Lehrkräfte, die Fehler zugeben, stärken Lernmotivation

Eine neue US-Studie zeigt: Intellektuelle Bescheidenheit von Lehrkräften steigert Motivation, Zugehörigkeit und Leistungen von Schüler*innen

Lehrkräfte, die offen zugeben, wenn sie etwas nicht wissen oder sich irren, fördern nicht Schwäche – sondern Stärke im Klassenzimmer. Genau das belegt eine aktuelle Studie von Porter, Leary & Cimpian (2025): https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/39480300/. Das Forscherteam untersuchte in fünf Teilstudien, wie sogenannte intellektuelle Bescheidenheit das Lernen und die Motivation von Jugendlichen beeinflusst.

Was bedeutet „intellektuelle Bescheidenheit“?

Darunter verstehen Forschende die Bereitschaft, eigene Grenzen und Fehler anzuerkennen, statt den Anspruch auf unfehlbares Wissen aufrechtzuerhalten. Für Lehrkräfte heißt das: Sie dürfen Unsicherheiten transparent machen, Rückfragen stellen oder gemeinsam mit Schüler:innen nach Antworten suchen.

Positive Effekte auf Motivation und Leistung

Die Ergebnisse sind eindeutig:
– Schüler:innen zeigen mehr Interesse am Unterricht und fühlen sich sicherer, eigene Fragen zu stellen.
– Besonders Mädchen profitieren, da sich ihre Lernmotivation und ihr Zugehörigkeitsgefühl in Fächern wie Mathematik oder Naturwissenschaften nachweislich steigern.
– Intellektuelle Bescheidenheit mindert die Angst vor Fehlern im Klassenzimmer und schafft Raum für eine positive Fehlerkultur.

Die Forschenden halten fest, dass diese Haltung weit wirkungsvoller ist, als Schülerinnen und Schüler lediglich zur Offenheit im Umgang mit Fehlern aufzufordern. Entscheidend ist das aktive Vorbild der Lehrkräfte.

Mehr als ein pädagogischer Nebeneffekt

Das Thema gewinnt besondere Bedeutung, weil Soft Skills wie Empathie und kritisches Denken in einer KI-dominierten Arbeitswelt immer wichtiger werden. Wer im Unterricht erlebt, dass nicht alles perfekt sein muss, entwickelt Resilienz, Kreativität und die Fähigkeit zum Perspektivwechsel – Kompetenzen, die weit über Prüfungswissen hinausgehen.

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Besinnung auf die eigene Aufgabe stärkt die Haltung von Lehrkräften

Je mehr Lehrkräfte an ihre eigentliche Aufgabe glauben, desto motivierter und erfolgreicher sind ihre Schüler

Je weniger Lehrkräfte glauben, dass für Lernerfolge eine angeborene Begabung notwendig ist, desto motivierter und erfolgreicher sind ihre Schülerinnen und Schüler. Ein internationales Forschungsteam um Prof. Dr. Anke Heyder aus der Psychologie der Ruhr-Universität Bochum hat eine einfache, kurze und wirkungsvolle Methode gefunden, wie man diese Haltung stärken kann: Sie baten Lehramtsstudierende, zu reflektieren und kurz aufzuschreiben, welche Mission sie mit dem Lehrerberuf verbinden, wie sie persönlich das Leben der Kinder in ihren Klassen positiv beeinflussen wollen. Noch eine Woche später waren die Teilnehmenden überzeugter davon, dass alle Kinder unabhängig von ihren individuellen Voraussetzungen lernen und schulisch erfolgreich sein können. Die Forschenden berichten in der Zeitschrift „Learning und Instruction“ vom 28. März 2023.

Alle Kinder können sich entwickeln

Spaß und Erfolg in der Schule hängen stark von der jeweiligen Lehrkraft ab. Ihre grundlegenden Überzeugungen können sich auf die Lernenden übertragen. „Wichtig ist dabei, ob die Lehrkraft überzeugt ist, dass alle Kinder sich entwickeln und lernen können“, erklärt Anke Heyder. Die Psychologie nennt diese Überzeugung Growth Mindset. „Die Überzeugung, dass für den Lernerfolg ein Talent oder eine Begabung erforderlich seien, ohne die es eben nicht klappen kann, ist eher hinderlich.“ Dieses sogenannte Fixed Mindset trägt dazu bei, dass die Motivation vor allem bei leistungsschwächeren Schülerinnen und Schülern sinkt.

Obwohl diese Zusammenhänge aus vielen Studien bekannt sind, gab es bisher keine kompakte Maßnahme, die zu einer Stärkung des Growth Mindset bei Lehrenden führt. „Unsere Intervention ist neu, und sie ist bestechend kurz und subtil“, erklärt Anke Heyder. „Kern ist eine kurze Besinnung auf die eigene Mission: Warum bin ich Lehrerin oder Lehrer? Was will ich durch meine Tätigkeit bei meinen Schülerinnen und Schülern bewirken?“

Fragebogen zur inneren Haltung

Um die Intervention zu testen, gewannen die Forschenden insgesamt 576 angehende Lehrerinnen und Lehrer für ihre Studie. Die Teilnehmenden wurden in Gruppen eingeteilt. In der Interventionsgruppe sollten sie kurz über ihre Mission nachdenken und diese aufschreiben und nahmen dann an einer Befragung zu ihrer Haltung teil. In den Kontrollgruppen reflektierten sie nicht ihre Mission, sondern eine andere Frage, und füllte dann den Fragebogen aus oder umgekehrt.

„Wir konnten zeigen, dass die Haltung derjenigen, die sich mit ihrer Mission beschäftigt hatten, deutlich mehr in Richtung Growth Mindset tendierte als die der anderen Teilnehmenden“, berichtet Anke Heyder. Dieses Ergebnis war unabhängig vom Unterrichtsfach der Lehramtsanwärterinnen und -anwärter. Eine Befragung eine Woche später zeigte dasselbe Ergebnis. „Das zeigt uns, dass der Effekt anhält – wenigstens eine Zeitlang“, so Heyder. Ob die Wirkung von Dauer ist, müssen weitere Arbeiten zeigen. „Ich kann Lehrkräften, aber auch Lehrenden an Universitäten und Führungskräften in der Wirtschaft, nur dazu raten, sich hin und wieder auf die eigene Mission zu besinnen“, sagt die Forscherin. „Davon profitieren nicht nur die Menschen, für die man verantwortlich ist, sondern es gibt auch Hinweise darauf, dass es die eigene Motivation und Berufszufriedenheit stärkt.“

Originalpublikation:

Anke Heyder, Ricarda Steinmayr, Andrei Cimpian: Reflecting on their mission increases preservice teachers’ growth mindsets, in: Learning and Instruction, 2023, DOI: 10.1016/j.learninstruc.2023.101770, https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0959475223000397?via%3Dihub

Meike Drießen, Ruhr-Universität Bochum