Wie es um die Kompetenzen der Erwachsenen steht

OECD-Studie „Programme for the International Assessment of Adult Competencies“ (PIAAC) 2023 veröffentlicht erste Ergebnisse

Die Grundkompetenzen der Erwachsenen in Deutschland liegen über dem internationalen Durchschnitt der 31 Länder, die an der Studie „Programme for the International Assessment of Adult Competencies“ (PIAAC) 2023 teilgenommen haben. Zudem sind die Kompetenzen im Vergleich zu vor zehn Jahren stabil geblieben. Innerhalb der Bevölkerung gibt es jedoch starke systematische Unterschiede.

Untersucht wurden grundlegende Kompetenzen in den Bereichen Lesekompetenz, alltagsmathematische Kompetenz sowie Kompetenzen im adaptiven Problemlösen. Die Ergebnisse sind für die drei Bereiche weitgehend vergleichbar. Insgesamt zeigt sich, dass im Vergleich zum ersten Zyklus der PIAAC-Studie vor rund zehn Jahren die Kompetenzen der Erwachsenen in Deutschland im Mittel unverändert sind.

Heterogenität der Kompetenzen

In allen drei Bereichen weisen Erwachsene in Deutschland im Mittel Kompetenzen auf, die signifikant über dem internationalen Durchschnitt liegen. „Im Gegensatz zu international vergleichenden Studien im schulischen Bereich, sind die Kompetenzen der Erwachsenen in Deutschland im Mittel über die letzten zehn Jahre nicht gesunken, sondern stabil geblieben,“ sagt die Studienleiterin Prof. Beatrice Rammstedt, Vizepräsidentin von GESIS – Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften und Professorin an der Universität Mannheim.

Zugenommen im Vergleich zum ersten Zyklus hat die Heterogenität der Kompetenzen innerhalb der in Deutschland lebenden Bevölkerung: Im Vergleich zu vor zehn Jahren ist der Anteil von Personen mit hohen Lese- und alltagsmathematischen Kompetenzen höher. Umgekehrt weisen jedoch die leistungsschwächsten 10 Prozent der deutschen Bevölkerung im internationalen Vergleich auffallend geringe Lesekompetenzen auf. Diese Personen sind lediglich in der Lage einzelne Sätze und sehr kurze, einfache Texte zu lesen.

Kompetenzen und Bildung

Besonders Personen mit niedrigem Bildungsabschluss weisen Probleme im unteren Leistungsbereich auf: Zwei Drittel der Personen mit maximal einem Hauptschulabschluss verfügen nur über geringe Lese- und alltagsmathematische Kompetenzen. Personen, die ein Abitur oder eine darauf aufbauende Ausbildung abgeschlossen haben, weisen hingegen vergleichsweise hohe Lesekompetenzen auf.

Kompetenzen und soziale Herkunft

Auch die soziale Herkunft geht mit deutlichen Kompetenzunterschieden einher. Haben Eltern ein niedriges Bildungsniveau, besteht für deren Kinder – auch im Erwachsenenalter – ein höheres Risiko niedrigere Kompetenzen zu haben. Dieser Befund ist für Deutschland im internationalen Vergleich besonders stark ausgeprägt und ist im Laufe der letzten zehn Jahre noch größer geworden.

Kompetenzen und Geburtsland

Personen, die nicht in Deutschland geboren sind, verfügen über geringere Grundkompetenzen – gemessen in deutscher Sprache – als in Deutschland geborene. Die Differenz zwischen den durchschnittlichen Grundkompetenzen der im Inland und im Ausland geborenen Personen ist für Deutschland im internationalen Vergleich sehr hoch und hat sich für die Lesekompetenz im Vergleich zu vor zehn Jahren etwa verdoppelt.

Kompetenzen und Arbeitsmarkt

Personen mit vergleichsweise geringen Kompetenzen haben – sowohl in Deutschland wie auch international – schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt: Erwerbstätige weisen höhere Grundkompetenzen auf als Personen, die nicht erwerbstätig sind. Personen mit geringen Kompetenzen haben ein höheres Risiko erwerbslos zu sein. „Die Gruppe der Personen mit geringen Grundkompetenzen ist besonders vulnerabel,“ betont Prof. Rammstedt. „Aufgrund ihrer geringen Kompetenzen sind sie nicht nur auf dem Arbeitsmarkt mit Herausforderungen konfrontiert, sondern auch bei der gesellschaftlichen Teilhabe.“

Studie und Durchführung

Das Programme for the International Assessment of Adult Competencies, PIAAC, untersucht als international vergleichende Studie die Grundkompetenzen im Erwachsenenalter. Die von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) koordinierte Studie wurde im Jahr 2023 nach rund zehn Jahren zum zweiten Mal durchgeführt. In Deutschland wurde PIAAC von GESIS – Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften geleitet. Finanziert wurde die Durchführung in Deutschland von dem Bundesministerium für Bildung und Forschung unter Beteiligung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales.

An der Studie nahmen 31 Länder mit weltweit über 160.000 zufällig ausgewählten Personen im Alter zwischen 16 und 65 Jahren teil, davon etwa 4.800 Personen allein in Deutschland. Die teilnehmenden Personen bearbeiteten alltagsnahe Aufgaben in den jeweiligen Landessprachen selbstständig an einem Tablet. Diese Kompetenzmessung wurde ergänzt um einen umfassenden Hintergrundfragebogen, in dem zum Beispiel soziodemografische Informationen, formale Bildung, Weiterbildung, Erwerbstätigkeit und berufliche Situation sowie Nutzung von Fertigkeiten bei der Arbeit und im Alltag, erhoben wurden.

Ergebnisbericht

Beatrice Rammstedt, Britta Gauly, Sanja Kapidzic, Débora B. Maehler, Silke Martin, Natascha Massing, Silke L. Schneider, Anouk Zabal. (2024). PIAAC 2023. Grundlegende Kompetenzen Erwachsener im internationalen Vergleich. Waxmann Verlag, Münster.

Sophie Zervos, GESIS – Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften




Wer Gedrucktes liest, schneidet bei PISA besser ab

Weniger als die Hälfte der 15-Jährigen kann Fakten von Meinungen unterscheiden

Weniger als die Hälfte der 15-Jährigen in Deutschland ist in der Lage, in Texten Fakten von Meinungen zu unterscheiden. Gut die Hälfte der Schülerinnen und Schüler gibt an, im Unterricht nicht zu lernen, subjektive oder voreingenommene Texte zu erkennen. Insgesamt schneiden 15-Jährige in Deutschland beim PISA-Test zur Lesekompetenz aber leicht über dem OECD-Mittel ab, wobei die Leseleistungen in der letzten Dekade praktisch unverändert geblieben sind. Gleichzeitig hat die Freude am Lesen in Deutschland in den vergangenen Jahren so stark abgenommen wie in kaum einem anderen Land.

Wer gedruckte Bücher liest, kommt besser klar

Schülerinnen und Schüler, die häufig Bücher analog lesen, schneiden beim PISA-Test zur Lesekompetenz besser ab als Schülerinnen und Schüler, die Bücher eher online lesen. Allerdings weiß ein relativ großer Teil der 15-Jährigen, wie mit zweifelhaften Quellen im Internet, etwa mit Phishing-Mails, umzugehen ist. Die Ergebnisse fallen aber nach sozialer Herkunft sehr unterschiedlich aus.

Google statt Lexikon

Dies sind die wesentlichen Ergebnisse der PISA-Sonderauswertung Lesen im 21. Jahrhundert: Lese- und Schreibkompetenzen in einer digitalen Welt, die OECD-Bildungsdirektor Andreas Schleicherin in Berlin gemeinsam mit Bundesbildungsministerin Anja Karliczek und dem Hessischen Kultusminister R. Alexander Lorz vorgestellt hat. Der Bericht wurde von der Vodafone Stiftung Deutschland gefördert.

„Im 20. Jahrhundert ging es im Wesentlichen um das Verstehen linearer Printtexte. Wenn Schüler eine Frage hatten, konnten Sie die Antwort im Lexikon nachschlagen und darauf vertrauen, dass sie stimmt. Im 21. Jahrhundert finden wir bei Google tausende konkurrierender Antworten und niemand sagt uns, was richtig oder falsch ist. Lesekompetenz ist nicht mehr die Extraktion von Wissen, sondern die Konstruktion von Wissen. Die Schulen müssen hier noch nachziehen“, sagte Andreas Schleicher.

Fakten oder Meinungen?

In Rahmen von PISA 2018 hatten Schülerinnen und Schüler die Aufgabe, Passagen in einem Text als Fakten oder als Meinungen zu identifizieren. Weniger als die Hälfte der Schülerinnen und Schüler war dazu in der Lage. Besonders gut schnitten bei diesen Aufgaben Schülerinnen und Schüler in den USA, im Vereinigten Königreich, in der Türkei und in den Niederlanden ab.

Die Frage, ob sie im Unterricht jemals gelernt hätten, wie man feststellt, ob Informationen subjektiv oder voreingenommen sind, bejahten 49 Prozent der 15-Jährigen in Deutschland. In den USA, Australien, Dänemark oder Kanada waren es über 70 Prozent.

Digitales Leseverständnis je nach sozialem Hintergrund unterschiedlich

Zum ersten Mal wurden in dieser Erhebung auch Fragen zum Leseverständnis im digitalen Raum aufgenommen. So mussten die Schülerinnen und Schüler unter anderem angeben, wie sie mit einer Phishing-Mail umgehen würden. Hier schnitten die Teilnehmenden in Deutschland deutlich besser ab als in den meisten anderen Ländern.

Allerdings war in Deutschland auch die Spreizung nach sozialem Hintergrund besonders groß. Während Schülerinnen und Schüler aus privilegiertem Elternhaus so gut abschnitten wie in keinem anderen Land, rangierten Schülerinnen und Schüler aus benachteiligten Haushalten nur im oberen Mittelfeld. Wie auch sonst im Bereich Lesekompetenz schneiden Mädchen bei diesen Fragen deutlich besser ab als Jungen.

Passender Schulunterricht fehlt

Gleichzeitig gaben in Deutschland deutlich weniger Schülerinnen und Schüler als in den meisten anderen OECD-Ländern an, dass im Unterricht digitale Fertigkeiten wie das Erkennen von Spam und vertrauenswürdigen Quellen oder der Umgang mit Suchmaschinen behandelt wurde.

Die Studie zeigt auch, dass insbesondere das Lesen von Büchern auf Papier mit besseren Leistungen beim Leseverständnis einhergeht. In den meisten Ländern führt auch die häufige Lektüre von Büchern auf digitalen Geräten zu besseren Leistungen, in Deutschland lässt sich dieser Effekt aber nicht ausmachen.

Wenig Freude am Lesen

Insgesamt gehört Deutschland zu den Ländern, in denen Schülerinnen und Schüler vergleichsweise wenig Freude am Lesen haben. Noch geringer ist die Freude am Lesen nur in den Niederlanden, Norwegen, Belgien und Dänemark. Gleichzeitig ist Deutschland das Land, in dem zwischen 2009 und 2018 die Freude am Lesen am stärksten zurückgegangen ist.

Quelle: OECD

https://www.oecd.org/…/21st-century-readers-a83d84cb-en…