Recht auf Bildung: Geflüchtete Kinder bleiben zurück

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Viele Kinder warten Monate oder Jahre auf Schulplätze – Kinderhilfswerk warnt: Deutschland verletzt Kinderrechte beim Schulzugang

Das Deutsche Kinderhilfswerk (DKHW) schlägt Alarm: Geflüchtete Kinder und Jugendliche in Deutschland haben oft keinen rechtzeitigen Zugang zu Schulen. Laut einer aktuellen Analyse der Kinderrechtsorganisation wird die EU-Aufnahmerichtlinie, die einen Schulstart spätestens drei Monate nach Asylantrag vorsieht, vielfach nicht eingehalten. Stattdessen warten viele Betroffene monatelang, teilweise sogar mehrere Jahre, bevor sie eine Regelklasse besuchen dürfen.

Neue EU-Regeln: Höchstens zwei Monate Wartezeit

Mit der Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS), die noch vom Bundestag beschlossen werden muss, sollen die Fristen für den Schulzugang verkürzt werden. Künftig soll der Schulstart „so bald wie möglich“ erfolgen – längstens zwei Monate nach Asylantragsstellung. Zudem soll die Beschulung in Vorbereitungsklassen oder Übergangsangeboten auf höchstens einen Monat begrenzt werden.

Verletzung der UN-Kinderrechtskonvention

„Die Bundesrepublik Deutschland und die Länder haben sich mit Artikel 28 der UN-Kinderrechtskonvention verpflichtet, das Recht auf Bildung für alle Kinder zu gewährleisten. Doch viele geflüchtete Kinder bleiben über Jahre hinweg in Übergangslösungen hängen und verpassen entscheidende Lernzeit“, erklärt Holger Hofmann, Bundesgeschäftsführer des DKHW. Das führe nicht nur zu Rechtsverletzungen, sondern auch zu erheblichen Nachteilen bei der Bildungsintegration.

Unbegleitete Minderjährige besonders betroffen

Besonders problematisch ist die Lage unbegleiteter minderjähriger Geflüchteter. Während des sogenannten Clearingverfahrens haben sie meist gar keinen Zugang zur Schule. Obwohl gesetzlich nur fünf Wochen vorgesehen sind, dauert dieses Verfahren in vielen Bundesländern mehrere Monate. Damit bleibt fraglich, ob die Rechte dieser besonders schutzbedürftigen Gruppe eingehalten werden.

Fehlende Daten verschleiern das Ausmaß

Ein zentrales Problem ist laut DKHW der Mangel an verlässlichen Daten. Weder die Dauer der Wartezeiten zwischen Asylantrag und Schulaufnahme noch die tatsächliche Länge von Vorbereitungsklassen wird systematisch erfasst. Auch Informationen über den weiteren Bildungsverlauf geflüchteter Kinder fehlen fast vollständig. Ohne diese Daten könne weder überprüft werden, ob Vorgaben eingehalten werden, noch wie effektiv die Integration in die Regelklassen tatsächlich gelingt.

Appell an Bund, Länder und Kommunen

Das Deutsche Kinderhilfswerk fordert deshalb dringend eine gemeinsame Strategie, die sowohl einen schnelleren Zugang zum Bildungssystem als auch eine systematische Datenerhebung sicherstellt. „Investitionen in eine zügige Umsetzung des Rechts auf Bildung zahlen sich langfristig für Schulen und Gesellschaft aus“, betont Hofmann.

Hintergrund: Kinderrechte-Index

Die Analyse „Einschränkungen beim Recht auf Bildung: Geflüchtete Kinder bleiben auf der Strecke“ basiert auf einer Befragung der Landesregierungen und ist Teil des zweiten „Kinderrechte-Index“ des DKHW. Dieser vergleicht die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in den Bundesländern und wird im Dezember veröffentlicht.

👉 Die vollständige Analyse kann auf der Website des Deutschen Kinderhilfswerks heruntergeladen werden.




Bildungsgerechtigkeit jetzt verwirklichen

Deutsches Kinderhilfswerk fordert umfangreiche Maßnahmen zum Tag der Bildung

Das Deutsche Kinderhilfswerk (DKHW) vermisst an vielen Stellen den politischen Willen, sich dem drängenden, strukturellen Problem der schlechten Bildungschancen der von Armut betroffenen Kinder in Deutschland anzunehmen. Und auch bei der Integration von geflüchteten Kindern ins Bildungssystem gibt es noch viel zu tun. Zudem muss nach Ansicht des Deutschen Kinderhilfswerkes die digitale Bildung von Kindern und Jugendlichen gesichert werden. Diese soll junge Menschen dazu befähigen, ihre Rechte im Internet wahrzunehmen und im Zeitalter der Digitalisierung Angebote barrierearm in Anspruch nehmen zu können.

Das Recht gilt für alle gleich

„Das Recht auf Bildung gilt für alle Kinder, ungeachtet ihrer sozialen Lage oder ihrer Herkunft. Deshalb müssen wir es schaffen, die Vererbung von Bildungsverläufen aufzubrechen. Bildung als Schlüssel für gesellschaftliche Teilhabe und für den chancengerechten Zugang zu einer angemessenen beruflichen Entwicklung ist nachweislich von entscheidender Bedeutung. Deshalb müssen allen Kindern gleichwertige Chancen ermöglicht werden. Dies gilt insbesondere für die fast drei Millionen Kinder und Jugendlichen, die in Deutschland von Armut betroffen sind. Hier lassen sich auch über eine gute Personal-, Raum- und Sachausstattung von Bildungseinrichtungen, durch eine bedarfsgerechte Qualifizierung der Lehr- und pädagogischen Fachkräfte sowie ein vielfältiges, nicht nur an Lehrplänen orientiertes Bildungsangebot die unterschiedlichen finanziellen Voraussetzungen in den Elternhäusern ausgleichen“, betont Holger Hofmann, Bundesgeschäftsführer des DKHW.

Recht auf Bildung und Beschulung

Aus dem Recht auf Bildung folgt zudem, dass alle Kinder in Deutschland Anspruch auf Bildung und Beschulung haben. Auch zu uns geflüchtete Kinder sollten schnellstmöglich eine Schule besuchen können. Dabei geht es zum einen um das Lernen generell, aber auch um den sozialen Austausch mit anderen. Das monatelange Warten und Ausharren in Gemeinschafts- oder Sammelunterkünften ohne ausreichenden Zugang zu Bildung widerspricht der UN-Kinderrechtskonvention“, so Hofmann weiter.

Recht auf digitale Bildung

„Mit dem General Comment No.25 sichern die Vereinten Nationen Kindern ein Recht auf digitale Bildung zu. Dies umfasst sowohl die technische Ausstattung, die Qualifizierung der Fachkräfte zum Umgang mit Technik und Materialien als auch die Förderung von Entwicklung und Anschaffung digitaler Bildungsmaterialien. Digitale Bildung sollte junge Menschen dazu befähigen, ihre Rechte im Internet wahrzunehmen. Digitale Bildung kann zudem das Recht auf Bildung in Situationen sichern, die eine Teilnahme am Unterricht in der Schule nicht zulassen“, sagt Holger Hofmann.