Weniger Bewegung und mehr Bildschirmzeit

Körperliche Aktivität von Kindern und Jugendlichen im zweiten Lockdown deutlich verringert

Durchschnittlich 75 Minuten pro Tag betrug die Bewegungszeit von Kindern und Jugendlichen im zweiten pandemiebedingten Lockdown seit Dezember 2020. Damit lag sie deutlich unter den Werten aus dem Frühjahr letzten Jahres, als alle Sportvereine und Freizeitangebote zum ersten Mal wegen der Corona-Pandemie schließen mussten. Zu diesen Ergebnissen kommt die aktuelle Auswertung einer Langfrist-Studie von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), für die Kinder und Jugendliche zwischen vier und 17 Jahren befragt wurden. Vor einem Jahr zog das Team noch eine positive Gesamtbilanz: Die Kinder und Jugendlichen hatten sich alternative Bewegungsmöglichkeiten im Alltag gesucht – und sich sogar mehr bewegt.

222 Minuten vor dem Bildschirm

„Waren es im Frühjahr 2020 noch 144 Minuten Bewegungszeit am Tag, sind es jetzt nur noch 75 Minuten. Das Niveau liegt nun auch unter dem vor der Corona-Pandemie. Vorher bewegten sich die Kinder und Jugendlichen etwa 107 Minuten täglich“, sagt Professor Alexander Woll, Leiter des Instituts für Sport und Sportwissenschaft (IfSS) am KIT. Zusätzlich habe sich die Zeit, die die Kinder und Jugendlichen in ihrer Freizeit vor dem Bildschirm verbrächten, um 28 Minuten auf nun insgesamt 222 Minuten am Tag erhöht. „Durch die höhere Inaktivität gab fast die Hälfte der Befragten nach eigener Einschätzung an, dass ihre Fitness stark gesunken sei. Bei knapp 30 Prozent sei das Gewicht gestiegen“, so Woll.

Mehr Frust und weniger Motivation

Der Sportwissenschaftler sieht für die negative Entwicklung verschiedene Gründe: Im ersten Lockdown sei das Wetter für diese Jahreszeit verhältnismäßig gut gewesen, die Kinder und Jugendlichen hätten sich sehr viel draußen aufgehalten und folglich mehr bewegt. Das sei im Winter nicht mehr in dem Maße möglich gewesen. „Im Gegensatz zum ersten Lockdown hat sich außerdem die verplante Zeit wieder erhöht. Im ersten Lockdown fiel beispielsweise mehr Unterricht aus, da alles neu organisiert werden musste. Dadurch hatten die Kinder mehr Freizeit. Jetzt müssen sie wieder mehr Zeit für den Unterricht aufbringen“, sagt Woll. Der Forscher vermutet außerdem, dass der Frust über die Gesamtsituation bei den Kindern und Jugendlichen gestiegen ist und sie deshalb weniger motiviert sind, sich zu bewegen.

Woll: Die Ergebnisse sind sehr bedenklich

Woll betont: „Die Ergebnisse der Studie sind sehr bedenklich, denn Bewegung fördert nicht nur die Fitness, sondern auch das eigene Wohlbefinden und letztlich auch die Abwehrkräfte – was in Zeiten einer Pandemie umso wichtiger ist.“ Der Wissenschaftler empfiehlt dringend, langfristige Lösungen zu finden, um auch in Situationen wie einer Pandemie die Bewegung von Kindern und Jugendlichen zu fördern.

Die Ergebnisse sind Teil der seit 2003 laufenden Motorik-Modul-Studie (MoMo) des KIT und der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe (PHKA).

Monika Landgraf: Strategische Entwicklung und Kommunikation – Gesamtkommunikation am KIT




Im Frühjahr haben die SchülerInnen weniger gelernt

Info-Institut: Kinder haben nur 4,3 Stunden am Tag mit schulischen Tätigkeiten verbracht

Die deutschen Schulkinder haben im Corona-Lockdown Anfang 2021 im Schnitt nur 4,3 Stunden am Tag mit schulischen Tätigkeiten verbracht. Das ist zwar eine knappe Dreiviertelstunde mehr als während der ersten Schulschließungen im Frühjahr 2020. Aber immer noch drei Stunden weniger als an einem üblichen Schultag vor Corona. Das geht aus einer Befragung des ifo Instituts unter 2122 Eltern hervor.

Extreme Belastung für die Lernentwicklung

„Besonders bedenklich ist, dass 23 Prozent der Kinder sich nicht mehr als zwei Stunden am Tag mit der Schule beschäftigt haben“, sagt der Leiter des ifo Zentrums für Bildungsökonomik, Ludger Wößmann. „Die Coronakrise ist eine extreme Belastung für die Lernentwicklung und die soziale Situation vieler Kinder.“

Die Schulkinder haben täglich mehr Zeit mit Fernsehen, Computerspielen und Handy (4,6 Stunden) verbracht als mit dem Lernen für die Schule. 26 Prozent der Schüler*innen hatten täglich gemeinsamen Unterricht für die ganze Klasse, zum Beispiel per Video. Aber 39 Prozent hatten dies nur maximal einmal pro Woche. 56 Prozent der Eltern denken, dass ihr Kind pro Stunde zu Hause weniger lernt als im regulären Unterricht in der Schule, 22 Prozent sind vom Gegenteil überzeugt. 21 Prozent der Schüler*innen nahmen seit den ersten Schließungen an Maßnahmen wie Förder- oder Nachhilfeunterricht oder Ferienkursen teil.

Und natürlich fehlen die FreundInnen

Leistungsschwächere Schülerinnen und Schüler sowie Nicht-Akademikerkinder haben zu Hause deutlich weniger effektiv und konzentriert gelernt. Die große Mehrzahl der Schulkinder hat zu Hause Zugang zu Computer und Internet. Für die Hälfte der Kinder aber war die Situation während der Schulschließungen eine große psychische Belastung – deutlich mehr als während der ersten Schließungen (38 Prozent). Ein knappes Drittel (31 Prozent der Eltern berichten, ihr Kind habe während der Corona-Pandemie wegen Bewegungsmangel an Körpergewicht zugenommen. Für 76 Prozent der Kinder war es eine große Belastung, nicht wie gewohnt Freunde treffen zu können. Aber es gibt auch positive Aspekte: Die Mehrheit der Eltern gibt an, dass ihr Kind durch die Schulschließungen gelernt hat, sich eigenständig Unterrichtsstoff zu erarbeiten (56 Prozent) und mit digitalen Techniken besser umzugehen (66 Prozent).

Quelle: Ifo-Institut




Kitas und Schulen bleiben auch in Baden-Württemberg dicht

Keine Öffnungen vor Ende des Monats:

Noch vergangene Woche hatte der Baden-Württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann die Öffnung von Kitas- und Schulen ab dem 18.01.2021 in Aussicht gestellt. Doch schon zu diesem Zeitpunkt kündigte er an, dass er dies von den Infektionszahlen abhängig machen wolle. Nun ist klar,  die Einrichtungen bleiben bis Ende Januar geschlossen.

Hohes Infektionsniveau

„Wir sind nach wie vor auf einem hohen Niveau der Infektionen“, sagte Kretschmann heute. Er habe sich deshalb mit der Kultusministerin Susanne Eisenmann darauf verständigt, die beabsichtigte Lockerung zu verschieben und die Schulen und Kindergärten bis Ende des Monats geschlossen zu halten. Sollte der Lockdown über den Januar hinausgehen, solle eine Öffnungsperspektive für Grundschulen und Kitas erarbeitet werden.

Auch in der nächsten Schaltkonferenz der MinisterpräsidentInnen mit der Bundeskanzlerin wolle man das Thema Schul- und Kitaöffnungen besprechen.  Angela Merkel hat sich wiederholt dagegen ausgesprochen, Kitas und Schulen bald wieder zu öffnen. Am Dienstag hatte Sie erklärt, dass es bis Anfang kommender Woche keinen klaren Überblick über die Infektionszahlen nach dem Jahreswechsel geben werde.

Keine Überraschung

Insofern kam die Entscheidung der Landeregierung in Baden-Württemberg nicht überraschend. Das Land hätte hier auch einen Sonderweg beschritten. Die Kultusministerin hatte vehement auf eine Öffnung gedrungen. Eisenmann wollte Kitas und Grundschulen schon vergangenen Montag „unabhängig von den Inzidenzzahlen“ öffnen lassen.




GEW: „Schulen am 11. Januar noch nicht wieder öffnen“

Gesundheit von Lehrenden, Lernenden und deren Eltern effektiv schützen:

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) macht sich dafür stark, den Schul-Lockdown noch nicht am 11. Januar zu beenden. „Es wäre verantwortungsvoller gewesen, wenn sich die Kultusministerkonferenz (KMK) darauf verständigt hätte, den Schul-Lockdown um mindestens eine Woche verlängern“, sagt  die GEW-Vorsitzende Marlis Tepe.

Hausaufgaben nicht gemacht

Mit Blick auf die Videoschalte der KultusministerInnen erklärt sie weiter: „Im Moment kann nicht eingeschätzt werden, wie sich Weihnachten und Silvester mit Blick auf das Infektionsgeschehen auswirken… Es wäre besser gewesen, wenn die Kultusministerien in den Ländern die Weihnachtferien genutzt hätten, um ihre Hausaufgaben zu machen: nämlich die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass guter Wechsel- und Distanzunterricht gemacht werden kann, um Abstände zwischen den Menschen einzuhalten. Nur so kann die Gesundheit von Lehrenden, Lernenden und deren Eltern effektiv geschützt werden. Das gilt auch für die Grundschulen, um die Corona keinen Bogen macht. Es bleibt dabei: Das Recht auf Bildung und der Gesundheitsschutz müssen unter einen Hut gebracht werden.“

Eltern entlasten

Es sei richtig, Eltern, die ihre Kinder betreuen müssen, zu entlasten und ihnen beispielsweise bezahlten Urlaub während der Schulschließungen zu ermöglichen, sagt Tepe. Prüfungen und Abschlüsse spielten für die Schüler und Schülerinnen an allgemeinbildenden und beruflichen Schulen eine wichtige Rolle.

Digitale Infrastruktur schaffen

Die Entwicklung der Kompetenzen der Kinder und Jugendlichen müsse dabei im Mittelpunkt stehen, die Stoffmenge reduziert werden. Dafür müsse endlich die entsprechende Infrastruktur insbesondere auch mit Blick auf das digitale Lernen bereitgestellt werden.

Auch unter den Eltern regt sich Widerstand

Viele Eltern wenden sich mittlerweile ebenfalls gegen einen Schulbeginn mit Präsenzunterricht am 11. Januar 2021. In Baden-Württemberg hat sich der Landes-Elternbeirat an den Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann mit einem Brandbrief gewendet und das Verhalten der Kultusministerin Susanne Eisenmann scharf kritisiert. Diese halte stur am Präsenzunterricht fest und ergreife trotz Pandemie keine effektiven Maßnahmen.

Quelle: Pressemitteilung GEW / Information LEB




Kinderschutzbund sieht Notwenigkeit eines harten Lockdowns

Kinder und Jugendliche auch im „harten Lockdown“ schützen:

Angesichts der hohen Infektionszahlen und der Lage auf den Intensivstationen erscheint auch dem Kinderschutzbund ein „harter Lockdown“ vor Weihnachten nötig und angemessen. Der „Lockdown light“ wirkt leider nicht so, wie wir alle uns das erhofft hatten.

Belastungen für Kinder gering halten

Der Kinderschutzbund fordert aber dazu auf, bei allen Maßnahmen und Regelungen für die nächsten Wochen dafür Sorge zu tragen, Belastungen für Kinder und Jugendliche so gering wie möglich zu halten. Auch angesichts des hohen Handlungsdrucks besteht eine besondere gesellschaftliche Verantwortung für die Jüngsten in Zeiten der Pandemie, die von den Entscheidungen der Erwachsenen besonders abhängig sind.

Kinder nehmen Verunsicherung wahr

Auch Kinder und Jugendliche nehmen die weithin spürbare Verunsicherung wahr. Über 60 Prozent der Jugendlichen haben Angst um ihre Zukunft*. Gleichzeitig ist die Zustimmung für die Corona-Schutzmaßnahmen unter Jugendlichen, anders als oftmals dargestellt, mit über 60% hoch. Denn Kinder und Jugendliche sind angesichts der unklaren Folgewirkungen einer Infektion mit COVID-19 um ihre eigene Gesundheit besorgt, aber vor allem um das Wohlergehen ihrer Angehörigen, insbesondere ihrer Großeltern.

Vier Handlungsstränge

Der Kinderschutzbund sieht vier Handlungsstränge, durch die Teilhabe und Schutz von Kindern und Jugendlichen in der aktuellen Phase gefördert werden können:

1. Information und Begründung

  • Alle Kinder sollen noch vor den Schulschließungen über Beratungsmöglichkeiten für Gewalt- und Konfliktsituationen informiert werden.
  • Im Fernunterricht sollte nach Möglichkeiten gesucht werden, die Schulsozialarbeit in den regulären Unterricht einzubeziehen.
  • Angesichts der anstehenden Feiertage sollten Kinder und Jugendliche durch Schulen und andere Einrichtungen vor dem (vorgezogenen) Ferienbeginn darüber informiert werden, wie der Kontakt zu ihnen aufgenommen wird, wenn der Lockdown mit Schulschließung über die reguläre Ferienzeit hinausgeht.
  • SchülerInnen müssen sich darauf verlassen können, dass der Kontakt zu ihnen aufgenommen wird und sie sollten möglichst genaue Informationen darüber haben, wie im neuen Jahr Schule und Unterricht organisiert werden.
  • Alle Kinder und Jugendlichen haben grundsätzlich ein Recht auf Informationen und Begründungen von Regelungen und Maßnahmen. Auch wenn Erwachsene selbst Schwierigkeiten haben, diese zu verstehen und zu begründen, sind neben den Eltern vor allem pädagogische Institutionen damit beauftragt, möglichst altersgerecht Informationen zu vermitteln und Maßnahmen verstehbar zu machen.

2. Beratung und Unterstützung auch im harten Lockdown gewährleisten

  • Das Beratungs- und Unterstützungsangebot der Frühen Hilfen vor Ort muss in jedem Fall sichergestellt sein, damit Eltern mit Säuglingen und Kleinkindern schnell Unterstützung erhalten.
  • Kinder und Jugendliche müssen Beratung und Schutz wohnortnah zur Verfügung haben. Auch in „normalen“ Jahren entsteht in der Weihnachtszeit in manchen Familien eine aufgeladene und teils aggressive Gesamtsituation. Es ist davon auszugehen, dass dies in den nächsten Wochen nicht anders bzw. verschärft der Fall sein wird. In den nächsten zwei Wochen – vor den Feiertagen – muss auf kommunaler Ebene geklärt werden, wie der Schutz gewährleistet wird und wie Kinder und Jugendliche informiert werden.
  • Die telefonische und Onlineberatung über die Weihnachtsfeiertage muss sichergestellt und ausgeweitet werden.
  • Gegebenenfalls müssen mehr Plätze für Notbetreuung vor Ort vorgehalten werden. Die Zugang zur Notbetreuung darf nicht nur vom Arbeitsverhältnis der Eltern abhängen, sondern muss die Bedürfnisse der Kinder ins Zentrum stellen. Die Notbetreuung muss daher auch Kindern, die in besonders belasteten Verhältnissen aufwachsen, offenstehen.
  • Jugendliche benötigen die Möglichkeit, zumindest zeitweise aus der Familienwohnung ausweichen zu können, damit sich Konflikte entspannen können. Dazu sind sie – insbesondere jetzt im Winter – darauf angewiesen, zum Beispiel einen Jugendtreff aufsuchen zu können. Hier müssten sie niedrigschwellige Gesprächsangebote zur Verfügung haben.

3. Kinder- und Jugendhilfe unbedingt offenhalten

Besonders Kinder und Jugendliche, die bereits in Maßnahmen der Kinder- und Jugendhilfe sind, benötigen auch in den nächsten Wochen eine verlässliche Unterstützung und brauchen Priorität bei der Bereitstellung von Mitteln im Zuge eines harten Lockdowns. Eine Notversorgung ist nicht ausreichend. In Institutioneller Betreuung sind die Träger deshalb aufgerufen, Besuchsregelungen zu finden, die einen Kontakt zu den Eltern ermöglichen. Schnelltests sollen bereitgestellt werden.

4. Armutsbekämpfung im harten Lockdown

Geschlossene Schulen und Kitas sind für alle Familien eine große Herausforderung. Ganz besonders arme Familien haben Schwierigkeiten, am Fernunterricht adäquat teilzunehmen – schon, weil es an der digitalen Ausstattung fehlt. Hinzukommt, dass viele Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket aktuell ersatzlos wegfallen. Der Kinderschutzbund wirbt deshalb dafür.

  • Bedürftige Kinder und Jugendliche unbürokratisch mit digitalen Endgeräten auszustatten. Das wurde im Sommer versäumt.
  • Leistungen wie das kostenfreie Mittagessen unbürokratisch durch eine direkt auszuzahlende Geldleistung zu ersetzen.

Der Kinderschutzbund ist überzeugt: Kinder und Jugendliche wollen sich solidarisch zeigen und an der Eindämmung des Corona-Virus mitwirken. Eine wichtige Voraussetzung dafür ist, dass sie gut informiert und beteiligt werden. Gleichzeitig sind Kinder besonders schutzbedürftig, dem muss bei allen Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie Rechnung getragen werden.

Juliane Wlodarczak, Pressesprecherin Kinderschutzbund