Mehrkindfamilien brauchen Fairness statt Stigmatisierung

Die Kinderarmut zeigt sich besonders bei Mehrkindfamilien, dabei leisten sie Enormes für die Gesellschaft

Wer in Deutschland in einer Familie mit mehreren Kindern lebt, ist häufiger von Armut betroffen, als das in Haushalten mit weniger Kindern der Fall ist. Fast ein Drittel (32 Prozent) aller Familien mit drei oder mehr Kindern gilt als einkommensarm, knapp 18 Prozent beziehen Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) II. Der Blick auf die Länderebene unterstreicht diesen Befund: Über alle Bundesländer hinweg haben Paarfamilien mit drei und mehr Kindern ein fast dreimal so hohes Armutsrisiko wie Paarfamilien mit zwei Kindern.

Bremer Mehrkindfamilien haben es besonders schwer

Am häufigsten sind Mehrkindfamilien in Bremen (63 Prozent) von Armut betroffen, in Bayern ist das Risiko am geringsten (22 Prozent). Besonders schwierig ist die Lage für alleinerziehende Familien mit drei und mehr Kindern: Über 86 Prozent von ihnen sind auf Sozialtransfers angewiesen.

Wie aus der neuen Studie „Mehrkindfamilien gerecht werden“ der Bertelsmann Stiftung ebenfalls hervorgeht, sind Kinder aus kinderreichen Familien besonders häufig von Armut betroffen: Mit 46 Prozent lebt fast die Hälfte aller Kinder in Mehrkindfamilien im SGB II-Bezug.

Insgesamt 1,3 Millionen Mehrkindfamilien in Deutschland

In den insgesamt 1,3 Millionen Mehrkindfamilien in Deutschland – das entspricht etwa jeder sechsten Familie – stehen die Eltern in besonderer Weise vor der Herausforderung, Beruf und Kinderbetreuung miteinander zu vereinbaren. Die Erwerbstätigkeit beider Elternteile nimmt mit steigender Kinderzahl ab; in Familien mit drei und mehr Kindern liegt sie deutlich niedriger als bei Eltern mit einem oder zwei Kindern.

Insgesamt ist in Mehrkindfamilien häufiger als in anderen Familien der Vater Hauptverdiener, während die Mutter dazu verdient. Die Mütter wenden im Durchschnitt aber auch pro Tag rund doppelt so viel Zeit für die Kinderbetreuung auf wie die Väter. Erst mit zunehmendem Alter der Kinder weiten Mütter – wie in an- deren Familien auch – ihre Erwerbsbeteiligung aus.

Zudem zeigen die Daten, dass rund 70 Prozent der Mütter von drei und mehr Kindern gut bis sehr gut ausgebildet sind. Das wider- legt das Klischee, Eltern von Mehrkindfamilien hätten überwiegend einen niedrigen Bildungs- stand.

Kinderarmut durch Unterstützung von Mehrkindfamilien bekämpfen

„Da die Betreuung und Erziehung von drei und mehr Kindern viel Zeit kostet, können Eltern ihre Erwerbstätigkeit kaum ausweiten, sondern müssen sie meistens sogar reduzieren“, so Anette Stein, Direktorin des Programms Bildung und Next Generation der Bertelsmann Stiftung. Für viele Familien stelle das angesichts der fehlenden Betreuungsmöglichkeiten und steigenden Lebensmittelkosten eine immer größere Herausforderung dar. „Die soziale Situation von Mehrkindfamilien muss viel stärker ins Blickfeld rücken – vor allem auch deshalb, um die Kinderarmut in Deutschland entschlossen zu bekämpfen“, appelliert die Expertin.

Um ein besseres Verständnis für die Lebenswirklichkeit und die Bedarfe von Mehrkindfamilien zugewinnen, haben Sabine Andresen, Professorin für Familienforschung an der Goethe-Universität Frankfurt, und ihr Team 20 von ihnen ausführlich befragt. Dabei wurde deutlich, dass die Sorge um finanzielle Engpässe als auch um ausreichend bezahlbaren Wohnraum Mehrkindfamilien ständig begleitet. Zudem beklagen sie Benachteiligungen im Alltag, da zum Beispiel Familientickets im öffentlichen Personennahverkehr, im Schwimmbad oder im Zoo häufig auf die klassische Zwei-Kind-Familie ausgerichtet sind. Eine zusätzliche Belastung stellen Vorurteile und Stigmatisierungen dar, denen sich Mehrkindfamilien häufig ausgesetzt sehen.

„Mehrkindfamilien sind mit vielen Vorurteilen konfrontiert“

„Mehrkindfamilien sind mit vielen Vorurteilen konfrontiert; übersehen werden dabei ihre enormen Leistungen für die Gesellschaft“, betont Sabine Andresen. „Wer drei Kinder oder mehr großzieht, sorgt im Umkehrschluss dafür, dass der Generationenvertrag unserer solidarisch organisierten Sozialversicherungssysteme funktioniert. Ohne die Care-Arbeit der Eltern, vor allem der Mütter, die dafür häufig auf die eigene Karriere und damit ausreichende Altersvorsorge verzichten, wäre das nicht möglich. Schon deshalb schulden wir diesen Familien eine gezielte Unterstützung, mehr Wertschätzung sowie die Überwindung von Klischees.“

Um Kindern in Mehrkindfamilien ein gutes Aufwachsen zu ermöglichen und ihnen bessere Chancen auf Bildung und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu eröffnen, plädiert die Bertelsmann Stiftung weiterhin mit Nachdruck für die Einführung einer Kindergrundsicherung, wie sie im Koalitionsvertrag vereinbart wurde. Hierauf hätte jedes Kind Anspruch, unabhängig von der Familienform und der Zahl der Geschwister. Wichtig ist, dass damit die tatsächlichen, altersgerechten Bedarfe von Kindern und Jugendlichen gedeckt werden.

Schnelle und unbürokratische Entlastungen sind gefragt

Kurzfristig sind angesichts der rasant steigenden Verbraucherpreise zudem schnelle und unbürokratische Entlastungen gerade für kinderreiche Familien vonnöten. Bei Angeboten und Vergünstigungen für Familien in Bereichen wie Mobilität, Freizeit, Sport und Kultur müssen die speziellen Bedürfnisse dieser Familienform stärker mitgedacht werden.

Erleichterungen bedarf es auch in der Betreuung und Erziehung. Neben einem Ausbau der Angebote in der Kindertagesbetreuung sollte die Care-Arbeit von Müttern und Vätern – in allen Familienformen – gesellschaftlich stärker anerkannt und gerechter zwischen den Geschlechtern aufgeteilt werden.

Langfristig wäre Mehrkindfamilien damit geholfen, wenn sich Politik, Wissenschaft und Gesellschaft von der Norm der Zwei-Kind-Familie lösen würden. Denn Mehrkindfamilien sind vielfältig, was bei politischen Maßnahmen ebenso wie in der öffentlichen Wahrnehmung sowie in der Forschung konsequent berücksichtigt werden sollte.

Zusatzinformationen

Für die empirischen Angaben zu Mehrkindfamilien in Deutschland wurden überwiegend Daten des Statistischen Bundesamtes aus dem Mikrozensus sowie der Bundesagentur für Arbeit aus dem Jahr 2021 herangezogen. Für die qualitative Studie von Prof. Sabine Andresen und ihrem Team der Goethe-Universität Frankfurt wurden im Jahr 2020 Interviews mit 20 Mehrkindfamilien geführt und mit der Methode der Qualitativen Inhaltsanalyse ausgewertet.

Hier finden Sie das pdf der Studie:




Trauriger Befund für Kitas und die Entwicklungschancen der Kinder

Neue Studie des Paritätischen illustriert die extrem angespannte Situation in Deutschlands Kitas

Der aktuelle Kita-Bericht des Paritätischen Gesamtverbandes, der auf einer Befragung von über 1000 Kindertageseinrichtungen aus dem gesamten Bundesgebiet basiert, illustriert die höchst angespannte Situation in Deutschlands Kitas: Arbeitsbelastung und Rahmenbedingungen während der Pandemie sowie vielerorts unzureichende Personalschlüssel und teilweise mangelhafte Ausstattung erschweren es, den Bedürfnissen der Kinder gerecht zu werden und führen zu einer hohen Unzufriedenheit bei den pädagogischen Fachkräften. Nach der Studie verhindert der anhaltend hohe Fachkräftemangel bundesweit in jeder zweiten Kindertageseinrichtung, dass Kapazitäten vollständig ausgeschöpft werden. Der Paritätische fordert angesichts der alarmierenden Befunde konzertierte Anstrengungen aller politischen Ebenen zur Qualitätsentwicklung und Fachkräftegewinnung.

Schlechte Ausstattung für Kitas in benachteiligten Sozialräumen

Erstmals untersucht wurde mit der Studie auch der Zusammenhang mit der sozialräumlichen Lage der Kindertageseinrichtungen. Der Befund: Unabhängig von der Pandemie fehlt es insbesondere für Kitas in benachteiligten Sozialräumen an gezielter Unterstützung. „Die Fachkräfte vor Ort leisten Tag für Tag Enormes unter vielerorts wirklich schweren Bedingungen. Gerade dort, wo viele Kinder in Armut aufwachsen oder auf besondere Unterstützung angewiesen sind, klagen auch die Kitas über schlechtere Ausstattung. Hier braucht es dringend gezielte und bessere Unterstützung”, fordert Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands.

Viele Kitas können den Bedürfnissen der Kinder nicht gerecht werden

Insgesamt gehen 60 Prozent der Teilnehmenden an der Befragung davon aus, dass sie mit dem gegenwärtigen Personalschlüssel den Bedürfnissen der Kinder nicht gerecht werden können. Kindertageseinrichtungen in benachteiligten Sozialräumen sind davon besonders betroffen. Defizite belegt der Bericht dabei unter anderem im Bereich der Sprachförderung: Je höher die sozialräumliche Benachteiligung, desto größer ist die Zahl der Kinder mit Unterstützungsbedarf bei der sprachlichen Bildung. Gleichzeitig könne dieser Bedarf mit dem gegenwärtigen Personalschlüssel überwiegend nicht gedeckt werden.

Strukturelle Defizite beim Personalschlüssel und der Kita-Finanzierung

Strukturelle Defizite werden nicht nur bei den Personal-Schlüsseln, sondern auch im Bereich der Kita-Finanzierung ausgemacht. Neu- und Ersatzanschaffungen seien kaum selbstverständlich. Mehr als ein Drittel der Teilnehmenden gibt zudem an, dass die vorgesehenen Finanzmittel nicht ausreichen, um die Kinder mit einer ausgewogenen Ernährung zu versorgen. „Die Befunde des Kita-Berichts sind erschütternd. Es ist schon ein Armutszeugnis, wenn es uns in diesem reichen Land nicht gelingt, jedem Kind eine gesunde Mahlzeit, bestmögliche Förderung in der individuellen Entwicklung und eine möglichst unbeschwerte Kindheit zu ermöglichen”, so Schneider.

Zur Studie:

Der Kita-Bericht des Paritätischen erscheint inzwischen zum zweiten Mal. Die Studie gibt detaillierte Einblicke zum Stand der Qualitätsentwicklung und der praktischen Umsetzung des so genannten Gute-Kita-Gesetzes. Die Umfrage wurde gemeinsam mit Wissenschaftler*innen der Universität Osnabrück ausgewertet. Defizite wurden in allen Handlungsfeldern der frühen Bildung, Erziehung und Betreuung festgestellt. Insgesamt haben 1.171 Personen aus unterschiedlichen Kindertageseinrichtungen vollständig teilgenommen. Damit erfasst die Umfrage ein Fünftel aller Paritätischen Kindertageseinrichtungen in Deutschland. Die Teilnehmenden an der Umfrage kommen aus dem gesamten Bundesgebiet.

Hier geht es zur Studie




Lisa Paus: „Kinderarmut ist eine Schande, mit der wir uns nicht abfinden dürfen“

Familienministerin Paus und EU Kommissar Schmit starten Aktionsplan „Neue Chancen für Kinder in Deutschland“

Kinderarmut bekämpfen, frühkindliche Bildung und Betreuung verbessern, Eltern stärken – das sind die Vorhaben, mit denen sich Bundesfamilienministerin Lisa Paus für eine gute und sichere Zukunft von Kindern einsetzen will. Dazu startete sie in Berlin gemeinsam mit dem EU-Kommissar für Beschäftigung und soziale Rechte, Nicolas Schmit, den Nationalen Aktionsplan „Neue Chancen für Kinder in Deutschland“ mit einer Kick-Off-Veranstaltung.

Perspektiven benachteiligter Kinder spürbar verbessern

Lisa Paus, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: „Jedes fünfte Kind in Deutschland ist von Armut bedroht oder betroffen. Das ist für ein so reiches Land wie Deutschland eine Schande, mit der wir uns nicht abfinden dürfen. Um Kinder und ihre Familien wirksam zu unterstützen, haben wir heute den Nationalen Aktionsplan ‚Neue Chancen für Kinder in Deutschland‘ gestartet. Mit dem Aktionsplan wollen wir die Zusammenarbeit mit allen Akteurinnen und Akteuren stärken, um die Perspektiven für benachteiligte Kinder spürbar zu verbessern. Wir wollen betroffene Familien aber noch mehr fördern: durch die Einführung der Kindergrundsicherung, einer 14-tägigen Partnerschaftsfreistellung nach der Geburt und von Qualitätsstandards in der Kindertagesbetreuung, Verbesserungen beim Elterngeld und ein neues ESF Plus-Programm zur Unterstützung von Eltern.“

Mit dem Nationalen Aktionsplan „Neue Chancen für Kinder in Deutschland“ setzt Deutschland die 2021 verabschiedete Ratsempfehlung zur Einführung einer Europäischen Kindergarantie um. Danach soll jedem Kind in Europa der Zugang zu Erziehung, Betreuung, Bildung, Gesundheit, Ernährung und Wohnraum garantiert werden.

Ambitionierte Ziele im Kampf gegen Armut

Nicolas Schmit, EU Kommissar für Beschäftigung und soziale Rechte:
„Die Kindergarantie ist eine wesentliche Antwort darauf, wie die EU die Kinderarmut reduzieren will, denn EU und Mitgliedstaaten haben sich auf ambitionierte Ziele im Kampf gegen die Armut verständigt: Die Anzahl der von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedrohten Menschen soll bis 2030 EU-weit um 15 Millionen gesenkt werden. Darunter sollen mindestens 5 Millionen Kinder sein. Der Europäische Sozialfonds Plus wird hierbei eine wesentliche Anschubfinanzierung in vielen Mitgliedstaaten leisten.“

Damit jedes Kind in Deutschland Zugang zu den Ressourcen bekommt, die für sein Wohlergehen und seine Entwicklung notwendig sind, soll der Nationale Aktionsplan auch die Kooperation und Vernetzung der relevanten Akteurinnen und Akteure auf allen Ebenen sicherstellen. Zur Steuerung dieses Prozesses ernannte Ministerin Paus die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Ekin Deligöz, zur Nationalen Kinderchancen-Koordinatorin.

Steuerungsgruppe zum Aktionsplan

Die Parlamentarische Staatssekretärin und Kinderchancen-Koordinatorin Ekin Deligöz:

„Wir wollen den Aktionsplan zum Erfolg machen – in enger Zusammenarbeit mit den anderen Bundesministerien, den Bundesländern, Kommunen, Nichtregierungsorganisationen und mit der Zivilgesellschaft in Deutschland und Europa. Ganz wichtig ist mir dabei der Dialog mit den Kindern und Jugendlichen selbst, die wir sehr stark einbinden wollen.Nur wenn wir unsere Kräfte bündeln, werden wir eine faire materielle und soziale Teilhabe für alle Kinder und Jugendlichen erreichen.“

Deligöz verabredete mit der anwesenden Staatssekretärin beim Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, Silvia Bender, und dem Staatssekretär beim Bundesminister für Arbeit und Soziales, Dr. Rolf Schmachtenberg, die Zusammenarbeit in einer Steuerungsgruppe zum Aktionsplan.

An der fachöffentlichen Kick-Off-Veranstaltung nahmen rund 200 Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Wissenschaft, Fachpraxis und Zivilgesellschaft teil. Zehn Kinder und Jugendliche konnten ihre Eindrücke und Wünsche an die Politik adressieren. In acht Fachforen zu den unterschiedlichen Themen des Nationalen Aktionsplans wurden Handlungsempfehlungen für den Aktionsplan erarbeitet.

Quelle: Pressemitteilung Bundesfamilienministerium




Bündnis Kindergrundsicherung fordert einen echten Systemwechsel

Ausführliche Stellungnahme stellt klare Anforderungen zur Ausgestaltung

Die Kindergrundsicherung sei eine grundlegende Reform. Die Umsetzung müsse sich an den großen Zielen Bekämpfung der Kinderarmut und Stärkung von Familien messen lassen, heißt es in einer Mitteilung des Bündnisses Kindergrundsicherung. Eine Beteiligung aller relevanter Akteure am Vorbereitungs- und Umsetzungsprozess müsse gewährleistet sein.

Klare Eckpunkte

Das Bündnis habe zu den konkreten Eckpunkten einer Kindergrundsicherung im Koalitionsvertrag von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und der FDP, eine ausführliche Stellungnahme erarbeitet und fordere einen echten Systemwechsel in der Familienförderung.

„Mit der Kindergrundsicherung steht eine große Reform an. Jetzt besteht endlich die Chance, Kinderarmut wirksam abzubauen und die Familienförderung gerechter zu machen. Diese Ziele müssen auch bei der anstehenden Umsetzung im Blick bleiben. Denn weiterhin wächst mehr als jedes fünfte Kind in Armut auf. Es reicht nicht mehr aus, an kleinen Stellschrauben zu drehen. Wir haben die klare Erwartung, dass es bei der Umsetzung einen starken politischen Willen für eine große Reform gibt. Der aktuell diskutierte Sofortzuschlag kann dabei nur eine Übergangslösung sein, bei der Höhe und dem Kreis der Anspruchsberechtigten muss aber noch kurzfristig nachgesteuert werden. Alle armutsbetroffenen Kinder müssen jetzt schon mit einer substanziellen Unterstützung erreicht werden!“, so Michael Groß, Präsident des AWO Bundesverbandes und Bündnissprecher.

Kinder tatsächlich aus der Armut holen!

In seiner Stellungnahme betont das Bündnis, dass die Kindergrundsicherung so ausgestaltet sein muss, dass sie Kinder tatsächlich aus der Armut holt, viele Leistungen bündelt sowie gleichzeitig automatisch und unbürokratisch jedes Kind erreicht.

„Kinderarmut bekämpft man auch mit Geld. Deshalb wird es auch maßgeblich von der Höhe der Kindergrundsicherung abhängen, ob sie Kinder aus der Armut holt. Die im Ampel-Koalitionsvertrag verankerte Neuberechnung des kindlichen Existenzminiums ist daher entscheidend. Die kindlichen Bedarfe müssen besser abgedeckt werden als bisher. Ich rate der Bundesregierung sehr, im jetzt anstehenden Vorbereitungsprozess zur Umsetzung einer Kindergrundsicherung auf die Kompetenz der zivilgesellschaftlichen Akteure zurückzugreifen. Die Neuberechnung des kindlichen Existenzminimums darf nicht nach Kassenlage erfolgen“, so Heinz Hilgers, Präsident des Kinderschutzbundes und Bündnis-Koordinator.

Weitere Informationen finden Sie hier.

https://kinderarmut-hat-folgen.de/wp-content/uploads/2023/05/Mythen-zur-Kindergrundsicherung.pdf




Vier Jahre, um Kinderarmut zu beseitigen

Breites Bündnis fordert: Kinderarmut muss zentrale Rolle in den Koalitionsverhandlungen spielen

Das Bündnis fordert von der nächsten Bundesregierung Armut von Kindern und Jugendlichen nicht länger hinzunehmen und entschlossene Maßnahmen im Koalitionsvertrag zu verankern. Dazu zählen eine grundlegende Reform der Leistungen für Kinder, Jugendliche und ihre Familien, die Sicherstellung sozialer Infrastruktur sowie ihre umfassende Beteiligung. Ebenso brauchen Kinder und Jugendliche eine intensive Begleitung zurück in ihren Kita- und Schulalltag und psycho-soziale Unterstützung bei der Bewältigung der Auswirkungen der Pandemie. Die Erklärung haben u.a. das Deutsche Kinderhilfswerk, der Arbeiter Samariter Bund, die Arbeiterwohlfahrt, der Deutsche Caritasverband, der Deutsche Gewerkschaftsbund, die Diakonie Deutschland, die Nationale Armutskonferenz und das Zukunftsforum Familie unterzeichnet.

Eine Schande für die Gesellschaft

„Jedes fünfte Kind in Deutschland ist von Armut betroffen, für eine der reichsten Industrienationen der Welt ist das nichts weniger als eine Schande. Um das strukturelle Problem der Kinderarmut zu lösen, brauchen wir eine bedarfsgerechte Kindergrundsicherung, die den bestehenden Familienlastenausgleich ablöst, bestehende kindbezogene Leistungen transparent bündelt und das soziokulturelle Existenzminimum von Kindern bedarfsgerecht gewährleistet, und zwar unabhängig von den finanziellen Möglichkeiten der Familie, der Familienform und dem bisherigen Unterstützungssystem“, betont Holger Hofmann, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerkes.

Die Bekämpfung der Armut von Kindern und Jugendlichen erfährt in der Bevölkerung sowie parteiübergreifend breite Zustimmung und muss in der nun beginnenden 20. Legislaturperiode eine zentrale Rolle spielen. Alle Kinder und Jugendlichen haben ein Recht auf ein gutes Aufwachsen!

Die Gemeinsame Erklärung basiert auf vier Grundsätzen:

1. Armut ist kein Versagen der Einzelnen!

Armut von Kindern, Jugendlichen und ihren Familien muss als strukturelles Problem begriffen, kommuniziert und behandelt werden. Arme Familien haben nicht selbst schuld an ihrer Lage, sondern ihre Situation ist die Folge von gesellschaftlichem Ausschluss.

2. Alle Kinder und Jugendlichen haben Anspruch auf gleichwertige Lebensverhältnisse!

Bund, Länder und Kommunen müssen ein Gesamtkonzept vorlegen, wie kommunale Infrastruktur für Kinder und Jugendliche bedarfsgerecht gestaltet und finanziert werden kann. Dazu gehören bezahlbare Wohnungen, qualitativ hochwertige und armutssensible Angebote der Bildung, Betreuung, Erziehung und Begleitung, eine bedarfsorientierte, integrierte Schul-, Gesundheits-, Sozial- und Jugendhilfeplanung, die Absicherung von Mobilität für alle und eine gute gesundheitliche Versorgung.

3. Jedes Kind ist gleich viel wert!

Bei der Ermittlung der Regelbedarfe für Grundsicherungsleistungen bedarf es einer einheitlichen, transparenten, konsequent sach- und realitätsgerechten Ermittlung und Umsetzung des kindlichen Existenzminimums für alle Rechtsbereiche. Dieses Existenzminimum muss auskömmlich sein, Teilhabe für jene Kinder und Jugendlichen ermöglichen, deren Eltern sie nicht gewährleisten können, und niedrigschwellig in Anspruch genommen werden können.

4. Unterstützung muss dort ankommen, wo sie gebraucht wird!

Der „Ratschlag Kinderarmut“ fordert, Angebote und Leistungen zur Unterstützung armer Kinder, Jugendlicher und Familien so auszugestalten, dass sie niedrigschwellig zur Verfügung stehen und leicht in Anspruch genommen werden können. Finanzielle Leistungen sollten unbürokratisch und möglichst automatisch ausbezahlt werden.

Den vollständigen Text der Erklärung „Vier Jahre Zeit, um Kinderarmut endgültig zu beseitigen!“, alle unterzeichnenden Organisationen und Einzelpersonen sowie weitere Informationen zur Kampagne finden Sie unter https://www.nationale-armutskonferenz.de/category/kinderarmut/.




Trotz Arbeit von Armut bedroht

Das Armutsrisiko von Alleinerziehenden verharrt auf hohem Niveau 

Das Risiko, in Armut zu leben, ist für alleinerziehende Familien in Deutschland von allen Familienformen am höchsten: 43 Prozent der Ein-Eltern-Familien gelten als einkommensarm, während es bei den Paarfamilien mit einem Kind neun Prozent, mit zwei Kindern elf Prozent und mit drei Kindern 31 Prozent sind. Frauen sind in besonderer Weise davon betroffen. Denn 88 Prozent der Alleinerziehenden sind Mütter.

Der Anteil der Alleinerziehenden, die Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) II beziehen, ist seit 2015 zurückgegangen: in den westdeutschen Bundesländern von 36 auf 34 Prozent, im Osten sogar von 43 auf 33 Prozent. Das deutet darauf hin, dass politische Anstrengungen – wie die Reformen von Unterhaltsvorschuss und Kinderzuschlag – dazu beigetragen haben, alleinerziehende Familien aus dem SGB II-Bezug zu lösen.

Trotzdem ist ihr Anteil unter den SGB II-Haushalten mit 34 Prozent fast fünfmal höher als bei Paarfamilien mit Kindern (sieben Prozent). Wie die neue Studie „Alleinerziehende weiter unter Druck“ von Anne Lenze (Hochschule Darmstadt) im Auftrag der Bertelsmann Stiftung zeigt, ist das Risiko der Einkommensarmut für alleinerziehende Familien nicht gesunken, sondern verharrt auf hohem Niveau.

Meist erwerbstätig

Das höhere Armutsrisiko alleinerziehender Familien ist dabei nicht auf mangelnde Erwerbstätigkeit zurückzuführen. So gehen alleinerziehende Mütter häufiger einer Beschäftigung nach als andere Mütter und arbeiten öfter in Vollzeit. Zudem üben auch 40 Prozent der Alleinerziehenden im SGB II-Bezug eine Erwerbstätigkeit aus – häufiger als der Durchschnitt der Leistungsempfängerinnen und -empfänger.

 „Alleinerziehende leisten im Alltag enorm viel und erfahren dafür zu wenig Anerkennung. Oftmals sorgen sie allein für ihre Kinder und gehen zusätzlich einer Erwerbstätigkeit nach. Trotzdem reicht das Einkommen häufig nicht aus. Arm trotz Arbeit – damit darf sich unsere Gesellschaft nicht abfinden“, sagt Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsmann Stiftung. Dräger zufolge ist das Armutsrisiko alleinerziehender Eltern die größte Belastung für die Zukunftsperspektiven ihrer Kinder: 45 Prozent aller Kinder im SGB II-Bezug leben in einer alleinerziehenden Familie. 

Nochmals höhere Belastungen durch Corona

Nach Drägers Einschätzung haben alleinerziehende Familien die Folgen der Covid-19-Pandemie in besonderer Weise zu spüren bekommen. Denn häufig arbeiten Alleinerziehende im Niedriglohnbereich und in systemrelevanten Berufen, und leben in beengten Wohnungen. Durch geschlossene Schulen, Kitas und Vereine fehlten den Eltern Entlastungsangebote in der Betreuung und den Kindern die wichtigen sozialen Kontakte. „Die Corona-Auswirkungen setzen Alleinerziehende nochmals höheren Belastungen aus und bringen sie an die Grenzen ihrer Gesundheit. Es muss mehr getan werden, um alleinerziehende Familien zu entlasten, finanziell zu unterstützen und damit auch den Kindern zu helfen“, so Dräger.

Zur Vermeidung von Kinderarmut empfiehlt die Bertelsmann Stiftung die Einführung eines Teilhabegeldes, das finanzielle Leistungen für Kinder bündelt, einfach zu beantragen ist und gerade Alleinerziehende erreicht. Die Politik sollte außerdem die Mehrbedarfe von getrennten Familien empirisch erfassen und absichern. Das betrifft zum Beispiel zusätzliche Anschaffungs- oder Wohnkosten, wenn Kinder in zwei Haushalten leben.

Weiterer Handlungsbedarf entsteht aus dem häufigen Ausfall von Unterhaltszahlungen, die nur in etwa einem Viertel der Fälle in Höhe des Mindestunterhalts ankommen. Um alleinerziehende Mütter und Väter zu entlasten, schlägt die Bertelsmann Stiftung vor, die Unterhaltsansprüche auf den Staat zu übertragen, damit dieser sie einfordern kann. Außerdem sollte das Unterhaltsrecht stärker die innerfamiliäre Aufgabenteilung vor der Trennung berücksichtigen. Denn es sind überwiegend die Mütter, die ihre Arbeitszeit zugunsten der Kinderbetreuung reduzieren. Im Falle einer Trennung drohen ihnen somit empfindliche Einbußen beim Lebenserwerbseinkommen.

„Leidtragende sind vor allem die Kinder“

In diesem Zusammenhang meldet sich auch das Deutsche Kinderhilfswerk (DKHW) zu Wort. Dieses plädiert für eine verstärkte Förderung von Alleinerziehenden und ihren Kindern, um die Kinderarmut in Deutschland zu bekämpfen. „Die heute von der Bertelsmann Stiftung vorgelegte Studie zeigt, dass Alleinerziehende und ihre Kinder weiterhin besonders stark von Armut betroffen sind. Die Leidtragenden sind vor allem die Kinder. Um hier Abhilfe zu schaffen, muss in erster Linie gewährleistet sein, dass Alleinerziehende ihren Lebensunterhalt für sich und ihre Kinder durch eigene Erwerbstätigkeit sicherstellen können. Hierzu braucht es armutsfeste Löhne und bezahlbaren Wohnraum ebenso wie ausreichende und flexible Kinderbetreuungsmöglichkeiten sowie eine stärkere Unterstützung von Alleinerziehenden bei Weiterbildungen oder dem Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt. Und da, wo der Staat finanziell einspringen muss, um den Lebensunterhalt zu gewährleisten, braucht es kurzfristig höhere Hartz-IV-Regelsätze“, betont Holger Hofmann, Bundesgeschäftsführer des DKHW.

Infrastruktur für Alleinerziehende

Um den Armutskreislauf zu durchbrechen, braucht es neben der materiellen Absicherung, aber auch die entsprechende Infrastruktur für Alleinerziehende und ihre Kinder. Hier ist Bildung ein wesentlicher Schlüssel für gesellschaftliche Teilhabe und für den chancengerechten Zugang zu einer angemessenen beruflichen Entwicklung. In Deutschland hängt der Bildungserfolg von Kindern jedoch nach wie vor sehr stark von den Eltern und ihren Möglichkeiten ab. Bildung beginnt dabei nicht erst in der Schule. Nach Ansicht des Deutschen Kinderhilfswerkes muss bereits im Bereich der frühkindlichen Bildung ein wesentlicher Fokus liegen. Neben einem Ganztagsangebot und flexiblen Öffnungszeiten, die insbesondere für Alleinerziehende von zentraler Bedeutung sind, brauchen wir für die Sicherung der Rechte von allen Kindern, gleich welcher Herkunft, eine qualitativ hochwertige Bildung, Erziehung und Betreuung sowie ein Qualitätsmanagement in der Kindertagesbetreuung, das auch den gestiegenen Anforderungen und Erwartungen an das Fachpersonal Rechnung trägt.

Neuauflage der Social-Media-Kampagne #StopptKinderarmut

Die schwierige Lage alleinerziehender Familien nimmt die Bertelsmann Stiftung zum Anlass, um an die Social-Media-Initiative #StopptKinderarmut anzuknüpfen, die bislang 1,1 Millionen Abrufe auf Youtube erzielt hat. Parallel zur Veröffentlichung der aktuellen Studie machen bekannte Persönlichkeiten aus Medien, Kultur und Sport – darunter Hatice Schmidt, Leeroy Matata und Henry Maske – mit Beiträgen in den sozialen Netzwerken auf die fatalen Auswirkungen von Kinderarmut für die Betroffenen aufmerksam. 

Zusatzinformationen

2019 lebten in Deutschland 1,52 Millionen alleinerziehende Familien mit Kindern unter 18 Jahren. Das sind 19 Prozent aller Familien. Alleinerziehende sind der amtlichen Statistik zufolge Mütter und Väter, die ohne Ehe- oder Lebenspartner:in mit minder- oder volljährigen Kindern in einem Haushalt zusammenleben. Die Zahlen zur Einkommensarmut stammen vom Statistischen Bundesamt und beziehen sich auf das Jahr 2019. Die Daten zum SGB II-Bezug aus dem Jahr 2020 sind bei der Bundesagentur für Arbeit abrufbar. 

Quellen: Pressemitteilung Berstelsmann Stiftung und Deutsches Kinderhilfswerk




„Kindergrundsicherung gehört in jedes Wahlprogramm“

Das Bündnis Kindergrundsicherung legt erweitertes Konzept vor

Das Bündnis Kndergrundsicherung legt sein erweitertes Konzept vor und bekräftigt damit im Bundestagswahljahr die Forderung nach einer bedarfs- und sozial gerechten sowie unbürokratischen Kindergrundsicherung. Die Kinderarmut ist unverändert auf einem zu hohen Niveau, gleichzeitig steht zu befürchten, dass die Pandemie die Lage verschärft. Deshalb macht das Bündnis klar: Ein durchdachtes Konzept einer Kindergrundsicherung ist Maßstab für jedes Wahlprogramm.

Kinderarmut nach wie vor sehr hoch

„Wir haben unser Konzept noch einmal überarbeitet und bringen dieses in die Diskussion ein. Wir gehen von einem realistisch und juristisch einwandfrei berechneten kindlichen Existenzminimum aus, bündeln neben dem Kinderregelsatz, Kindergeld und Kinderzuschlag auch den Kinderfreibetrag, um unbürokratisch jedem Kind Leistungen unmittelbar zur Verfügung zu stellen; verbunden mit einem Sozialfaktor, der mit steigendem Einkommen den Kindergrundsicherungsbetrag linear abschmelzen lässt. Damit ist offengelegt, wie eine Kindergrundsicherung sozial gerecht funktionieren kann“, erklärt dazu Professor Jens M. Schubert, Sprecher des Bündnisses und Vorsitzender der Arbeiterwohlfahrt (AWO).

Bisher haben SPD, Bündnis 90/Die Grünen und die Linke konkrete Konzepte für eine Kindergrundsicherung vorgelegt, die FDP fordert ein Kinderchancengeld. „Für uns ist der Hintergrund und Auftrag glasklar: Die hohe Kinderarmut in Deutschland muss beendet werden. Deshalb gehört eine sozial gerechte Kindergrundsicherung in jedes Wahlprogramm“, so Schubert.

Weitere Verschärfung durch Pandemie

Das Bündnis befürchtet durch die pandemische Situation eine weitere Verschärfung der Kinderarmut. „Kinder und Jugendliche sind die großen Verlierer dieser Pandemie. Alle mussten auf so viel verzichten, was sonst zu einem unbeschwerten Aufwachsen dazugehört: Vom Kindergeburtstag bis zum Trainieren im Sportverein. Wenn in Deutschland bald wieder mehr Normalität einkehrt, werden aber viele arme Kinder weiterhin auf vieles verzichten müssen, was auch für sie normal sein sollte. Nur weil ihnen das Geld zur Teilhabe fehlt“, so Heinz Hilgers, Bündnis-Koordinator und Präsident des Kinderschutzbundes. „Um Teilhabe für alle Kinder zu gewährleisten, brauchen wir eine Kindergrundsicherung, die ihren Namen auch wirklich verdient. Denn nur so können wir wirklich einen Beitrag zur Verminderung der Kinderarmut leisten“, so Hilgers weiter.

Das Bündnis

Das Bündnis Kindergrundsicherung setzt sich seit 2009 mit einer wachsenden Zahl von Mitgliedsverbänden für einen Systemwechsel in der Kinder- und Familienförderung und für eine monatliche Kindergrundsicherung ein, die die bisherigen Leistungen bündelt und das kindliche Existenzminimum einfach und direkt sichert.

Weitere Informationen zum Bündnis Kindergrundsicherung sowie unser aktualisiertes Konzept finden Sie auf www.kinderarmut-hat-folgen.de.




Über 1,8 Millionen Kinder und Jugendliche im Hartz-IV-Bezug

Deutsches Kinderhilfswerk: Kinder in Deutschland müssen endlich besser vor Armut geschützt werden

Der prozentuale Anteil der Kinder und Jugendlichen in Hartz-IV-Haushalten bleibt auf einem erschreckend hohen Niveau. Nach aktuellen Berechnungen des Deutschen Kinderhilfswerkes liegt der Anteil der unter 18-Jährigen in Hartz-IV-Bedarfsgemeinschaften jetzt bei 33,1 Prozent. Vor fünf Jahren hatte dieser Wert noch bei 32,4 Prozent, im letzten Jahr bei 33,9 Prozent gelegen. Zum Jahresende 2020 waren von 5.596.890 Personen in Bedarfsgemeinschaften 1.854.695 Kinder und Jugendliche. Deshalb ist aus Sicht der Kinderrechtsorganisation dringend eine Gesamtstrategie zur Bekämpfung der Kinderarmut in Deutschland und eine bedarfsgerechte Kindergrundsicherung nötig.

Kinder und Jugendliche besonders von Armut bedroht

„Die von der Bunderegierung in der Corona-Pandemie bisher auf den Weg gebrachten finanziellen Unterstützungsleistungen für Familien mit Kindern sind ein Schritt in die richtige Richtung, damit nicht noch mehr Kinder auf Hartz-IV-Leistungen angewiesen sind. Den Status Quo an dieser Stelle zu halten, reicht aber nicht aus. Jeder dritte Hartz-IV-Empfänger ist ein Kind, obwohl ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung in Deutschland nur bei rund 16 Prozent liegt. Damit sind Kinder und Jugendliche mit ihren Familien in besonderem Maße von Armut betroffen. Auch deshalb hat jüngst die EU-Kommission die Mitgliedsstaaten zu größeren Anstrengungen im Kampf gegen Kinderarmut gedrängt. Auch in Deutschland gehören die Förderung armer Familien und ihrer Kinder sowie unbürokratische Zugänge zu armutsvermeidenden Leistungen auf der Prioritätenliste ganz nach oben. Mittelfristig kann die Lösung nur sein, die gesellschaftliche Teilhabe jedes Kindes eigenständig und unabhängig von der Hartz-IV-Gesetzgebung abzusichern“, betont Thomas Krüger, Präsident des Deutschen Kinderhilfswerkes.

Pauschaler Mehrbedarfszuschlag in Höhe von 100 Euro

Das Deutsche Kinderhilfswerk fordert für die Dauer der Corona-Krise einen pauschalen Mehrbedarfszuschlag in der Grundsicherung von 100 Euro pro Kopf und Monat. Denn es entstehen durch die Corona-Pandemie zusätzliche Bedarfe durch wegfallende Schul- und Kitaessen, Preissteigerungen bei Obst und Gemüse, Mehrausgaben für Hygieneartikel und Masken oder Spielzeug und Bücher für Kinder im Lockdown.

Unabhängig von den finanziellen Belastungen durch die Corona-Pandemie tritt das Deutsche Kinderhilfswerk für die Einführung einer bedarfsgerechten Kindergrundsicherung nach dem Modell des Bündnisses KINDERGRUNDSICHERUNG ein, die den bestehenden Familienlastenausgleich ablöst, bestehende kindbezogene Leistungen bündelt und das soziokulturelle Existenzminimum von Kindern unabhängig von den finanziellen Möglichkeiten der Familie, der Familienform und dem bisherigen Unterstützungssystem bedarfsgerecht gewährleistet. Die Kindergrundsicherung ist eine nachhaltige Lösung, die gesellschaftliche Teilhabe von Kindern und Jugendlichen eigenständig und unabhängig von der Hartz-IV-Gesetzgebung absichert.