Soziale Angst bei Kindern und Jugendlichen: Warum elterliche Wärme schützt

Eine internationale Meta-Analyse mit über 38.000 Jugendlichen zeigt: Zuwendung von Mutter und Vater mindert soziale Angst – übermäßige Kontrolle der Mutter verstärkt sie

Soziale Angst – die Furcht, im Mittelpunkt zu stehen, etwas Peinliches zu sagen oder von anderen abgelehnt zu werden – gehört zum Aufwachsen dazu. Doch wenn sie überhandnimmt, kann sie das Leben junger Menschen stark einschränken. Eine neue Meta-Analyse aus 45 Studien in 15 Ländern hat nun untersucht, welchen Einfluss Eltern darauf haben.

Das Ergebnis ist eindeutig: Elterliche Wärme schützt. Jugendliche, die sich von beiden Elternteilen angenommen, unterstützt und verstanden fühlen, berichten deutlich seltener von sozialer Angst. Und das gilt unabhängig voneinander – sowohl die Zuwendung der Mutter als auch die des Vaters trägt dazu bei.

Ganz anders sieht es bei Kontrolle aus: Wer seine Kinder zu sehr überwacht, bevormundet oder ständig beschützen will, riskiert das Gegenteil. Auffällig ist dabei, dass in dieser Analyse vor allem mütterliche Kontrolle mit mehr sozialer Angst verbunden war. Wenn beide Eltern gleichzeitig betrachtet werden, verschwindet der Zusammenhang bei den Vätern – nicht aber bei den Müttern.

Was macht Mütter und Väter unterschiedlich?

Warum scheint Kontrolle von Müttern schwerer zu wiegen? Eine Erklärung liefert der Familienalltag selbst: In vielen Familien verbringen Mütter nach wie vor mehr Zeit mit ihren Kindern, übernehmen Organisation, Betreuung und emotionale Fürsorge. Wird diese Nähe von Kontrolle begleitet, also von Überbehütung oder starkem Einmischen, wirkt das schnell einengend. Jugendliche spüren dann weniger Freiheit, sich auszuprobieren – und trauen sich auch im sozialen Miteinander weniger zu.

Bei Vätern fällt derselbe Effekt schwächer aus. Vermutlich, weil Jugendliche von ihnen eher erwarten, dass sie Grenzen setzen oder Regeln betonen. Kontrolle von Vätern wird also anders gedeutet – sie verletzt seltener das Bedürfnis nach Autonomie. Außerdem zeigt die Analyse, dass der Einfluss väterlicher Kontrolle über die letzten Jahrzehnte abnimmt, möglicherweise, weil sich Väterrollen verändert haben: weg vom strengen Kontrolleur hin zum aktiven Begleiter.

Nähe, die stark macht

Die Studie bestätigt, wie wichtig emotionale Wärme für die psychische Entwicklung Jugendlicher ist. Jugendliche, die spüren, dass sie gemocht werden, auch wenn sie Fehler machen, entwickeln ein stabileres Selbstbild und weniger Angst vor sozialer Bewertung. Das gilt in ähnlicher Weise in allen untersuchten Kulturen – in ostasiatischen Ländern sogar noch etwas stärker.

Wärme bedeutet dabei nicht grenzenlose Nachgiebigkeit, sondern eine zugewandte Haltung: Interesse zeigen, zuhören, Zuneigung ausdrücken, gemeinsame Zeit verbringen. Diese elterliche Unterstützung schafft einen sicheren Rahmen, in dem Jugendliche soziale Erfahrungen machen und ihr Selbstvertrauen wachsen lassen können.

Forschung mit Weitblick

Durchgeführt wurde die Untersuchung von einem internationalen Team um Cullin Howard, Doktorand am College of Family and Consumer Sciences der University of Georgia. Gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen aus verschiedenen Ländern wertete er die Daten von über 38.000 Jugendlichen im Alter zwischen zehn und neunzehn Jahren aus. Die Studie wurde im Juli 2025 veröffentlicht und gehört zu den bislang umfassendsten Arbeiten zu den unterschiedlichen Rollen von Müttern und Vätern bei der Entstehung sozialer Ängste.

Die Forschenden nutzten ein modernes statistisches Verfahren, das es erlaubt, die Einflüsse beider Eltern gleichzeitig zu betrachten. Frühere Analysen hatten Mutter und Vater meist getrennt untersucht – und dadurch übersehen, wie stark sich ihre Erziehungsweisen überschneiden. Erst das neue Verfahren machte sichtbar, welche Anteile wirklich eigenständig wirken.

Ein klarer Blick auf Familienklima und seelische Gesundheit

Die Ergebnisse zeigen, dass nicht die eine „richtige“ Erziehung zählt, sondern das Zusammenspiel von Nähe und Freiheit. Jugendliche brauchen Eltern, die ihnen Vertrauen schenken, statt sie zu lenken – und die dennoch da sind, wenn Unsicherheit aufkommt.

Die internationale Studie aus Georgia verdeutlicht dabei, was viele Pädagoginnen und Psychologen schon lange vermuten: Wärme ist universell wohltuend, Kontrolle dagegen bleibt ein Risiko – vor allem, wenn sie aus Fürsorge geboren wird, aber Freiheit verhindert.

Mehr zum Beitrag: https://link.springer.com/article/10.1007/s40894-025-00268-0




Wie Religion in der Familie weiterlebt – oder endet

Ob Glaube weitergegeben wird, hängt entscheidend von den Eltern ab – mit besonderer Rolle der Mütter. Im Osten Deutschlands ist Nicht-Religiosität zur Norm geworden

Ob Kinder religiös werden oder nicht, entscheidet sich laut einer neuen internationalen Studie der Universität Münster vor allem in der Familie. Besonders dann, wenn beide Elternteile derselben Konfession angehören, religiöse Rituale gemeinsam gepflegt werden und ein klares religiöses Selbstverständnis besteht, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Glaube an die nächste Generation weitergegeben wird. Von zentraler Bedeutung ist dabei die Rolle der Mütter, wie die Religionssoziologinnen Christel Gärtner und Linda Hennig sowie ihr Kollege Olaf Müller vom Exzellenzcluster „Religion und Politik“ betonen.

Aber auch religiöse Institutionen bleiben ein wichtiger Faktor. Der persönliche Austausch mit religiösen Autoritäten trägt wesentlich zur Festigung der Glaubenspraxis bei. Dennoch: In einem zunehmend säkularen Umfeld werden religiöse Erziehung und Weitergabe seltener. Eltern selbst sind heute oft kaum noch religiös – und vermitteln entsprechend auch keine religiösen Inhalte mehr an ihre Kinder.

Ostdeutschland als Vorreiter säkularer Sozialisation

Die Studie vergleicht Familien in Deutschland, Finnland, Italien, Ungarn und Kanada – alles Länder mit christlich geprägter Geschichte, aber unterschiedlichen Säkularisierungsverläufen. Besonders deutlich wird der Wandel in Ostdeutschland. Dort setzte der Bruch in der religiösen Weitergabe bereits früh ein: In der Generation der bis 1948 Geborenen war er bereits sichtbar. Bei den nach 1985 Geborenen stammt heute fast jede*r Zweite aus einer konfessionslosen Familie.

In Westdeutschland hingegen ist die Weitergabe von Religion nach wie vor verbreiteter: Rund 70 Prozent der jüngeren Befragten stammen aus Haushalten mit zumindest einem konfessionell gebundenen Elternteil. Der Unterschied lässt sich unter anderem mit der antireligiösen Politik der DDR erklären, so Olaf Müller: „Wenn die Weitergabe von Nicht-Religiosität zum gesellschaftlichen Normalfall wird, fällt es Eltern schwer, ihren Kindern eine religiöse Lebensweise zu vermitteln.“

Die Adoleszenz als kritischer Wendepunkt

Ob ein Mensch religiös bleibt oder wird, entscheidet sich laut den Forschenden meist in der Jugendphase. In dieser Zeit hinterfragen junge Menschen die religiösen Praktiken ihrer Herkunftsfamilie, entwickeln eigene Haltungen – und treffen zunehmend autonome Entscheidungen.

Zugleich zeigen sich seit den 1980er Jahren neue Erziehungsideale: Eltern fördern verstärkt die Selbstbestimmung ihrer Kinder – auch im religiösen Bereich. Ob ein Kind getauft wird oder sich konfirmieren lässt, ist häufig eine Entscheidung, die der Nachwuchs selbst treffen soll.

Besonders nachhaltig wirkt religiöse Sozialisation, wenn mehrere Generationen zusammenwirken – etwa wenn Großeltern ebenfalls zur religiösen Erziehung beitragen. Allerdings, so die Studienautor*innen, können Großeltern einen fehlenden religiösen Einfluss der Eltern nicht ersetzen.

Werte bleiben – auch ohne Religion

Während sich in der religiösen Praxis zwischen den Generationen oft Brüche zeigen, bleiben zentrale Werte erstaunlich konstant. Solidarität, Toleranz und Nächstenliebe – ursprünglich religiös vermittelt – werden von vielen jungen Menschen zwar übernommen, jedoch ohne religiöse Begründung. Sie gelten heute zunehmend als allgemein gesellschaftliche Werte.

Interessant ist dabei auch die Feststellung: Nicht nur Religion kann dominant weitergegeben werden – auch eine gefestigte Haltung der Nicht-Religiosität prägt die nächste Generation nachhaltig. In Familien, in denen etwa der Vater betont säkular lebt, kann dieser Einfluss ebenso stark wirken wie eine überzeugte religiöse Praxis.

Die Studie wurde von 21 Forscher*innen aus fünf Ländern durchgeführt und durch die John Templeton Foundation gefördert. Die Ergebnisse sind im Buch „Families and Religion. Dynamics of Transmission across Generations“ im Campus Verlag erschienen. Das Projekt war am Centrum für Religion und Moderne (CRM) sowie am Exzellenzcluster „Religion und Politik“ der Universität Münster angesiedelt.




Bundesrat fordert Mutterschutz für Selbstständige

Selbstständige sollen während der Schwangerschaft und nach der Entbindung die gleichen Mutterschutzleistungen erhalten wie Arbeitnehmerinnen

Selbstständige sollen während der Schwangerschaft und nach der Entbindung die gleichen Mutterschutzleistungen erhalten wie Arbeitnehmerinnen. Dies fordert der Bundesrat von der Bundesregierung in einer Entschließung, die auf eine Initiative von Nordrhein-Westfalen und Hamburg zurückgeht.

Geringer Frauenanteil bei Selbstständigen 

Der Bundesrat begründet seine Forderung mit dem immer noch auffällig niedrigen Anteil von Frauen bei Unternehmensgründungen und in der Geschäftsführung von Start-Ups sowie kleinen und mittleren Unternehmen. 

Gleichbehandlung mit Arbeitnehmerinnen

Die deutsche Rechtsordnung enthalte Regelungen für Arbeitnehmerinnen, Beamtinnen und Richterinnen – nicht jedoch für Selbstständige. Es müssten gleichwertige Verhältnisse in Bezug auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie geschaffen werden, um den Frauenanteil unter den Selbstständigen zu erhöhen. Daher sei es notwendig, die bestehenden Nachteile für selbständige Schwangere oder Mütter in der Zeit nach der Entbindung abzubauen, um so einen wichtigen Beitrag zur Gleichstellung von Frauen und Männern zu leisten.

Unternehmerinnen im Handwerk besonders betroffen

Gerade junge Unternehmerinnen hätten oft noch keine Rücklagen für eine ausreichende Vorsorge. Ihnen drohten beim Ausfall durch Schwangerschaft und Geburt Auftragseinbußen und Umsatzrückgänge, die bis zur Insolvenz führen könnten. Unternehmerinnen im Handwerk seien besonders betroffen, da die Arbeit oft körperlich belastend und in dieser Lebensphase der Investitionsbedarf besonders hoch sei. Daher müssten für Gründerinnen und Selbstständige Instrumente geschaffen werden, die einerseits Rückhalt zur Gründung geben und andererseits schwangerschaftsbedingte Betriebsschließungen verhindern, verlangt der Bundesrat. Finanziert werden könnten diese Instrumente durch Bundesmittel oder durch Schaffung eines solidarischen Umlagesystems.

Wie es weitergeht

Die Entschließung wird der Bundesregierung zugeleitet. Diese entscheidet, wann sie sich mit den Länderforderungen befasst. Feste Fristvorgaben gibt es hierfür nicht.

Quelle: Deutscher Bundesrat