenn sie vom Schulgelände losziehen, um sich Snacks zu kaufen. Da geht es nicht um ausgewogene Ernährung, sondern um Coolness, um Zusammengehörigkeit und das Erleben von Autonomie. Eine gewichtige Rolle spielt auch ein als uninteressant empfundenes Snackangebot innerhalb der Schule (rund 80 % der Schüler in Deutschland und Österreich sagen, bestimmte Snacks gebe es nur außerhalb der Schule oder das Angebot in der Schule sei uninteressant).
Was kommt den Kindern in die Tüte?
Woran orientieren sich Schulkinder bei ihrer Kaufentscheidung? Die Antwort ist eindeutig: Es geht darum, was ihnen schmeckt. Das sagen rund 85 Prozent der befragten Kinder in Deutschland und in Österreich. Vorgaben von Eltern oder Empfehlungen von Freunden spielen in der konkreten Kaufentscheidung eine nur untergeordnete Rolle (rund acht Prozent der deutschen Kinder kaufen, was die Eltern erlauben, rund fünf Prozent das, was Freunde empfehlen.)
Betrachtet man die Gruppe der Schulkinder differenziert nach Altersgruppen, ergeben sich interessante Aufschlüsse – und vielleicht sogar wertvolle Hinweise für eine nicht nur kindgerechte Ansprache in der Ernährungsbildung, sondern für eine noch differenziertere altersspezifische Tonalität und Argumentation:
Dass der Snack gesund sein soll, steht insgesamt auf Platz 10, wenn man die Daten aggregiert über alle Altersgruppen hinweg betrachtet. Allerdings bewerten die gesundheitlichen Aspekte Kinder im Alter von fünf bis 10 Jahren sowie Jugendliche ab 15 Jahre höher (jeweils 15,1 Prozent in Deutschland) als die Gruppe der Elf- bis 14-Jährigen.
Die Einsicht wächst mit dem Alter
Eine Erklärung kann sein, dass die Jüngeren offener für die Ratschläge von Eltern und Lehrern sind, während sich die Pubertierenden auch bei der Ernährung von Autoritätspersonen emanzipieren. Ab einem Alter von 15 Jahren wiederum kann ein gerade entwickeltes Körper- und Gesundheitsbewusstsein dazu beitragen, sich auch bei der Wahl der Snacks etwas Gutes zu tun oder, im Extremfall, sich weiter zu „optimieren“.
Diese Ergebnisse ermutigen dazu, weiter für die Vorteile einer ausgewogenen Ernährung zu werben – bei Kindern und Jugendlichen, bei Eltern und bei Lehrern: Denn die meisten Schulkinder sind dafür offen.
Ein weiterer Aspekt für Kinder, sich für einen bestimmten Snack zu entscheiden, ist, dass es diesen zu Hause so nicht gibt. Über alle Altersgruppen hinweg geben das 24,7 Prozent der befragten Schüler in Deutschland an (28,2 Prozent in Österreich). Dieser Grund ist für die Jüngsten am wichtigsten und verliert an Relevanz mit zunehmendem Alter. Angesichts der Tatsache, dass Kinder mit am häufigsten Süßigkeiten kaufen, bleibt zu überlegen, wie Eltern und Lehrkräfte sich verhalten können.
Kaum Chancen gegen den „Coolness-Faktor“
Die Ergebnisse zeigen, dass nicht automatisch alles gut ist, sobald es ein Verpflegungsangebot an den Schulen und ein Schulkiosk oder eine Cafeteria gibt. Gegen den „Coolness-Faktor“, gemeinsam mit den Freunden „draußen“ Snacks zu kaufen, werden es die schulischen Einrichtungen vermutlich immer schwer haben. Dennoch sollte nichts unversucht bleiben, die Auswahl an attraktiven, ausgewogenen Snacks in der Schule zu verbessern. Der Faktor „gesund“ und „frisch“ spielt für die Schulkinder durchaus eine Rolle. Und was spräche dagegen, dass in den Schulen „coole“ Projekte wie das gemeinsame Zubereiten von Snacks etabliert werden? Und Lehrer wie Eltern über Möglichkeiten informiert werden, altersgerechte, passende Argumente zu entwickeln, mit denen sie die Kinder für eine ausgewogene Ernährung am besten mit 5 Portionen Gemüse und Obst am Tag gewinnen können.
Die Studie
Von Dezember 2020 bis Januar 2021 wurden im Auftrag von Snack5 im Rahmen der Online-Studie „Snacks zum Zwischendurchessen im Umkreis von Schulen“ 1260 Eltern und ihre Schulkinder durch das unabhängige Inquest Institut für Wirtschafts- und Sozialpsychologie befragt. In Deutschland wurden 379 Eltern- und 379 Schülerinterviews ausgewertet, in Österreich 251 Eltern- und 251 Schülerinterviews. Das Alter der befragten Kinder lag zwischen fünf und 20 Jahren. Die Aufteilung der Schulformen war wie folgt: In Deutschland: Grundschulen (28,8 %), weiterführende Schulen (71,2 %) bzw. Ganztagsschulen (44,9 %) und Halbtagsschulen (55,1 %). In Österreich: Volksschulen (34,34 %), weiterführende Schulen (65,7 %) bzw. Ganztags- (28,3 %) sowie Halbtagsschulen (71,7 %).
Quelle: Pressemitteilung Snack5
Studie zu den Belastungen von Familien während der Pandemie
geschrieben von Redakteur | Januar 29, 2022
Weitreichende Folgen für Bildung, Gesundheit, Lebensqualität und Zukunftsperspektiven
Zu Beginn der Corona-Pandemie im Januar 2020 lebten in Deutschland rund 13,7 Mio. Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren – das entspricht in etwa einem Sechstel der Gesamtbevölkerung. Besonders betroffen vom Lockdown und seinen Folgen waren Schulkinder unter 12 Jahren (4,4 Mio.), für die teilweise eine Notbetreuung vorgesehen war, sowie weitere 4,5 Mio. Jugendliche im Alter von 12 bis 17 Jahren. Die Corona-Pandemie und die damit verbundenen Kita- und Schulschließungen hatten weitreichende Auswirkungen auf Bildung, Gesundheit, Lebensqualität und Zukunftsperspektiven von Familien. Die Folgen untersucht eine neue BiB-Studie.
Gesundheitliche und entwicklungspsychologische Dimension von hoher Bedeutung
Die gesundheitlichen Auswirkungen der Pandemie auf Kinder und Jugendliche sind vielfältig: Es gibt Hinweise auf einen Anstieg von psychischen Beeinträchtigungen von Kindern, insbesondere bei psychosomatischen Beschwerden, Verhaltensauffälligkeiten und psychischen Erkrankungen, vor allem bei bereits vorbelasteten Kindern. Auch die Persönlichkeits- und Identitätsentwicklung vieler Kinder und Jugendlicher wurde durch die Kontaktbeschränkung beeinträchtigt. Infolge der Pandemie und der damit verbundenen Schulschließungen hat sich die gesundheitsbezogene Lebensqualität bei hochgerechnet 1,7 Millionen Jugendlichen im Alter von 11 bis 17 Jahren erheblich verschlechtert.
477.000 Jugendliche im Alter von 16 bis 19 Jahren mit Depressivitätssymptomatik
Analysen aus dem deutschen Familienpanel pairfam weisen darauf hin, dass nach dem ersten Lockdown (Mai/Juni 2020) etwa 25 Prozent der Jugendlichen auf Basis einer etablierten Skala mit Selbsteinschätzungen eine deutliche Symptomatik von Depressivität aufweisen. Im Jahr vor der Pandemie betraf das lediglich 10 Prozent dieser Altersgruppe. Nach einer Hochrechnung betrifft der Anstieg der Depressivitätssymptomatik rund 477.000 Jugendliche im Alter von 16 bis 19 Jahren. „Die Auswirkungen von Schulschließungen auf die psychische Gesundheit der Kinder und Jugendlichen sind offensichtlich gravierender als bisher angenommen. Davon sind jugendliche Mädchen und Jugendliche mit Migrationshintergrund häufiger betroffen“, erklärt Dr. Martin Bujard vom BiB. „Das Offenhalten der Schulen sollte hohe Priorität haben, damit sich psychische Belastung und Lernrückstände nicht noch weiter verstärken können.“
Lernzeit hat sich durch die Schulschließungen deutlich reduziert
Belastungen für Kinder und Jugendliche betreffen die Bildung, die körperliche und psychische Gesundheit sowie die Persönlichkeitsentwicklung. Die Zeit für schulische Aktivitäten hat sich während des ersten Lockdowns halbiert und lag im zweiten Lockdown bei durchschnittlich rund 60 Prozent. Allerdings gibt es hierbei erhebliche Unterschiede innerhalb der Gruppe der Schülerinnen und Schüler: Einige konnten im Distanzunterricht relativ gut lernen, andere sind besonders stark abgehängt. „Bei einigen vulnerablen Kindern können sich Lernrückstände und psychische Beeinträchtigungen wechselseitig verstärken“, meint Bujard. „Bei den Betroffenen ist es hilfreich, Druck von den Schülerinnen und Schülern nehmen. Bildungsdefizite aufzuholen ist ein langfristiger Prozess, viele belastete Kinder müssen zunächst gestärkt werden und unbeschwerte Zeit mit Gleichaltrigen und Lebensfreude erleben.“
Keine „verlorene Generation“
Angesichts der Zahlen sei es jedoch nicht gerechtfertigt, pauschal von einer ‚verlorenen Generation‘ zu sprechen, findet Dr. Martin Bujard: „Rund zwei Drittel der Kinder und Jugendlichen sind trotz mancher Schwierigkeiten relativ gut durch die bisherigen pandemiebedingten Einschränkungen gekommen. Es ist zu erwarten, dass sie in dieser Phase auch Kompetenzen hinsichtlich Digitalisierung und Selbständigkeit erworben haben.“ Allerdings ist eine differenzierte Sicht notwendig: Belastete Kinder und Jugendliche gibt es in allen Bevölkerungsgruppen, sie finden sich jedoch in einigen soziodemografischen Gruppen deutlich häufiger.
Soziale Ungleichheiten verstärken die Belastung von Familien
Die Schließung von Bildungseinrichtungen aufgrund der Pandemie hat viele Kinder und Jugendliche vor erhebliche Hürden gestellt: „Im Lockdown entfällt Schule als ein mit Lernen assoziierter Ort, der einen festen Rhythmus von Lern- und Erholungszeiten vorgibt, was Folgen für die Lernmotivation, Lernzeiten und Lernerfolg hat“, erklärt die Soziologin Kerstin Ruckdeschel vom BiB. Vor allem Schülerinnen und Schüler aus bildungsfernen Familien oder diejenigen, die zuhause kein Deutsch sprechen, sind durch Schulschließungen besonders benachteiligt. So haben etwa 11 Prozent der schulpflichtigen Kinder Eltern mit einem niedrigen Bildungsabschluss. Bei etwa jedem siebten Schulkind (ca. 1,0 Mio.) wird zuhause überwiegend kein Deutsch gesprochen. Hinzu kommt, dass bei Kontaktbeschränkungen die eigene Wohnsituation entscheidend ist: Gerade in Großstädten leben viele Familien in beengten Verhältnissen – etwa jede vierte Familie mit zwei Kindern lebt in Wohnungen mit weniger als 80 Quadratmetern Fläche. Da die meisten Familien in Mehrfamilienhäusern leben, hat etwa ein Drittel von ihnen keine Gartennutzung.
Große Herausforderung für berufstätige Eltern
Während der coronabedingten Schließungen fühlten sich die Menschen unterschiedlich stark belastet. Bereits im ersten Lockdown zeigte sich, dass dieser für manche Bevölkerungsgruppen (beispielsweise Paare ohne Kinder) auch eine Art Entschleunigung darstellte – bei ihnen sank der wahrgenommene Stress. Dagegen standen viele Eltern besonders im Bereich der Kinderbetreuung und des Homeschooling durch die Schließungen von Kitas und Schulen vor großen Herausforderungen. „Bei Paaren mit jüngeren Kindern unter 10 Jahren hat sich das subjektive Stressempfinden nicht verändert, sondern blieb auf einem vergleichsweisen hohen Niveau“, ergänzt Kerstin Ruckdeschel vom BiB. Der Zeitbedarf wurde von Vätern und Müttern je nach beruflicher Situation unterschiedlich aufgefangen. Viele Väter haben sich in der Familie zusätzlich engagiert, dadurch hat sich im ersten Lockdown der durchschnittliche Anteil der Familienarbeit der Väter erhöht. Mütter jedoch übernahmen nach wie vor den Hauptteil der Familienarbeit. Dies betrifft sowohl die Zeitverwendung als auch die kognitive Planungsarbeit, den sogenannten ‚Mental Load‘.
Wechselseitige Beziehungen zwischen Kindern und Eltern
Die Belastungen durch Schul- und Kita-Schließungen haben sich auf verschiedene Aspekte des Wohlbefindens der Eltern, beispielsweise auf die Lebenszufriedenheit und die emotionale Erschöpfung negativ ausgewirkt. Insbesondere Mütter, Alleinerziehende und Familien mit niedrigem Einkommen waren besonders betroffen, die schon vor der Pandemie einer hohen Belastung ausgesetzt waren. Aber auch hierbei gab es Rückkopplungen zu den Kindern, wie Kerstin Ruckdeschel erklärt: „Viele Studien zeigen übereinstimmend, dass die Belastungen von Eltern auch das Wohlbefinden der Kinder beeinflussen. Die Unterstützung von Kindern bedeutet deshalb immer auch eine Hilfe für die Eltern – und umgekehrt.“
Quelle: Pressemitteilung BiB
Antikörper gegen Corona bei Kindern aggressiver
geschrieben von Redakteur | Januar 29, 2022
Immunantwort stabiler – Asymptomatischer Verlauf tritt fünfmal häufiger auf
Kinder stecken sich innerhalb der Familien deutlich seltener mit dem Coronavirus an als Erwachsene. Auch der Verlauf ist meist deutlich milder. Gleichzeitig fällt die Immunantwort bei infizierten Kindern im Schnitt stärker aus und hält länger an als bei Erwachsenen, unabhängig davon, ob Symptome auftraten oder nicht. Zu diesen Ergebnissen kommen Forscher in einer neuen Studie unter Beteiligung des Universitätsklinikums Freiburg https://uniklinik-freiburg.de .
328 Familien untersucht
Für ihre Studie haben die Experten 328 Familien mit mindestens einem an COVID-19 erkrankten Mitglied mehrfach untersucht. Insgesamt nahmen 548 Kinder im Alter zwischen sechs und 14 Jahren und 717 Erwachsene teil. In Familien mit einer infizierten Person steckten sich Kinder (34 Prozent) deutlich seltener an als Erwachsene (58 Prozent) und waren – im Fall einer Infektion – fünfmal häufiger ohne Krankheitszeichen (Erwachsene: neun Prozent, Kinder: 45 Prozent).
Trotzdem haben die Kinder elf bis zwölf Monate nach der Infektion stärkere und länger anhaltende spezifische Antikörperspiegel als Erwachsene. Das gilt der Studie zufolge unabhängig davon, ob Krankheitszeichen bestanden oder nicht. Die kindlichen Antikörper sind gut wirksam gegenüber verschiedenen Virusvarianten, so dass auch nicht sichtbar erkrankte Kinder nach einer Infektion geschützt sein sollten, mutmaßen die Wissenschaftler. Keines der infizierten Kinder musste im Krankenhaus behandelt werden.
Beschwerden oft anders
Auch bei den berichteten Beschwerden unterscheiden sich Erwachsene und Kinder. Während bei Erwachsenen Fieber, Husten, Durchfall und Geschmacksstörungen gleichermaßen ein guter Hinweis auf eine Infektion waren, waren bei Kindern nur Geschmacksstörungen ein deutlicher Hinweis auf eine COVID-19-Infektion (in 87 Prozent). Husten und Fieber waren erst mit steigendem Alter ab etwa zwölf Jahren ein Hinweis auf eine Infektion.
Quelle: pressetext.redaktion/Florian Fügemann
Arme Kinder haben höheres Corona-Risiko
geschrieben von Redakteur | Januar 29, 2022
Corona-KiTa-Studie zum Infektionsgeschehen in Kitas
Aufgrund der Coronapandemie standen Kindertageseinrichtungen in ganz Deutschland vor der Herausforderung, ihr Angebot kurzfristig und grundlegend an die neue Situation anzupassen. Im Zuge dessen wurden Öffnungszeiten gekürzt, die Anzahl an betreuten Kindern begrenzt und der pädagogische Alltag umgestaltet. Während des Beobachtungszeitraums von September 2020 bis Juni 2021 im Rahmen der gemeinschaftlich vom Deutschen Jugendinstitut (DJI) und dem Robert Koch-Institut (RKI) geführten Corona-KiTa-Studie, wurden insgesamt jeweils nur sehr wenige neue bestätigte Corona-Fälle pro Woche unter den anwesenden Kita-Kindern und Kita-Beschäftigten beobachtet. Dennoch konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler anhand statistischer Modellierungen Merkmale identifizieren, die mit einem erhöhten Auftreten von COVID-19-Infektionen in Kitas einhergingen.
Statistische Auswertung der Infektionszahlen
Kinder sowie Erzieherinnen und Erzieher haben ein erhöhtes Infektionsrisiko, wenn viele Kinder mit sozioökonomisch benachteiligtem Hintergrund in der Einrichtung betreut werden. So zeigte die statistische Auswertung der Infektionszahlen im Zeitraum von September 2020 bis Juni 2021, dass die Wahrscheinlichkeit, eine Corona-Infektion bei Kindern oder Erzieherinnen und Erziehern zu beobachten, in Einrichtungen mit einem größeren Anteil an Kindern mit sozioökonomisch benachteiligtem Hintergrund signifikant höher war. Für Einrichtungen mit einem Anteil von 60 Prozent und mehr an sozioökonomisch benachteiligten Kindern war die Wahrscheinlichkeit, dass sich Kinder oder das pädagogische Personal mit SARS-CoV-2 infizieren, etwa doppelt so hoch wie in Einrichtungen mit einem niedrigeren Anteil mit bis zu 10 Prozent.
Kontaktbeschränkungen senken das Infektionsrisiko
Zudem zeigte sich im Zeitverlauf, dass strikte Kontaktbegrenzungen durch die Trennung der Kindergruppen und die feste Zuweisung des pädagogischen Personals zu ihren Gruppen das Infektionsrisiko für Kinder und Beschäftigte reduzierten. Kitas, die nach eigenen Angaben ihr Gruppenkonzept hin zu mehr Kontakten zwischen den Kindern öffneten, berichteten in der Folge signifikant höhere Infektionsraten. Einrichtungen, die hingegen eine strikte Gruppenzuweisung des Personals zu den jeweiligen Gruppen einführten, hatten in der Folge ein nur halb so großes Infektionsrisiko.
Effekte in der dritten Welle größer
Beide beschriebenen Effekte, der sozioökonomische Status sowie die Einführung beziehungsweise Aufhebung von kontaktreduzierenden Maßnahmen, waren tendenziell in der dritten Welle größer als in der zweiten. Für die Autorinnen und Autoren der Corona-KiTa-Studie könnte dies auf die seit Anfang 2021 zunehmende Verbreitung der infektiöseren Alpha-Variante (B.1.1.7) zurückzuführen sein.
Auf Trennung in Kita-Gruppen achten
Angesichts der aktuellen Ausbreitung der Delta-Variante des SARS-CoV-2-Virus leitet die Forschungsgruppe auf der Basis aktueller Auswertungen der Erhebungen die Empfehlung ab, soweit personell möglich, weiterhin auf die Trennung der Kita-Gruppen zu achten. Zudem sollte das Personal von Kitas in sozial belasteten Quartieren vorrangig geimpft werden und auch priorisiert Zugang zu möglicherweise notwendigen Auffrischungsimpfungen erhalten. „Kinder aus sozioökonomisch schwachen Familien sind besonders auf frühe Förderung angewiesen. Das Personal in den entsprechenden Einrichtungen sollte darum priorisiert geschützt und unterstützt werden, um weitere Kita-Schließungen in einer möglichen vierten Welle zu vermeiden und die sozialen Folgen der Pandemie nicht noch größer werden zu lassen,“ sagt DJI-Wissenschaftler Dr. Franz Neuberger.
Die Veröffentlichung dieser Ergebnisse ist abrufbar unter:
Damit sich Kinder selbst erfahren und entwickeln können
In den vergangenen Jahrzehnten haben sich der Alltag, die Lebenssituation und der Lebensraum für die Kinder in unserer Gesellschaft stark verändert. Die Entwicklungsphase Kindheit droht verloren zu gehen. Gesucht sind Orte und Menschen, die vielfältige Erfahrungen und Entwicklung ermöglichen. Dem geht Prof. Dr. Armin Krenz aus seinem Beitrag nach. Wir haben diesen aus seinem Buch „Elementarpädagogik aktuell“.
Kinder müssen eine ständige Zunahme an Erfahrungsverlusten hinnehmen
Wer mit Kindern arbeitet, wird sich sicher manchmal fragen, ob es wünschenswert wäre, heute noch einmal Kind zu sein. Da ist es naheliegend, zunächst nachzuspüren, wie es einem in der eigenen Kindheit ergangen ist, was gute und was schlechte Erinnerungen ausmachen. An was erinnern wir uns? Ans Höhlenbauen im Wald, an Versteckspiele in Kornfeldern, ans Bäumeklettern, an ausgelassene Spiele auf bunten Wiesen, an Fahrradtouren mit den Eltern, an die Wochenendfahrten zu Verwandten …
In der Erinnerung verklärt sich vieles, und schnell ist man versucht, einschränkende, verletzende, zerstörende und belastende Erfahrungen außen vor zu lassen. War da nicht auch die Strenge mancher Lehrer in der Schule, das eingeschränkte Spielmaterial zu Hause, die kleine Wohnung oder die leidige Gemüsesuppe, die trotz innerer Ablehnung gegessen werden musste?
Ungeachtet persönlicher Erfahrungen hat sich die Kindheit – das bestätigt die Forschung – in den vergangenen beiden Jahrzehnten drastisch verändert. Das Leben in unserer Gesellschaft wird für Kinder (und nicht nur für diese) immer unübersichtlicher. Sie können das Leben in all seinen Facetten nicht mehr in Ruhe und mit ausreichend Zeit wahrnehmen oder bestimmte Verhaltensmuster durchspielen und ausprobieren.
Die Entwicklungsphase Kindheit droht verloren zu gehen. Zu den einschneidendsten Veränderungen gehören:
Kinder sind als Konsumenten entdeckt worden. Konsum, so wird ihnen versprochen, bedeutet Glück, und der Besitz bestimmter Markenprodukte ist zu seinem Gradmesser geworden. Dies betrifft inzwischen bereits die Kinder im Kindergartenalter. Das Habenmüssen und diesbezügliche Vergleichen verdrängt zunehmend andere elementare Bedürfnisse.
Erfahrungen werden zunehmend aus zweiter Hand, aus dem übergroßen Angebot der Medien gewonnen. Für viele Kinder erschließt sich die Welt nur noch zum kleinen Teil über die eigene Aktivität. Fernsehen, Videospiele, Computer und Internet haben den Kinderalltag mittlerweile fest im Griff. Nicht nur zeitlich, sondern auch inhaltlich hinterlassen diese Medien ihre Spuren im Erleben der Kinder.
Der Urlaub unterliegt zunehmend einem Anspruch, der sich nicht an den Bedürfnissen der Kinder orientiert. Für Kinder reicht es in der Regel völlig aus, gemeinsam mit den Eltern und anderen Kindern (Geschwistern) spielerisch ihre Umwelt zu entdecken. Die Reiseveranstalter und die Werbung suggerieren aber schon den Kindern, dass Urlaubsreisen in die entferntesten Winkel unserer Erde besonders attraktiv seien.
Die hohe Bevölkerungsdichte Deutschlands hat zur Folge, dass der Einzelne immer weniger Platz hat. Das Straßennetz wird enger gezogen. Brachliegende Grundstücke, auf denen es sich ins unserer Kindheit herrlich spielen ließ und die zum Treffpunkt aller Kinder der Wohngegend wurden, gibt es immer seltener. Gepflegte Grünanlagen sind mit Regeln belegt, und öffentliche Spielplätze lassen wenig Raum für freies Spielen, da sie bestimmte Spielfunktionen vorgeben. Selbst dort, wo es noch Wald oder Wiesen gibt, ist es meist nicht mehr möglich, „mal eben“ rauszugehen und andere Kinder zu treffen. Bedenkt man, dass es immer mehr Einzelkinder gibt, ist diese Entwicklung umso problematischer.
Eltern versuchen, auf eingeschränkte Spielmöglichkeiten ihrer Kinder zu reagieren, indem sie deren Tagesrhythmus durch Kurse wie Judo-, Ballett- oder Klavierunterricht neben Kindergarten- oder Schulzeit strukturieren.
Die Angst vor Gefahren, allein durch den Straßenverkehr, verhindert, dass sich die Kinder in der ihnen verbleibenden freien Zeit informell mit ihren Freunden treffen können. Wieder muss alles arrangiert und geregelt werden. Das Mobiltelefon ist für viele Kinder zum verlängerten Sprachrohr in einer anonymisierten Welt geworden. Spontane, lebendige Beziehungen der Kinder untereinander werden immer seltener.
Soziale Kompetenz lässt sich nur dadurch erlernen, indem man sich auf andere Menschen und deren Erfahrungen einlässt
Kinder hatten früher viel größere Chancen, sich in selbst organisiertem Maße zu entwickeln, selbst gewählte Freundschaften in selbstbestimmter Art zu gestalten und räumliche sowie persönliche Schwerpunkte neben alltäglichen Verpflichtungen zu realisieren. Auf den Punkt gebracht bedeutet diese Entwicklung, dass das Kinderleben heute immer zerrissener, Kindertagesabläufe in zunehmendem Maße zerteilt und Kinderwelten immer stärker eingeengt werden.
Diesen Artikel haben wir aus folgendem Buch entnommen: Elementarpädagogik aktuell Die Entwicklung des Kindes professionell begleiten Krenz, Armin Burckhardthaus-Laetare ISBN: 9783944548012 208 Seiten, 24,95 € Mehr auf oberstebrink.de
Dem mag man entgegenhalten, dass Kinder heutzutage mehr Spielmaterial, größere Bildungschancen, eine bessere Förderung und vielschichtigere Kommunikationswege nutzen können. Bei näherer Betrachtung zeigt sich aber, dass Kinder trotz dieser Chancen eine ständige Abnahme an Erfahrung hinnehmen müssen! Aus entwicklungspädagogischer Sicht muss diese Tatsache sowohl Eltern als auch pädagogische Fachkräfte aufrütteln, weil Kinder vor allem über das eigene Handeln lernen. Nicht umsonst heißt es: „Aus Erfahrung wird man klug.“ Wenn Kinder zunehmend Erfahrungsverlusten ausgesetzt sind, können sie sich nicht gleichzeitig als Akteure ihrer eigenen Entwicklung begreifen.
Viele Möglichkeiten haben die Kinder dann nicht mehr: Entweder sie resignieren, ziehen sich zurück und klagen darüber, dass ihnen „sooo langweilig“ sei, oder sie suchen sich Mittel und Wege, die Welt trotzdem zu entdecken, etwa durch Regel- und Grenzüberschreitungen oder den Versuch, auf sich aufmerksam zu machen, nach dem Motto „Seht her, hier bin ICH!“
Gesucht: Orte und Menschen, die vielfältige Erfahrungen und Entwicklung ermöglichen
Wenn Kinder in einer Weise aufwachsen, in der ihnen bedeutsame Erfahrungen vorenthalten und Zeitstrukturierungen sowie organisatorische Vorgaben übergestülpt werden, sind sie mehr denn je darauf angewiesen, noch Handlungsschritte unternehmen zu können, die ihrer Entwicklung dienen. Wie aber müssen Orte sein, die Kindern das bieten, was sie brauchen?
Kinder brauchen einen Ort, an dem sie ihre eigene Identität auf- und ausbauen, sich von Spannungen freispielen und erfahren können. Sie sind auf der Suche nach sich selbst: „Das bin ich, das kann ich, das schaffe ich, und das traue ich mir zu.“ Indem sie aktiv werden und Eigeninitiative zeigen, entwickeln sie eine Beziehung zu ihrem Können und erwerben das notwendige Selbstbewusstsein. Warum klettern Kinder auf Bäume oder Dächer, lassen sich auf verschiedene kleine und große Abenteuer ein, hüpfen von Mauern und laufen um die Wette? Weil Kinder ihre Kraft erfahren und erproben möchten!
Kinder brauchen Gelegenheiten, ausgiebig und immer wieder mit anderen Kindern zusammenzutreffen und den Umgang mit ihnen zu erfahren und zu erleben. Soziale Kompetenz lässt sich nur durch ein Einlassen auf andere Menschen, durch Erfahrungen mit anderen erlernen. Kinder suchen das Miteinander, sie brauchen die Erfahrung, gemeinsam etwas auszuhecken und solidarisch zusammenzuhalten. In spielerischen Gefahrensituationen erleben sie, wie stark und stützend Gemeinschaft sein kann.
Sie brauchen die Erfahrung von der Verlässlichkeit menschlicher Beziehungen, besonders dann, wenn es darum geht, Erlebnisse einzuordnen oder unverständliches Verhalten (zum Beispiel der Eltern/ErzieherInnen) auszuhalten.
Kinder brauchen Rückzugsmöglichkeiten, um dem allgegenwärtigen Blick von Erwachsenen zu entrinnen und sich allein (oder mit anderen) Beschäftigungen hinzugeben, die nur ihnen bekannt sind.
Kinder brauchen Freiräume, um sich zu bewegen, zu laufen, zu toben, zu rollen, zu springen und zu hüpfen, kurz: um ganzheitliche Körper- und Sinneserfahrungen machen zu können.
Kinder brauchen genügend Zeit, in der sie mit Ausdauer und nach eigenem Zeitempfinden Dinge in Ruhe zu Ende führen können. Sie benötigen und suchen Orte, an denen sie ihr eigenes Zeitmaß leben können, wo wenig gedrängelt wird und ihre geistigen Fähigkeiten Entfaltungsmöglichkeiten erhalten.
Kinder brauchen einen Ort, an dem sie ein aktives Mitspracherecht haben. Dies beginnt bei der täglichen Kommunikation und endet bei fest eingeplanten Kinderkonferenzen. Sie haben zudem das Recht auf Versuch und Irrtum, ohne dafür bestraft oder ausgelacht zu werden.
Kinder brauchen eine Umgebung, in der sie sich in ihrer Individualität entwickeln können, und sie brauchen Menschen, die ihnen einen Freiraum zugestehen, in dem sie durch Ausprobieren und auch Irrtümer die Vorgänge in ihrer Umgebung, ihrer Umwelt begreifen können.
Kinder brauchen Erwachsene (und ein entsprechendes Umfeld), die der Prozesshaftigkeit eine höhere Beachtung schenken als dem Herstellen von „ästhetischen Produkten“, und sie brauchen diese Erwachsenen als Bündnispartnerinnen ihrer ureigenen Interessen.
Aufgaben des Kindergartens
Wenn es Kindern nicht mehr möglich ist, grundsätzliche und entwicklungsrelevante Erfahrungen zu Hause oder im häuslichen Umfeld zu machen, so muss es einmal mehr die Aufgabe des Kindergartens beziehungsweise der Kita sein, hier ausgleichend einzugreifen. Wer sich dieser Herausforderung bewusst stellt, kommt nicht darum herum, seine bisherigen Aufgaben hinsichtlich Schwerpunkten, Arbeitsweisen und Methoden neu zu überdenken. ErzieherInnen gestalten die Arbeit in Kindergarten und Kita vor allem vor dem Hintergrund von drei Erfahrungshorizonten: ihrer eigenen Biografie (mit den erlebten Werten und Normen), ihrer Ausbildung (mit den teilweise immer noch herrschenden traditionellen pädagogischen Vorstellungen) und ihrer konkreten individuellen Erfahrung, die sie während ihrer Arbeit als Erzieherin bisher gemacht haben. Gespräche mit den Kolleginnen bieten die Chance, gesellschaftliche und lokale Veränderungen wahrzunehmen und in der Einrichtung entsprechend zu reagieren.
Kindergarten und Kita als pädagogische Institutionen unterliegen immer auch der Gefahr, sich von bildungspolitischen Strömungen beeinflussen zu lassen und die tatsächlichen Gegebenheiten nicht ausreichend zu berücksichtigen. Gegen eine vorbehaltlose Übernahme dieser Strömungen sollten sich die Fachkräfte vor Ort solidarisieren. Denn theoretische oder politische Vorstellungen und Betrachtungen über die „Gestaltung der Zukunft von Kindern“ haben nicht unbedingt etwas mit der Realität heutiger Kindheit (und ihren entwicklungsbezogenen Folgen für die Kinder) zu tun. Gerade weil soziale Erfahrungen in der „natürlichen“ Lebenswelt der Kinder gegenwärtig nur noch eingeschränkt möglich, zum Teil sogar unmöglich geworden sind, müssen Kindergarten und Kita diesen Aspekt in ihrer Einrichtung gezielt berücksichtigen: So dramatisch der Verlust sozialer Beziehungen der Kinder untereinander in ihrem Lebensumfeld ist, desto bedeutsamer wird für viele Kinder ihre Zeit im Kindergarten/in der Kita.
Anregungen zur Reflexion im Team: Kindergarten – ein Garten für Kinder
Ein großer Garten mit altem Baumbestand und einer reichen Tier- und Pflanzenwelt entführt uns in ein wahres „Reich der Sinne“. Es gibt allerlei Farben, Formen und Düfte zu entdecken. Blumen und Sträucher entwickeln ihre Pracht zu unterschiedlichen Jahreszeiten, sodass eine Blütezeit die andere ablöst. Hecken dienen Kleintieren zum Schutz und bieten Nistgelegenheiten für verschiedene Vogelarten. Große Bäume spenden Schatten, sodass der Boden in regenarmen Zeiten nicht gänzlich austrocknet. Ein solcher Garten zeichnet sich durch seine Vielfalt und Widerstandsfähigkeit aus, im Gegensatz zu Monokulturen mit ihrer besonderen Anfälligkeit für Krankheiten und gegenüber ungünstigen Witterungsbedingungen.
Die ErzieherInnen im Kindergarten beziehungsweise in der Kita können ihre Aufgaben entsprechend eines Gärtners/einer Gärtnerin nun auf dreierlei Arten verstehen: Es gäbe die Möglichkeit, alles einfach wachsen zu lassen und darauf zu vertrauen, dass sich der Garten „irgendwie“ von selbst entwickeln wird (Laisser-faire-Stil). Eine zweite Möglichkeit bestünde darin, das Gelände in einen gepflegten Vorstadtgarten verwandeln zu wollen, in dem die Beete „unkrautfrei“ gehalten werden und der Gärtner/die Gärtnerin nach eigenem Geschmack und Gutdünken entscheidet, was, wo, wie, neben wem und in welcher Höhe wächst (autoritärer Stil). Drittens könnten aber auch Gartenfachleute, die über ein profundes Wissen verfügen, dafür Sorge tragen, dass sich alle Pflanzenarten optimal entwickeln, wobei ihnen selbstverständlich auch ihre Ausbreitung und Ausweitung zugestanden wird. Solche GärtnerInnen sorgen vor allem für eine gute Bodenbeschaffenheit nach dem Motto: „Nicht die Pflanze ist krank, wenn sie nicht gedeiht, sondern der Boden ist für ihr Wachstum ungeeignet.“ Diese Sichtweise entspricht einem demokratischen Stil, weil die elementaren Bedürfnisse der einzelnen Pflanzen berücksichtigt und wertgeschätzt werden. Dieses Bild von einem Garten soll dazu anregen, allein oder im Team darüber zu reflektieren, ob die eigene Einrichtung einem solchen Garten für Kinder entspricht, in dem sie sich individuell entwickeln und entfalten können.