Perfektionsdruck schadet dem kreativen Selbstbewusstsein

Spielen hilft, mehr Vertrauen in sich selbst und die eigenen Fähigkeiten zu entwickeln

Hübsch, hilfsbereit, ohne Makel und mit guten Schulnoten – Fehler machen ist nicht erlaubt: Das sind Zuschreibungen, die vielen Mädchen im Alltag und in der Gesellschaft im Jahr 2024 nach wie vor vermittelt werden. 4 von 5 Mädchen2 weltweit geben an, sich von diesem Perfektionsanspruch unter Druck gesetzt zu fühlen. Das ergibt eine Umfrage der LEGO Gruppe unter mehr als 61.500 Eltern und Kindern im Alter zwischen fünf bis zwölf Jahren in 36 Ländern3. Die Folge der Vermittlung dieses perfekten Bildes an Mädchen: Ihr (kreatives) Potenzial und das Vertrauen in sich selbst wird bereits während der Entstehung in der Kindheit ausgebremst.

Mädchen – und später erwachsene Frauen – trauen sich weniger zu, gehen weniger Risiken ein und haben Angst davor, Fehler zu machen. Die Studienergebnisse zeigen: Ein wichtiger Faktor und gleichzeitig bedeutende Stellschraube ist unsere Sprache. Wie mit Kindern gesprochen wird, hat großen Einfluss darauf, wie sich Kinder selbst wahrnehmen, wie mutig sie agieren und was sie sich zutrauen – im Kindesalter und auch als künftige Erwachsene. Dies deckt sich mit der Wahrnehmung der Eltern und Erwachsenen, die ebenfalls in der Studie zu kreativem Selbstbewusstsein, Perfektionismus, Spielen, Sprache und dem Umgang mit Fehlern befragt wurden.

Perfekt war gestern: Auch Mädchen wollen für ihre Kreativität geschätzt werden – Auszüge der Studie4 auf einen Blick:

Tabelle 1: Angaben der in der LEGO Studie befragten Mädchen, dargestellt in Prozent5:

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Tabelle 2: Befragte Eltern und Erwachsene, Angaben in Prozent6

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Schlüsselqualifikation kreatives Selbstbewusstsein

Die Autorin und Expertin für Pädagogik Jennifer Wallace ordnet die Studienergebnisse ein: „Wenn Kinder Angst haben zu versagen, hemmt das ihre Bereitschaft, neue Wege zu gehen und über den Tellerrand zu schauen. Dies wirkt sich auf ihr kreatives Selbstbewusstsein als Schlüsselqualifikation aus und kann Folgen bis ins Erwachsenenalter haben. Kreatives Selbstvertrauen braucht man dazu, eigene Ideen zu entwickeln, Risiken einzugehen und einzigartige Lösungen zu finden – ohne Angst vor dem Scheitern zu haben. Somit trägt kreatives Selbstbewusstsein aktiv zum Wohlbefinden bei: Es stärkt das Selbstwertgefühl und reduziert dadurch Stress“.

„Du bist, was Du (über Dich) hörst“: Einfluss von Wörtern und Alltagssprache auf das Selbstbewusstsein

Sprachwissenschaftlerin Prof. Dr. Hilke Elsen erläutert: „Kinder übernehmen vorgelebte und kommunizierte Rollenbilder und –vorgaben, erst aus der Familie und anschließend aus der Gesellschaft, meist sogar von Gleichaltrigen. Viele Erwachsene und Eltern sind sich gar nicht bewusst, dass hierbei oft die Sprache einen besonderen Einfluss hat. Denn Sprache ist nicht nur Sprechen, sondern auch das Hören und Vernehmen von anderen Gedanken und somit auch stereotypen Bildern.“

Die Studie der LEGO Gruppe zeigt, dass sich das besonders auf Mädchen auswirkt: Es werden – oftmals unbewusst – gesellschaftliche Voreingenommenheit ausgedrückt und Stereotype transportiert. Laut den befragten Eltern werden in der Gesellschaft Verhalten und kreative Arbeiten von Mädchen und Jungen geschlechtsspezifisch benannt und bewertet: Begriffe wie „süß“, „hübsch“, „niedlich“ und „schön“ werden etwa siebenmal häufiger ausschließlich Mädchen zugeschrieben. Jungen werden als „mutig“, „cool“, „genial“ und „innovativ“ beschrieben7. Schon diese Adjektive können einen immensen Einfluss auf Mädchen und ihre Selbstwirksamkeitserfahrung haben, erklärt Jennifer Wallace weiter: „Was uns im frühen Kindesalter gesagt wird, setzt sich tief fest. Eine voreingenommene Sprache verstärkt die traditionellen Geschlechterrollen und schränkt die Kreativität von Mädchen ein. Sie werden in enge Kategorien gezwängt, Ästhetik wird gegenüber Innovation bevorzugt. Die Beseitigung dieser Vorurteile fördert, dass in Mädchen ihr kreatives Potenzial voll ausschöpfen können. Denn jedes Mädchen verdient die Freiheit, die eigene Kreativität ohne Angst oder Druck zu entdecken.“

Tabelle 3: Befragte Eltern in Deutschland, Österreich und der Schweiz, Angaben in Prozent8

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Besonders anschaulich werden die Auswirkungen dieser Zuschreibungen auf Mädchen im Kurzfilm der LEGO Gruppe „More Than Perfect“ mit einem Sozial-Experiment gezeigt: Link zum Video.

„Fehler sind Deine Freunde“: Spielen, experimentieren und Raum für Fehler lassen

Neun von zehn Eltern9 sind der Meinung, dass Spielen Kindern dabei hilft, sich selbst auszudrücken, ihre Experimentierfreudigkeit und das kreative Selbstvertrauen stärkt. Und das ohne Angst vor einem Scheitern oder einem vermeintlich schlechten Ergebnis. Acht von neun Kindern10 finden, dass sie während des Spielens ganz sie selbst sein können – sie haben weniger Angst, Fehler zu machen und beurteilt zu werden (88 Prozent11).

Die Befragungsergebnisse zeigen, dass Spielen dabei hilft, mehr Vertrauen in sich selbst und die eigenen Fähigkeiten zu entwickeln und vor allem zu lernen, dass Fortschritte im eigenen Tempo wichtiger sind als Perfektion. Zudem wird ein positiver Umgang mit Fehlern erlernt: denn diese können als natürlicher Teil von kreativen Prozessen, im Kindes- wie im Erwachsenenalter, wertgeschätzt werden, betont Julia Goldhammer, Geschäftsführerin der LEGO GmbH:

„Positive Bestärkung und eine offene Fehlerkultur und damit die Förderung von kreativem Selbstbewusstsein ist sowohl im Privaten als auch im Arbeitsalltag von immenser Wichtigkeit. Ich beobachte das in meinem Team, aber auch an meinen beiden Töchtern – kreatives Selbstbewusstsein ist ein Schlüssel für offene Kommunikation, Resilienz und Mut im Kleinen wie im Großen, Vertrauen in sich selbst und in die Gestaltung des eigenen Wegs. Wir können die Grundlage für eine empathische und gleichberechtigte Gesellschaft bereits früh fördern, indem wir Kinder von Klein auf in ihren Fähigkeiten stärken und sie für kommende Herausforderungen vorbereiten – mit unserer Sprache, aber auch durch Spielangebote. Das Spielen sowie Um- und neu bauen mit LEGO® Steinen unterstützt diese Entwicklung. Neue kreative Ideen und Möglichkeiten beim Spiel nehmen die Angst vor Fehlern und stärken das Selbstbewusstsein“.

Aktionen der LEGO Gruppe für mehr kreatives Selbstbewusstsein und bestärkende Sprache:

Für Kinder:

  • Kostenlose Kreativitätsworkshops in den LEGO Stores® und online: für Kinder zwischen 6 bis 12 Jahren zu den Themen Entertainment, Weltraum, Spiele, Träume und Fantasie. Mehr Informationen unter: www.LEGO.com/Creativity-Workshops.
  • Inhalte zum sozial-emotionalen Lernen für Kinder in der LEGO® Life App, um Kindern dabei zu helfen, kreatives Selbstvertrauen zu entwickeln und Versagensängste zu überwinden.

Für Erwachsene & Mitarbeiter:

Schulung zu inklusiver Sprache für LEGO® Mitarbeiter:innen zur Beseitigung geschlechterspezifischer Vorurteile zu / in LEGO® Sets und Werbung

[1] Bevölkerungsrepräsentative, globale Umfrage durchgeführt von Edelman DXI im Auftrag der LEGO Gruppe vom 13. Dezember 2023 bis 24. Januar 2024 in 36 Ländern unter 61.532 Erwachsenen, Eltern und Kindern im Alter zwischen 5 bis 12 Jahren.

[2] Befragung von 25.532 Kinder im Alter zwischen 5 bis 12 Jahren in 36 Ländern: 88 Prozent der Mädchen gaben an, sich unter Druck gesetzt zu fühlen, perfekt sein zu müssen.

[3] 25.532 befragte Kinder in folgenden Ländern: Australien, Belgien, Brasilien, China, Deutschland, Dänemark, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Hongkong, Indien, Indonesien, Italien, Japan, Kanada, Kenia, Mexiko, Neuseeland, Niederlande, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Saudi-Arabien, Schweden, Schweiz, Singapur, Slowenien, Spanien, Südafrika, Südkorea, Taiwan, Türkei, Tschechien, Vereinigte Arabische Emirate, Ungarn, USA.

[4] Befragung von 36.000 Erwachsenen und Eltern sowie von 25.532 Kindern.

[5] 32.532 befragte Kinder.

[6] 32.532 befragte Kinder.

[7] Bevölkerungsrepräsentative, globale Umfrage durchgeführt von Edelman DXI im Auftrag der LEGO Gruppe vom 13. Dezember 2023 bis 24. Januar 2024 in 36 Ländern unter 61.532 Erwachsenen, Eltern und Kindern im Alter zwischen 5 bis 12 Jahren, Zuordnung der Begriffe durch die 36.000 befragten Erwachsenen.

[8] Bevölkerungsrepräsentative, globale Umfrage durchgeführt von Edelman DXI im Auftrag der LEGO Gruppe vom 13. Dezember 2023 bis 24. Januar 2024 in 36 Ländern unter 61.532 Erwachsenen, Eltern und Kindern im Alter zwischen 5 bis 12 Jahren. Ergebnisse für Deutschland, Österreich und die Schweiz mit jeweils 1.000 befragten Erwachsenen.

[9] Bevölkerungsrepräsentative, globale Umfrage durchgeführt von Edelman DXI im Auftrag der LEGO Gruppe vom 13. Dezember 2023 bis 24. Januar 2024 in 36 Ländern unter 61.532 Erwachsenen, Eltern und Kindern im Alter zwischen 5 bis 12 Jahren, Zuordnung der Begriffe durch die 36.000 befragten Erwachsenen.

[10] Bevölkerungsrepräsentative, globale Umfrage durchgeführt von Edelman DXI im Auftrag der LEGO Gruppe vom 13. Dezember 2023 bis 24. Januar 2024 in 36 Ländern unter 25.532 Kindern im Alter zwischen 5 bis 12 Jahren.

[11] Bevölkerungsrepräsentative, globale Umfrage durchgeführt von Edelman DXI im Auftrag der LEGO Gruppe vom 13. Dezember 2023 bis 24. Januar 2024 in 36 Ländern unter 25.532 Kindern im Alter zwischen 5 bis 12 Jahren.




Kreativität braucht Anregung und keine Bastelanleitung

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Kreativität wächst mit der Fantasie, wenn diese nicht erdrückt wird

Krickel krakel kreativ: Kunstprojekte mit Kindern „Kinder sind Künstler, wenn man sie lässt“ – davon ist Autor Helge Nyncke überzeugt. Dieses Buch stellt einfache, aber wirkungsvolle Kreativtechniken vor, die er selbst in langjähriger Projektarbeit mit Kindern erprobt und entwickelt hat. Sein kunstpädagogisches Buch zeigt auf, wie mit wenig Materialaufwand, aber viel Gespür für den kreativen Prozess, erfüllende künstlerische Arbeit mit Kindern funktionieren kann.

  • Kreativbuch für Kunst mit Kindern vom bekannten Illustrator Helge Nynke
  • Von Flattervögeln bis Weihnachtskarten: vielfältige Bastelideen aus der Praxis – Geeignet für Schule, Hort, Workshops und Kunstwerkstätten
  • Ob Einzel- oder Gruppenarbeit, Malen, Zeichnen oder Basteln – hier ist für alle etwas dabei
  • Mit authentischen Fotos, hilfreichen Kommentaren und weiterführenden Anregungen Das etwas andere Praxisbuch: Kreativer Flow statt Bastelanleitung

Was, wenn die Kinder die gesammelten Kastanien einmal nicht zu Tierchen dekorieren, sondern mit ihnen selbst erfundene Bauwerke fertigen? Plötzlich entdecken die Kinder ihre eigene Fantasie und es entstehen ganz besondere Kinder-Kunstwerke. Kreative Arbeit mit Kindern bietet die Möglichkeit, ihnen grundlegendes Wissen und reiche Erfahrungen zu vermitteln und dabei zugleich ihr soziales und individuelles Lernen effektiv und nachhaltig zu fördern. Theoretische Grundlagen und kreative Impulse für eigene Kunstprojekte: dieses Kreativbuch ist eine hervorragende Quelle für Erzieherinnen und Erzieher, Kunstpädagogen, pädagogische Fachkräfte und für alle, die mit Kindern künstlerisch tätig sind.

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Leuchtstarke Laternenideen fürs Malen, Basteln, Kreativsein

Laternenspaß für Große und Kleine

Aliens und die Wesen der Tiefsee sind bereit für den Laternenumzug!

Und es geht ganz leicht: Einfach die vorgezeichneten Formen auf den Laternenzuschnitten mit Bunt- oder Filzstiften ausmalen, um eine Käseschachtel herumkleben, LED-Leuchtmittel oder elektrischen Laternenstab dazu und schon kann das fröhliche Rabimmeln beginnen.

ALS-Laternenzuschnitte Unterwasserwelt, 25er-Pack

ALS-Laternenzuschnitte Außerirdische, 25er-Pack

laternen

Wenn das Laternenbasteln schnell gehen muss

Da ist tutti kompletti alles drin, was Kids zum Basteln mit Fledi Fledermaus, Manni Monster und Rudi Rakete brauchen: Wellpappe-Laternen, Zuschnitte, Dekomaterial und Halterung. Alles ist schon fix und fertig vorgezeichnet und bastelbereit – von Null auf Laternenspaß in 30 Minuten.

Laternen Bastelsets, 5er-Pack

Tipp: Gleich mal im ALS-Blog vorbeischauen, da gibt’s viel zu entdecken.




Kreativität: im Wechselspiel innerer und äußerer Prozesse

Helge Nyncke über sein Buch und eine der wichtigsten Kompetenzen für die Zukunft

Kreativität ist die Fähigkeit, Unbekanntes zu erforschen, die richtigen Fragen zu stellen, um schließlich Antworten zu finden. Einen Schritt weiter geht die Autorin oder der Autor der Online-Enzyklopädie Wikipedia. Hier steht: „Kreativität ist die Fähigkeit, etwas zu erschaffen, was neu oder originell und dabei nützlich oder brauchbar ist… Das Wort Kreativität bezeichnet im allgemeinen Sprachgebrauch vor allem die Eigenschaft eines Menschen, schöpferisch oder gestalterisch tätig zu sein.“ Und der bekannte Pädagoge Arno Stern bringt es auf den Punkt, wenn er schreibt: „Kreativität ist eine Haltung im Leben, eine Fähigkeit jedwede Gegebenheit der Existenz zu meistern.“ Damit wäre Kreativität die wichtigste Kompetenz für die Zukunft.

Demnach geht es bei Kreativität darum, etwas Neues zu schaffen. Allzu oft ordnen viele von uns Kreativität nur den Küsterinnen und Künstlern zu. Weil ein Kunstwerk etwas Originäres und Neues hat, stimmt diese Behauptung zwar, wäre aber viel zu eng gefasst. Schließlich steckt auch in einer neuen Lösung für ein Problem ein kreativer Akt.

Denken können als Voraussetzung

Um wirklich kreativ sein zu können, müssen Menschen denken können. Zum einen geht es darum, eine Herausforderung zu erkennen und eigene, neue Lösungswege zu entwickeln. Diese Form des Denkens wird als divergentes Denken bezeichnet. Und um aus all diesen Möglichkeiten, den richtigen Weg zu herauszufiltern, ist konvergentes Denken notwendig. Dabei helfen auch Intelligenz und Erfahrung.

Viel Raum und wenige Vorgaben

Kindern fehlen diese noch. Sie müssen diese erst sammeln. Der Sozialpsychologe Prof. Dr. Hans-Peter Erb beschäftigt sich schon seit vielen Jahren mit diesen Themen. Er meint, dass viel Freiheit und möglichst wenig Einschränkungen die Grundvoraussetzungen für Kreativität sind. „Gibt es starke Normen oder Verbote, behindert das die Kreativität.“, erklärt er. Hinzu müssen noch ein gesundes Selbstwertgefühl und Begeisterung kommen.

Spielen und lernen

Schon wären wir wieder beim Thema „spielen und lernen“. Dieses ganzheitliche Lernen mit allen Sinnen benötigt eben viel Raum und wenige Vorgaben. Und uns, die den geschützten Raum schaffen und im richtigen Moment Impulse setzen, zu denen auch entsprechende Angebote gehören. Schritt-für-Schritt-Bastelanleitungen oder Ausmalbögen haben ihren eigenen Wert, wenn es etwa um Motorik oder die Erfahrung von Selbstwirksamkeit geht. Die Entwicklung von Kreativität fördern sie weniger.

„Was für ein großartiger Schatz!“

Der Illustrator Helge Nyncke zählt selbst zu den Kreativen. Eine Ausbildung zum Kreativitätspädagogen hat er ebenfalls absolviert. In seinem Buch „Kinderkunst und Kreativität berichtet Nyncke über seine Arbeit mit Kindern und gibt eine Fülle von Anregungen zu kreativen Projekten, die er mit etlichen Fotos illustriert hat. Prof. Dr. Armin Krenz würdigt dieses Buch im Kita-Handbuch mit den Worten „Endlich! Endlich ist ein Praxisbuch mit dem Schwerpunkt,Kreativität und Kinderkunst‘ erschienen, das ,Kinderkunst‘ im originären Sinne versteht und gleichzeitig ,Kreativität‘ von der ursprünglichen Bedeutung ,creare = erschaffen/ ins Leben rufen/ zur Welt bringen‘ aufgreift.“ „Was für ein großartiger Schatz!“, schließt Krenz seine Rezension ab.

Vom Newsletter zum Buch

Über die Entstehung des Buchs erklärt Nyncke im Interview (vgl. Podcast), dass das Buch letztlich aus einem Newsletter für die Eltern jener Kinder entstanden sei, mit denen er viele Jahre kreative Aktionen durchgeführt. Dafür habe er etliche Fotos und Texte gemacht. Schließlich habe er dafür ein Konzept für ein großes Buch entwickelt. Damit wolle er zu einer Bewusstseinserweiterung bei allen Menschen, die mit Kindern umgehen, beitragen. Es sei ihm wichtig, Möglichkeiten aufzuzeigen, Fenster zu öffnen, Staunen zu erregen, Neugier anzufachen, einfach Lust zu machen auf kreatives Handeln. So will er Erfahrungs- und Entfaltungsräume öffnen.

Sich beim Handeln vom Wechselspiel innerer und äußerer Prozesse leiten lassen

Kreativität bedeutet für ihn, sich beim Handeln vom Wechselspiel innerer und äußerer Prozesse leiten zu lassen. Das heiße, nicht zu sehr nur auf äußere Prozesse zu schauen und nicht zu zielgerichtet. Es gehe vielmehr darum, diese äußeren Prozesse im Wechselspiel zu sehen mit den inneren Prozessen, die sich dabei abspielen. Was habe ich für Assoziationen? Was habe ich für Ideen? Welche Entdeckungen mache ich während des Arbeitens? Wie komme ich mit Zufällen in Berührung, die mich plötzlich auf ganz neue Ideen bringen? Kreativität sei im Prinzip die Idee, diesem Wechselspiel wirklich den größten möglichen Raum zu gehen.

Anregung und Motivation in der Kindertagesbetreuung

Nyncke stellt sich sein Buch als Anregung und Motivation in der Kindertagesbetreuung vor. Denn wer sich mit dem Buch vertraut mache, komme von selbst auf unglaublich viele eigenen Ideen. „Aber er bekommt jetzt nicht die Schritt für Schritt Anleitungen, denen er einfach nur noch blind folgen müsste, sondern er bekommt eine riesige Palette von Angeboten, von Ideen, von Möglichkeiten. Ich denke mal, da wird ganz viel im Kopf selber passieren, von Erwachsenen, die für Kinder Angebote konstruieren, oder auch von Kindern, die dieses Buch durchschauen, zum Beispiel zusammen mit den Erwachsenen.“, sagt Nyncke.

Hilfestellungen, um den Zugang zu erleichtern

Dabei wären natürlich ganz viele Hilfestellungen im Buch. Etwa auch zur Beobachtung: Was passiert, wenn ich Gruppenarbeiten mache, welche für Dynamiken entstehen? Worauf muss ich Rücksicht nehmen? Womit kann ich Strukturen schaffen, die es verschiedenen Kindern ermöglichen, einen wirklich befriedigenden Einstieg zu finden und insgesamt ein tolles Gesamtkunstwerk zu schaffen? Wie sieht es wieder aus, wenn ich Einzelarbeiten mit Kindern mache? Was ist meine Rolle beim Vormachen, beim Anleiten? Wie kann ich mich da einbringen? Wie muss ich mich da zurücknehmen? „Diese pädagogischen Aspekte sind überall vorhanden und erleichtern den Zugang zum ganzen Thema.“

Beschreiben statt bewerten

Die wichtigste Botschaft für ihn, meint Nyncke, sei dabei: beschreiben statt bewerten. „Wir sind so ein bisschen dazu erzogen, Sachen sehr schnell zu bewerten. Das ist im Prinzip auch ein natürlicher Prozess… Wenn wir uns davon zu sehr vereinnahmen lassen, verhindern wir ganz viele kreative Prozesse…“. Denn wir könnten noch lange nicht abschätzen, was der Arbeitsprozess für das Kind bedeute, was daraus noch entstehen könne und was für einen Schritt das für das Kind darstelle.
„Also: beschreiben statt bewerten. Denn Kreativität entsteht eigentlich genau durch die nicht Zensur von Assoziationen, im freien Zulassen von Ideen und spontanen Impulsen und Zufälligkeiten, also sich selbst zu überraschen. Das ist eigentlich die zentrale Botschaft. Vielleicht könnten wir noch sagen, erwartet das Unerwartete, und damit beginnt einfach eine unglaublich spannende Reise, auf die sich jeder gerne mal einlassen könnte.“

Kinderkunst und Kreativität

Krickel krakel kreativ: Kunstprojekte mit Kindern „Kinder sind Künstler, wenn man sie lässt“ – davon ist Autor Helge Nyncke überzeugt. Dieses Buch stellt einfache, aber wirkungsvolle Kreativtechniken vor, die er selbst in langjähriger Projektarbeit mit Kindern erprobt und entwickelt hat. Sein kunstpädagogisches Buch zeigt auf, wie mit wenig Materialaufwand, aber viel Gespür für den kreativen Prozess, erfüllende künstlerische Arbeit mit Kindern funktionieren kann.

Praxis und Philosophie. Fantasie und Selbstbewusstsein fördern. Kunst mit Kindern: mehr als malen und basteln! Kreativbuch für Schule, Hort, Workshops und Kunstwerkstatt.
Hardcover, 21 x 29,7 cm (DIN A 4), 198 Seiten, durchgehend vierfarbig
ISBN: 978-3-910295-01-8
25 €




Windlichter mit Murmeltechnik gestalten

windlichter

Einfache Materialien, einfache Techniken und ganz viel Gestaltungsraum

Es gibt eine ganze Reihe von verschiedenen Techniken, welche die Kinder im Laufe ihrer Kindergartenzeit lernen sollten. Sie müssen natürlich die Möglichkeit bekommen viel auszuprobieren und zu entscheiden, was ihnen am besten gefällt.

Erklären der Aufgaben

Erklären Sie den Kindern in kleineren oder größeren Gruppen, was Sie mit ihnen machen möchten. Dabei soll natürlich nicht das Erklären der Technik im Vordergrund stehen, sondern das Erschaffen eines neuen Kunstwerkes. Die Technik sollte in den Hintergrund rücken und eher Mittel zum Zweck sein und nicht der Hauptgrund, aus dem heraus die Kinder arbeiten.

Material

Die folgende Aufgabe ist so ausgewählt, dass Sie diese meist mit den Materialien, die Sie sowieso im Kindergarten haben, umsetzen können.

  • Schuhkarton,
  • Papier
  • oder Butterbrottüte,
  • Wasserfarben,
  • Murmel

Und so geht es

  • Ein Blatt Papier in einen Schuhkarton legen.
  • Vorsichtig die Wasserfarbe in einem Farbton an verschiedenen Stellen des Blattes auftropfen.
  • Eine Murmel auf das noch feuchte Blatt legen.
  • Die Farbe durch Bewegung verteilen.
  • Das ganze mit mehreren anderen Farben wiederholen, bis das gewünschte Ergebnis entstanden ist.

Variante

  • Eine Butterbrottüte anstatt des Papiers verwenden.
  • Ein kleines Marmeladenglas, mit einem Teelicht darin, in die Tüte stellen.
  • So entsteht ein sehr schönes, individuelles Windlicht.

Es ist einfacher, wenn die Kinder einen möglichst kleinen Schuhkarton nutzen – am besten von kleinen Kinderschuhen – so dass die Butterbrottüte möglichst genau hineinpasst. Wenn die Tüte von der einen Seite getrocknet ist, darf die Murmel über die andere Seite rollen. Nach dem Trocknen das Glas in die Tüte stellen. Das verleiht zum einen Stabilität und zum anderen kann so das Teelicht kein Feuer entzünden.

Das Windlicht können die Kinder sowohl im Sommer als Lichtquelle für draußen nutzen, als auch im Winter als heimelige Beleuchtung in der Weihnachtszeit.

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Diesen Artikel haben wir aus folgendem Buch entnommen:

Kleckern, Klecksen, Kleben
Künstlerische Aktivitäten in der Kindergruppe
Sander, Manon
Burckhardthaus-Laetare
ISBN: 9783944548197
176 Seiten, 7,95 €

Mehr dazu auf www.oberstebrink.de




Kreativität – Ein Begriff im Ausverkauf der Kindergartenpädagogik

Ein großes Wort, von dessen Ursprung in der Praxis kaum etwas übriggeblieben ist

Der Begriff „Kreativität“ ist aus der heutigen Pädagogik nicht mehr wegzudenken. Er begegnet uns täglich in Gesprächen mit Erzieher:in­nen, die in Kindergärten arbeiten, und findet sich ebenso in Konzeptio­nen elementarpädagogischer Einrichtungen wie in formulierten Lernzie­len innerhalb der Jugendarbeit. Dem ist auch grundsätzlich nichts entgegenzuhalten. Was vielmehr große Nachdenklichkeit provoziert, ist die Tatsache, dass einerseits viele Erzieher:innen zwar „kreative Erziehung“ propagieren und gleichzeitig davon überzeugt sind, Kreativität bei Kindern zu fördern. Andererseits wurde dieser Begriff wie kaum ein zweiter „Lernbereich“ in der Pädagogik so weit zurechtgeschnitten und didaktisch gekürzt, dass kaum noch – wenn überhaupt– etwas von sei­nem Ursprung übrig geblieben ist. Ja, der Begriff „Kreativität“ ist oft nicht mehr als eine inhaltsleere Worthülse, die leise ein verkümmertes Dasein vor sich hinfristet und der in vielen Fällen schon der Todesstoß versetzt wurde.

Ausgangspunkt

Kinder besuchen einen Kindergarten, um ausreichend Fähigkeiten zu er­werben, Begebenheiten und Situationen ihres ­gegenwärtigen Lebens nachvollziehen und ebenso wie Ereignisse künftigen Lebens bewältigen zu können, durch kompetentes und autonomes Fühlen, Handeln und Denken. Es soll an dieser Stelle nicht weiter auf die Begriffe „Kom­petenz“ und „Autonomie“ eingegangen werden, bis auf die Anmerkung, dass emotionale, soziale, motorische und kognitive Fähigkeiten (= Kompetenzen) notwendig sind, um selbstständig (=autonom) und unabhängig handeln zu können. Und selbstverständlich bedarf es dazu eines großen Anteils an „Kreativität“, denn sie ist es letztlich, die vor allem das Maß selbstständigen und unabhängigen Handelns mitbestimmt.

Sehen und hören, was wirklich ist, nicht: was sein sollte; sagen, was ich denke, nicht: was ich denken sollte; fühlen, was ich wirklich fühle, nicht: was ich fühlen sollte; fordern, was ich möchte, nicht: immer erst auf Erlaubnis warten; Risiken eingehen, ohne sich immer erst abzusichern ).

Die fünf Freiheiten des Menschen, Virginia Satir

Zunächst einmal kann es leicht passieren, dass Leser:innen zu diesen von Satir benannten Freiheiten zustimmend nicken und glauben, eine Pädagogik in ihrer Einrichtung zu realisieren, die dem entspricht. Doch wenn wir einmal anfangen, diese Postulate mit Beispielen zu füllen, dann kann es schon etwas anders aussehen und die Zustimmung leiser werden.

Sehen und hören, was wirklich ist – die Realität, in der Kinder leben, die für Kinder wichtigen Kleinigkeiten und großartigen Dinge, die Kinder sehen und hören: die tollen Pfützen, in denen man herumspringen kann; der Dreck, der so herrlich verschmiert werden kann; Farben, die ganze Räume ausfüllen, und lautes Schreien, das Spaß macht; gesehe­ne Fernsehsendungen, die Kinder anschauen durften, auch wenn es nicht unserer Vorstellung entspricht, wenn Kinder Spätfilme angeguckt haben; eigene Körperlichkeit, die durch Anschauen und Vergleichen er­fahrbar wird; schlürfen beim Essen und Kinderlachen.

Sagen, was ich denke – die Realität, Worte der Kinder stehen lassen zu können: die „neue“ Sprache (echt geil, irre stark, cool, ätzend, zombigeil und obergut); die alten „schmutzigen“ Wörter, deren Gebrauch gerade deswe­gen so reizvoll ist, weil sich Erwachsene im Kreislauf vergangener Zei­ten bewegen und immer noch aufgeregt und verärgert darauf reagieren.

Fühlen, was ich wirklich fühle – die Realität der Gefühle von Kindern, die sich ärgern und laut schimpfen und damit etwas zum Ausgleich ihres Ärgernisses im Sinne psychohygienischer Entspannung tun; traurig sein und herzhaft weinen, weil es entlastet und befreit; sich freuen und laut lachen, ohne sich einzukriegen, vor lauter Freude im Zimmer herumren­nen und Gefühle in Bewegung umsetzen.

Fordern, was ich möchte – wollen, statt eigene Bedürfnisse zurückzustellen und unterwürfig zu fra­gen, ob es möglich wäre, dieses oder jenes eventuell machen zu dürfen. Risiken eingehen – über Grenzen hinwegdenken, Gewohnheiten infrage stellen, Bekanntes verwerfen und einfach ausprobieren.

Um gleich zu Anfang einem Missverständnis entgegenzuwirken: Es geht nicht darum, grundsätzlich immer und überall den Bedürfnissen von Kindern nachzukommen! Vielmehr geht es um die Realität von Aus­sagen, die in ihrer Praxis so oder ähnlich aussehen.

Kreativität bewegt sich zwischen den Eckwerten „neu“, „anders“, „schöpferisch“, „flexibel“, „selbst finden“, „eigene Potenziale suchen und finden, nutzbar zur Verfügung haben und brauchen“, „Offenheit“, „originell“, „von Gewohntem abweichend“, „ausprobieren“ und „un­gewöhnlich“. Das heißt doch nichts anderes, als sich in der Welt so zu bewegen, dass Menschen, die kreatives Handeln zeigen, nicht durch gewohntes Verhalten „auffallen“, sondern durch ihre neuen Aktivitäten, die sich vom Üblichen absetzen, ins Blickfeld geraten; sich nicht auf der Autobahn (Lebensweg) befinden, sich zwischen den Leitplanken (Normen) bewegen und alle Verkehrsschilder (Ge- und Verbote) exakt ein­halten, nur dort anhalten, wo Rastplätze (vorgegebene Ruhepausen) eingerichtet sind und vorhandene Ausfahrten (Ausweichmöglichkeiten) ein Verlassen gerader Wege erlauben. Kreative Menschen fallen auf, gerade weil sie eigene Lösungsmöglichkeiten suchen.

Bleiben wir noch ein wenig bei dem Begriff „Kreativität“ und bei den ihr zugrunde liegenden Verhaltensweisen, dann zeichnen sich kreative Menschen durch folgende Merkmale aus:

  • Probleme werden als solche wahrgenommen und nicht missachtet.
  • Auseinandersetzungen mit möglichen Problemlösungen werden handelnd und probierend erfahren, ohne durch die Suche nach nur einer Lösung schnell fertig werden zu wollen.
  • Neugierdeverhalten ist der Motor, festgefügte Handlungs- und Denkformen zu überschreiten.
  • Aufgeschlossenheit der sozialen, materiellen und situativen Umwelt gegenüber erfordert Mut und Selbstbewusstsein; sie lassen den Vorstoß ins Neue letztlich zu. Wo diese beiden Merkmale nicht zur Persönlichkeitsstruktur gehören, kann Kreativität nicht wachsen ­– weder bei der ErzieherIn noch bei den Kindern.
  • Energie beflügelt die Seele, aus bekanntem Wissen neue Kombina­tionen zu bilden.

Es wird nicht überraschen, wenn die These aufgestellt wird, dass selbstverständlich nur kreative Erzieher:innen auch Impulse zur Förde­rung der Kreativität bei Kindern geben können. Nur wenn die Voraus­setzung zur Kreativität zum Beispiel

  • eine offene Haltung gegenüber der Umwelt ist, viele Erzieher:innen aber kollegiale Differenzen nicht offen austragen oder die massive Veränderung der Umwelt nur bruchstückhaft wahrnehmen, Eltern gegenüber vorurteilsbeladen sind oder sich neuen, unbequemen Gedan­ken nicht öffnen;
  • die Fähigkeit ist, differenziert zu reagieren, viele Erzieher:innen aber zum Beispiel Verhaltensbündel von Kindern zum Ausgangspunkt ihrer Arbeit machen, statt spezifischen Verhaltensweisen den Vorrang zu geben;
  • Kritikfähigkeit ist, viele Erzieher:innen aber direkten Auseinandersetzungen nicht selten aus dem Wege gehen, eher methodenorientierte Fortbildung besuchen als selbsterfahrungsausgerichtete Seminare;
  • Energiepotenziale verlangt, die Rahmenbedingungen für Kinder und Erzieher:innen in Kindergärten sich aber weiter verschlechtern, sodass viel Energie im täglichen Allerlei verbraucht wird;
  • Erfolgsmotiviertheit ist, im täglichen Arbeitsanfall entsprechende „Erfolge“ aber untergehen und nicht auffallen;
  • Selbstständigkeit und Initiative sind, Erzieher:innen sich aber von Trä­gern abhängig fühlen und dies sicher auch mehr oder weniger so ist; eigene Ideen, geboren aus der Beobachtung von Bedürfnissen von Kindern, zugunsten schon festgelegter Arbeitspläne aufgegeben werden,

dann scheint die Frage spätestens hier berechtigt, ob und inwieweit sich Kreativität bei Kindern entwickeln kann.

Fördernde und hemmende Bedingungen zur Kreativitätsentwicklung

Lassen Sie mich mit einer Fabel beginnen, die einerseits sehr lustig ist, andererseits viel Tragik offenbart. Es ist offensichtlich überflüssig, eige­ne Gedanken zu dieser Fabel zu formulieren, weil ein Transfer zur Ele­mentar- und Primarpädagogik ohne Abstriche hergestellt werden kann, sollte, ja muss.

Das Konzept individueller Unterschiede

Es gab einmal eine Zeit, da hatten die Tiere eine Schule. Das Curriculum bestand aus Rennen, Klettern, Fliegen und Schwimmen, und alle Tiere wurden in allen Fächern unterrichtet. Die Ente war gut im Schwimmen; besser sogar als der Lehrer. Im Fliegen war sie durchschnittlich, aber im Rennen war sie ein besonders hoffnungsloser Fall. Da sie in diesem Fach so schlechte Noten hatte, musste sie nachsitzen und den Schwimmunterricht ausfallen lassen, um das Rennen zu üben. Das tat sie so lange, bis sie auch im Schwimmen nur noch durchschnittlich war. Durchschnittliche Noten waren aber akzeptabel, darum machte sich niemand Gedanken darum, außer der Ente.

Der Adler wurde als Problemschüler angesehen und unnachsichtig und streng gemaßregelt, da er, obwohl er in der Kletterklasse alle anderen darin schlug, darauf bestand, seine eigene Methode anzuwenden. Das Kaninchen war anfänglich im Laufen an der Spitze der Klasse, aber es bekam einen Nervenzusammenbruch und musste von der Schule abge­hen wegen des vielen Nachhilfeunterrichts im Schwimmen. Das Eichhörnchen war Klassenbester im Klettern, aber sein Fluglehrer ließ ihn seine Flugstunden am Boden beginnen, anstatt vom Baumwipfel herunter. Es bekam Muskelkater durch Überanstrengung bei den Startü­bungen und immer mehr „Dreien“ im Klettern und „Fünfen“ im Ren­nen. Die mit Sinn fürs Praktische begabten Präriehunde gaben ihre Jungen zum Dachs in die Lehre, als die Schulbehörde es ablehnte, Buddeln in das Curriculum aufzunehmen. Am Ende des Jahres hielt ein anormaler Aal, der gut schwimmen und etwas rennen, klettern und flie­gen konnte, als Schulbester die Schlussansprache. (Originalquelle unbekannt)

Kreativität kann sich nur dort entwickeln, wo folgende Faktoren eine günstige Ausprägung aufweisen:

  • Umwelt
  • Material
  • Zeit
  • Raum
  • situative Bedingung „Gruppengröße/Zusammensetzung“
  • ErzieherIn
  • Persönlichkeit des Kindes

Da alle sieben Merkmale miteinander in Beziehung stehen, ist eine iso­lierte Betrachtung einzelner Elemente zwar von großer Bedeutung, in der Betrachtung fördernder oder hemmender Bedingungen allerdings nur im Beziehungsgeflecht aussagekräftig. Folgendes Bild scheint daher angebracht:

Bisherige Ergebnisse der Kreativitätsforschung lassen folgende Aussagen zu:

Das Spiel ist der Weg der Kinder zur Erkenntnis der Welt, in der sie leben und die zu verändern sie berufen sind.

Maxim Gorki

Zwischenbilanz

Halten wir einmal fest: Wenn mit dem Begriff „Kreativität“ die Fähigkeit bezeichnet wird, vor einem Problem aus dem Alltag zu stehen und nun Beziehungen zwischen vorher unbekannten Erfahrungen zu finden, die sich in der Form neuer Denkschemata als neue Erfahrungen, Ideen oder Produkte ergeben (Guliford, Farnes, Smith), dann ist sie das Ergebnis (die Auswirkung) von unterschiedlichen Momenten, die auf das Kind einen Einfluss haben. Sie lassen es zu beziehungsweise wirken als Hemmnisse, dass sich Kreativität erst einmal entwickeln kann. Und wenn es um Problemlösungen geht, dann ist damit in keinem Fall nur der Ausschnitt „kreatives Basteln“ oder Ähnliches gemeint. In dem Maße, wie Rahmenbedingungen ungünstig sind – für Kinder und Erzie­her:innen –, in dem Verhältnis wurde der Begriff beschnitten und ver­fälscht. Damit hat er nur noch eine Alibifunktion, die aber grundsätzlich nichts rechtfertigen kann und darf.


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Diesen Artikel haben wir aus folgendem Buch entnommen:
Elementarpädagogik aktuell
Die Entwicklung des Kindes professionell begleiten
Krenz, Armin
Burckhardthaus-Laetare
ISBN: 9783944548012
208 Seiten, 24,95 €
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Eckwerte zum „kreativen Verhalten“

Wer ein wirkliches Interesse an Kindern hat, der wird den Schwerpunkt seiner Arbeit auf die Entfaltung kreativer Persönlichkeiten legen, zumal es die Aufgabe eines kreativen Erziehers oder einer kreativen Erzieherin ist, Einzigartigkeiten in Kindern zu entdecken, sie zu akzeptieren und Kindern dabei zu helfen, sie zu entwickeln. Kreativität (Lateinisch creare: etwas zeugen, gebären, schaffen, erschaffen) ist nur da möglich, wo Erzieher:innen „Geburtshelfer“ sind und dieses auch als eine ihrer Aufga­ben ansehen. Voraussetzungen zum „Schaffen“ einzuleiten, hemmen­de Wirklichkeiten zu verändern – diese Anforderungen haben dabei höchste Priorität. Möglichkeiten zum selbstständigen und nicht grup­pengebundenen Denken, Toleranz neuen Ideen gegenüber, Probleme zu finden, ihre Lösung zu suchen und auszuprobieren und dabei können Erzieher:innen den Kindern helfen.

Kinder hören auf, dann kreativ zu sein, wenn die unmittelbare und mittelbare Umwelt nicht darauf reagiert. Probleme von Kindern fernzuhalten oder sie für Kinder zu lösen ist überhaupt nicht zweckmäßig, zumal ein Problem nur dann als ein solches identifiziert wird, wenn Kindern die Möglichkeit für eine Lösung fehlt. Probleme schaffen Frustrationen, und gerade sie fordern zum Handeln und Überlegen heraus. Und ohne Herausforderung gibt es keine Kreati­vität im eigenen Leben und dem der Kinder. Augen sind nicht nur zum Sehen, sondern zum Staunen, Schauen und Betrachten da. Ohren sind nicht nur zum Hören, sondern zum Horchen da. Hände können nicht nur greifen, sondern auch tasten, streicheln, fühlen und anfassen. Mit dem Mund kann nicht nur gesprochen, getrunken und gegessen werden, sondern er kann spüren, lachen, weinen, schimpfen, schweigen, singen und vieles andere mehr.

Man sollte Kinder lehren,
ohne Netz
auf einem Seil zu tanzen, bei Nacht allein
unter freiem Himmel zu schlafen,
in einem Kahn
auf das offene Meer hinauszurudern.
Man sollte sie lehren,
sich Luftschlösser
statt Eigenheime zu erträumen, nirgendwo sonst
als nur im Leben zu Haus zu sein,
und in sich selbst Geborgenheit zu finden.

Hans-Herbert Dreiske

Gedanken …

Aus der Kreativitätsforschung wissen wir, dass kreative Menschen auch immer intelligent sind, intelligente Menschen aber nicht automatisch kreativ. Dort, wo Neugierde, die jeder Mensch in sich trägt, unterdrückt wird, konformes, altbewährtes Denken den Vorrang vor Originalität bekommt, werden Wagnisse gebremst, wird Kreativität blockiert. Resig­niert zieht Erika Landau, eine der großen Kreativitätsforscherinnen unserer Zeit, folgendes Resümee: Am traurigsten jedoch erscheint mir die Folgeerscheinung dieser Erziehung, die sich mit Ansammeln von Wissen begnügt, die darin besteht, dass das Individuum eigentlich für die Vergangenheit vorbereitet wird. Die Mittel, sich kreativ mit den Problemen der Zukunft zu befassen, werden ihm nicht zur Verfügung gestellt. Damit hat Kreativität selbstverständlich auch eine gesellschaftliche Bedeutung: Neue Probleme in der Umwelt, Technik, Forschung bedürfen neuer Lösungen. An der Zukunft partizipieren heißt damit, Kindern ihre eigene kreative Entwicklung erschließen helfen, damit sie auch ihre Zu­kunft erleben (können) und unsere Zukunft mitgestalten.

Schlusswort

Kreative Menschen – Kinder, Jugendliche und Erwachsene – sind dyna­misch und wortgewandt, emotional stabil, unkonventionell und nonkon­form, ausdauernd und hartnäckig, haben Vorlieben für Neues und lösen sich bei Bedarf von traditionellen Anschauungen. Wenn dem so ist – und dem ist so –, dann gibt es zwei Möglichkeiten in der Ausgestaltung der Elementarpädagogik: Entweder die Arbeit im Kindergarten lässt diese Entwicklung zu, weil diese Verhaltensweisen kreativen Kindern zu eigen sind, oder das „Lernziel Kreativität“ verliert seine Berechtigung, in Konzeptionen aufgeführt zu sein beziehungsweise in Gesprächen mit Kollegen, Kolleginnen und Eltern genannt zu werden.

Prof. h.c. Dr. h.c. Armin Krenz, Honorarprofessor i.R., Wissenschaftsdozent für Entwicklungspsychologie und Elementarpädagogik




Kinder gleichen Konzentrationsschwäche durch Kreativität aus

Gluehbirne

Studie zeigt, dass Kinder dank breitem Fokus eigene Lösungswege finden

Im Vergleich zu Erwachsenen können sich Kinder noch nicht so gut konzentrieren, sich weniger merken und ihre Aufmerksamkeitsspanne ist verhältnismäßig kurz. Dies ist auf den Stand der kognitiven Entwicklung zurückzuführen. Dadurch – so bisher angenommen – haben sie einen Nachteil beim Lösen von Aufgaben. Dass sich der breitere Fokus jedoch auch als Vorteil erweisen kann, zeigt jetzt eine Studie der Max Planck Forschungsgruppe „NeuroCode – Neuronale Grundlagen des Lernens und Entscheidens“ am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung: Kinder sind gut darin, weniger relevante Informationen zu verarbeiten und mithilfe dieser spontan neue und kreative Strategien beim Lösen von Aufgaben zu finden.

Mit spontanen Strategiewechseln Aufgaben bewältigen

Auch Erwachsene zeigen beim Lösen von Aufgaben spontane Strategiewechsel, ähnlich sogenannten „Aha-Momenten“, die das Lösen einer Aufgabe erleichtern. Der Fachartikel zeigt, dass Kinder zwar beim Lösen von Aufgaben mithilfe von herkömmlichen Strategien deutlich schlechter abschneiden, da ihnen beispielsweise fokussierte Aufmerksamkeit schwerer fällt, sie aber genauso oft wie die Erwachsenen mithilfe von spontanen Strategiewechseln die Aufgaben bewältigen.

„Unsere Ergebnisse zeigen, dass Kinder zwar oft weniger fokussiert und leichter abzulenken sind als Erwachsene, aber erstaunlich flexibel beim Entdecken ganz neuer Lösungen“, sagt Psychologe und Neurowissenschaftler Nicolas Schuck, Gruppenleiter der Max-Planck-Forschungsgruppe „NeuroCode“ am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung. „Gerade in Anbetracht ihrer nicht vollständig entwickelten Konzentrationsfähigkeit sind dies wichtige Ergebnisse für das Erforschen von Lernverhalten bei Kindern“, so Schuck weiter.

Neun Jahre Forschung

In der seit dem Jahr 2013 laufenden Studie wurde anhand folgender Methode geforscht: 47 Kinder zwischen acht und zehn Jahren und 39 junge Erwachsene zwischen 20 und 35 Jahren sollten dieselbe Entscheidungsaufgabe durchführen. Bei dieser Aufgabe sollten sie die Position eines Musters mithilfe von zwei möglichen Antworten bestimmen. Die Farbe des Musters war dabei anfangs nicht relevant für die richtige Antwort, begann im Verlauf jedoch mit der korrekten Antwort einherzugehen.

Wenn Versuchspersonen dies bemerkten, konnten sie die Aufgabe sehr viel effizienter und einfacher lösen. Die Proband:innen wurden nicht darüber informiert, dass es weitere Faktoren, die Einfluss auf die möglichen Lösungsstrategien haben, geben würde und konnten diese nur eigenständig identifizieren. Das NeuroCode-Team am MPIB konnte in Zusammenarbeit mit Forschenden der Goethe-Universität Frankfurt am Main, der FernUniversität Hagen, der Humbold-Universität zu Berlin, der UNSW Sydney und der PFH Göttingen folgende Ergebnisse erzielen: Im Vergleich mit den jungen Erwachsenen schnitten die Kinder beim Lösen der Aufgabe in der Regel deutlich schlechter ab. Sie hatten mehr fehlerhafte und verfrühte Antworten. Jedoch war der Anteil von Kindern (27,5%), welche die hilfreiche Farbstrategie entdeckten und nutzten, sehr ähnlich dem der jungen Erwachsenen (28,2%).

„Aha-Moment“ verbessert Erfolgsrate

Solange die Kinder nur die anfänglich zur Verfügung stehenden Strategien und Regeln nutzten, die Konzentration und Ausdauer erforderten, schnitten sie schlechter ab. Jedoch entdeckten und nutzen genauso viele Kinder wie junge Erwachsene die Farbregel. Obwohl Kinder also in sämtlichen Bereichen kognitiver Kontrolle schlechter abschnitten, konnte sich ein im Vergleich zu den jungen Erwachsenen nahezu gleicher Anteil von ihnen durch einen „Aha-Moment“ verbessern und erlangte dadurch einen ähnlichen Performanzvorteil wie die Erwachsenengruppe.

Das neu gewonnene Wissen rund um den „Aha-Moment“ ist eine wichtige Erkenntnis der Studie. „Unsere Ergebnisse geben Hinweise darauf, dass Erzieher*innen, Eltern und Lehrer:innen weniger auf starre Regeln pochen sollten, und nur den einen konkreten Lösungsweg vermitteln sollten, sondern auch den breiten Fokus der Kinder wertschätzen und fördern sollten. Unsere Befunde zeigen: Wir können stärker in die kreativen Lösungsstrategien von Kindern vertrauen“, sagt Anika Löwe vom NeuroCode Team des MPIB und Co-Autorin der Studie.

Mehr Forschung im Bereich kognitive Entwicklungspsychologie

Zukünftig solle es mehr Forschung im Bereich kognitive Entwicklungspsychologie zu Kreativprozessen statt zu Konzentrationsschwäche bei Kindern geben.

Das Max-Planck-Institut für Bildungsforschung wurde 1963 in Berlin gegründet und ist als interdisziplinäre Forschungseinrichtung dem Studium der menschlichen Entwicklung und Bildung gewidmet. Das Institut gehört zur Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e. V., einer der führenden Organisationen für Grundlagenforschung in Europa.

Originalpublikation:

Schuck, N. W., Li, A. X., Wenke, D., Ay-Bryson, D. S., Loewe, A. T., Gaschler, R., & Shing, Y. L. (2022). Spontaneous discovery of novel task solutions in children. PLoS ONE, 17(5), Article e0266253. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0266253

Elena Hungerland/Max-Planck-Institut für Bildungsforschung




Mehr Vertrauen in unsere Kinder könnte die Welt retten

Wie Faulheit, Eitelkeiten, Profitinteressen und Dummheit zukunftsorientierte Bildung verhindern

Über Bildung lässt sich wunderbar diskutieren. Dabei herrscht landläufig die Meinung, wer in der Schule und neuerdings auch im Kindergarten recht viel lernt, aus dem wird ein gebildeter Mensch. Der Erwerb von wertvollem Wissen gilt als mühsam. Nur, was mit Schweiß und Tränen eingetrichtert wurde, scheint bedeutend. Insofern konnte die Schlussfolgerung aus den schwachen Ergebnissen der so genannten PISA-Studie zur Jahrtausendwende auch nur lauten, dass die Kinder in der Schule eben nicht genug gelernt hätten.

Bildung landläufig gesehen

Hand aufs Herz. Vielerorts ist das die landläufige Meinung, wenn es um Bildung und Schule geht. Dabei hat schon Titus Petronius im alten Rom geklagt, dass die Jugend in den Schulen verdummen würde, weil sie nichts von dem zu hören bekäme, was sie im Alltag brauche. Das ist 2000 Jahre her. Dass sich daran nicht viel geändert hat, zeigen etwa die kritischen Äußerungen des populären Philosophen Richard David Precht. Für ihn hat der heutige Schulbetrieb nur wenig mit sinnvoller, zukunftsgerichteter Vermittlung von Bildung zu tun.

Das Frühstück bleibt vielen Kindern im Halse stecken. Einzige Möglichkeit, das zu verhindern, wäre in den meisten Fällen: sie von der Schulpflicht zu befreien.

Christine Nöstlinger

Auch dass sich Bildung nicht eintrichtern lässt, ist schon länger bekannt. „Lehren heißt, ein Feuer entfachen, und nicht einen leeren Eimer füllen“, schrieb vor 2500 Jahren der griechische Philosoph Heraklit. Eine Erkenntnis, die heute durch die moderne Hirnforschung verbunden mit den bildgebenden Verfahren längst belegt ist.

Was aus uns werden könnte

Warum handeln wir dann trotz besseren Wissens anders und reden über Bildung, als gälte es, einen störrischen Esel zur Futterkippe zu zerren? Eine Antwort lautet ganz einfach: „Was der Bauer nicht kennt, frisst er nicht!“ Schließlich haben nur wenige von uns einen Bildungsprozess erlebt, wie er nach allen Erkenntnissen sinnvoll wäre. Der bekannte Hirnforscher Gerald Hüther betont in seinen Vorträgen immer wieder, dass wir uns nicht damit trösten sollten, dass aus uns doch aus etwas geworden wäre. Viel wesentlicher sei die Frage, was aus uns hätte werden können.

Eines der größten Probleme unserer Zeit ist, dass viele geschult aber wenige gebildet sind.

Thomas Morus

Angesichts der enormen Probleme, vor denen die Menschheit heute steht, erscheint diese Frage noch viel dringlicher. Was bedeutet Bildung heute? Wie muss eine moderne Bildung aussehen, die uns darin unterstützt, die anstehenden Aufgaben zu erfüllen?

Muss Schule liefern?

Um das zu beantworten, ist es naheliegend, in einer so genannten „Leistungsgesellschaft“ von den Aufgaben her zu denken. Ganz abgesehen davon, dass ein gebildeter Mensch schon dem widersprechen würde, dass wir es hierzulande mit einer „Leistungsgesellschaft“ zu tun haben, sondern eher um eine Erben- oder Geldgesellschaft, zeigt sich bereits nach den ersten Versuchen, dass sich der Bildungsbegriff von Seiten der Anforderungen her gar nicht wirklich erschließen lässt. Ein beliebtes Argument ist, dass die Schule das abliefern müsse, womit „die Wirtschaft“ etwas anfangen könne.

Schule ist jenes Exil, in dem der Erwachsene das Kind solange hält, bis es imstande ist, in der Erwachsenenwelt zu leben, ohne zu stören.

Maria Montessori

Dazu hat unter anderem die Kultusministerkonferenz (KMK) die Bildungsstandards formuliert. Deutsch und Mathematik sind mit dabei, später die Erste Fremdsprache. Naturwissenschaften wie Biologie und Physik kommen hinzu. Reicht das? „Natürlich nicht“, antworten etwa die Verfechter der digitalen Bildung und fordern mittlerweile schon einen DigitalPakt KiTa. „Natürlich nicht“, werden die Demokraten in unserem Land sagen. Schließlich braucht eine Demokratie mündige Bürger. „Natürlich nicht“, behaupten die Pädagogen, die danach fragen, wo denn der Mensch bei all dem bleibe.

Bildung beginnt beim Fötus

Bevor wir nun weiter diesen Irrweg gehen, auf dem wir noch einer Fülle von Anforderungen begegnen, die weder ein noch so gutes Bildungssystem noch ein von ihm gebildeter Mensch leisten kann, müssen wir uns weiter in die Tiefe des menschlichen Seins begeben. Denn wer Bildung richtig vorantreiben möchte, darf nicht vergessen, dass er es mit lebendigen Wesen und ihren Eigenheiten zu tun hat.

Dabei hilft es, sich klar zu machen, dass das Wort Bildung vom althochdeutschen Wort „bildunga“ kommt, was in etwa so viel bedeutet, wie Vorstellung oder Vorstellungskraft. Je größer die Bildung, desto größer ist die Vorstellungskraft von den Zusammenhängen der Dinge dieser Welt. Damit beginnt Bildung schon beim Fötus im Mutterleib, auch wenn sich das ein wenig seltsam anhört.

Vom Streben nach Erkenntnis

Aber schon gegen Ende der Schwangerschaft strebt der Mensch nach Erkenntnis und damit der Entwicklung seiner Fähigkeiten und Fertigkeiten. Schließlich geht es darum, sich im Leben zurecht zu finden und erfolgreich zu sein. Erfolg bedeutet dabei, sein eigenes Leben in die Hand zu nehmen und zu gestalten. Spätestens ab seiner Geburt gestaltet ein Kind sein eigenes Bildungsprogramm. Auch das ist wissenschaftlich belegt und seit der griechischen Antike bekannt. Das Kind beginnt, sich die Welt anzueignen.

Die größte Gefahr bei diesem Entwicklungsprozess besteht darin, dass wir es dabei stören, statt es darin zu unterstützen. Schon die chinesischen Weisen Konfuzius und Laotse kannten den Weg und wurden durch ein Heer von Pädagogen, Psychologen und Naturwissenschaftlern bis zum heutigen Tage bestätigt. Warum wir es dennoch anders angehen, hat damit zu tun, dass wir versuchen Kinder uns und unserem fiktiven Bild von Welt anzupassen. Und oftmals kommt noch ein ordentliches Stück Unverständnis und Faulheit hinzu, manchmal auch das Profitinteresse.

Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu können.

Friedrich Nietzsche

Immer wieder ist davon die Rede, dass die jungen Menschen im Bildungssystem geformt werden müssten. Wie absurd und vermessen das ist, zeigt sich schon, wenn man die verschiedenen Interessen, die an die junge Generation gestellt werden, sich genauer ansieht. Diese sind so widersprüchlich, dass nur ein psychisch kranker Geist daraus entstehen könnte.

Ausgangspunkt muss der Mensch sein

Ein erfolgreiches Bildungssystem muss immer vom individuellen Menschen ausgehen, ihn verstehen und ernst nehmen. Wer das nicht versteht, dem sei der Ausspruch eines Genies wie Albert Einstein ans Herz gelegt: „Jeder ist ein Genie! Aber wenn Du einen Fisch danach beurteilst, ob er auf einen Baum klettern kann, wird er sein ganzes Leben glauben, dass er dumm ist.“ Leider läuft unser Bildungssystem vom Tage unserer Geburt an in weiten Teilen in diese Richtung und gipfelt darin, unter dem Vorwand der individuellen Förderung, unsere Schulsystem in drei- bis viergliedrig Schultypen zu unterteilen. Angesichts der sehr unterschiedlichen Entwicklung der Menschen in ihren ersten 20 Lebensjahren ist dies schlcht völliger Unsinn.

Es ist deshalb nötig, dass wir dem Kind die Möglichkeit geben, sich in Übereinstimmung mit den Gesetzen seiner Natur so zu entwickeln, dass es stark werden kann und, wenn es stark geworden ist, sogar noch mehr tun kann, als wir zu hoffen gewagt haben.

Maria Montessori

Dabei steckt die Begeisterung für die Zusammenhänge dieser Welt tief ins uns allen. „Es ist deshalb nötig, dass wir dem Kind die Möglichkeit geben, sich in Übereinstimmung mit den Gesetzen seiner Natur so zu entwickeln, dass es stark werden kann und, wenn es stark geworden ist, sogar noch mehr tun kann, als wir zu hoffen gewagt haben“, schreibt Maria Montessori. „Denn nur für das, was einem Menschen wichtig ist, kann er sich auch begeistern, und nur wenn sich ein Mensch sich für etwas begeistert, werden all jene Netzwerke ausgebaut und verbessert, die der betreffende Mensch in diesem Zustand der Begeisterung nutzt. Zwanzig bis fünfzig Mal am Tag erlebt ein Kleinkind diesen Zustand. Jeder dieser kleinen Begeisterungsstürme führt gewissermaßen dazu, dass im Hirn die Gießkanne mit dem Dünger angestellt wird, der für alle Wachstums- und Umbauprozesse von neuronalen Netzwerken gebraucht wird“, erklärt Hüther den inneren Bildungsprozess, durch den etwa der so wichtige Forschergeist in uns geweckt wird. „Alle Bildung ist Selbstbildung“, stellte einst Edith Stein fest. Und Maria Montessori vermutete, wenn wir unseren Kindern vertrauen und sie sich entfalten lassen würden, könnte daraus einst eine bessere Welt entstehen.

Handwerkszeug statt Teilwissen

Wir wissen nicht, was die Zukunft eines Tages von unseren Kindern abverlangen wird. Der Pädagoge Jean-Jacques Rousseau äußerte sein Unverständnis für jene Menschen, die ihre Kinder für eine Zukunft quälten, die sie doch gar nicht kennen. Ein schönes Beispiel sind jene, die Kleinkinder heute schon mit Tablets ausstatten möchten, um sie digital fit zu machen, und dabei vergessen, dass diese Tablets spätestens in zehn Jahren im Museum liegen.

Wer Kleinkinder heute schon mit Tablets ausstatten möchte, um sie digital fit zu machen, vergisst, dass diese Tablets spätestens in zehn Jahren bestenfalls im Museum liegen

Dabei wissen die wenigsten wirklich was sie meinen, wenn sie von digitaler Bildung sprechen. Einige verweisen etwa darauf, dass schon Kleinkinder eine bessere Feinmotorik entwickeln, wenn sie viel mit den Smartphones ihrer Eltern spielen. Das ist auch tatsächlich so. Dabei ignorieren sie aber nicht nur die Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO), der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) zum Schutz der Kinder, sondern eben auch, dass einseitige Förderung in einem Teilgebiet zwar gewöhnlich zu einer Verbesserung in der Leistung in diesem Bereich führt, diese aber auf Kosten der Entwicklung anderer Fertigkeiten und Fähigkeiten geht. Hier gibt es so gut wie keine Forschung, aber so genannte Wissenschaftler:innen, die es kaum schaffen, zwischen ihren wissenschaftlichen Interessen und denen wirtschaftlichen Interessen ihres eigenen Unternehmens zu unterscheiden. Während andere wiederum meinen, sie müssten „modern“ sein und in Aktionismus verfallen. Wiederum andere verwechseln ihr gut gemeintes Engagement schlicht mit ihrem Geldbeutel, während die nächsten meinen, sie müssten die Kinder fit machen, für die veränderten Umstände.

Damit trampeln viele über die eigentlichen Bedürfnisse der Kinder hinweg und schaden ihnen, statt einer ernsthaften Wissenschaft Raum zu bieten, die letztlich auch zu einer sinnvollen „digitalen Bildung“ führt. Augenblicklich besteht diese mehr darin, den Erwachsenen zunächst mal einen vernünftigen Umgang mit ihren digitalen Gerätschaften nahe zu bringen und die Schülerinnen und Schüler in ihrem Interesse an dieser faszinierenden Welt ernsthaft dann zu unterstützen, wenn ihr Interesse vorhanden ist und diese zumindest lesen können.

Ja, sind die denn verrückt, diese Erwachsenen, dass sie unsere Jüngsten in einem Alter in die Schule schicken wollen, da sie doch so viel zu lernen haben?

Weisheit aus dem Himalaja

Es geht darum, Bildung so zu entwickeln, dass der Mensch je nach seiner Individualität seine Fähigkeiten und Fertigkeiten entwickelt, damit die Gesellschaft als Ganzes das Handwerkszeug in Händen dazu erhält, mit dem sie eine schwierige und komplexe Zukunft gestalten kann.

Kreativität ist gefragt

„Wo Deine Gaben liegen, da liegen Deine Aufgaben“, lautet ein altes deutsches Sprichwort. Wir brauchen heute kein Heer an Industriearbeitern und Soldaten mehr, die alle die gleichen Fähigkeiten haben. Und Konsumenten mögen zwar ihre Befriedigung aus dem Konsum ziehen, sind aber in Zeiten der Klimakrise auch zunehmend weniger gefragt. Wir brauchen Menschen, die mit ihren besonderen Fähigkeiten, die Herausforderungen der Zukunft meistern.

Der Philosoph Hans Lenk nennt dafür zwölf Bildungsziele: Kreativität, Flexibilität, Selbsterkenntnis, Selbstwertbewusstsein, Führungsfähigkeit, Sachlichkeit, Zielstrebigkeit, interdisziplinäre Offenheit, generalistisches Interesse, Fortschrittsorientierung, Zivilcourage, Grundwertorientierung. Der Erziehungswissenschaftler Wolfgang Klafki nennt drei Fähigkeiten: Selbstbestimmungsfähigkeit, Mitbestimmungsfähigkeit, Solidaritätsfähigkeit.

Kreativität ist eine Haltung im Leben, eine Fähigkeit jedwede Gegebenheit der Existenz zu meistern.

Arno Stern

Dabei beschreiben Lenk und Klafki nicht anderes als das, was der Mensch letztlich seit Entstehung des Homo sapiens sapiens eigentlich ist, wenn man ihn nur lässt. Denn genau diese Fähigkeiten haben dafür gesorgt, dass sich die Menschheit immer wieder aufs neue den neuen Umweltbedingungen angepasst und Lösungen für die Herausforderungen gefunden hat. Dass diese Lösungen nicht immer optimal waren, zeigt sich an vielen Beispielen. Wurde das Auto kurz nach seiner Erfindung doch als großer Fortschritt für die Umwelt gefeiert, weil dadurch der Pferdekot, der sich meterhoch am Straßenrand in den Städten sammelte, verschwand. Heute hat sich die Einstellung gegenüber dem Automobil oftmals ins Gegenteil gewendet.

Auch dafür kann die Menschheit Lösungen finden. Und man muss kein Prophet sein, um voraus zu sagen, dass es die kreativen, flexiblen und offenen Köpfe sein werden, die diese finden. Während jene, die einfache Lösungen bevorzugen, weil sie die Komplexität der Realität nicht erfassen können und wollen, diese nicht verstehen und möglicherweise verhindern werden. Wer dabei die Oberhand gewinnt, lässt sich noch nicht sagen. Letztlich sollte aber allen klar sein, dass wir jene kreativen Köpfe fördern sollten.

Bildung braucht einen Grund

Und wo bleiben dabei Deutsch und Mathematik? Menschen haben Sprache, Schrift und das Rechnen entwickelt, um miteinander umgehen zu können. Neugierige, soziale junge Menschen werden sich diese aus denselben Gründen aneignen. Gerne mit unserer Unterstützung und vor allem ohne Druck. „Die Bildung wird täglich geringer, weil die Hast größer wird“, klagte einst Friedrich Nietzsche. In diese Klage stimmen heute viele Eltern, Pädagog:innen und Lehrer:innen ein. Angesichts der hohen Lebenserwartung und in so einem reichen Land sollte es hier keinen Druck mehr geben. Vertrauen wir also dem inneren Bildungsmotor unserer Kinder und unterstützen sie.

Denn das Leben verstehen bedeutet Bildung heute

„Im Unterricht fragte die Lehrerin uns einst, was wir einmal werden wollen.  Ich antwortete ,glücklich‘, woraufhin die Lehrerin meinte, ich hätte die Frage nicht verstanden. Ich antwortete darauf, sie hätte das Leben nicht verstanden.“ Diese Erinnerung stammt von John Lennon und niemand wird widersprechen wollen. Denn das Leben verstehen bedeutet Bildung heute.

Gernot Körner