Förderung armer Familien auf die Prioritätenliste setzen!

Breites Bündnis fordert mehr finanzielle Mittel für die Bekämpfung von Kinderarmut

Die unterzeichnenden Organisationen des „Ratschlag Kinderarmut“ fordern in ihrer gemeinsamen Erklärung „Solidarität mit armutsbetroffenen Kindern, Jugendlichen und ihren Familien – besonders in der Inflationskrise!“, Armutslagen von jungen Menschen nicht länger hinzunehmen, sondern endlich das nötige Geld in die Hand zu nehmen, um ihnen ein gutes Aufwachsen zu ermöglichen. Dabei müssten soziale Infrastruktur und monetäre Leistungen ineinandergreifen. Die Erklärung haben unter anderem das Deutsche Kinderhilfswerk, der Arbeiter Samariter Bund, die Arbeiterwohlfahrt, der Deutsche Bundesjugendring, die Diakonie Deutschland, die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, der Kinderschutzbund, die Nationale Armutskonferenz, Save the Children, SOS-Kinderdorf, der Sozialverband Deutschland, der Sozialverband VdK und die Volkssolidarität unterzeichnet.

Hilgers: Verweigerungshaltung der Union ist unanständig

Ach der Deutsche Kinderschutzbund ist Teil des Bündnisses. Dessen Präsident Heinz Hilgers hat laut einem Bericht des Redaktionsnetzwerks Deuschland die Verweigerungshaltung der Unionsparteien gegenüber dem Bürgergeld als „unanständig“ bezeichnet. Gerade Familien mit Kindern seien von den gegenwärtigen Krisen besonders hart betroffen.

Hoffmann: Förderung armer Familien auf Prioritätenliste setzen

„Viele Familien trifft jetzt die Inflation und die Energiekrise mit unfassbarer Wucht. Dadurch geraten Familien mit geringem Einkommen an oder sogar über die Grenzen ihrer finanziellen Möglichkeiten, viele sind finanziell schlicht am Ende. Jeder dritte Hartz-IV-Empfänger ist ein Kind, obwohl der Anteil von Kindern an der Gesamtbevölkerung in Deutschland nur bei rund 16 Prozent liegt. Damit sind Kinder und Jugendliche mit ihren Familien in besonderem Maße von Armut betroffen. Wir brauchen deshalb endlich eine Kindergrundsicherung, die ihren Namen verdient. Bis zu ihrer Einführung muss es deutliche Aufschläge auf die bisherigen Transfersysteme geben. Die Förderung armer Familien und ihrer Kinder sowie unbürokratische Zugänge zu armutsvermeidenden Leistungen gehören auf der Prioritätenliste ganz nach oben“, betont Holger Hofmann, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerkes.

Mehr als jedes fünfte Kind von Armut betroffen

In Deutschland ist inzwischen mehr als jedes fünfte Kind von Armut betroffen. Konkret bedeutet das für die betroffenen Kinder und Jugendlichen nicht nur eine unzureichende Versorgung mit Gütern des alltäglichen Bedarfs, sondern auch geringere Bildungschancen und weniger Möglichkeiten zur sozialen Teilhabe. Nachdem sich diese Problemlagen durch die Corona-Pandemie verschärft haben, drohen nun mit den aktuellen Preissteigerungen zusätzliche Einschränkungen im Alltag, besonders für Familien mit geringen Einkommen. „Es droht die soziale Katastrophe für viele Kinder, Jugendliche und ihre Familien! Der Ausnahmezustand dauert bereits mehr als zweieinhalb Jahre an. Für ein fünfjähriges Kind ist das die Hälfte seiner Lebenszeit. Dies hat bei vielen Kindern, Jugendlichen und ihren Familien deutliche Spuren hinterlassen. Die soziale Spaltung verschärft sich weiter, da all dies nicht nur arme Familien betrifft, sondern mittlerweile bis weit in die Mittelschicht hineinreicht“, heißt es in der Erklärung wörtlich.

Erst jüngst hatte eine Studie der Bertelsmann Stiftung ergeben, dass gerade Mehrkindfamilien besonders von Armut betroffen sind, obwohl sie besonders viel für den Staat und die Gesellschaft leisten.

Die Bedürfnisse der Kinder in den Mittelpunkt stellen

In der Erklärung fordern die unterzeichnenden Organisationen die Politik daher dazu auf, die Interessen und Bedarfe von Kindern und Jugendlichen endlich in den Mittelpunkt zu rücken und die dafür notwendigen finanziellen Mittel bereitzustellen. Gerade angesichts der steigenden Preise, die für viele Privathaushalte und soziale Einrichtungen schwer zu stemmen sind, darf jetzt nicht am falschen Ende gespart werden. Vielmehr müssen die Lebensgrundlage und die Ansprüche von Kindern und Jugendlichen gesichert werden.

Monetäre Leistungen und Verbesserung der Infrastruktur

Die gemeinsame Erklärung basiert auf dem Wissen, dass für eine erfolgreiche Armutsbekämpfung monetäre Leistungen und Investitionen in die Infrastruktur nicht gegeneinander ausgespielt werden dürfen. Für ein Aufwachsen in Wohlergehen benötigen Kinder und Jugendliche beides: eine auskömmliche finanzielle Absicherung und eine gut ausgebaute soziale Infrastruktur, durch die alle Kinder und Jugendlichen dazu befähigt werden, ihre Potenziale und Talente zu entwickeln.

Die Erklärung des Ratschlag Kinderarmut mit allen Unterzeichnenden findet sich unter www.dkhw.de/gemeinsamgegenkinderarmut.

Quellen: Redaktionsnetzwerk Deutschland, Pressemitteilung Deutsches Kinderhilfswerk e.V., eigene Recherchen




„Geflüchtete Kinder sind in besonderem Maße schutzbedürftig“

Kinderschutzbund fordert gute Vorbereitung für Aufnahme von Flüchtlingsfamilien

Viele Menschen aus der Ukraine, insbesondere Frauen und Kinder, suchen nun Schutz in den europäischen Nachbarländern. Die ersten Kinderheime in der Ukraine werden bereits evakuiert.

„Es darf nicht sein, dass Kinder und ihre Familien an den EU-Außengrenzen in der Kälte ausharren müssen. Ich begrüße deshalb ausdrücklich die schnelle Einigung der europäischen Innenminister und Innenministerinnen auf die unbürokratische Aufnahme geflüchteter Menschen aus der Ukraine in der Europäischen Union“, so Kinderschutzbundpräsident Heinz Hilgers.

Geflüchtete Kinder sind in besonderem Maße schutzbedürftig. Der Kinderschutzbund fordert deshalb Bund, alle Länder und Kommunen auf, jetzt besondere Vorkehrungen für die Aufnahme von Familien und unbegleiteten Kindern und Jugendlichen zu treffen. Dazu gehören insbesondere:

  • kindgerechte Unterbringung von Familien in eigenen Wohneinheiten mit eigenen sanitären Anlagen und Küchen sowie Freizeit- und Gemeinschaftsräumen für Kinder zum Spielen und Lernen
  • sozialpädagogische Begleitung für Familien
  • mehr Vormünder für unbegleitete Flüchtlingskinder entsprechend der EU-Aufnahmerichtlinie durch Schulung zu qualifizieren und zu begleiten.

Kinderschutzbundpräsident Hilgers: „Niemand kann bisher absehen, wie lange der Krieg andauern wird. Der Kinderschutzbund und seine ehrenamtlich und hauptamtlich engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stehen aber bereit, geflüchtete Kinder und ihre Familien willkommen zu heißen, sie in ihre Betreuungseinrichtungen aufzunehmen, in ihre Freizeit- und Beratungsangebote einzubeziehen und sozialpädagogisch zu begleiten.“




Die Kindergrundsicherung ist längst überfällig

Kinderschutzbund äußert sich zur Bertelsmann-Studie

Die eben veröffentlichte Studie im Auftrag der Bertelsmann Stiftung zu „Erwerbstätigkeit und Grundsicherungsbezug“ zeigt, dass viele Familien trotz Erwerbstätigkeit auf ergänzende Sozialleistungen angewiesen sind. Kinder erhöhen für Familien das Armutsrisiko. Der Kinderschutzbund fordert deshalb die Kindergrundsicherung und bis diese eingeführt wird einen Sofortzuschlag, um Kinderarmut zu beenden.

Erwerbstätig und trotzdem arm

Die Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung im Auftrag der Bertelsmann Stiftung stellt heraus, dass etwa ein Drittel der SGB II – Leistungsbeziehenden mit Kindern erwerbstätig und trotzdem auf finanzielle Hilfen angewiesen ist. Bestimmte Familienformen sind besonders betroffen, so Alleinerziehende und Familien mit mehreren Kindern. Heinz Hilgers, Präsident des Kinderschutzbundes, dazu: „Eltern geben ihr Bestes und trotzdem leben sie mit ihren Kindern in Armut. Dieser Zustand ist unhaltbar. Deshalb ist es höchste Zeit für die Kindergrundsicherung. Bis zu ihrer Einführung muss schnell ein Sofortzuschlag für Kinder in substanzieller Höhe kommen, der Armut wirklich verringert.“

Kinder im Kindergeldzuschlagsbezug nicht berücksichtigt

Zu den Kindern, die in Familien mit ergänzenden SGB II-Leistungen aufwachsen, kommt noch eine etwa gleich große Anzahl im Kinderzuschlagsbezug hinzu. Diese werden in der Untersuchung der Bertelsmann Stiftung nicht berücksichtigt. Hilgers dazu: „Bezieher*innen des Kinderzuschlags leben auf einem ähnlich finanziellen prekären Niveau wie die Aufstocker*innen. Mit vergleichbarem bürokratischem Aufwand, bestes Beispiel dafür ist das sogenannte Bildungs- und Teilhabepaket. Die Hebelwirkung der Kindergrundsicherung wird enorm sein, weil alle Kinder und Familien endlich aus der Armut geholt werden.“

Quelle: Pressemitteilung Deutscher Kinderschutzbund




Kinderschutzbund sieht Notwenigkeit eines harten Lockdowns

Kinder und Jugendliche auch im „harten Lockdown“ schützen:

Angesichts der hohen Infektionszahlen und der Lage auf den Intensivstationen erscheint auch dem Kinderschutzbund ein „harter Lockdown“ vor Weihnachten nötig und angemessen. Der „Lockdown light“ wirkt leider nicht so, wie wir alle uns das erhofft hatten.

Belastungen für Kinder gering halten

Der Kinderschutzbund fordert aber dazu auf, bei allen Maßnahmen und Regelungen für die nächsten Wochen dafür Sorge zu tragen, Belastungen für Kinder und Jugendliche so gering wie möglich zu halten. Auch angesichts des hohen Handlungsdrucks besteht eine besondere gesellschaftliche Verantwortung für die Jüngsten in Zeiten der Pandemie, die von den Entscheidungen der Erwachsenen besonders abhängig sind.

Kinder nehmen Verunsicherung wahr

Auch Kinder und Jugendliche nehmen die weithin spürbare Verunsicherung wahr. Über 60 Prozent der Jugendlichen haben Angst um ihre Zukunft*. Gleichzeitig ist die Zustimmung für die Corona-Schutzmaßnahmen unter Jugendlichen, anders als oftmals dargestellt, mit über 60% hoch. Denn Kinder und Jugendliche sind angesichts der unklaren Folgewirkungen einer Infektion mit COVID-19 um ihre eigene Gesundheit besorgt, aber vor allem um das Wohlergehen ihrer Angehörigen, insbesondere ihrer Großeltern.

Vier Handlungsstränge

Der Kinderschutzbund sieht vier Handlungsstränge, durch die Teilhabe und Schutz von Kindern und Jugendlichen in der aktuellen Phase gefördert werden können:

1. Information und Begründung

  • Alle Kinder sollen noch vor den Schulschließungen über Beratungsmöglichkeiten für Gewalt- und Konfliktsituationen informiert werden.
  • Im Fernunterricht sollte nach Möglichkeiten gesucht werden, die Schulsozialarbeit in den regulären Unterricht einzubeziehen.
  • Angesichts der anstehenden Feiertage sollten Kinder und Jugendliche durch Schulen und andere Einrichtungen vor dem (vorgezogenen) Ferienbeginn darüber informiert werden, wie der Kontakt zu ihnen aufgenommen wird, wenn der Lockdown mit Schulschließung über die reguläre Ferienzeit hinausgeht.
  • SchülerInnen müssen sich darauf verlassen können, dass der Kontakt zu ihnen aufgenommen wird und sie sollten möglichst genaue Informationen darüber haben, wie im neuen Jahr Schule und Unterricht organisiert werden.
  • Alle Kinder und Jugendlichen haben grundsätzlich ein Recht auf Informationen und Begründungen von Regelungen und Maßnahmen. Auch wenn Erwachsene selbst Schwierigkeiten haben, diese zu verstehen und zu begründen, sind neben den Eltern vor allem pädagogische Institutionen damit beauftragt, möglichst altersgerecht Informationen zu vermitteln und Maßnahmen verstehbar zu machen.

2. Beratung und Unterstützung auch im harten Lockdown gewährleisten

  • Das Beratungs- und Unterstützungsangebot der Frühen Hilfen vor Ort muss in jedem Fall sichergestellt sein, damit Eltern mit Säuglingen und Kleinkindern schnell Unterstützung erhalten.
  • Kinder und Jugendliche müssen Beratung und Schutz wohnortnah zur Verfügung haben. Auch in „normalen“ Jahren entsteht in der Weihnachtszeit in manchen Familien eine aufgeladene und teils aggressive Gesamtsituation. Es ist davon auszugehen, dass dies in den nächsten Wochen nicht anders bzw. verschärft der Fall sein wird. In den nächsten zwei Wochen – vor den Feiertagen – muss auf kommunaler Ebene geklärt werden, wie der Schutz gewährleistet wird und wie Kinder und Jugendliche informiert werden.
  • Die telefonische und Onlineberatung über die Weihnachtsfeiertage muss sichergestellt und ausgeweitet werden.
  • Gegebenenfalls müssen mehr Plätze für Notbetreuung vor Ort vorgehalten werden. Die Zugang zur Notbetreuung darf nicht nur vom Arbeitsverhältnis der Eltern abhängen, sondern muss die Bedürfnisse der Kinder ins Zentrum stellen. Die Notbetreuung muss daher auch Kindern, die in besonders belasteten Verhältnissen aufwachsen, offenstehen.
  • Jugendliche benötigen die Möglichkeit, zumindest zeitweise aus der Familienwohnung ausweichen zu können, damit sich Konflikte entspannen können. Dazu sind sie – insbesondere jetzt im Winter – darauf angewiesen, zum Beispiel einen Jugendtreff aufsuchen zu können. Hier müssten sie niedrigschwellige Gesprächsangebote zur Verfügung haben.

3. Kinder- und Jugendhilfe unbedingt offenhalten

Besonders Kinder und Jugendliche, die bereits in Maßnahmen der Kinder- und Jugendhilfe sind, benötigen auch in den nächsten Wochen eine verlässliche Unterstützung und brauchen Priorität bei der Bereitstellung von Mitteln im Zuge eines harten Lockdowns. Eine Notversorgung ist nicht ausreichend. In Institutioneller Betreuung sind die Träger deshalb aufgerufen, Besuchsregelungen zu finden, die einen Kontakt zu den Eltern ermöglichen. Schnelltests sollen bereitgestellt werden.

4. Armutsbekämpfung im harten Lockdown

Geschlossene Schulen und Kitas sind für alle Familien eine große Herausforderung. Ganz besonders arme Familien haben Schwierigkeiten, am Fernunterricht adäquat teilzunehmen – schon, weil es an der digitalen Ausstattung fehlt. Hinzukommt, dass viele Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket aktuell ersatzlos wegfallen. Der Kinderschutzbund wirbt deshalb dafür.

  • Bedürftige Kinder und Jugendliche unbürokratisch mit digitalen Endgeräten auszustatten. Das wurde im Sommer versäumt.
  • Leistungen wie das kostenfreie Mittagessen unbürokratisch durch eine direkt auszuzahlende Geldleistung zu ersetzen.

Der Kinderschutzbund ist überzeugt: Kinder und Jugendliche wollen sich solidarisch zeigen und an der Eindämmung des Corona-Virus mitwirken. Eine wichtige Voraussetzung dafür ist, dass sie gut informiert und beteiligt werden. Gleichzeitig sind Kinder besonders schutzbedürftig, dem muss bei allen Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie Rechnung getragen werden.

Juliane Wlodarczak, Pressesprecherin Kinderschutzbund