Personalnot in der Kindertagesbetreuung wächst

Neues Fachkräftebarometer präsentiert aktuelle Befunde zu Personal, Arbeitsmarkt und Ausbildung

Zehn Jahre nach Einführung des Rechtsanspruchs auf einen Kita-Platz für unter Dreijährige erscheint das Arbeitsfeld Kita stark wie nie: Die amtliche Statistik zu Einrichtungen, Personal und Auszubildenden verzeichnet jährlich neue Höchstwerte. Trotz beeindruckender Zahlen herrscht Krisenstimmung. Die Personalnot in den Einrichtungen wächst ebenso wie die Sorge um eine Absenkung fachlicher Standards sowie Ausfälle in der Bildung, Betreuung und Erziehung der Kinder. Zusätzlich erhöht der 2026 beginnende Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder den Druck auf das System der Kindertagesbetreuung.

Einordung und Hinweise auf Entwicklungspotenziale

Welche Hinweise liefern die amtlichen Daten bereits heute in Hinblick auf das Krisenszenario? Wie attraktiv ist eine Beschäftigung in der Kindertagesbetreuung für den dringend benötigten pädagogischen Nachwuchs? Kann die Institution Kita ihrem Bildungsauftrag auch zukünftig gerecht werden? Diese Fragen ordnet das neu erschienene Fachkräftebarometer Frühe Bildung 2023 der Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte (WiFF) empirisch ein und gibt Hinweise auf Entwicklungspotenziale.

Personalwachstum in Kitas hält an

Die Covid-19-Pandemie hat das Personalwachstum in Kindertageseinrichtungen nicht zum Stillstand gebracht. 2022 arbeiteten in Deutschland in knapp 59.500 Kindertageseinrichtungen fast 842.000 Beschäftigte. Dies entspricht einen Anstieg um 7% seit 2019. 722.000 Personen sind pädagogisch und leitend tätig; 257.800 Personen mehr als noch zehn Jahre zuvor. Mit einem Männeranteil von lediglich 8% ist das Arbeitsfeld nach wie vor weiblich dominiert. Dennoch ist es zuletzt gelungen, verstärkt männliche Nachwuchskräfte zu gewinnen. So liegt der Männeranteil bei den unter 30-Jährigen bei knapp 13% und ist damit deutlich höher als bei den über 30-Jährigen mit 6%.

Rückgänge bei der Kindertagespflege

In der Kindertagespflege setzt sich der Wachstumstrend nicht mehr fort. Zwischen 2020 und 2022 ist die Zahl der Tagespflegepersonen sogar von rund 44.800 auf 41.900 gesunken. Anders als in den Vor-Corona-Jahren nahm auch die Zahl der betreuten Kinder ab. Zuletzt waren es noch 166.300 gegenüber rund 174.000 Kindern im Jahr 2020 (-4%). Eine Tagespflegeperson betreut aktuell im Schnitt vier Kinder. Damit liegt die Betreuungsrelation auf dem gleichen Niveau wie bei Krippenkindern in Kitas. Mit dem Rückgang in der Tagespflege erhöht sich der Druck auf das Kita-System, den U3-Ausbau weiter voranzutreiben.

Das Arbeitskräftereservoir ist weggeschmolzen

Der arbeitnehmerfreundliche Arbeitsmarkt hat sich positiv auf die Beschäftigungsbedingungen ausgewirkt. Waren 2015 noch 15% aller pädagogisch und leitend Tätigen befristet angestellt, lag dieser Wert 2022 nur noch bei 11%. Zwischen 2012 und 2021 sind die Gehälter in der Frühen Bildung um 26% gestiegen. Dennoch wächst die Lücke zwischen offenen Stellen und Personen, die diese besetzen könnten. Kamen im Jahr 2012 noch 142 arbeitslos gemeldete Erzieherinnen und Erzieher auf 100 offene Stellen, so waren es zuletzt nur noch 62. Die Zahl der Stellenangebote für diese Berufsgruppe ist in den letzten drei Jahren um 20% gestiegen, während die Zahl der arbeitslos gemeldeten Personen um 4% zurückgegangen ist. Die berufsspezifische Arbeitslosenquote liegt in der Frühen Bildung bei gerade mal 1,1%.

Ausbildungssystem stößt an Kapazitätsgrenzen

In den letzten zwei Jahren wurden 44 Fachschulen für Sozialpädagogik neu gegründet. Die dort angebotene Ausbildung zur Erzieherin und zum Erzieher verzeichnete im selben Zeitraum ebenfalls steigende Zahlen von Anfängerinnen und Anfängern. Die jährlichen Zuwächse lagen mit jeweils 3% allerdings deutlich unter denen von vor 10 Jahren (+9%). Für den weiteren Ausbau fehlen zunehmend Räumlichkeiten und Lehrkräfte, wie Studien der WiFF zeigen. Die akademisch ausgebildeten Kindheitspädagoginnen und -pädagogen bilden im Arbeitsfeld weiterhin eine kleine Gruppe. Im Jahr 2022 verfügten nur 1,5% der Kita-Fachkräfte über ein entsprechendes Studium. Dieser Befund korrespondiert mit dem Umstand, dass die Ausbaudynamik kindheitspädagogischer Studiengänge in den vergangenen fünf Jahren zum Stillstand gekommen ist. Im Jahr 2021 haben 3.800 Studierende ein Bachelor- und 423 ein Master-Studium aufgenommen. Die Zahlen der Absolventinnen und Absolventen eines Bachelor-Studiengangs sind seit 2019 rückläufig: 2021 schlossen 2.162 Personen ein solches Studium ab – 10% weniger als im Vorjahr.

„Bei der Fachkräftegewinnung muss eine höhere Aufmerksamkeit darauf liegen, dass Schülerinnen und Schüler sowie Studierende die einschlägigen Ausbildungsgänge auch erfolgreich abschließen. Dafür benötigen wir eine engere individuelle Begleitung während Ausbildung und Studium, aber auch in der Phase der Einmündung in den Beruf“, sagt Professorin Dr. Kirsten Fuchs-Rechlin, Leitung der WiFF und der Autorengruppe Fachkräftebarometer.

Bildungs- und Betreuungsqualität hängt weiterhin vom Wohnort ab

Immer noch gibt es große regionale Unterschiede hinsichtlich der Qualität in den Einrichtungen. So variiert die Zeit, die Leitungskräften in Einrichtungen vergleichbarer Größe für ihre Tätigkeit zur Verfügung steht, in den Bundesländern um bis zu 15 Wochenstunden. Auch der Personal-Kind-Schlüssel unterscheidet sich – trotz erzielter Verbesserungen – stark. Pro Fachkraft liegt die Varianz in Krippengruppen bei bis zu drei Kinder, in Kindergartengruppen bei bis zu fünf und in Schulkinder-gruppen bei bis zu elf Kindern. Unterschiedliche Wege gehen die Länder zudem beim Qualifikationsniveau des Personals und dem Einsatz von Assistenz- und Hilfskräften.

„Insgesamt zeigt das Fachkräftebarometer Frühe Bildung einmal mehr, wie wichtig es ist, eine Grundlage an verlässlichen und fortschreibbaren Daten zur Verfügung zu haben, die dabei behilflich sind, Erfolge und Errungenschaften ebenso zu würdigen wie ausstehende Herausforderungen klar beim Namen zu nennen. Nur so lassen sich Krisen konstruktiv bewältigen“, bilanziert Professor Dr. Thomas Rauschenbach, der die Autorengruppe Fachkräftebarometer gemeinsam mit Professorin Dr. Fuchs-Rechlin leitet.

Fachkräftebarometer Frühe Bildung

Das Fachkräftebarometer Frühe Bildung liefert alle zwei Jahre auf Basis amtlicher Daten ausführliche Informationen über Personal, Arbeitsmarkt, Erwerbssituation sowie Ausbildung und Qualifizierung in der Frühpädagogik sowie im Ganztag. Mit dem aktuellen Band erscheint die nunmehr fünfte Ausgabe des Berichts.

Die Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte (WiFF) ist ein Projekt des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF), der Robert Bosch Stiftung und des Deutschen Jugendinstituts (DJI). WiFF wird in Kooperation mit dem Forschungsverbund DJI/TU Dortmund durchgeführt und aus Mitteln des BMBF gefördert.

Originalpublikation:

Autorengruppe Fachkräftebarometer (2023): Fachkräftebarometer Frühe Bildung 2023. Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte

https://www.doi.org/10.3278/9783763976287

Sonja Waldschuk Abteilung Medien und Kommunikation, Deutsches Jugendinstitut e.V.




Kinderbetreuungsreport: Angebote der Kita-Betreuung weiter ausbauen

KiBS-Studie des DJI beschreibt hohen Betreuungsbedarf sowie die tatsächliche Nutzung eines Betreuungsplatzes

Wie viele Eltern haben Bedarf an Kinderbetreuung und welche Betreuungsform wünschen sie sich? Wie hat sich der Bedarf in den vergangenen Jahren entwickelt? Diese und weitere Fragen müssen geklärt werden, um den Status Quo und den Bedarf des quantitativen Ausbaus der Kindertagesbetreuung in Deutschland zu ermitteln und zu steuern.

Im Rahmen der DJI-Kinderbetreuungsstudie (KiBS) des Deutschen Jugendinstituts (DJI) analysieren die Forschenden daher mittels einer jährlichen, länderrepräsentativen Elternbefragung Betreuungsbedarf und Betreuungssituation von Kindern ab der Geburt bis zum Ende der Grundschulzeit. Die Studie ermittelt seit mittlerweile elf Jahren auch Diskrepanzen zwischen dem Bedarf und der Verfügbarkeit von Kindertagesbetreuung.

Elterlicher Betreuungsbedarf bei U3-Kindern

Die jetzt vorliegende Studie 1 des DJI-Kinderbetreuungsreports 2022 befasst sich mit dem elterlichen Betreuungsbedarf bei unter dreijährigen Kindern (U3-Kinder) und Kindern zwischen drei Jahren und dem Schuleintritt (U6-Kinder). Die zweite und dritte Welle der Corona-Pandemie, die in den Zeitraum der Erhebung fielen, sorgten immer wieder für Kita-Schließungen und unsichere Betreuungssituationen.

Laut dem jährlich erscheinenden Bericht „Kindertagesbetreuung Kompakt – Ausbaustand und Bedarf 2021“ des Bundesfamilienministeriums (BMFSFJ), in welchen auch die KiBS-Daten miteinfließen, betrug die Betreuungsquote im Jahr 2021 trotz des unsteten und unsicheren Betreuungsalltags bei unter Dreijährigen 34,4 Prozent. Stellt man die Quote den elterlichen Bedarfen gegenüber, lag die Differenz zwischen Betreuungsquote und Bedarf bei Eltern von U3-Kindern dennoch bei 12,4 Prozent (siehe Kindertagesbetreuung Kompakt 2022). „Diese Differenz ist gerade bei Kindern unter drei Jahren groß. Jährlich melden uns deutlich mehr Eltern einen Betreuungsbedarf als tatsächlich einen Platz zur Verfügung hatten. Um dem elterlichen Bedarf gerecht werden zu können, müsste das Angebot an Kindertagesbetreuung weiter ausgebaut werden und auch die zeitliche Passgenauigkeit müsste sich stärker an den Bedürfnissen der Eltern orientieren“, empfiehlt die DJI-Wissenschaftlerin Theresia Kayed.

Jeder Zweite wünscht sich einen Betreuungsplatz

Fast die Hälfte der Eltern mit einem Kind unter drei Jahren wünschte sich einen Betreuungsplatz. Die Forschenden beobachteten mit zunehmendem Alter des Kindes steigende Bedarfe. Dabei haben Eltern in Westdeutschland einen etwas geringeren Bedarf als Eltern in Ostdeutschland.

Ein Großteil der Eltern von U3-Kindern in Westdeutschland bevorzugte Betreuungszeiten im Umfang von bis zu 35 Stunden wöchentlich. Eltern in Ostdeutschland wollten mehrheitlich eine Betreuung mit mehr als 35 Stunden wöchentlich. Ganztagsplätze mit mehr als 45 Stunden wöchentlich werden immer seltener gewünscht. Auch wenn ein Betreuungsplatz vorhanden war, war bei Eltern mit ein- oder zweijährigen Kindern eine Abdeckung der gewünschten Betreuungszeiten nicht immer möglich, in Westdeutschland dabei seltener als in Ostdeutschland.

In den Jahren 2020 und 2021 wünschten Eltern mit einem Kind unter drei Jahren etwas seltener eine Betreuung als noch vor der Corona-Pandemie. Dies ist vor allem bei Eltern von einjährigen Kindern der Fall. Wegen der nach wie vor bestehenden Lücke zwischen Betreuungsbedarf und -verfügbarkeit sollten die Plätze in der Kindertagesbetreuung trotzdem aufgestockt werden, empfehlen die Autorinnen und Autoren der Studie.

Fast alle Eltern eines Kindes zwischen drei Jahren und dem Schuleintritt wünschten sich im Jahr 2021 eine Betreuung für ihr Kind. Die Nachfrage nach kürzeren Betreuungsumfängen war bei Eltern in Westdeutschland größer als bei Eltern in Ostdeutschland. Bei einem Großteil der Eltern von U6-Kindern ist der Bedarf zeitlich gedeckt. Trotzdem nutzten acht Prozent der Eltern einen Betreuungsplatz in einem geringeren Umfang als eigentlich gewünscht.

Das KiBS-Team

Seit sechs Jahren erarbeitet das KiBS-Team jährlich eine Reihe von vertieften Analysen, die im Format des DJI-Kinderbetreuungsreports als Serie thematisch fokussierter Studien verfügbar sind. Die Auswertungen beschäftigen sich etwa mit den Kosten der Kindertagesbetreuung, den Gründen für eine Nichtinanspruchnahme von Kindertagesbetreuung oder der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Im Report 2022 werden die zentralen Indikatoren der Erhebung aus dem Jahr 2021 vorgestellt.

Seit dem Jahr 2016 werden auch die elterlichen Bedarfe für Grundschulkinder erhoben und ausgewertet. Detaillierte Ergebnisse zu den Betreuungsbedarfen der Kinder im Grundschulalter sind in Studie 2 des Reports 2022 zu finden. Vor dem Hintergrund eines ab dem Jahr 2026 geltenden Rechtsanspruchs auf ganztägige Betreuung für Grundschulkinder gibt sie Einblicke in die Betreuungssituation.

KiBS wird durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) gefördert. Die Forschungsergebnisse werden unter anderem in der Broschüre „Kindertagesbetreuung Kompakt“ des BMFSFJ publiziert, dort vor allem zu den Themen des Betreuungsbedarfs sowie zu Häufigkeit und Umfang der tatsächlichen Nutzung der Kindertagesbetreuung.

Hier geht es zur Studie

Sonja Waldschuk, Deutsches Jugendinstitut e.V.




Hauptproblem „Fachkräftemangel“ – In 2023 fehlen 384.000 Kita-Plätze

Neue Bertelsmann Studie offenbart enorme Lücken bei der Kinderbetreuung auch im kommenden Jahr

In Deutschland gibt es noch immer zu wenig Kita-Plätze, um die Nachfrage zu decken. Gemessen an den Betreuungswünschen fehlen im kommenden Jahr voraussichtlich bis zu 383.600 Plätze bundesweit: 362.400 im Westen und 21.200 im Osten. Das geht aus neuen Berechnungen der Bertelsmann Stiftung für das aktuelle Ländermonitoring Frühkindliche Bildungssysteme hervor.

Knapp 100.000 neue Fachkräfte benötigt

Um den Betreuungsbedarf der Eltern zu erfüllen, müssten zusätzlich zum vorhandenen Personal weitere 93.700 Fachkräfte im Westen und 4.900 im Osten eingestellt werden. Für diese insgesamt 98.600 Personen würden zusätzliche Personalkosten von 4,3 Milliarden Euro pro Jahr entstehen, von denen der Großteil (4,1 Milliarden Euro) auf die westdeutschen Bundesländer entfiele. Hinzu kämen Betriebs- und mögliche Baukosten für Kitas. Noch herausfordernder als die Finanzierung wird es jedoch sein, die benötigten Fachkräfte für die Kitas zu gewinnen.

Die meisten Plätze fehlen in NRW

Um die Zahl der fehlenden Kita-Plätze in allen Bundesländern zu ermitteln, hat die Bertelsmann Stiftung die Betreuungsquoten der Kita-Kinder im Jahr 2021 mit dem Anteil der Eltern abgeglichen, die im gleichen Jahr in der Kinderbetreuungsstudie des Deutschen Jugendinstituts (DJI) einen Betreuungsbedarf äußerten. Ein genauerer Blick zeigt, dass in fast allen Bundesländern, vor allem in den westdeutschen, die Nachfrage der Eltern nach Kita-Plätzen höher ist als der Anteil an Kindern, die 2021 betreut wurden.

Der größte Mangel besteht im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen mit 101.600 fehlenden Kita-Plätzen, während in Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen kein Platzausbau erforderlich ist.

Auch in den Stadtstaaten ist der Platzmangel unterschiedlich ausgeprägt. In Berlin gibt es 17.000 Kita-Plätze zu wenig, was einer Unterversorgung von rund sieben Prozent entspricht. In Bremen fehlen 5.400 (rund dreizehn Prozent) und in Hamburg 3.700 Plätze (drei Prozent).

Über doppelt so viele Krippen- wie Kindergarten-Plätze benötigt

Der Ausbaubedarf unterscheidet sich darüber hinaus nach Altersgruppe. Den Berechnungen zufolge fehlen für unter dreijährige Kinder in Westdeutschland rund 250.300 Kita-Plätze, in Ostdeutschland (inklusive Berlin) sind es rund 20.700. Für die Kinder ab drei Jahren gibt es in den westdeutschen Bundesländern 112.100 Plätze zu wenig, gegenüber 500 im Osten.

„Rechtsanspruch auf Betreuungsplatz endlich erfüllen“

„Trotz des massiven Kita-Ausbaus in den vergangenen Jahren finden noch immer zu viele Eltern keinen Platz für ihre Kinder. Das ist in doppelter Hinsicht untragbar: Die Eltern müssen die Betreuung selbst organisieren, während den Kindern ihr Recht auf professionelle Begleitung in der frühen Bildung vorenthalten wird. Schon jetzt ist abzusehen, dass sich der gesetzlich verankerte Rechtsanspruch auf einen Platz in der Kindertagesbetreuung auch 2023 vielerorts nicht einlösen lässt“, sagt Anette Stein, Expertin für frühkindliche Bildung der Bertelsmann Stiftung. Seit 2013 gilt der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr, für Kinder ab drei Jahren besteht er schon seit 1996.

Und wo bleibt die Qualität?

Die Problemlage tritt noch deutlicher zutage, wenn auch die Qualität der frühkindlichen Bildung verbessert werden soll. Denn noch immer werden bundesweit 68 Prozent aller Kita- Kinder in Gruppen betreut, deren Personalschlüssel nicht den wissenschaftlichen Empfehlungen entsprechen. In Ostdeutschland trifft dies auf rund 90 Prozent der Kita-Kinder zu, doch auch im Westen ist der Anteil mit 63 Prozent zu hoch.

Damit 2023 nicht nur ausreichend Kita-Plätze zur Deckung der Betreuungsbedarfe bereitstehen, sondern auch alle Plätze kindgerechte Personalschlüssel aufweisen, müssten 308.800 Fachkräfte zusätzlich beschäftigt werden. Das entspräche Personalkosten von rund 13,8 Milliarden Euro jährlich.

Wunsch und Realität

„Die Länder und Kommunen müssen den Platzausbau jetzt mit Nachdruck vorantreiben“, sagt Anette Stein. Zwar sieht das neue Kita-Qualitätsgesetz vor, dass der Bund 2023 und 2024 jeweils bis zu zwei Milliarden Euro für die frühkindliche Bildung bereitstellt. Doch weil diese Mittel nicht reichen werden, sei es laut Stein unausweichlich, dass der Bund in größerem Umfang in die dauerhafte Finanzierung des Kita-Systems einsteigt. Die Bundesmittel sollten dazu eingesetzt werden, den Qualitätsausbau in Form kindgerechter Personalschlüssel voranzutreiben. Dieses Vorhaben hat die Ampelregierung im Koalitionsvertrag vereinbart.

Arbeitsbedingungen spürbar verbessern – auch durch bessere Personalausstattung

Allerdings sind die Kosten nicht das Kernproblem. „Die größte Hürde auf dem Weg zu genügend Plätzen und mehr Qualität in der frühkindlichen Bildung ist und bleibt der enorme Fachkräftemangel. Es muss jetzt sehr schnell gelingen, viel mehr Personen für das Berufsfeld zu gewinnen“, betont Stein, und verweist auf die Wechselwirkung: „Mit mehr Personal verbessern sich die Arbeitsbedingungen für alle. Damit steigen die Chancen, dass sich mehr Menschen für die Arbeit in einer Kita entscheiden, und zugleich die vorhandenen Fachkräfte im Beruf verbleiben.“ Damit mittelfristig eine bessere Personalausstattung möglich ist, braucht es eine verbindliche Strategie, wie zukünftig mehr und qualifiziertes Personal hinzukommen wird. Hierfür können gesetzlich verankerte Stufenpläne hilfreich sein. Ansonsten verlieren die Kitas ihre Attraktivität als Arbeitsplatz und können ihren Bildungsauftrag nicht mehr erfüllen.

Kein Ende des Mangels in Sicht

Es wird Zeit beanspruchen, die benötigten Fachkräfte zu gewinnen und vor allem zu qualifizieren. Dennoch muss es bereits jetzt gelingen, das vorhandene Kita-Personal zu entlasten. Dazu kann die zusätzliche Beschäftigung von Hauswirtschaftskräften gehören. Vor allem aber sollte das jetzige Aufgabenspektrum von Kitas konsequent überprüft und priorisiert werden. Denn die Anforderungen an das Kita-Personal sind sehr vielfältig und lassen sich mit der aktuellen Personalbemessung nicht mehr umsetzen. „Die Politik muss gemeinsam mit der Praxis und mit Beteiligung der Eltern die Frage beantworten: Worauf kann verzichtet werden, ohne das Recht der Kinder auf Bildung und gutes Aufwachsen zu verletzen?“, so Stein.

Zusatzinformationen

Für das Ländermonitoring Frühkindliche Bildungssysteme wurden Daten der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder aus der Kinder- und Jugendhilfestatistik (Stichtag 1. März 2021), des BMFSFJ („Kindertagesbetreuung Kompakt“, 2021) und weiteren amtlichen Statistiken ausgewertet. Die Berechnungen haben das LG Empirische Bildungsforschung der FernUniversität in Hagen, Economix Research & Consulting und die Bertelsmann Stiftung durchgeführt. Die Daten und Quellen sind auf der Seite www.laendermonitor.de sowie in den Länderprofilen unter www.laendermonitor.de/laenderprofile zu finden. Eine kompakte Darstellung der Ergebnisse bietet dazu die Online-Broschüre www.bertelsmann-stiftung.de/kita-personal-braucht-prioritaet.

Quelle: Mitteilung Bertelsmann Stiftung




Trotz Kita-Ausbau: Oma und Opa weiter dringend gefragt

Neue Broschüre des BiB und des DIW Berlin zur Kinderbetreuung durch die Großeltern

Großeltern spielen bei der Betreuung von Kindern eine große Rolle – und das hat sich auch durch den Kita-Ausbau in Deutschland kaum verändert, wie eine eben in Berlin vorgestellte Studie zeigt. Das zweijährige Forschungsprojekt des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB) und des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) weist auf der Basis repräsentativer Daten nach, dass Oma und Opa ein wichtiger Bestandteil und eine Hilfe im Leben von jungen Familien sind. Der Anteil der Jungen und Mädchen unter sechs Jahren, deren Großeltern nach Bedarf oder regelmäßig an der Betreuung beteiligt sind, liegt in Deutschland bei über 50 Prozent. Regelmäßig werden in einer normalen Woche zwischen 20 und 40 Prozent der Mädchen und Jungen unter 10 Jahren von den Großeltern beaufsichtigt.

Wichtige Komponente im Leben von jungen Familien

Oma und Opa werden nicht nur aus emotionalen, sondern auch aus ganz praktischen Gründen gebraucht: Zwar besuchen neun von zehn Vorschul-Kindern in Deutschland eine Kita, dennoch kümmern sich Großeltern – größtenteils Großmütter – zusätzlich um jedes zweite Klein- und Vorschulkind. „Großelternbetreuung ist in den letzten Jahren trotz Kita-Ausbau weitgehend konstant geblieben, sie ist eine wichtige Komponente im Leben von jungen Familien, und hilft den Eltern“, erläutert Professorin C. Katharina Spieß, die mit ihrem Team seit Juni 2020 am Projekt „Oma und Opa gefragt?“ geforscht hat. Eltern, die dazu keine Möglichkeit hätten, wünschten sich in großem Maß eine stärkere Einbindung von Oma und Opa – das äußerten rund zwei Drittel der im Panel abgebildeten Familien.

Im Westen Deutschlands sind die Großeltern am Nachmittag neben den Eltern bei jungen Kindern sogar die Hauptbetreuungsform, im Osten werden sie am Nachmittag dabei sehr häufig mit der Kita kombiniert, beispielsweise um die (Randzeiten-) Umsorgung der unter 10-Jährigen sicherzustellen.

Augenmerk auf „Betreuungs-Patchwork“

Allerdings zeigt die Studie auch: Wenn Oma- und Opa-Betreuung in Kombination mit zu vielen Bezugspersonen – ganztags Kita, danach Großeltern und dann Eltern – genutzt wird, können sich negative Effekte im sozio-emotionalen Bereich ergeben. Die Wahrscheinlichkeit, dass Kinder zwischen drei und fünf Jahren sozio-emotional instabiler sind, erhöht sich um 36 Prozent, wenn Mädchen und Jungen „im Ganztag“ sind und zusätzlich von den Großeltern betreut werden. Diese Effekte sind für Kinder, die nur halbtags eine Kita besuchen, nicht zu beobachten.

„Die Familien- und Bildungspolitik muss sich der Frage stellen, wie eine stabile und damit qualitativ gute Betreuungsumwelt in Kitas und dem schulischen Ganztag bei einer Kombination mehrerer Betreuungsformen gesichert werden kann“, so Johannes Hauenstein, Vorstand der Stiftung Ravensburger Verlag, die das Forschungsprojekt gefördert hat. Etwa den Wechsel der Fachkräfte in den Kitas auf ein notwendiges Maß reduzieren, indem das Arbeitsumfeld so attraktiv gemacht wird, dass die Pädagoginnen und Pädagogen hier über einen längeren Zeitraum arbeiten und das aus Sicht der Kita-Kinder idealerweise in Vollzeit.

Zufriedene Mütter haben sozio-emotional stabilere Kinder

Wissenschaftlich bis jetzt selten belegt, konnten die Forscherinnen nun empirisch messbar nachweisen: Helfen Großeltern mit, unterstützt das vor allem die Mütter, die nach wie vor die Hauptbetreuungsperson sind. Zwei Effekte kann man beobachten: Die Mütter sind zufriedener mit ihrer Kinderbetreuungs-Situation und mit ihrer eigenen Freizeit. Erstere steigt um elf Prozent, die Zufriedenheit mit der Freizeit erhöht sich sogar um 14 Prozent. Diese Effekte sind besonders groß in Haushalten mit Kindern bis sechs Jahren.

Bei den Vätern sind die Effekte auf die Zufriedenheit nicht so groß. Diese Zahlen zeigen, wie Oma und Opa die Entwicklung der Mädchen und Jungen entscheidend mitprägen, so Spieß: „Die Steigerung der mütterlichen Zufriedenheit hat einen direkten Zusammenhang mit der kindlichen Entwicklung. Salopp gesagt: Zufriedene Mütter haben sozio-emotional stabilere Kinder.“

Handlungsempfehlungen

„Um Einbußen in der Betreuungsqualität und damit Belastungen der Kinder zu verhindern, ist es unerlässlich, in Kitas oder dem schulischen Ganztag eine stabile Betreuungsumwelt zu bieten,“ folgern die Wissenschaftler:innen. Ein wichtiger Faktor dafür sei, dass Kinder so oft wie möglich von denselben pädagogischen Fachkräften betreut würden – an einem Betreuungstag, aber auch über die Kita-Zeit hinweg. Dies wiederum setze für die Fachkräfte ein so attraktives Arbeitsumfeld voraus, dass sie über einen längeren Zeitraum darin verbleiben möchten. Da nicht alle Familien auf Großeltern zurückgreifen können, sollte es zudem möglich sein, mithilfe der Unterstützung von ehrenamtlichen oder professionellen „Großelterndiensten“ Ausgleich zu schaffen.

Die Befunde der Studie zur Großelternbetreuung machen insgesamt deutlich, dass Eltern vor großen Herausforderungen stehen – auch wenn Kitas weiter ausgebaut werden.

Die Analysen basieren auf Daten des pairfam-Panels, des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) und der DJI-Kinderbetreuungsstudie KiBS. Diese Daten wurden in Abhängigkeit der Fragestellung und der Verfügbarkeit für die Jahre 1997-2020 ausgewertet.

Quelle: Presseabteilung Stiftung Ravensburger und BiB




Mütter von Flüchtlingskindern lernen mit

Deutschkenntnisse geflüchteter Mütter verbessern sich, wenn ihre Kinder eine Betreuungseinrichtung besuchen

Der Besuch institutionalisierter Betreuungs- und Bildungseinrichtungen kommt nicht nur den geflüchteten Kindern selbst, sondern auch ihren Müttern zugute. „Schulkinder und betreute kleinere Kinder im Haushalt sind für geflüchtete Mütter offenbar eine Sprachlernressource. Kleinere Kinder ohne institutionalisierte Betreuung haben eher Mütter mit geringeren Deutschkenntnissen“, berichtet Forscherin des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), Sarah Bernhard. Bei Vätern hingegen besteht dieser Zusammenhang nicht, was auf eine geschlechtsspezifische Arbeitsteilung von Müttern und Vätern zurückzuführen ist. „Die primäre Zuständigkeit der Mütter für die Sorgearbeit verhilft ihnen zu Berührungspunkten mit der deutschen Sprache – Berührungspunkte, die sich für Väter nicht in gleicher Weise ergeben“, so Bernhard.

Individuelle Lebensumstände erschweren den Lernprozess

Allerdings erschweren individuelle Lebensumstände den Lernprozess. Geflüchtete berichten von der Not oder dem Pflegebedarf enger Verwandter und der Verpflichtung, schnell Geld zu verdienen, um Verwandte zu unterstützen. Bei psychisch sehr belasteten Geflüchteten behindern Traumatisierungen den Lernprozess oftmals so nachhaltig, dass vier Jahre nach der Flucht kaum Verbesserungen der Deutschkenntnisse erkennbar waren. „Diese Beobachtungen rufen die besondere Lebenssituation in Erinnerung, in denen Geflüchtete den Spracherwerb angehen. Für psychisch stark belastete Personen können Sprachlernangebote Teil von längerfristig ausgerichteten Unterstützungsangeboten sein“, erklärt IAB-Forscher Stefan Bernhard.

Schwieríge Bedingungen durch lange Wartezeiten auf Kurse

Lange Wartezeiten vor Beginn und zwischen den Kursen sowie ein eingeschränktes Lernangebot für Frauen mit kleinen Kindern und Menschen mit besonderen Lernbedarfen erschweren den Zweitspracherwerb zusätzlich. „Sprachlernangebote sollten stärker auf die Lebensrealität der Geflüchteten ausgerichtet werden. Um beispielsweise Mütter mit kleinen, unbetreuten Kindern, Analphabeten und Analphabetinnen, oder Menschen mit Behinderungen zu erreichen, scheint es angebracht, die Diversifizierung des Deutschkursangebots weiter voranzutreiben“, so Bernhard.

Studie online abrufbar

Die IAB-Studie ist online abrufbar unter https://doku.iab.de/kurzber/2021/kb2021-26.pdf. Sie basiert auf Daten der IAB-BAMF-SOEP-Befragung aus dem Jahr 2016 von rund 4.500 Geflüchteten, die davor Asyl in Deutschland beantragten, sowie auf biografischen Interviews mit 59 Geflüchteten, die um das Jahr 2015 nach Deutschland kamen und ein- oder zweimal an den Befragungen der IAB-Studie „Netzwerke der Integration“ zwischen 2017 und 2020 teilnahmen.




Väterreport: zwischen Wunsch und Wirklichkeit

Das Bundesfamilienministerium (BMFSFJ) hat den Väterreport  2021 veröffentlicht – Hier zum Download

Der Väterreport beschreibt regelmäßig auf Basis amtlicher Statistiken, wissenschaftlicher Studien und repräsentativer Bevölkerungsbefragungen die Lebenslagen von Vätern in Deutschland. Neben ihren Werten und Einstellungen nimmt der Report das Familienleben der Väter und ihre berufliche Situation in den Blick. Zum zweiten Mal stellt der Report auch die Situation von Vätern, die in Trennung leben, dar. Ein eigenständiges Kapitel thematisiert die Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie auf Beruf und Familie.

Immer mehr Väter wollen Aufgaben partnerschaftlich teilen

Der Väterreport zeigt: Immer mehr Väter wollen heute die Familienaufgaben und die Verantwortung für das Familieneinkommen partnerschaftlich teilen, anders als die Generation zuvor. Väter wollen mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen. Sie wollen gemeinsam mit der Mutter für die Kinder verantwortlich sein.

Auch nach einer Trennung wollen sich viele Väter aktiv an Kinderziehung und -betreuung beteiligen. Getrennt lebende Väter geben zu großen Anteilen (48 %) an, dass sie sich gerne mehr um Erziehung und Betreuung ihrer Kinder kümmern möchten.

Elterngeld und Elternzeit sind wirksame Mittel

Elterngeld und Elternzeit sind wirksame Instrumente, die immer mehr Väter dabei unterstützen, zumindest zeitweise im Beruf kürzer zu treten und sich stärker familiär zu engagieren. Mittlerweile nehmen über 42 % der Väter Elternzeit, beziehen dabei Elterngeld und nehmen sich damit Zeit für ihre Kinder. Die „Väterzeit“ ist von einer Ausnahme zum in Wirtschaft und Gesellschaft weithin akzeptierten und gelebten Modell geworden. Zusätzlich unterstützen Unternehmen die Väter und passen ihr Angebot familienbewusster Personalmaßnahmen auf ihre Bedürfnisse an.

Erwerbstätigkeit von Vätern ist gleich geblieben

Weder die sich wandelnden Einstellungen noch die stärkere Teilhabe am Familienleben durch das Elterngeld haben jedoch nachhaltig die Erwerbstätigkeit von Vätern verändert. Väter sind nach der Elternzeit immer noch überwiegend in Vollzeit erwerbstätig. 68 % der Mütter von minderjährigen Kindern arbeiten in Teilzeit, aber nur 7 % der Männer. Hier zeigen sich Wunsch und Wirklichkeit: Nur 17 % der Eltern übernehmen etwa gleiche Teile bei der Kinderbetreuung, während sich 45 % eine partnerschaftliche Aufteilung wünschen. 52 % der Väter würden gerne weniger arbeiten. 42 % der Mütter wollen dagegen gerne ihre Erwerbstätigkeit wieder aufnehmen oder ausweiten.

Elternzeit und Elterngeld deutlich verlängern!

Der Report empfiehlt daher, die positiven Effekte von Elternzeit und Elterngeld deutlich zu verlängern und über eine Familienarbeitszeit zu einer existenzsichernden und vollzeitnahen Erwerbstätigkeit sowohl von Müttern, als auch von Vätern beizutragen.

Der Väterreport zeigt erhebliche Auswirkungen der Corona-Pandemie. Während viele Väter in Kurzarbeit oder im Homeoffice tätig waren, engagierten sie sich stärker in der Familienarbeit. Die tägliche Kinderbetreuungszeit von Vätern aus Paarfamilien stieg auf durchschnittlich 5,3 statt 2,8 Stunden täglich (+ 89 %). Mütter übernahmen dennoch weiter den deutlich größeren Teil der Familienarbeit: während der Lockdowns durchschnittlich 9,6 statt bisher 6,7 Stunden Kinderbetreuungszeit pro Tag (+ 43 %). Der Väterreport wertet diese Pandemie-Erfahrungen als Chance, die Familienarbeit nachhaltiger partnerschaftlich aufzuteilen.

Eltern im „täglichen Spagat“

Bundesfamilienministerin Christine Lambrecht: „Die meisten Eltern wünschen sich eine partnerschaftliche Vereinbarkeit von Familie und Beruf und mehr Zeit für ihre Kinder. Doch dies zu erreichen ist ein täglicher Spagat. Dabei brauchen Familien die bestmögliche Unterstützung: durch moderne Familienleistungen, die Partnerschaftlichkeit fördern, und durch gute Kitas und Ganztagsschulen.

Heute teilen sich in jeder sechsten Familie beide Eltern die Kinderbetreuung gleichermaßen auf. Trotzdem klaffen in den meisten Familien Wunsch und Wirklichkeit noch auseinander. Der Väterreport zeigt, dass viele Väter sich gerne deutlich mehr an der Betreuung ihrer Kinder beteiligen würden. Corona hat trotz aller Belastungen gezeigt, dass eine partnerschaftlichere Aufgabenteilung möglich ist, auch dank einer veränderten Arbeitswelt. Viele Väter haben sich in dieser Zeit mehr als je zuvor um die Bildung und Betreuung ihrer Kinder gekümmert. Das sind Erfahrungen, an die Familien, aber auch wir als gesamte Gesellschaft, anknüpfen können.

Die positiven Effekte, die Elternzeit und Elterngeld für die Partnerschaftlichkeit haben, müssen wir stärken. Gerade erst haben wir das Elterngeld flexibler und partnerschaftlicher gemacht, vor allem durch mehr Teilzeitmöglichkeiten. Jetzt geht es darum, Mütter und Väter über längere Zeit als bisher dabei zu unterstützen, sich die Verantwortung für Job und Familie partnerschaftlich zu teilen.“

Der Väterreport stützt sich unter anderem auf Erkenntnisse einer aktuellen Befragung des Instituts für Demoskopie Allensbach zu „Elternzeit, Elterngeld und Partnerschaftlichkeit“.

Den Väterreport. Update 2021 finden Sie hier:
www.bmfsfj.de/vaeterreport




Corona führt zunehmend zu traditioneller Rollenverteilung

In erster Linie haben Mütter die Schul- und Kitaschließungen kompensiert

In erster Linie Mütter haben während des coronabedingten ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 die Kita- und Schulschließungen kompensiert und ihre Kinder selbst betreut. Das geht aus einer aktuellen Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) auf Basis von pairfam-Daten hervor.

Starker Anstieg der Kinderbetreuung und Hausarbeit bei Frauen

So hat sich der Anteil der Familien in Deutschland, in denen die Frauen die Kinderbetreuung fast vollständig übernehmen, im Vergleich zum Vorpandemiejahr 2019 von etwa acht auf 16 Prozent verdoppelt. Die Hausarbeit erledigen in fast 27 Prozent der Familien – statt zuvor in rund 22 Prozent – fast vollständig die Frauen.

Allerdings bleibt der Anteil der Paare, die sich die Sorgearbeit egalitär aufteilen, infolge der Pandemie weitgehend unverändert. Zudem gibt es sogar wenige Familien mehr als zuvor, in denen der Mann fast vollständig oder überwiegend Kinderbetreuung und Hausarbeit übernimmt – allerdings handelt es sich dabei um nicht mehr als etwa fünf Prozent der Familien.

Quelle: DIW

„Mit Blick auf die Aufteilung der Sorgearbeit während der Corona-Pandemie ergibt sich ein differenziertes Bild“, erklärt Katharina Wrohlich, Leiterin der Forschungsgruppe Gender Economics in der Abteilung Staat des DIW Berlin. „In Familien, in denen sich Frauen schon zuvor deutlich mehr um Kinderbetreuung und Haushalt gekümmert haben, ist das Ungleichgewicht während der Corona-Pandemie aber noch größer geworden“, so C. Katharina Spieß, Leiterin der Abteilung Bildung und Familie.

Wahrnehmung der Aufteilung von Sorgearbeit sehr unterschiedlich

Gemeinsam mit Jonas Jessen, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Abteilung Bildung und Familie, haben Spieß und Wrohlich Daten des Beziehungs- und Familienpanels pairfam ausgewertet. Im Rahmen dieser Längsschnittstudie werden jährlich rund 12.000 Personen befragt. Im Frühjahr 2020 wurde eine Corona-Zusatzerhebung gestartet, an der sich mehr als 3.000 Menschen beteiligten. Die Studie stützt sich insgesamt auf 967 Paarhaushalte mit Kindern.

„In Familien, in denen sich Frauen schon zuvor deutlich mehr um Kinderbetreuung und Haushalt gekümmert haben, ist das Ungleichgewicht während der Corona-Pandemie noch größer geworden.“  

C. Katharina Spieß

Die Analysen geben auch Auskunft darüber, wie sich die Aufteilung der Sorgearbeit in Abhängigkeit der Homeoffice-Nutzung verändert hat. Wenn Mütter im Homeoffice arbeiten, erledigen sie demnach auch mehr Sorgearbeit, während dies bei Männern umgekehrt nicht der Fall ist. Konnten beide Elternteile von zu Hause arbeiten, ergaben sich jedoch keine signifikanten Unterschiede in der Aufteilung von Kinderbetreuung und Hausarbeit.

„Bemerkenswert ist, dass Unterschiede in der Wahrnehmung der Aufteilung von Sorgearbeit in der Pandemie größer geworden sind“, sagt Jessen. So gaben von den befragten Frauen 24 Prozent an, dass sie in ihrer Familie die Kinderbetreuung (fast) vollständig alleine übernehmen – bei den Männern berichteten dies nur fünf Prozent.

Anpassung der familienpolitischen Leistungen könnten zu kurz greifen

Die Politik hat im Zuge der Pandemie familienpolitische Leistungen an einigen Stellen angepasst und die Zahl der sogenannten Kinderkrankentage auf 20 Tage erhöht, um Eltern die Kinderbetreuung zu erleichtern. „Die Erhöhung der Kinderkrankentage ist zwar grundsätzlich gut, womöglich aber zu knapp bemessen“, so Katharina Wrohlich. Weitere Maßnahmen, etwa eine abermalige Ausweitung der Kinderkrankentage, wären wünschenswert. „Unabhängig von der Corona-Pandemie könnten beim Elterngeld bei gleichbleibender Bezugsdauer die Partnermonate auf vier Monate ausgedehnt werden, um eine größere Gleichstellung bei der Verteilung von Sorgearbeit zu erreichen“, so Spieß.

Die Studie finden Sie hier

Quelle: DIW