Kinderrechte-Online-Workshops von September bis Dezember

Fortbildungen zum Jahresthema „Familien und Kindertagesbetreuung als sichere Orte für Kinder“

Für die Chancen und Rechte der Kinder setzt sich auch die Deutsche Liga für das Kind ein. Beim Jahresthema 2022 geht es um „Familien und Kindertagesbetreuung als sichere Orte für Kinder“. Dazu veranstaltet die Liga die „Online-Live-Workshopreihe plus! Kinderrechte“. Im Mittelpunkt stehen dabei aktueller Input und fachlicher Austausch. Von September bis Dezember 2022 werden die Geschäftsführerin der Liga, Bianka Pergande, sowie sechs Referentinnen und Referenten aus dem interdisziplinären Vorstand der Deutschen Liga für das Kind die plus! Kinderrechte-Online-Workshops gestalten: 

14.09.2022 Die Kita als sicherer Ort für Kinder. Grenzverletzendes Verhalten von Fachkräften verhindern. Bianka Pergande (Geschäftsführerin der Deutschen Liga für das Kind)

21.09.2022 Eltern für Kinderrechte begeistern. Kinderrechtsbasierte Erziehungs- und Bildungspartnerschaft. Prof. Dr. Jörg Maywald (Kinderrechtsexperte, Honorarprofessor an der Fachhochschule Potsdam),

05.10.2022 Impulskontrolle und Emotionsregulation in der frühen Kindheit stärken. Von der interpersonalen zur Selbstregulation. Prof. Dr. Jeanette Roos (Professorin für Entwicklungs- und Pädagogische Psychologie an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg),

26.10.2022 und 14.12.2022 Hier fühl‘ ich mich wohl! Wohlbefinden von jungen Kindern erkennen und stärken. Prof. Dr. Susanne Viernickel (Professorin für Pädagogik der frühen Kindheit an der Universität Leipzig,

02.11.2022 Gemeinsam stark für Kinder mit besonderem Förderbedarf. Am Kindeswohl orientierte Zusammenarbeit von Fachkräften, Eltern und Therapeuten. Dr. med. Thomas Fischbach (Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte BVKJ e.V.),

16.11.2022 Zwischen sexueller Bildung und Schutz vor Missbrauch. Sexualpädagogik in der Kita. Prof. Dr. Jörg Maywald, Kinderrechtsexperte und Honorarprofessor an der Fachhochschule Potsdam,

23.11.2022 Die Kita als sicherer Ort für Kinder. Grenzverletzendes Verhalten von Fachkräften verhindern. Bianka Pergande, Geschäftsführerin der Deutschen Liga für das Kind,

30.11.2022 Kooperation von Frühen Hilfen, Kitas und Familienzentren – Warum wir sie brauchen und wie sie gelingen kann. Prof. Dr. Sabine Walper (Direktorin des Deutschen Jugendinstituts), 

07.12.2022 Seelische Gesundheit geflüchteter Kinder. mit Dr. med. Areej Zindler (Leiterin der Flüchtlingsambulanz am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf).

Die Workshops laufen jeweils zwischen 16.00 und 18.00 und können über die Website https://kindergartenplus.de/shop-seminare/ gebucht werden.

Kontakt und Information: E-Mail: info@kindergartenplus.de

Quelle: Information der Deutschen Liga für das Kind




Das Maß liegt im Menschen und nicht in den Dingen

Mit Janusz Korczak das Recht des Kindes auf Achtung pflegen und die Professionalität der pädagogischen Fachkräfte vertiefen

Mit dem polnischen Arzt und Reformpädagogen Janusz Korczak (1978-1942) ist die Pädagogik neu zu vermessen. Denn das Maß liegt im Menschen und nicht in den Dingen: Das Recht des Kindes auf Achtung ist sein erstes und unbestreitbares Recht.

Korczak ist einer der wenigen Lehrer der Menschheit, der seine humanistische Botschaft aussprach und mit seinem Leben bestätigte. Er stellt Grundfragen an die Persönlichkeit der Erzieherinnen und Erzieher. Seiner weit gespannten und in das Leben eingebundenen Pädagogik ging es um die Praxis und nicht um das Ansammeln von Wissen mit blank geputzten Begriffen. Seine Gedanken führen uns zu existentiellen Grenzthemen, zu Themen über Leben und Tod.

Durch Nachdenken über Korczaks Leben und Werk können pädagogische Fachkräfte ihre Haltung, ihr Denken, Fühlen und Wollen prüfen, weiterentwickeln und ihre Professionalität vertiefen.

Korczaks Waisenhaus Dom Sierot in der Krochmalna Straße in Warschau, ca. 1935

Charta der Kinderrechte

Bereits 1919 formulierte Korczak seine Charta der Kinderrechte: „Ich fordere die Magna Charta Libertatis (die Große Charta der Freiheiten) als ein Grundgesetz für das Kind. Vielleicht gibt es noch andere – aber diese drei Grundrechte habe ich herausgefunden:

„1. Das Recht des Kindes auf seinen Tod“ = dem Kind die Ausformung seines Lebens zutrauen.
„2. Das Recht des Kindes auf seinen heutigen Tag“ = die Gegenwart des Kindes achten, die nicht einer ungewissen Zukunft geopfert werden darf.
„3. Das Recht des Kindes, so zu sein, wie es ist“ = dem Kind sein Kindsein ermöglichen.

(Bild: Itzchak Belfer, Maler des Holocast (1924 – 2021): Kind im Waisenhaus)

Den drei Grundrechten stellte er ein oberstes Prinzip voran: „Das Recht des Kindes auf Achtung. Es ist das erste und unbestreitbare Recht des Kindes, seine Gedanken auszusprechen und aktiven Anteil an unseren Überlegungen und Urteilen über seine Person zu nehmen. Wenn wir ihm Achtung und Vertrauen entgegenbringen und wenn es selbst Vertrauen hat und sich ausspricht, wozu es das Recht hat – wird es weniger Zweifel und Fehler geben“ (Korczak 1978, S. 40 f.). Seine Gedanken gingen in die UN-Behindertenrechtskonvention ein, die seit März 2009 in den Bundesländern in Kraft getreten ist.

Das Recht auf Achtung lebte Korczak bis zuletzt

Als die Nazis Polen besetzten wurde in Warschau ein Ghetto errichtet, in das auch Korczak, seine Kinder und Mitarbeiter:innen einzogen. Ihm wurden Angebote zu seiner Rettung gemacht. Er schlug sie aus. Sein Mitarbeiter und Freund und Sekretär Igor Newerly berichtet: Bei seinem letzten Besuch bei ihm im Ghetto hätte Korczak mit ihm gehen können, denn er hatte einen gefälschten Passierschein, den er ihm geben wollte. Korczak lehnte ab. Mehr noch, er war überrascht. „Er hatte ganz einfach nicht von mir erwartet, dass ich ihm einen so nichtswürdigen Vorschlag unterbreiten werde – die Kinder angesichts des Todes im Stich zu lassen.“ (Newerly in Korczak 1978, S. 32)

Korczaks Ghetto-Tagebuch entnehmen wir: „Das Waisenhaus, ein Bienenstock, ein Ameisenhaufen. Nein. Unser Haus ist jetzt ein Altersheim… Die Gespräche der Kinder am Morgen, das Ergebnis ihrer Temperaturmessungen. Wie viel Fieber habe ich, wieviel du? Wer fühlt sich schlechter? Wie hat jeder die Nacht verbracht?“ (Korczak 1992, S. 98)

Trotz Krankheit, Hunger und Elend versucht der Seelenarzt Korczak den Kindern noch einen Rest unbekümmerten Lebens zu erhalten. Er ist für sie Vater, Mutter und Spielgefährte, er scherzt mit ihnen, fabuliert Märchen und organisiert ein Konzert. Als Symbol gestalten die Kinder gemeinsam die Fahne aus Korczaks Kinderbuch „König Hänschen I.“: Kastanienblüten auf grünen Grund und auf der anderen Seite ein blauer Judenstern auf weißem Grund.

Im Juli 1942 beginnt die systematische Judenvernichtung. Am 4. August 1942 vermerkt Korczak in seinem Tagebuch:

„Ich wünsche niemanden etwas Böses.
Ich kann das nicht.
Ich weiß nicht,
wie man das macht.“

(Korczak 1992, S. 119)

Am 5. August 1942 müssen Korczak, seine 200 Kinder und Mitarbeiterin Frau Stefa das Ghetto verlassen. Ein Junge trägt die Fahne „König Hänschen I.“, die Fahne der Hoffnung. Sie begleitet den Kinderzug durch Warschau. „So viele Jahre beharrlicher Wanderschaft, um den Kindern die Sonne in die Hand zu geben, wie kann ich sie alleine lassen? Die Kinder leben in ständiger Unsicherheit, in Angst.“ (Tagebucheintrag am 1. August 1942; Korczak 1992, S. 116)

Das Lachen des Kindes als Anker für eine achtsame und liebende Haltung

Der feinfühlende Arzt hatte das Geschehen reflektiert und gewandelt – ohne die Wirklichkeit auszublenden. Seine Pädagogik öffnet, ist schöpferisch, nimmt das Kind und seine Umwelt so wahr, wie sie nun einmal sind. Sie wandelt das Gegebene, also das, was wahrgenommen wird, unter den Bedingungen der Gegenwart zum Guten – ohne Illusionen.

Korczaks achtsame und liebende Haltung sieht im „Lachen des Kindes“ ihren Anker:

„Was uns […] innigst
mit dem Leben verbindet,
ist ein Kinderlachen,
strahlend und klar.“

(Korczak-Bulletin 2015, S. 2)

(Bild: Itzchak Belfer: Das Kind in Korczaks Hand geborgen)

Korczaks Gedanken leben weiter

Bis heute bringen Korczak und seine Nachfolger uns nahe, wie wertvoll jedes Kind ist. Wer ihre Bücher liest, spürt etwas von der Zuversicht und dem Mut, die seine Menschlichkeit in schwierigen Zeiten umsetzen. Immer mehr Einrichtungen in der ganzen Welt tragen Korczaks Namen. Menschen verschiedener Länder finden zusammen und studieren seine Pädagogik, die in über 20 Sprachen erschienen ist. Offenbar wächst das Bedürfnis nach Orientierung an Vorbildern in dem Maße, wie das Vertrauen in Institutionen und normative Denkstrukturen, die über Jahrzehnte Stabilität garantierten, brüchig geworden ist. Vor allem junge Menschen und jene, die in pädagogischen Arbeitsfeldern tätig sind, erfahren durch die Begegnung mit Korczak eine motivierende und inspirierende Perspektive.

Jeder kann seinen eigenen Korczak finden

Nach vielen Jahren der Begegnung mit Korczak sagte sein Freund Joseph Arnon: Jeder, der die geheimnisvolle Tiefe dieser Persönlichkeit entdeckt, findet seinen „eigenen Korczak“.

Wie sieht ,mein‘ Korczak aus?

Darauf antworte ich zunächst mit der Praktikantin Irene Reppowa, die in Korczaks Waisenhaus arbeitete und den Holocaust überlebte: Für Reppowa bestand das Lernen darin sich in das Wirken ihres Vorbildes zu versenken. Das half ihr Wege zu finden, die auch bei ausweglos erscheinenden Erziehungsproblem möglich wurden. Sie berichtet: „Ich erinnere mich, dass der Kern der Methode Korczaks darin liegt, den ganzen Umgang mit den Kindern nach den Prinzipien der Wahrhaftigkeit und Ehrlichkeit des Erziehers zu pflegen – Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit ohne jedes Wenn und Aber. […] Das half mir und ermöglichte mir Erfolge in meiner pädagogischen Arbeit“ (Reppowa 2002, S. 8).

Mein Weg für das „Proletariat auf kleinen Füßen“ (Korczak) beginnt mit der heilpädagogischen Praxis 1963. In immer wieder neuen Anläufen begegne ich seinem Werk. Seine Lebensgeschichte spiegelt unterschiedliche Erfahrungen und Formen der Unterdrückung wider: Die Unterdrückung von Kindern durch Erwachsene, diejenige des polnischen Volkes durch die russische und deutsche Fremdherrschaft.

Korczak lehrt mich durch sein Beispiel wie die Individualität des Kindes wahrzunehmen und durch achtsame Haltung zu begleiten ist. Damit widerspreche ich jener modernen Pädagogik, die das Kind nach eigenen Vorstellungen machen will. Der Mensch funktioniert eben nicht wie eine Input-Output-Maschine. Pädagogik ist kein Machen, Pädagogik ist eine Haltung. Mit Korczak ist die Pädagogik neu zu vermessen, denn das Maß liegt im Menschen und nicht in den Dingen. Korczaks Praxis sprengt gewohnte Systeme an die sich viele um den Preis klammern, dass sie sich aus dem eigenen kreativen Denken verabschieden (Näheres in Klein 2018a, 2018b).

In der Begegnung das wirkliche Kind wahrnehmen

Korczak knüpft an alltägliche Erfahrungen an, die er mit dem Kind macht. Sie werden in die pädagogische Urteilsfindung mit hineingenommen. Damit kehrt er der vorherrschenden Theoriegläubigkeit den Rücken und bringt den lebendigen Menschen, mit dem es nun einmal die Erziehung zu tun hat, ins Spiel. Hart zieht er gegen die „verknöcherte Theorie“, d.h. das begrifflich (vor)gefasste Denken zu Felde, wenn er sagt, dass „Anschauungen fremder Menschen sich im eigenen lebendigen Ich brechen müssen“.

Korczak sieht die Perspektive des Kindes und die Perspektive des Erziehers. In seiner Schrift „Wenn ich wieder klein bin“ versetzt er sich in die Situation eines kleinen Jungen und sieht die Gedanken der Erwachsenen aus der Sicht der Kinder, und die Gedanken der Kinder sieht er aus der Sicht der Erwachsenen. Er erkennt: „Ein Erzieher, der nicht einpaukt, sondern etwas freilegt, der […] nicht diktiert, sondern anfragt, der erlebt mit dem Kind manchen bewegenden Augenblick; und er wird manchmal mit Tränen in den Augen den Kampf zwischen Engel und Satan miterleben, bis der lichte Engel den Sieg davonträgt“ (Korczak 1973, S. 35 f.).

Die pädagogische Kompetenz

Die gemeinsam erlebte Situation bietet Korczak die Chance, sich selbst und das Kind so wahrzunehmen, als wäre die Intention des Kindes die eigene und umgekehrt. Lernprozesse zwischen Erwachsenen und Kindern verlaufen hier nicht einseitig. Kind und Erwachsener lernen in der Begegnung voneinander. Aber der Erzieher muss das Kind erst ‘sehen‘ und seine Perspektive in die Überlegungen hineinnehmen.

Wir erkennen: Korczak hat das erzieherische Verhältnis radikal verändert und können von einer „kopernikanischen Wende“ in der Pädagogik sprechen. Er hat die Perspektive der Pädagogik revolutioniert und sich der „Macht über die Kinder konsequent entledigt“ (Bartosch 2017, S. 20). Hier taucht gleich die Frage auf, ob Korczak im herkömmlichen Sinne noch Pädagoge ist, denn er erkennt bald die eigenen Grenzen des Wissens über die Kinder und findet keinen archimedischen Punkt von dem aus er die Erziehung beurteilen kann. Vielmehr steht er mit seiner Theorie mitten im Prozess der Erziehung und erfährt aus dem Zusammensein mit den Kindern die Methoden, die ihnen Selbstwirksamkeit und Selbstgestaltung ihrer Entwicklung ermöglichen.

Hier wird der Erwachsene in der Begegnung mit dem wirklichen Kind konfrontiert und muss auf seine ‘Lebensfragen‘ antworten. Gemeint sind nicht nur praktische Lösungswege. Vielmehr geht es um Grundfragen des Kindes: Wirst du für mich einstehen? Bist du ein verlässlicher Mensch? Kann ich dir vertrauen?


Pädagogisches Wirken beginnt bei der pädagogischen Fachkraft…

…und so beginnt auch Prof. Dr. Ferdinand Klein bei seinem eigenen Werdegang als Heilpädagoge und beim Kinderarzt und Pädagogen Janusz Korczak, um sich dem Begriff und der Aufgabe des Heil- und Sonderpädagogen zu nähern. Zudem bietet das Buch vielfältige Fallbeispiele, konkrete Tipps und Hilfestellungen zum Umgang mit Kindern mit besonderen Bedürfnissen, praxisgerecht, leicht verständlich und direkt umsetzbar.

Ferdinand Klein
Inklusive Erziehung in der Krippe, Kita und Grundschule – Heilpädagogische Grundlagen und praktische Tipps im Geiste Janusz Korczaks
Softcover, 168 Seiten, mit vielen farbigen Fotos und Abbildungen
ISBN: 978-3-96304-601-8
19,95 €


Korczaks Pädagogik steht als Angebot

  • Korczak bemühte sich über das Einfühlen in die Kinder hinauszugelangen und wie Kinder zu fühlen. Er war fähig, sich mit hoher Sicherheit in die Gefühlswelt und Sinnzusammenhänge der Kinder zu versenken. Seine einfühlende Praxis geht über das sonst übliche Verstehen hinaus und wendet sich den inneren Entwürfen des Kindes (Bedürfnissen, Motiven, Phantasien, Interessen, Neigungen und Wünschen) und den sachlich begründeten Kausalitäten (Notwendigkeiten, Ordnungen, Regeln, Pflichten und Aufgaben) zu.
  • Seine Pädagogik der Achtung erkennt: Kein Kind darf auf feste Ziele hin entworfen und festgelegt werden. Kein Mensch darf es für seine Zwecke „kneten oder ummodeln“ (Korczak). Er hat vielmehr das – noch verborgene oder verdrängte – Gute im Kind fühlend freizulegen und ihm so die Chance der Selbstannahme in der Gegenwart zu geben.
  • Für den Psychoanalytiker und -therapeuten Arno Gruen, der die Strukturen der Macht analysiert hat, ist die Frage nach dem Mitgefühl die Frage nach dem Menschsein schlechthin. Gruen nimmt Korczak als Menschen wahr, der eine feinfühlige Hellsichtigkeit für den Schmerz entwickelt hat: „Seine Verzweiflung über das, was Menschen einander zufügen, führte bei ihm zu einem äußerst mitfühlenden Herz ohne Selbstmitleid“. Korczak hat Misserfolge nicht demoralisiert. Er erkannte, „dass die einzig wahre Kraft aus erlebtem Schmerz emporsteigt. […] Nur indem ein Kind bei seinem eigenen Schmerz bleiben kann und der Erwachsene es darin begleitet, […] kann es die Kraft aufbauen Mensch zu sein. Es sind die Kinder selber, die uns den Weg hin zum Menschlichen zeigen können“ (Gruen 2003, S. 8).

Fazit:

Die sich bildende pädagogische Fachkraft kann Korczaks Pädagogik auf sich wirken und zum Orientierungsmaßstab für ihre Haltung, ihr Fühlen und Wollen, Denken und Handeln werden lassen. Sie kann erkennen, dass sich in ihrer Person das Handlungswissen (Theorie) und die Praxismethoden (Praxis) vereinigen. Und sie kann den Atem und den Herzschlag des Kindes spüren, hören und sehen – und sich durch diese ästhetische (sinnliche) Erfahrungen im Dialog mit dem Kind weiterbilden. Ihre Professionalität ist nie abgeschlossen. Jedes Kind gibt ihr neue Rätsel auf. Darin liegt der immer wieder neue Anreiz, sich mit Kindern auf eine nie endende Entdeckungsreise zu begeben.

Literaturhinweise

Bartosch, U. (2017). Natur-Gott-Mensch. In: Steiger, S./Maluga, A./Bartosch, U. (Hrsg.): Der Blick ins Freie. Bad Heilbrunn, Klinkhardt, S. 12-27
Gruen, A. (2003): Wie man ein Kind lieben soll. In publik-forum, journal Nr. 6
Klein, F. (2018a): Mit Janusz Korczak Inklusion gestalten. Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht
Klein, F. (2018b): Inklusive Erziehung in Krippe, Kita und Grundschule. Heilpädagogische Grundlagen und praktische Tipps im Geiste Janusz Korczaks. München. BurckhardtHaus
Korczak-Bulletin (2015)
Korczak, J. (1973): Wenn ich wieder klein bin. Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht
Korczak, J. (1978): Wie man ein Kind lieben soll. Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht
Korczak, J. (!992) Tagebuch aus dem Warschauer Ghetto 1942. Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht
Reppowa, I. (2002): Sein Glanz fiel auch auf dies besondere Haus. In: Korczak-Bulletin, Heft 2, S. 8-9

Der Autor

Univ. Prof. em. Dr. Dr. et Prof. h.c. Ferdinand Klein

Ferdinand Klein arbeitete 14 Jahre in heilpädagogischen Praxisfeldern, war an den Hochschulen in Würzburg, Mainz und Reutlingen tätig. Von 1992 bis 1994 wirkte er als Aufbaudirektor des Instituts für Rehabilitationspädagogik der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Nach Emeritierung (1997) war er Gastprofessor an der Comenius-Universität Bratislava und seit 2005 an der Gusztáv-Bárczi-Fakultät für Heilpädagogik der Eötvös-Loránd-Universität Budapest, die sein wissenschaftliches Werk und seine Verdienste um den Ost-West-Dialog mit der Verleihung eines „Doctor et Professor honoris causa“ würdigte. 2019 wurde ihm für sein sozial- und heilpädagogisches Wirken das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen.

Arbeitsschwerpunkte: Ethische Fragen, Forschungsmethoden, Reformpädagogik, Korczakpädagogik, Waldorfpädagogik, Früh- und Elementarpädagogik.




Kinderhilfswerk publiziert Arbeitshilfe zu Kinderrechten für Richterinnen und Richter

DKHW: Kinderrechte müssen im Justizsystem flächendeckend umgesetzt werden

Eine Sammlung von Praxisbeispielen zur Umsetzung einer kindgerechten Justiz in den Bundesländern sowie eine Handreichung für Richterinnen und Richter als Arbeitshilfe zur Ausgestaltung einer kindgerechten Justiz im Familiengerichts- und Strafverfahren hat das Deutsche Kinderhilfswerk (DKHW) eben veröffentlicht.

Auf dem Weg zur kindgerechten Justiz

Die Publikation „Auf dem Weg zur kindgerechten Justiz. Ein erster Blick in die gute Praxis der Bundesländer“ stellt Maßnahmen und Projekte einzelner Gerichte und Bundesländer zur Umsetzung der Kinderrechte in Gerichtsverfahren vor. Damit macht sie zum einen den sehr unterschiedlichen Umsetzungsstand einer kindgerechten Justiz in den Bundesländern sichtbar und soll zum anderen die Landesjustizministerien, aber auch einzelne Gerichte zur Adaption erfolgreicher Maßnahmen anregen.

„Verfahren entsprechen oft nicht den menschenrechtlichen Anforderungen“

„Gerichtliche Verfahren, sei es im Bereich des Straf- oder Familienrechts, sind für die betroffenen Kinder und Jugendlichen häufig schwer verständlich, belastend und haben nicht selten existentielle und höchstpersönliche Fragen zum Gegenstand. Zugleich zeigen zahlreiche Studien auf, dass ihre Situation in behördlichen und gerichtlichen Verfahren in Deutschland oftmals weder den internationalen menschenrechtlichen Anforderungen noch den Leitlinien des Europarates für eine kindgerechte Justiz entspricht. Obwohl Verfahren ihre Interessen betreffen und die Entscheidungen weitreichende Folgen für ihr Leben haben, werden Kinder häufig nicht kindgerecht beteiligt und angehört. Dabei bestehen zudem große regionale Unterschiede. Es darf aber nicht von den Verfahrensbeteiligten oder dem Gericht im Einzelfall abhängen, ob die Rechte des Kindes im Verfahren umgesetzt werden. Deshalb brauchen wir in Deutschland eine flächendeckende Stärkung der Kinderrechte im Justizsystem.“ So erklärt Anne Lütkes, Vizepräsidentin des DKHW, den Umstand, der zur Veröffentlichung der Arbeitshilfe geführt hat.

Kinderrechte in Verhandlungen besser erkennen

Die „Handreichung für Richter*innen – Arbeitshilfe zur Ausgestaltung einer kindgerechten Justiz im Familiengerichts- und Strafverfahren“ soll Richterinnen und Richter dabei unterstützen, die Kinderrechte in gerichtlichen Verfahren als solche besser zu erkennen und die gesetzlichen Möglichkeiten zu ihrer Umsetzung umfassend auszuschöpfen. Dabei stehen besonders die Verbesserung der Qualität der Anhörungen sowie der Vernehmungen von Kindern und Jugendlichen, der Zugang und die Beteiligung am Recht und die Stärkung interdisziplinärer Kooperationen im Vordergrund.

Empfehlungen in die Alltagspraxis integrieren

Der Qualifikation von Richterinnen und Richtern im Umgang mit Kindern kommt in einem kindgerechten Justizsystem eine besondere Bedeutung zu. Wie Kinder ein gerichtliches Verfahren wahrnehmen, hängt maßgeblich davon ab, wie die sie anhörenden Richterinnen und Richter ihnen begegnen. Um passgenau an der gängigen gerichtlichen Praxis anzuknüpfen, wurden die dargestellten Empfehlungen ausschließlich von Expertinnen und Experten aus der Praxis und Wissenschaft zusammengetragen. Dadurch wird gewährleistet, dass die Empfehlungen sich niedrigschwellig in die tägliche praktische Arbeit von Richterinnen und Richter integrieren lassen.

Möglichkeiten aufgrund von Handlungsunsicherheiten oft nicht ausgeschöpft

„Aus der Zusammenarbeit und Konsultationsprozessen mit relevanten Akteuren der Zielgruppe, vor allem Richterinnen und Richtern, wissen wir, dass bei ihnen ein besonderes Interesse an interdisziplinären Kenntnissen im Umgang mit Kindern besteht. Eine hohe Arbeitsauslastung, mangelnde Ressourcen und fehlende Fortbildungsplätze erlauben es allerdings nicht immer, im gewünschten Maß an Qualifikationsmaßnahmen teilnehmen zu können. Zudem werden in der Praxis die gesetzlichen Möglichkeiten häufig aufgrund von Handlungsunsicherheiten beteiligter Akteure nicht ausgeschöpft.

So wird etwa die richterliche Videovernehmung von Minderjährigen, die Opfer von schwerwiegenden Gewalt- und Sexualstraftaten geworden sind, bei den meisten Gerichten immer noch nicht eingesetzt oder nur unzureichend ausgeführt. Hier müssen Bund und Länder geeignete Rahmenbedingungen dafür schaffen, um Richterinnen und Richter bei der Gestaltung kindgerechter Verfahren zu unterstützen. Dazu gehört neben einem breiten, qualitativ hochwertigen und interdisziplinären Fortbildungsangebot vor allem auch eine angepasste Personalbedarfsplanung. Auch hier besteht großer Handlungsbedarf“, sagt Lütkes.

Zum Download der Handreichung und der Publikation

Die „Handreichung für Richter*innen – Arbeitshilfe zur Ausgestaltung einer kindgerechten Justiz im Familiengerichts- und Strafverfahren“ und die Publikation „Auf dem Weg zur kindgerechten Justiz. Ein Blick in die gute Praxis der Bundesländer“ können unter www.dkhw.de/kindgerechtejustiz heruntergeladen werden. Ein Kernforderungspapier des Deutschen Kinderhilfswerkes zur kindgerechten Justiz findet sich unter https://www.dkhw.de/kernforderungen/kindgerechte-justiz.

Quelle: Pressemitteilung des Deutschen Kinderhilfswerkes




Broschüre der EKD: Kinder schützen und stark machen

Kostenlose Publikation bietet auch Hintergrundinformationen und Tipps für Eltern zu Kinderrechten und deren Umsetzung

Kinder sind Menschen mit eigenen Bedürfnissen und Interessen, die Beachtung und Schutz verdienen. Ihre Rechte wurden 1989 in der Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen festgeschrieben. Dennoch stellte der UN-Kinderrechtsauschuss wiederholt fest, dass diese Rechte auch in Deutschland nicht ernsthaft genug umgesetzt werden. Durch die Corona-Krise haben sich Kinderarmut, mangelnde Teilhabemöglichkeiten und Bildungsungerechtigkeit sogar noch zugespitzt. Mit einer eben veröffentlichten Broschüre will die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) auf die Umsetzung von Kinderrechten aufmerksam machen und gibt Tipps für eine gelingende Umsetzung. Dabei geht es vor allem darum, Kinder besser zu schützen und zu stärken.

Kindern zu ihrem Recht verhelfen

„In der Corona-Pandemie haben sich viele bereits vorhandene Probleme drastisch verschärft“, so die für Menschenrechtsfragen zuständige EKD-Auslandsbischöfin Petra Bosse-Huber. „Deshalb gilt mehr denn je, Kindern und Jugendlichen zu ihrem Recht zu verhelfen, sie zu schützen und stark zu machen. Denn es ist ihre Zukunft, die von Erwachsenen allzu oft aufs Spiel gesetzt oder preisgegeben wird“.

Umso mehr seien Erwachsene zu verantwortungsvollem Handeln aufgerufen: „Als Christinnen und Christen sind wir überzeugt, dass die Menschenwürde, die Gott uns allen schenkt, uns in den Gesichtern, den Bedürfnissen und Fragen der Kleinsten unverstellt begegnet“, so Bosse-Huber.

Selbstverständlich auch passende Bibelzitate und liturgische Impulse

Die Broschüre der EKD fasst verständlich und übersichtlich zusammen, welche Rechte Kinder haben. Unter anderem werden Themen wie Bildungsgerechtigkeit, Freizeit oder Mitspracherecht von Kindern behandelt. Die Texte machen auf die entsprechenden Kinderrechte aufmerksam und geben Hintergrundinformationen und Tipps für Eltern. Passende Bibelzitate und liturgische Impulse regen an, das Thema Kinderrechte auch im Gottesdienst oder in der Gemeindearbeit zu thematisieren.

Die Broschüre steht unter www.ekd.de/MenschenrechteKinderrechte zum Download zur Verfügung und kann kostenlos bestellt werden unter versand@ekd.de.




Studie empfiehlt flächendeckende Etablierung von Beauftragten für Kinderrechte

Studie empfiehlt flächendeckende Etablierung von Beauftragten für Kinderrechte

Eine im Auftrag des Deutschen Kinderhilfswerkes (DKHW) erstellte Expertise spricht sich für die Etablierung von Ombudspersonen bzw. Beauftragten für Kinderrechte auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene aus. Als Ausgangspunkt dient eine vergleichende Untersuchung von Ombudspersonen und vergleichbaren Stellen auf europäischer Ebene.

Aufgaben der teilweise neu zu schaffenden Stellen wären neben der Bekanntmachung der Kinderrechte vor allem die Interessenvertretung von Kindern in Politik und Gesellschaft, das Monitoring der Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention, die Förderung der Beteiligung und Partizipation von Kindern sowie die Bearbeitung von Beschwerden von Einzelnen und Gruppen.

Eine einzelne Beauftragtenstelle reicht nicht aus

Die Expertise stellt zudem fest, dass eine einzelne Beauftragtenstelle, beispielsweise auf der Bundesebene, diese unterschiedlichen notwendigen Aufgaben nicht befriedigend umsetzen könne. Vielmehr müsse ein Netzwerk von Beauftragten auf kommunaler, Länder- und Bundesebene entwickelt werden, die miteinander kooperieren, sich inhaltlich abstimmen und eine gemeinsame Strategie zur Förderung der Kinderrechte entwickeln und umsetzen. Ausgangspunkt der Expertise ist eine vergleichende Untersuchung von Ombudspersonen und vergleichbaren Stellen auf europäischer Ebene.

Handlungsbedarf und Handlungsmöglichkeiten

„Die Studie weist eindrucksvoll den Handlungsbedarf und Handlungsmöglichkeiten für ein Netz an Beauftragten für Kinderrechte nach. Die zu bearbeitenden Aufgabenfelder sind klar definiert und umreißen den Auftrag an die Politik auf allen Ebenen tätig zu werden und entsprechende Stellen einzurichten“, betont Holger Hofmann, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerkes. „Für uns als Kinderrechtsorganisation steht die Umsetzung der Kinderrechte und der sich damit verbindenden Aufgaben im Zentrum. Dabei können die auf den unterschiedlichen politischen Ebenen angesiedelten Beauftragten hinsichtlich ihrer Aktivitäten sinnvolle Schwerpunkte setzen: Einzelfallarbeit beispielsweise wäre auf der kommunalen Ebene zu verorten, während die Landes- und Bundesebene die Gesetzgebung begleiten würde“, so Hofmann weiter.

Good-practice-Erfahrungen und Wissen sicherstellen

„Aus Sicht des Deutschen Kinderhilfswerkes sollten Ombudsstellen auf der Landesebene den Informationsfluss unter den Kommunen, Good-practice-Erfahrungen und Wissen sicherstellen, gemeinsame Positionierungen erarbeiten und dessen Transfer gewährleisten. Ähnliches gilt für eine entsprechende Stelle auf Bundesebene, für die unterschiedliche Konstruktionen denkbar wären, etwa analog dem Unabhängigen Beauftragten gegen den sexuellen Missbrauch von Kindern, unter Einbeziehung der Kinderkommission des Deutschen Bundestages oder mit Verantwortung bei Servicestellen zivilgesellschaftlicher Träger“, sagt Hofmann.

Gesetzliche Absicherung der Stelle erforderlich

Die Untersuchung für das Deutsche Kinderhilfswerk kommt weiterhin zu dem Ergebnis, dass Ombudspersonen oder Beauftragte nicht nur eine symbolische Funktion erfüllen, sondern ihre Aktivitäten substanziell umzusetzen seien. Dafür wären eine gesetzliche Absicherung der Stelle, ihrer Aufgaben und des Verfahrens zur Berufung erforderlich. Zudem sei auf inhaltliche Unabhängigkeit, Weisungsfreiheit sowie eine hinreichende personelle und finanzielle Ausstattung zu achten. Sowohl bei der Ausgestaltung als auch an der Strategieentwicklung seien Kinder und Jugendliche zu beteiligen. Denn der oder die Beauftragte verfüge nicht qua Amt über die „richtige“ Einschätzung der Kinder- und Jugendinteressen, befinde sich aber in der Position, die erforderlichen Perspektiven zusammenzubringen und diese an die richtigen Stellen in Politik und Verwaltung zu adressieren.

Download

Die Erstellung der Expertise „Ombudspersonen und vergleichbare Stellen im europäischen Vergleich – ein Ausblick für Deutschland“ durch Prof. Dr. Ulrike Urban-Stahl von der Freien Universität Berlin und Dr. Thomas Meysen vom SOCLES International Centre for Socio-Legal Studies erfolgte im Rahmen eines Projekts der Koordinierungsstelle Kinderrechte des Deutschen Kinderhilfswerkes. Die Koordinierungsstelle Kinderrechte begleitet die Umsetzung der Europaratsstrategie für die Rechte des Kindes und die EU-Kinderrechtsstrategie. Sie wird gefördert durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ). Die Expertise kann unter https://dkhw.de/studie-ombudsstellen heruntergeladen werden.

Quelle: Pressemitteilung Deutsches Kinderhilfswerk




Kinder und Jugendliche fordern ihre Rechte ein

Start der Anmeldephase zum Kinder- und Jugendgipfel 2022 des Deutschen Kinderhilfswerkes

Das Deutsche Kinderhilfswerk ruft zu Bewerbungen für den Kinder- und Jugendgipfel 2022 auf. Beim Kinder- und Jugendgipfel lernen Kinder und Jugendliche anhand von selbst gewählten aktuellen und gesellschaftlich relevanten Themen ihre Rechte kennen und erhalten eine Plattform, um diese mit konkreten politischen Forderungen zu verbinden. Der Gipfel wird vom Deutschen Kinderhilfswerk in Kooperation mit dem Education Innovation Lab und dem Kinder- und Jugendfreizeitzentrum Wuhlheide Berlin (FEZ) durchgeführt. Hintergrund des Kinder- und Jugendgipfels sind zwei Jubiläen: der 30. Jahrestag des Inkrafttretens der UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland und der 50. Geburtstag des Deutschen Kinderhilfswerkes.

Für Schulklassen, Jugendgruppen und alle interessierten Kinder und Jugendlichen

Zum Programm für Schulklassen, Jugendgruppen und alle interessierten Kinder und Jugendlichen von zehn bis 17 Jahren (bei jüngeren Teilnehmenden sollte eine intensivere Begleitung eingeplant werden) gehört der kostenlose Online-Workshop „Unsere Forderungen!“ mit verschiedenen Modulen, die ab dem 5. April2022 begonnen werden können. Nach Durchlaufen der digitalen Phase des Gipfels haben die Teilnehmenden die Chance, zum analogen Kinder- und Jugendgipfel im September 2022 nach Berlin eingeladen zu werden, sich bundesweit zu vernetzen, kreativ an ihren Forderungen weiterzuarbeiten und diese mit Politikerinnen und Politikern zu diskutieren.

Deutschland wird bei Kinderrechten oft eigenen Ansprüchen nicht gerecht

„Deutschland wird bei den Kinderrechten oftmals seinen eigenen Ansprüchen nicht gerecht. Viele Kinder und Jugendliche werden an den Rand der Gesellschaft gedrängt. Das haben die Kinder und Jugendlichen in der Corona-Pandemie schmerzlich erfahren müssen. Hier wurde deutlich, dass die Kinder und Jugendlichen in der öffentlichen Debatte zu selten einbezogen und ihre Sichtweisen und Bedürfnisse in der Folge häufig ignoriert werden. Man diskutiert über sie, aber nicht mit ihnen. Das möchten wir mit dem Kinder- und Jugendgipfel ändern. Denn wir brauchen für die junge Generation nachhaltige Strukturen, damit sie ihre Rechte wahrnehmen können“, betont Holger Hofmann, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerkes.

Der Kinder- und Jugendgipfel 2022 des Deutschen Kinderhilfswerkes wird vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert. Weitere Infos zum Kinder- und Jugendgipfel 2022 unter www.dkhw.de/Gipfel2022.




Zeit für ein kindgerechtes Deutschland

30 Jahre UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland – 50 Jahre Deutsches Kinderhilfswerk

Das Deutsche Kinderhilfswerk fordert zum Jahresbeginn Bund, Länder und Kommunen auf, anlässlich des 30-jährigen Jubiläums des Inkrafttretens der UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland die Kinderrechte in diesem Jahr stärker in den Fokus zu nehmen. Dazu muss Kinderpolitik in Deutschland verstärkt als Querschnittsaufgabe verankert werden. Gerade in Fragen der Beteiligung von Kindern und Jugendlichen werden Kinderrechte in Deutschland vielfach missachtet. Das gilt angesichts der anhaltend hohen Kinderarmutsquote auch für den Bereich der sozialen Sicherheit.

Gesetzliche Rahmenbedingungen schaffen

„Die praktische Durchsetzung von Kinderrechten ist eine Frage von gesetzlichen Rahmenbedingungen, aber ebenso abhängig von einer Grundhaltung unserer Gesellschaft Kindern gegenüber. Wir brauchen die gesamte Gesellschaft, damit Deutschland ein kinderfreundliches Land wird. Zwischen der Zielsetzung der UN-Kinderrechtskonvention und ihrer Verwirklichung klafft eine zu große Lücke. Der Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung sieht eine Reihe von Maßnahmen vor, die die Situation von Kindern und ihren Familien verbessern können. Dazu zählen vor allem die Einführung einer Kindergrundsicherung, die Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz und die Absenkung des Wahlalters bei Bundestags- und Europawahlen auf 16 Jahre. Jetzt gilt es, diese Vorhaben möglichst schnell auf den Weg zu bringen“, betont Thomas Krüger, Präsident des Deutschen Kinderhilfswerkes.

Kinder sind eigenständige Persönlichkeiten mit eigenen Rechten

Die Arbeit des Deutschen Kinderhilfswerkes zeigt, dass in der öffentlichen Wahrnehmung Kinder noch nicht durchgängig als eigenständige Persönlichkeiten mit eigenen Rechten wahrgenommen werden. Aber auch im Alltag von Familien sowie in der täglichen Praxis von Schulen, Verwaltungen und Politik muss der Bewusstseinswandel schneller voranschreiten. Schon die Diskussion in den letzten Jahren um eine Aufnahme der Kinderrechte ins Grundgesetz hat gezeigt, wie wichtig es ist, die allgemeine Öffentlichkeit mit den Kinderrechten vertrauter zu machen.

Aktiver Einsatz für die Belange der Kinder

„Wir sollten uns aktiv für die Belange und Bedürfnisse von Kindern einsetzen und so die Basis für eine gesellschaftliche Entwicklung Deutschlands schaffen, die dem demografischen Wandel Rechnung trägt und die Rechte von Kindern konsequent in den Blick nimmt. Denn Kinder sind nicht einfach nur unsere Zukunft, sondern vor allem sind sie ein existenzieller Bestandteil des Hier und Jetzt. Auch wenn seit Inkrafttreten der UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland vor fast 30 Jahren eine Reihe von Verbesserungen erreicht werden konnten, müssen wir in der Gesamtschau der deutschen Gesellschaft eine anhaltende Ausblendung und Verdrängung von Kinderinteressen attestieren. Gerade die vergangenen Pandemie-Monate haben gezeigt, welch geringen Stellenwert die Belange junger Menschen an vielen Stellen hierzulande haben“, so Krüger weiter.

Zwei Jubiläen mit einem Ziel

„Umso wichtiger ist es nun den Blick auf die Kinderrechte zu richten. Und das mit zwei runden Jubiläen. Wir werden in diesem Jahr nicht nur den 30. Jahrestag des Inkrafttretens der UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland feiern, sondern auch den 50. Geburtstag des Deutschen Kinderhilfswerkes. Dazu sind unter dem Motto „Für ein kindgerechtes Deutschland” zahlreiche Aktionen und Maßnahmen geplant, beispielsweise ein Kinder- und Jugendgipfel in Berlin, ein neues Gesprächsformat unter dem Titel „Jugend trifft Politik“, eine Studie zur Kinderfreundlichkeit in Deutschland oder der Kinderreport des Deutschen Kinderhilfswerkes zum Thema Generationengerechtigkeit. Aber natürlich werden auch der Weltspieltag, der Weltkindertag und der Internationale Tag der Kinderrechte wichtige Wegmarken in diesem Jahr setzen“, sagt Thomas Krüger.

Weitere Infos unter  www.dkhw.de.




Koalitionsvertrag: Klares Bekenntnis zur Inklusion, zu Kinderrechten und zur Bildung

Der Vertrag schafft Hoffnung auf eine verbesserte Familien- und Bildungspolitik

Klar ist auch schon, welche Parteien, welches Ministerium erhalten. Das Bundesfamilienministerium wird eine Politikerin von Bündnis 90/Die Grünen übernehmen. Für die FDP übernimmt Bettina Stark-Watzinger das Bundesministerium für Bildung und Forschung.

DKHW und DKSB begrüßen den Koaltitionsvertrag

Das Deutsche Kinderhilfswerk (DKHW) und der Deutsche Kinderschutzbund (DKSB) sehen in dem Koalitionsvertrag eine gute Grundlage für eine modernere und sozialere Kinder- und Familienpolitik. Es sind vor allem vier Ziele, die von beiden Kinderschutzorganisationen begrüßt werden:

  1. die Einführung der Kindergrundsicherung
  2. die Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz
  3. die Senkung des Wahlalters
  4. die Modernisierung des Familienrechts

Kindergrundsicherung

„Die Kindergrundsicherung, die der Kinderschutzbund schon seit Jahren fordert, soll noch in dieser Legislaturperiode eingeführt werden. Damit schafft der Koalitionsvertrag gute Voraussetzungen, um die Kinderarmut in Deutschland spürbar zu senken. „Die vereinbarten Eckpunkte werden im Zusammenwirken mit dem erhöhten Mindestlohn vor allem viele ‚Aufstocker‘-Familien aus dem Hartz-IV-Bezug herausholen. Das wird zur Chancengerechtigkeit vieler Kinder beitragen“, sagt Heinz Hilgers, der Präsident des Kinderschutzbunds.

Kinderrechte ins Grundgesetz

„Wir begrüßen ausdrücklich, dass die Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz auf der Tagesordnung der nächsten Bundesregierung steht. Dies ist ein unverzichtbarer Baustein, um kindgerechtere Lebensverhältnisse und bessere Entwicklungschancen für alle Kinder zu schaffen, ihre Rechtsposition deutlich zu stärken und Kinder an den sie betreffenden Entscheidungen zu beteiligen. Mit der Aufnahme der Kinderrechte im Grundgesetz im Sinne der UN-Kinderrechtskonvention besteht die große Chance, langfristig eine tragfähige Grundlage für ein kinder- und familienfreundlicheres Land zu schaffen. Hier erwarten wir von der Ampel-Koalition, dass im Gesetzgebungsverfahren eine breite Beteiligung der Zivilgesellschaft stattfindet, damit in den letzten Jahren erarbeiteten fachlichen Standards angemessen Berücksichtigung finden“, erklärt Anne Lütkes, Vizepräsidentin des Deutschen Kinderhilfswerkes.

Herabsetzung des Wahlalters

Beide Organisationen begrüßen auch die Herabsetzung des Wahlalters für Bundestags- und Europawahlen auf 16 Jahre. Dies sei ein wichtiger und notwendiger Schritt, um die Demokratie langfristig zu erhalten. Schließlich müsse die junge Generation die Demokratie gegen alle Angriffe von innen und außen verteidigen.

Weiterentwicklung der Jugendstrategie

„Auch die beabsichtige Weiterentwicklung der Jugendstrategie der Bundesregierung mit einem Nationalen Aktionsplan für Kinder- und Jugendbeteiligung ist zu begrüßen. Kinder- und Jugendbeteiligung ist in Deutschland nach wie vor ein Flickenteppich. Unabhängig vom Ort des Aufwachsens muss es allen Kindern und Jugendlichen möglich sein, ihr Recht auf Beteiligung wahrzunehmen. Ein Nationaler Aktionsplan für Kinder- und Jugendbeteiligung muss die Erfahrungen aus Bund, Ländern und Kommunen in den Austausch bringen und konkrete Projekte und Maßnahmen entwickeln und umsetzen. Dabei sollte nicht vergessen werden, die Verwaltung in Ländern und Kommunen fit für das Thema Kinder- und Jugendbeteiligung zu machen“, sagt Lütkes.

Kinder- und Jugendhilfe

„Wir vermissen im Koalitionsvertrag konkrete Aussagen zur Stärkung des Kinder- und Jugendhilfesystems als Ganzes. Schon vor der Corona-Pandemie war die Kinder- und Jugendhilfe vielerorts am Rande ihrer Leistungsfähigkeit. Länder und Kommunen haben es bislang nicht geschafft, die notwendigen Strukturen beispielsweise der Offenen Kinder- und Jugendarbeit ausreichend zu finanzieren. In einem Koalitionsvertrag, der sich Zukunftsfähigkeit zum Ziel setzt, hätte deshalb auch die nachhaltige Stärkung des Kinder- und Jugendhilfesystems ganz nach vorne gehört.“

Bildungsförderung auf allen Ebenen

Insgesamt enthält der Koalitionsvertrag auch im Bildungsbereich viele interessante und hoffentlich auch umsetzbare Bekenntnisse. Hier einige Beispiele:

Klares Bekenntnis zur Inklusion

„Wir wollen allen Menschen unabhängig von ihrer Herkunft beste Bildungschancen bieten, Teilhabe und Aufstieg ermöglichen und durch inklusive Bildung sichern. Dazu stärken wir die frühkindliche Bildung, legen den Digitalpakt 2.0 auf und machen das BAföG elternunabhängiger und bauen es für die Förderung der beruflichen Weiterbildung aus. Kinder verdienen beste Bildung. Jedes Kind soll die gleichen Chancen haben. Diese. Chancengleichheit ist aber noch lange nicht Realität. Wir wollen mehr Kinder aus der Armut holen, werden mit der Kindergrundsicherung bessere Chancen für Kinder und Jugendliche schaffen und konzentrieren uns auf die, die am meisten Unterstützung brauchen.“

Bildungsausgaben

„Gemeinsam mit den Ländern werden wir die öffentlichen Bildungsausgaben deutlich steigern und dafür sorgen, dass die Unterstützung dauerhaft dort ankommt, wo sie am dringendsten gebraucht wird. Mit einer Stärkung der frühkindlichen Bildung, besseren Startchancen in sozial benachteiligten Schulen, einem Digitalpakt 2.0 und einem grundlegend reformierten BAföG legen wir den Grundstein für ein Jahrzehnt der Bildungschancen.“

Bildungszusammenarbeit

„Wir streben eine engere, zielgenauere und verbindliche Kooperation aller Ebenen an (Kooperationsgebot). Die örtliche Umsetzungskraft der Schulträger, die Kultushoheit der Länder und das unterstützende Potenzial des Bundes wollen wir dafür zu neuer Stärke vereinen und eine neue Kultur in der Bildungszusammenarbeit begründen.“

Gleiche Chancen

„Wir wollen gemeinsam darauf hinwirken, dass jedes Kind die gleiche Chance auf Entwicklung und Verwirklichung hat.“

Zusammenarbeit mit Bundesländern

„Gemeinsam mit den Ländern wollen wir alle Möglichkeiten ausschöpfen, gemeinsam gleichwertige Lebensverhältnisse zu schaffen und Qualität, Leistungsfähigkeit und Weiterentwicklung des Bildungswesens zu stärken. Soweit erforderlich, bieten wir Gespräche über eine Grundgesetzänderung an.“

Qualitätsentwicklungsgesetz für Kitas

„Wir werden das Gute-Kita-Gesetz auf der Grundlage der Ergebnisse des Monitorings und der Evaluation fortsetzen und bis Ende der Legislaturperiode gemeinsam mit den Ländern in ein Qualitätsentwicklungsgesetz mit bundesweiten Standards überführen.“

Ganztag

„Wir werden den Ausbau der Ganztagsangebote mit einem besonderen Augenmerk auf die Qualität weiter unterstützen. Mit Ländern und Kommunen werden wir uns über die Umsetzung des Rechtsanspruchs auf Ganztagsbildung und -betreuung und der qualitativen Weiterentwicklung verständigen und unter Berücksichtigung der länderspezifischen Ausprägungen einen gemeinsamen Qualitätsrahmen entwickeln.“

Bildungschancen

„Mit dem neuen Programm ,Startchancen‘ wollen wir Kindern und Jugendlichen bessere Bildungschancen unabhängig von der sozialen Lage ihrer Eltern ermöglichen.“

„Wir wollen Länder und Kommunen dauerhaft bei der Digitalisierung des Bildungswesens unterstützen. Den Mittelabruf beim Digitalpakt Schule werden wir beschleunigen und entbürokratisieren.“

Lehrerbildung

„Bund und Länder richten eine gemeinsame Koordinierungsstelle Lehrkräftefortbildung ein, die bundesweit Fort- und Weiterbildungsangebote vernetzt, die Qualifikation von Schulleitungen unterstützt, den Austausch ermöglicht sowie die arbeitsteilige Erstellung von Fortbildungsmaterialien organisiert und fördert.“

Fachkräfte

„Gemeinsam mit den Ländern und allen relevanten Akteuren entwickeln wir eine Gesamtstrategie, um den Fachkräftebedarf für Erziehungsberufe zu sichern und streben einen bundeseinheitlichen Rahmen für die Ausbildung an. Sie soll vergütet und generell schulgeldfrei sein.

Mit hochwertigen Qualitätsstandards in der Kindertagesbetreuung, sorgen wir für attraktive Arbeitsbedingungen. Wir wollen die praxisintegrierte Ausbildung ausbauen, horizontale und vertikale Karrierewege sowie hochwertige Fortbildungsmaßnahmen fördern und Quereinstieg erleichtern. Umschulungen werden wir auch im dritten Ausbildungsjahr vollständig fördern.“

Den ganzen Koalitionsvertrag finden Sie hier: