Wer früh mit Freude liest, hat ein leistungsfähigeres Gehirn

Umfassende Studie mit über 10.000 Kindern weist Zusammenhang zwischen dem frühen Lesen mit Freude und Intelligenz nach

Frühes Lesen ist für die Entwicklung des Gehirns, der Intelligenz und der psychischen Gesundheit von großer Bedeutung. Eine Studie von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus England und China mit über 10.000 Kindern zeigt die überraschenden Auswirkungen von Lesebegeisterung bei Kindern, die spätestens im Alter von neun Jahren damit begonnen haben, zum Vergnügen zu lesen.

Was wir bereits wussten

Längst ist bekannt, dass Lesen eine kognitiv bereichernde Aktivität ist, bei der Sprache und Informationen in schriftlicher Form erworben werden, die den Grundstein für den Wissenserwerb legt und weitgehend zum Wissenserwerb beiträgt. Im Gegensatz zum Spracherwerb ist es nötig, dass das Lesen schrittweise und systematisch erlernt und regelmäßig geübt werden muss. Da Kinder vor allem spielerisch gut lernen, ist es wichtig, früh die Freude am Lesen zu vermitteln, etwa durch die Verwendung von gut illustriertem Bildmaterial, um das Verständnis zu erleichtern, erklären die Verfasserinnen und Verfasser der Studie.

Die enorme Bedeutung von Papp- und Bilderbüchern

An dieser Stelle sei angemerkt, dass das Lesen nicht erst mit dem Wissenserwerb über Buchstaben und Ziffern beginnt. Schon das Entziffern von Bildern in Büchern als Gegenstände aus der realen Welt etwa ist ein entscheidender erster Schritt dahin. Nicht von ungefähr sind die ersten Schriften der Menschheit Bilder oder Schriftzeichen mit erkennbar bildhaftem Charakter wie etwa die ägyptischen Hieroglyphen. Wer das weiß ,sollte sich etwa beim Kauf von Papp- und Bilderbüchern seiner Verantwortung bewusst sein.

Spaß muss sein!

Laut Studie kommt es deshalb beim Lesen nicht nur auf kognitive phonologische und orthographische Leseprozesse, sondern auch auf den Spaß an, sich Wissen über Interessen anzueignen, was bei der Entwicklung langfristiger Lesegewohnheiten hilfreich sein kann. Schon im frühkindlichen Bereich können Kinder unterstützt durch eine einfühlsame und verständnisvolle Begleitung erste gedruckte Informationen verstehen, erste Lesefähigkeiten einschließlich alphabetischer Dekodierung und phonologischer Prozesse erlernen, sich an interaktiven Diskussionen über entwicklungsgerechte Texte und Bilder beteiligen. Die Bindung zu Betreuerinnen und Betreuern stärkt den Spaß beim gemeinsamen Lesen. Zum Allgemeinwissen gehört zudem, dass das Vorlesen von Büchern nicht nur zur Entwicklung der Sprachkenntnisse kleiner Kinder beiträgt, sondern auch das Interesse und die Freude am Lesen fördert. Auch in Bezug auf die Prävention von Lese und Rechtschreibschwäche sind diese Vorgänge viel effizienter als in der Grundschulzeit.

Hirnscans weisen Veränderungen nach

Im Gegensatz zu vielen anderen Studien haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nicht nur auf die Testergebnisse der Kinder und die Elterninterviews gestützt, sondern auch auf eine große Zahl von Hirnscans. Auch wenn es sich in der Publikation der Ergebnisse etwas kryptisch anhört, hier das Originalzitat aus der Studie auf deutsch: „Diese Teilnehmer mit höheren frühen ,Lesen mit Freude Werten‘ (original reading for pleasure (RfP)) wiesen mäßig größere gesamte kortikale Bereiche und Volumina des Gehirns auf, mit vergrößerten Regionen, einschließlich der Schläfen-, Frontal-, Insula- und Supramarginalregion; links eckig, parahippocampal; rechte mittlere okzipitale, anterior-cinguläre, orbitale Bereiche; und subkortikales ventrales Zwischenhirn und Thalamus. Diese Gehirnstrukturen standen in signifikantem Zusammenhang mit ihren kognitiven und psychischen Gesundheitswerten und zeigten signifikante Mediationseffekte. Frühes ,Lesen mit Freude‘ war in Längsrichtung mit einer höheren kristallisierten Kognition und geringeren Aufmerksamkeitssymptomen bei der Nachuntersuchung verbunden.

Heruntergebrochen heißt das: Wer früh zur eigenen Unterhaltung liest, hat nicht nur ein zum Teil größeres, sondern auch besser ausgebildetes Gehirn. Damit steigt auch die Leistungsfähigkeit des Gehirns und damit der Intelligenz für das ganz Leben. Gleichzeitig zeigt sich, dass diese Menschen resilienter und damit weniger betroffen von psychischen Erkrankungen zeigen. Interessant ist auch, dass die Wissenschaftler die optimale Lesezeit pro Woche festgestellt haben: Zwölf Stunden pro Woche sind für junge Jugendliche kognitiv optimal.

Originalpublikation

Die Studie ist im vergangenen Jahr bei Cambridge University Press erschienen. Diese finden Sie unter folgendem Link: https://www.cambridge.org/core/journals/psychological-medicine/article/earlyinitiated-childhood-reading-for-pleasure-associations-with-better-cognitive-performance-mental-wellbeing-and-brain-structure-in-young-adolescence/03FB342223A3896DB8C39F171659AE33#

Gernot Körner




Wer sich viel bewegt, denkt schneller und besser

Wissenschaftler weisen verstärkte Ausschüttung des Hormons Dopamin bei sportlichen Aktivitäten nach

Körperliche Anstrengungen sind nicht nur gut für die Gesundheit, sie verbessern auch die kognitiven Fähigkeiten. Das Gehirn denkt wegen des Dopamins schneller und besser. Das hat Sportwissenschaftler Joe Costello von der University of Portsmouth mit seinem Team herausgefunden.

Für kognitive Gesundheit

Der Neurotransmitter Dopamin, der gemeinhin als Glückshormon bezeichnet wird, spielt eine entscheidende Rolle. Das könnte zu einem neuen therapeutischen Weg für die kognitive Gesundheit führen, da Dopamin bei verschiedenen Erkrankungen, darunter Parkinson, Schizophrenie, ADHS, Sucht und Depression, entscheidenden Einfluss hat.

Dass Dopamin ausgeschüttet wird, wenn man sich körperlich anstrengt, haben die Forscher mit der Positronen-Emissions-Tomographie (PET) nachgewiesen. Das ist ein bildgebendes Diagnoseverfahren. Dabei erhält der Patient ein Radiopharmaka, das meist in eine Armvene injiziert wird. Dieses Präparat verteilt sich über den Blutkreislauf im Körper. Es sendet Positronen aus, elektrisch positiv geladene Teilchen, den Gegenstücken zu Elektronen.

52 Männer im Versuchslabor

Positronen und Elektronen verschmelzen, nachdem erstere emittiert worden sind, im Bruchteil einer Sekunde. Dabei senden sie zwei Lichtteilchen (Photonen) aus, die eine PET-Kamera aufzeichnet. Aus vielen dieser Momentaufnahmen entsteht ein Bild des Kreislaufs, auf dem beispielsweise detailliert zu sehen ist, wie gut die Herzkranzgefäße durchblutet sind.

Um die Ausschüttung von Dopamin beim Training zu erkennen, haben die Forscher 52 männliche Probanden ausgewählt. Im ersten Test sollten sie kognitive Aufgaben im Ruhezustand und beim Radfahren im PET-Scanner ausführen. Die zweite Studie hat elektrische Muskelstimulation genutzt, um zu testen, ob erzwungene Muskelbewegungen die kognitive Leistung ebenfalls verbessern. Das letzte Experiment kombinierte echtes Training mit Muskelstimulation. Ergebnis: Die Gehirnleistung verbesserte sich nur bei „echtem“ Training.

Wolfgang Kempkens, pressetext.redaktion




Kita-Besuch kann soziale Unterschiede angleichen

Herkunftsbezogene Unterschiede in den kognitiven Kompetenzen können verringert werden

Kompetenzen von Kindern entwickeln sich schon in jungen Jahren unterschiedlich – insbesondere, weil sich die Entwicklungs- und Lernmöglichkeiten in ihren Familien voneinander unterscheiden. Eine neue Studie mit Daten des Nationalen Bildungspanels zeigt, dass für Kinder aus sozial schwächeren Familien der Besuch einer Kindertagesstätte besonders bereichernd ist. Herkunftsbezogene Unterschiede in den kognitiven Kompetenzen können so verringert werden. Problematisch ist jedoch, dass gerade Kinder aus benachteiligten Elternhäusern wesentlich stärker von fehlenden Betreuungsplätzen betroffen sind, als solche von besser gestellten Eltern.

Kinder lernen anderes als zu Hause

Die häusliche Lernumgebung spielt für Kleinkinder eine zentrale Rolle bei ihrer kognitiven, sozialen und emotionalen Entwicklung. Wie viel die Kinder lernen, hängt dabei stark vom sozialen und wirtschaftlichen Hintergrund der Familie ab. Der Besuch einer Kindertagesstätte (Kita) hingegen kann für Kinder unabhängig von den Bedingungen im Elternhaus Vorteile bringen, weil sie dort andere Dinge lernen als zuhause, beispielsweise durch das Miteinander mit Gleichaltrigen oder durch den Kontakt mit pädagogischen Konzepten.

Kita-Besuch hängt vom sozialen Status ab

Die Studie, die auf Längsschnittdaten von 992 Kindern im Nationalen Bildungspanel (NEPS) basiert, konnte nun zeigen, welche Kinder in ihrer Entwicklung besonders stark von einer institutionellen Betreuung profitieren. Die Ergebnisse zeigen, dass Kinder aus besser gestellten Familien im Alter von zwei Jahren häufiger eine Betreuungseinrichtung besuchen als Kinder aus sozial benachteiligten Elternhäusern. Letztere ziehen aber die größeren Vorteile aus einem Besuch im Hinblick auf ihre kognitiven Kompetenzen, beispielsweise in Bereich Mathematik oder beim Wortschatz. Umgekehrt bringt der Besuch einer Kinderbetreuungseinrichtung Kindern aus Familien mit einem sehr hohen sozialen und wirtschaftlichen Status keine Vorteile in ihren kognitiven Kompetenzen. Auf ihre Mathematikkenntnisse wirkt er sich sogar tendenziell nachteilig aus. Unabhängig von ihrer Herkunft gilt für alle Kinder, dass der Kita-Besuch ihre sozial-emotionalen Kompetenzen stärkt.

Was wäre, wenn?

Die Forschenden konnten in ihrer Studie aufzeigen, dass der Besuch einer Kindertageseinrichtung das soziale Gefälle in den Kompetenzen von Kindern mindert und sozial ausgleichend wirken kann. Prof. Dr. Corinna Kleinert vom Leibniz-Institut für Bildungsverläufe sagt dazu: „Unsere Simulationen mit einem ‚Was wäre, wenn‘-Szenario zeigen: Würden alle Kinder eine Kita besuchen, würden die sozialen Ungleichheiten in den Kompetenzen geringer ausfallen als heute. Würden alle Kinder ausschließlich durch ihre Eltern betreut, würden sich die sozialen Ungleichheiten in der Entwicklung hingegen verstärken.“

Weiterer Kita-Ausbau kann helfen

Kritisch sehen die Forschenden die Zugangsmöglichkeiten zu institutioneller Kinderbetreuung in Deutschland. Obgleich die Vorteile gerade für schlechter gestellte Familien am höchsten sind, besuchen nur 35 % der Kinder aus diesen Familien im Alter von zwei Jahren eine Einrichtung. Bei besser gestellten Familien liegt die Wahrscheinlichkeit eines Kitabesuchs hingegen bei 60 %. Trotz eines bestehenden Rechtsanspruchs auf institutionelle Betreuung hängt die tatsächliche Inanspruchnahme stark vom sozialen und wirtschaftlichen Hintergrund der Eltern ab. Die Forschenden fordern deshalb nicht nur, die Anzahl an Betreuungsplätzen weiter auszubauen, sondern auch den Zugang für benachteiligte Kinder zu erleichtern. Beides sei eine langfristig lohnende staatliche Investition in den Abbau sozialer Ungleichheit und die allgemeine Förderung von Kompetenzen bei Kindern.

Eine Zusammenfassung der Studie ist als Transferbericht in der Reihe LIfBi Forschung kompakt unter dem Titel „Führt ein Kitabesuch zu einer Angleichung sozialer Unterschiede?“ erschienen: https://www.lifbi.de/Portals/2/Publikationen/Transferberichte/LIfBi%20Forschung%20kompakt/LIfBi-Forschung-kompakt_05_Kita.pdf?ver=KUN261kvmznx63QVcjcWtA%3d%3d

Iris Meyer, Leibniz-Institut für Bildungsverläufe




Warum Kleinkinder ein unterschiedliches Schlafbedürfnis haben

Forscher stellen Zusammenhang zwischen Schlafhäufigkeit, geistiger Entwicklung und Sprachentwicklung fest

Babys und Kleinkinder, die häufiger ein Nickerchen machen, haben laut einer Studie der University of East Anglia meist einen kleineren Wortschatz und schlechtere kognitive Fähigkeiten als ihre Altersgenossen. Das Schlafbedürfnis der Kinder begründet sich aus Sicht des Forscherteams rund um die Psychologin Dr. Teodora Gliga darin, dass diese Kinder Informationen während des Schlafs weniger gut verarbeiten können und deshalb mehr schlafen müssten.

Viele Eltern sorgen sich in Bezug auf den Schlaf ihrer Kinder, dass sie nicht so viel schlafen, wie für ihr Alter erwartet wird – oder dass sie zu häufig und zu lange schlafen.“, sagt Dr. Gliga. „Unsere Forschung zeigt jedoch, dass die Häufigkeit des Mittagsschlafs eines Kindes seine individuellen kognitiven Bedürfnisse widerspiegelt. Manche Kinder können Informationen im Schlaf besser verarbeiten und schlafen daher seltener. Kleine Kinder schlafen von Natur aus so lange, wie sie brauchen, und das sollte man ihnen auch erlauben.“

Untersuchungsaufbau

Das Forschungsteam untersuchte 463 Kleinkinder im Alter zwischen acht Monaten und drei Jahren während der Schließung im Jahr 2020. Die Eltern wurden zu den Schlafgewohnheiten ihrer Kinder, ihrer Fähigkeit, sich auf eine Aufgabe zu konzentrieren, Informationen im Gedächtnis zu behalten, und der Anzahl der Wörter, die sie verstanden und sagen konnten, befragt. Außerdem wurden die Eltern zu ihrem sozioökonomischen Status befragt – einschließlich ihrer Postleitzahl, ihres Einkommens und ihrer Bildung – sowie zum Umfang der Bildschirmzeit und der Aktivitäten im Freien, denen ihr Kind nachgeht.

„Die Schließung gab uns die Möglichkeit, das intrinsische Schlafbedürfnis der Kinder zu untersuchen, denn wenn Kinder in der Kinderbetreuung sind, halten sie selten so viel Mittagsschlaf, wie sie brauchen.“, erläutert Dr. Gliga. „Wir haben festgestellt, dass die Struktur des Tagesschlafs ein Indikator für die kognitive Entwicklung ist. Kinder, die häufiger, aber kürzer schliefen als für ihr Alter erwartet, hatten einen kleineren Wortschatz und schlechtere kognitive Funktionen.“


Anzeige

Damit alle ruhig schlafen können

Schlaflose Nächte sind für viele Eltern von Babys und Kleinkindern ein Problem. Jetzt gibt es die sechs besten Ein- und Durchschlaf-Programme in einem Buch. Mit Anleitungen und Orientierungshilfen, damit Sie genau die Methode finden, die für sie und Ihr Kind richtig ist. Mit psychologischen Hintergründen, die die eigentlichen Ursachen von kindlichen Ein- und Durchschlaf-Problemen erklären. Mit Tipps und Erläuterungen, was man schon im Laufe des Tages für eine ruhige Nacht tun kann. Mit vielen anschaulichen Fallbeispielen aus der täglichen Beratungspraxis der Autorin.

Petra Weidemann-Böker
So lernen Kinder schlafen – Die sechs besten Einschlaf-Programme für Kinder
Hardcover, 288 Seiten
ISBN: 978-3-934333-59-8
19,95 €


Die Ergebnisse stellen frühere Vorstellungen in Frage, wonach Erzieherinnen und Erzieher bei allen Kindern im Vorschulalter häufige Nickerchen fördern sollten. Stattdessen fordert das Forscherteam die individuellen Schlafbedürfnisse der Kinder zu berücksichtigen.

Sozioökonomische Faktoren

Interessanterweise wurde in der Studie beobachtet, dass Kinder aus niedrigeren sozioökonomischen Verhältnissen während der Schließung eher einen schlechteren Schlaf hatten. Allerdings ließen sich die Unterschiede in den Schlafmustern nicht vollständig durch eine erhöhte Bildschirmzeit und weniger Aktivitäten im Freien erklären. Die Forscher fordern die Betreuer auf, bei der Bestimmung des Schlafbedarfs von Kindern deren geistiges Alter und nicht ihr chronologisches Alter zu berücksichtigen.

Die Forschung wurde in Zusammenarbeit zwischen der University of East Anglia, der University of Oxford, der Oxford Brookes University, der University of Leeds und der University of Warwick durchgeführt und vom Economic and Social Research Council (ESRC) finanziell unterstützt.

Sorgen müssen sich die Eltern von Kindern, die häufig schlafen, genauso wenig machen, wie sich die Eltern von Wenigschläfern entspannt zurücklehnen können. Kinder entwickeln sich einfach unterschiedlich. Entscheidend ist nur, dass Kinder ihre ganz individuellen, echten Bedüfnisse erfüllt bekommen.

Die Studie wurde in der Zeitschrift JCPP Advances veröffentlicht.