IQB-Bildungstrend 2024: Leistungsrückgänge, Ursachen und Reaktionen

Neue Daten zeigen deutliche Kompetenzverluste in Mathematik und Naturwissenschaften – Länder, Bund und Gewerkschaften reagieren mit Reform- und Förderinitiativen

Der IQB-Bildungstrend 2024 zeigt einen anhaltenden Leistungsabfall in Mathematik, Biologie, Chemie und Physik. Immer mehr Neuntklässler*innen verfehlen die von der Kultusministerkonferenz (KMK) festgelegten Mindeststandards – besonders in Mathematik und Chemie. Knapp neun Prozent der Jugendlichen erreichen nicht einmal den Mindeststandard für den Ersten Schulabschluss, rund 34 Prozent verfehlen den Mindeststandard für den Mittleren Schulabschluss. Die Ergebnisse markieren einen deutlichen Rückgang gegenüber den Jahren 2018 und 2012.

„Wir brauchen eine gemeinsame Kraftanstrengung“

Simone Oldenburg, Präsidentin der Kultusministerkonferenz, betont: „Der IQB-Bildungstrend 2024 zeigt uns deutlich, wo wir stehen – und wo wir dringend besser werden müssen. Wir brauchen eine gemeinsame Kraftanstrengung, um die Basiskompetenzen unserer Schülerinnen und Schüler zu stärken.“ Bereits 2023 hat die KMK mit QuaMath ein bundesweites Programm zur nachhaltigen Verbesserung der mathematischen Bildung von der Kita bis zum Abitur gestartet.

Pandemie, Motivation und Chancengleichheit im Fokus

„Diese Kohorte begann ihre Schulzeit im Lockdown – mit Homeschooling, Lernrückständen und sozialer Isolation. Rückgänge bei Motivation, Selbstvertrauen und Basiskompetenzen sind ein Warnsignal“, meint Christine Streichert-Clivot, Bildungsministerin des Saarlandes. Sie plädiert dafür, Schule stärker als Lebensort zu begreifen, der Kinder auch emotional und sozial stärkt. Programme wie StarS und das Startchancenprogramm greifen diese Ansätze auf, indem sie Lehrkräfte gezielt fortbilden und multiprofessionelle Teams stärken.

„Schulpolitik ist ein Marathon, kein Sprint“

„In allen Bundesländern sacken die Werte ab“, erklärt die Schulministerin von Nordrhein Westfalen, Dorothee Feller. „Die Ergebnisse geben uns einen klaren Auftrag: Wir müssen gemeinsam mit Schulen und Wissenschaft genau analysieren, was die Ursachen sind und welche Maßnahmen wirken.“ Sie betont, dass Krisen, Kriege, Medienkonsum und Integrationsaufgaben die Schulen zusätzlich fordern. „Unser Ziel ist klar: Wir stellen die Unterrichtsqualität in den Mittelpunkt – mit einem klaren Fokus auf Basiskompetenzen. Schulpolitik ist und bleibt ein Marathon, kein Sprint.“

Bundesbildungsministerin Prien fordert entschlossenes Handeln

Karin Prien, Bundesministerin für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend, bezeichnet die Ergebnisse als „ernstzunehmendes Warnsignal“: „Wir sehen deutliche Leistungsrückgänge in fast allen Bundesländern. Diese Entwicklung gefährdet die Aufstiegschancen junger Menschen und damit die Zukunftsfähigkeit unseres Landes. Bund und Länder müssen jetzt gemeinsam handeln – mit besserer Sprachförderung, Fokus auf Lesen, Schreiben und Rechnen und konsequenter Qualitätssicherung.“

GEW: „Das ist kein Unfall, sondern ein Fehler im System“

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) reagiert mit scharfer Kritik auf die Ergebnisse. GEW-Vorstandsmitglied Anja Bensinger-Stolze erklärt: „Der Abwärtstrend der vergangenen Jahre hat sich verschärft fortgesetzt. Das ist kein Unfall, sondern ein Fehler im System.“ Sie macht den Lehrkräftemangel und die Unterfinanzierung des Bildungssystems verantwortlich:

„In allen Bildungsbereichen herrscht ein riesiger Fachkräftemangel. Anstatt die Arbeitsbedingungen zu verbessern, werden vielerorts Unterrichtsstunden erhöht und Klassen vergrößert.“ Die GEW fordert ein Investitionsprogramm von 130 Milliarden Euro, kleinere Klassen und mehr Zeit für die individuelle Förderung. Gute Bildung und gute Arbeitsbedingungen gehörten untrennbar zusammen, so Bensinger-Stolze.

Positive Entwicklungen trotz schwieriger Lage

Trotz der Leistungsrückgänge berichten viele Jugendliche von hoher Schulzufriedenheit und sozialer Eingebundenheit. Lehrkräfte bewerten den Einsatz digitaler Medien zunehmend positiv und zeigen großes Engagement. Besonders Seiteneinsteiger*innen äußern sich motiviert – ein wichtiger Faktor angesichts des Lehrkräftemangels.

Früh fördern statt später aufholen?

Dr. Tobias Ernst, Vorstand der Stiftung Kinder fordert mit dem Slogan „Lieber früh beginnen als später mühsam korrigieren“ eine intensivere frühe Förderung. Die Stiftung arbeitet an neuen Bildungsangeboten zur mathematischen Frühförderung für pädagogische Fach- und Lehrkräfte in Kita, Hort und Grundschule. Dabei vergisst Ernst, dass die Förderanstrengungen der Stiftung in den vergangenen Jahren offensichtlich nichts gebracht, eventuell sogar zu der negativen Entwicklung mit beigetragen haben. Vermutlich wäre es besser, wenn Kita-Kinder begleitet von Fachkräften wie in früheren Zeiten die Welt im freien Spiel entdecken dürften. Damals waren zumindest die Schulleistungen besser.

Hintergrund zur Studie

Der IQB-Bildungstrend 2024 beruht auf einer repräsentativen Stichprobe von 48.279 Schülerinnen und Schülern aus 1.556 Schulen in allen 16 Bundesländern. Er überprüft das Erreichen der Bildungsstandards in Mathematik, Biologie, Chemie und Physik und ermöglicht erstmals eine Zwölfjahrestrendanalyse (2012–2024).

Hier finden Sie weitere Informationen zu den IQB-Bildungstrends.

Quellen: IQB, Kultusministerkonferenz, Waxmann Verlag, GEW, Stiftung Kinder forschen




Mit Kindern die Sterne des Wissens vom Himmel holen

supernova

Forscherstation Heidelberg und ESO Supernova Garching stärken frühe naturwissenschaftliche Bildung durch Fortbildung

Abenteuer Weltall ein Thema für Kita und Grundschule? Auf jeden Fall! Schließlich fängt das Universum nicht erst vor der Haustür an, sondern wir selbst sind ein Teil von ihm. Und genau das fasziniert viele Menschen. Wie es geht, diese Begeisterung in naturwissenschaftlichen Wissensdurst zu verwandeln, zeigt die von der Klaus Tschira Stiftung ermöglichte Kooperation der Forscherstation Heidelberg mit der ESO Supernova, Planetarium und Besucherzentrum in Garching. Pädagogische Fachkräfte können dort nicht nur kostenlosen Fortbildungen besuchen. Sondern sie können sich jetzt auch Forscherkisten ausleihen, um mit Kindern Naturphänomene in den Blick zu nehmen.

Kooperationen machen Bildung möglich

Seit 2021 kooperieren diese beiden Einrichtungen, um frühe naturwissenschaftliche Bildung kostenfrei in der Region München zu stärken. In der Metropolregion Rhein-Neckar arbeitet die Forscherstation schon seit über zehn Jahren mit dem Heidelberger Haus der Astronomie zusammen.

Umrahmt von einem Markt der Möglichkeiten erläuterten Tania Johnston (Leiterin der ESO Supernova) und Alev Dreger,  Förderreferentin für Bildung der Klaus Tschira Stiftung, ihre Begeisterung für die Kooperation. Für Tania Johnston sind die Bildungsangebote für Kinder und Jugendliche, aber auch für die pädagogischen Fach- und Lehrkräfte zentraler Bestandteil des Angebots ihrer Einrichtung. 60.000 Besuchende im Jahre weist die ESO Supernova im fünften Jahr ihres Bestehens auf – Tendenz immer noch stark steigend. Darunter waren 2023 mehr als 10.000 Kinder sowie Schülerinnen und Schüler. Johnston weiß aus eigener Erfahrung, dass die ersten Eindrücke, die Kinder von den Naturwissenschaften bekommen, prägend sind. Auch deshalb ist sie stolz auf die Kooperation mit der Forscherstation und das einzigartige Angebot, das durch die Unterstützung der Klaus Tschira Stiftung möglich ist.

Verstehen ist ein Menschenrecht

Förderreferentin Alev Dreger hob hervor, dass sich astronomische Inhalte besonders leicht und anschaulich darstellen lassen. Abgeholt werden Groß und Klein hierfür bei ihrer Neugierde und bei ihrem Staunen. Die Klaus Tschira Stiftung verstehe sich als eine Art Geburtshelferin, die vor allem niederschwelligen Projekten mit Breitenwirkung helfe, das Licht der Welt zu erblicken. Dabei gehe es immer auch um Bildungschancen und Bildungsgerechtigkeit. Fokus der von der Stiftung ermöglichten Kooperationsprojekt sei aber vor allem, die pädagogischen Fachkräfte zu ermutigen, damit diese wiederum die Kinder auf ihrem Weg begeistern können.

Markus Rehm, fachlicher Leiter der Forscherstation, erklärte, warum für ihn gilt: „Verstehen ist ein Menschenrecht“ und warum er frühe naturwissenschaftliche Bildung in Kita und Grundschule gerade deshalb als Chance begreift. Bildung und Lernen sind für den Professor für die Didaktik der Naturwissenschaften an der Pädagogischen Hochschule eine Frage der Gerechtigkeit. Gerade in Zeiten des schlechtesten deutschen PISA-Ergebnisses aller Zeiten müsse dieser Aspekt endlich Einzug in die Bildungslandschaft halten. „Jeder Mensch muss lernen dürfen“, so Rehm.

Bildungschancen beginnen laut ihm schon mit dem In-der-Welt-Sein und den ersten Erfahrungen eines Kindes. Da werde das Ich mit der Welt verknüpft und der Boden für Lernerfahrung und Lernerfolg bereitet. Gerade frühkindliche naturwissenschaftliches Lernen ermögliche den Wissensdurst und damit den Antrieb für lebenslanges Lernen. Die Rolle von pädagogischen Fach- und Lehrkräften kann hier seiner Ansicht nach nicht hoch genug eingeschätzt werden.

Wolfgang Vieser von der ESO Supernova und Natalie Fischer (Forscherstation und Haus der Astronomie, Heidelberg) freuten sich, dass die Astronomie so ein wunderbarer Türöffner für Groß und Klein in die Welt der Naturwissenschaften geworden ist. Genau dies habe sich Klaus Tschira für die Bildungsprojekte seiner Stiftung erhofft.

Aus der Praxis berichteten die beiden pädagogischen Fachkräfte Melanie Kapeller und Moritz Sagmeister aus Giesing. Sie lobten die Kooperation einhellig: „Wir hatten die besten Partner, die man sich wünsche kann, um Kinder auf den Weg zu bringen, ihrer Neugierde zu folgen“. Anfängliche Bedenken, selbst nicht genug Ahnung zu haben, habe das Fortbildungsteam in der ESO Supernova schnell zerstreuen können. „Fragt, wie die Kinder und fangt einfach an“, brachten sie ihre Erfahrung auf den Punkt.

Und hier geht es zu den Fortbildungen: 

Sonne, Mond und Sterne – Abenteuer Weltall in der Kita (forscherstation.info)

Kleine Dinge, große Fragen – Im Kita-Alltag gemeinsam staunen und forschen (forscherstation.info)