Die Kunst des Erziehens achtet das rhythmische Prinzip

Rhythmus als Antwort auf Intellektualisierung und in Fächer zergliedertes Lernen nach Rudolf Steiner

Das Fundament der modernen Geisteswissenschaft ist die selbst zu verantwortende „Freiheit des Menschen“. Das gilt auch für Rudolf Steiners Ideen. Seiner Menschenkunde zufolge fühlt sich der freie Mensch aus seinem ursprünglichen Wesen heraus aufgerufen, das Gute zu suchen und für den anderen Menschen zu tun. Woher kommt aber das Gute? Entspringt es aus der Bindungs- und Beziehungsfähigkeit der Menschen untereinander? Oder findet der Mensch das Gute, indem er sich entschließt, es zu tun – soweit seine Fähigkeit reicht und seine Bereitschaft wächst, aus eigenen Fehlern zu lernen? In diesen selbstkritischen Fragen gründet die Kunst der Erzieherin (Glöckler 2002). Das hatte Steiner beim Hausunterricht erfahren.

Rhythmus in Geschichte und Gegenwart

Dem griechischen Philosophen Heraklit (um 500 v. Chr.) zufolge existiert in der Natur ein Grundprinzip des Lebens und der Welt: Alles fließt! (griechisch: panta rhei). Aus dem Fließen oder dem Rhythmischen entsteht die Urkraft des Lebendigen, die „Energie an sich“ (Heraklit). Auf dieser rhythmischen Urkraft beruhe die Existenz des Kosmos.

Das rhythmische Phänomen begegnet uns überall in der Natur und im Leben. Für den Menschen ist der Rhythmus lebensbedeutsam. Ohne Rhythmus ist das Leben nicht denkbar. Zwischen Rhythmen und Gewohnheiten besteht ein enger Wechselbezug: Rhythmen tragen Gewohnheiten und Gewohnheiten stabilisieren Rhythmen. Die Psychologie der frühen Kindheit weist eindringlich darauf hin, dass jedes Kind von Beginn an einen rhythmisch strukturierten Tagesablauf und damit stabile Gewohnheiten für seine Entwicklung benötigt. Und ein Kind, das von einer Entwicklungsauffälligkeit bedroht ist, verlangt besondere Aufmerksamkeit, denn es braucht ganz besonders stabile Gewohnheiten, die ihm Lebenssicherheit, Zuversicht und Vertrauen geben. Wenn ein Kind im Vorhinein weiß oder auch nur ahnt, was bald folgen wird, fühlt es sich sicher und kann sich in zeitlichen Strukturen frei bewegen (Neuhäuser/Klein 2019, S. 126 ff.).


Wir haben diesen Beitrag folgendem Buch entnommen:

Prof. Dr. Ferdinand Klein
Waldorfpädagogik in Krippe und Kita
Einblick in eine ganzheitliche Praxis, die jedem Kind seinen individuellen Lebensweg ermöglicht
Taschenbuch, 168 Seiten
ISBN: 978-3-96304-610-0
25 €

Mehr dazu unter: https://www.oberstebrink.de/shop/item/9783963046100/waldorfpadagogik-in-krippe-und-kita-von-ferdinand-klein-broschur


Die Rhythmusforschung hat u.a. die physiologische Bedeutung des Tagesrhythmus, des Wochenrhythmus und des Jahresrhythmus für Kinder und Erwachsene herausgearbeitet: Alle Gewohnheiten, die sich bei einem Kind gebildet haben, stärken oder schwächen seine Lebenskraft. Wenn heute Kinder und Erzieherinnen über Kraftlosigkeit und Müdigkeit klagen, so ist eine Ursache dafür in den fehlenden Lebensgewohnheiten zu suchen. Gerade für kleine Kinder verlangt das Leben Rhythmus und Gewohnheit, Kontinuität und wiederholendes Üben.

Rhythmus als Antwort auf Intellektualisierung und zergliedertes Lernen

Rhythmische Erziehung ist als Antwort auf das einseitig intellektuelle und in Fächer zergliederte Lernen zu verstehen. Damit verbunden sind chronischer Bewegungsmangel und die zu beobachtende instabile Gesundheit bei vielen Kindern. So wird es auch verständlich, dass verschiedene Bewegungssysteme und Körpertherapien wie Pilze aus dem Boden schießen und bei Kindern mit Lern- und Entwicklungsdefiziten Hilfe durch ein bewegungserfülltes Lernen versprechen. Gerade dieses therapeutische Bemühen weist darauf hin, dass eine (Rück)Besinnung auf ein ganzheitliches Lernen geboten ist, das die Beziehungen von

– Körper (Körperbewegungen),
– Geist (geistige Strukturen) und
– Seele (künstlerische und bildnerische Bildungsinhalte)

beachtet (Klein 2012, S. 106 ff.).

Rhythmus als Schicksals- und Lebensrhythmus

Allgemeine Gesichtspunkte

Nach Rudolf Steiners Menschenkunde ist jeder Mensch in einen Schicksals- und Lebensrhythmus eingebunden. Er lebt im Rhythmus des Wachens und Schlafens, des Einatmens und Ausatmens, des Erlebens und Gestaltens, des Aufnehmens und Ausführens. Gerade beim Kind hat der klangvolle musikalische Rhythmus, den wir in Liedern und Bewegungen wahrnehmen, eine organbildende Kraft. Rhythmus und Bewegung sensibilisieren und aktivieren die Sinne, insbesondere den Bewegungs- und Gleichgewichtssinn und damit das Denken in seinem schöpferischen und ordnenden Anspruch.

Das Kind ahmt hier die Bewegungen auf seine ganz individuelle Art und Weise nach. Es strebt danach, in diesen Bewegungen die Welt zu verinnerlichen und bringt dadurch seine Welt in die gemeinsame Welt, in die „gemeinsame Daseinsgestaltung“ (Kobi 2004; Klein 2019, S. 18) ein. Offenbar erlebt sich das Kind ganz unmittelbar im Rhythmus und in den Bewegungen. Rhythmus und Bewegungen ermöglichen es ihm, sein Denken, Fühlen und Wollen und damit sein bewusstes Ich zu entwickeln. In diesem Prozess der Selbstausformung entfaltet und gestaltet es in Freiheit und Gebundenheit seinen inneren Halt, der in den übergreifenden Schicksals- und Lebensrhythmus eingebunden ist.

Zur heilenden Bewegungskunst (Eurythmie)

Rudolf Steiner hat die Eurythmie eingeführt. Im Bild der Waage zeigt sich das Wesen des Rhythmischen, wie es uns im Leben begegnet. Im Hin- und Herbewegen zwischen den Polen wird das Gleichgewicht gesucht. Im Rhythmischen trägt sich das Leben. Im Wesen des Rhythmischen begegnet uns das Wesen des Menschen. Das Sein im Rhythmischen ist ein Leben in Gesundheit. Im Rhythmischen, in dem sich das Gegensätzliche vereinigt, kommt das Ungleichgewicht ins Gleichgewicht. Ist der Mensch nicht (mehr) fähig, gleichsam aus der Herzmitte heraus, sich in dieses Gleichgewicht einzuschwingen, dann kann er körperlich und seelisch erkranken, Probleme für sich und für andere erzeugen.

Als geradezu tänzerische Ausdrucksform von Sprache und Musik will die Eurythmie den Menschen sinnlich-ästhetisch mit den Gestalten und Geschehnissen der geistigen Welt verbinden.

Im (Nach)Erleben der Bewegungen im Tanz können die TänzerInnen aus der sinnlichen Welt in die übersinnliche Welt aufsteigen. Durch nachbildende Bewegungen der Arme, Hände und Füße in choreografischen Formen wird ihnen ermöglicht nichtsinnliche Bewegungen sichtbar zu machen. Durch diese geistige (spirituelle) Kunst wird das sichtbar, was dem Makrokosmos innenwohnt.

Es ist daher Aufgabe des Lebens wie der Erziehung, das Rhythmische, das Streben nach Gleichgewicht, nach Ausgleich und Zusammensein, das Suchen des Verbindenden und Zusammengehörenden zu pflegen.

Es geht um einen harmonischen Rhythmus, was auch die Silbe eu vor dem griechischen Begriff des Rhythmischen ausdrücken will: Eu meint soviel wie harmonisch, schön, wohl, gut. In den eurythmischen Bewegungen spiegeln sich Bewegungen wider, wie sie uns im Kosmos und im menschlichen Organismus begegnen. Der Mensch als Mikrokosmos macht in seinen eurythmisch schöpferischen und künstlerischen Bewegungen den Makrokosmos sichtbar. Der makrokosmische Rhythmus des Jahres- und Tageslaufes mit seinen Naturkräften offenbart sich beim Menschen im Rhythmus des Kreislaufgeschehens, im Puls und Atem.

Es geht der Eurythmie darum, dem sich unwohl oder krank fühlenden Menschen zu ermöglichen, sich aus dem Arhythmischen und Hektischen in den Einklang mit den kosmischen Rhythmen hineinzubewegen, in das Harmonische, Ausgleichende und Ganze einzufinden. Diese harmonischen Bewegungen sind dem Menschen ureigen. Ist er aber aus dem inneren Gleichgewicht geraten, so hat er ein ursprüngliches Bedürfnis wieder in sein Gleichgewicht zu kommen. Nach anthroposophischem Verständnis hat jeder Mensch einen tiefen ursprünglichen Willen in sich, eurythmisch das innere und äußere Gleichgewicht zu suchen, so sein Gemüt zu pflegen und seinen Handlungswillen zu üben, sein Denken und Wahrnehmen zu schulen.

Eurythmische Erziehung achtet auf folgende Inhalte und Ziele:

– Ausbilden der Phantasie
– Üben der Sinne, besonders des Hörsinnes und des Bewegungssinnes
– Koordination der grobmotorischen und feinmotorischen Bewegungen
– Übungen der Körpergeschicklichkeit
– Rhythmisieren und Harmonisieren der Bewegungen durch Musik und Sprachrhythmen
– Üben des schöpferischen Denkens und der räumlich-zeitlichen Vorstellungen
– Beleben der Gefühlskräfte und Fördern der sozialen Kräfte
– Erleben der anderen Menschen und der Gemeinschaft (Klein 2012, S. 110).

Zur Theorie des Rhythmus

Die naturwissenschaftlich und medizinisch orientierte Rhythmusforschung (Chronobiologie) achtet vor allem auf die Zeitstruktur von Lebensvorgängen. Sie kommt zum Ergebnis, dass überall, wo es um Leben in der Natur geht, Rhythmen auftreten. Die Wissenschaft ist überzeugt, dass man dem Leben der Organismen näherkommt, wenn man sich mit den Rhythmen befasst.

Die Chronobiologie konnte nachweisen, dass alle biologischen Funktionen rhythmisch-periodisch strukturiert verlaufen

Die Dauer einer Periode umfasst ein breites Spektrum von Millisekunden bis zu Jahren. Beim Menschen werden langsame, umweltbezogene Rhythmen (Tag-Nacht-Rhythmus, Wochen-, Monats- und Jahresrhythmus) und schnelle, autonome Rhythmen (Herzrhythmus, Atemrhythmus, Rhythmen im Bereich von Atmung und Puls, von Nervensystem und Sinnesorganen und Rhythmen der Stoffwechselorgane) unterschieden. Die für uns wahrnehmbaren Rhythmen setzen von Geburt an ein und haben eine unverwechselbare individuelle Struktur und Wirkung.

Bekannt ist die prägende Wirkung zeitlich verlässlicher Pflege in der Neugeborenen-Phase oder die Fähigkeit des Kindes beim Schlafen einen eigenen Rhythmus zu entwickeln. Beispielsweise kann von zwei Geschwistern das eine schon sehr bald fähig sein durchzuschlafen und das andere hat diese Fähigkeit auch im 2. oder 3. Lebensjahr noch nicht erlangt. Es handelt sich hier um die Entwicklung ganz elementarer individueller Lebensrhythmen.

Die Entwicklungspsychologie der frühen Kindheit konnte zeigen, dass bereits bei den ersten reflektorischen und sensomotorischen Aktivitäten des Neugeborenen die rhythmische Struktur eine große Rolle spielt. Aus diesen rhythmischen Gesamtbewegungen bilden sich erste sensomotorische Schemata. Es entwickeln sich weitere Schemata durch eine aktive Organisation früherer Erfahrungen. Aus Greifreflexen werden Greifakte. Die Bewegungen der Hände werden mit dem Sehen koordiniert und es bilden sich in Wechselwirkung mit der Umwelt erste stabile Gewohnheiten aus, die nun erste Nachahmungsaktivitäten ermöglichen. Die sensomotorischen Schemata und ersten Gewohnheiten erweitern sich und Handlungsstrukturen differenzieren sich weiter aus. Neue Handlungsstrukturen gehen lückenlos aus den bereits vorhandenen hervor.

Wir erkennen: Der Rhythmus ist ein spontaner individueller Ausdruck des leiblich-seelisch-geistigen Lebens

Er ist ein im Körperlichen wurzelnder Gestaltungswille, der auf die sich entwickelnden Handlungsstrukturen ordnend einwirkt. „Rhythmik ist aller Bildung Anfang“ (Neuhäuser/Klein 2019, S. 129 ff.; Klein 2012, S. 106).

Von pädagogischem und therapeutischem Interesse ist auch die Erkenntnis, dass beim autonomen Rhythmus verschiedene Qualitätsbereiche unterschieden werden, die beim individuellen Üben, Spielen und Lernen anzusprechen sind. Es wäre gegen die rhythmisch-periodische Struktur des Kindes gehandelt, wollte man es eine Stunde nur kognitiv oder nur sprachlich oder nur bewegungsmäßig ansprechen. Beachtet hingegen die Erzieherin die individuelle rhythmisch-periodische Struktur, dann erweitert und festigt das Kind seine zeitliche Orientierung. Wenn für das Kind bestimmte Ereignisse und Tätigkeiten, Übungen und Spiele zu bestimmten Zeiten wiederkehren, dann kann es feste Gewohnheiten entwickeln, die ihm äußere und innere Sicherheit geben. Untersuchungen konnten bestätigen, dass das Wiederkehren von basalen periodischen Zeitstrukturen die körperlich-seelisch-geistigen Selbstheilungskräfte des Kindes (Menschen) weckt und zur Entfaltung bringt.

Schon allein diese Erkenntnisse der Chronobiologie zeigen die fundamentale Bedeutung des Rhythmischen für das sich entwickelnde Kind. In der Erziehung sollte das rhythmische Prinzip als Sinnprinzip des Lebens, des Übens, Spielens und Lernens geachtet werden. Es strukturiert die Tages-, Wochen-, Monats- und Jahresgestaltung, erleichtert das Lernen und macht die Inhalte zugänglicher. Der Lebensalltag wird in den Rhythmen des Tages, des Monats und des Jahres bewältigbarer. Der Rhythmus gliedert Ereignisse in Zeit und Raum.

Zusammenfassung für die Praxis

Für das Wahrnehmen und Begleiten des Kindes im Alltag der Krippe und des Kindergartens ist bedeutsam, dass der Rhythmus drei wesentliche Eigenschaften hat:

  • Rhythmus ist ein Strukturelement von Verläufen in Zeit und Raum.
  • Rhythmus ist ein multisensorielles Medium, das mit unterschiedlichen Sinnen wahrgenommen wird: hören, bewegen, berühren, sehen.
  • Rhythmus ist ein intersensorielles Medium, das mit unterschiedlichen Sinnen gleichzeitig, d.h. ganzheitlich wahrgenommen wird.

Beim ganzheitlichen Ansprechen verschiedener Sinne üben die einzelnen Sinne eine sich gegenseitig korrigierende und unterstützende Funktion aus (Klein 2012, S. 110). Diese inneren Zusammenhänge hatte wohl auch Rudolf Steiner durch eigene Erfahrungen und Studien intuitiv erkannt.

Literaturhinweise:

  • Glöckler, M. (Hrsg.) (2002): Spirituelle Ethik. Situationsgerechtes, selbstverantwortliches Handeln. Dornach, am Goetheanum
  • Klein, F. (2012): Inklusion von Anfang an. Bewegung, Spiel und Rhythmik in der inklusiven Erziehung. Köln, Bildungsverlag EINS
  • Klein, F. (2018b): Inklusive Erziehung in Krippe, Kita und Grundschule. Heilpädagogische Grundlagen und praktische Tipps im Geiste Janusz Korczaks. München, BurckhardtHaus
  • Klein, F. (2019): Inklusive Erziehungs- und Bildungsarbeit in der Kita. Heilpädagogische Grundlagen und Praxishilfen. 3. Auflage. Köln, Bildungsverlag EINS
  • Kobi, E. (2004): Grundfragen der Heilpädagogik. Eine Einführung in heilpädagogisches Denken. 6. Auflage. Berlin, BHP
  • Neuhäuser, G./Klein, F. (2019): Therapeutische Erziehung. Gesunde Erziehung in Familie, Kripp, Kita und Grundschule. München, BurckhardtHaus



Wir müssen selbst die Musik als ein Erlebnisinstrument entdecken!

Prof. Armin Krenz im Interview zur Bedeutung von Musik und Tanz für Kinder

Im Interview mit dem renommierten Sozialpädagogen und Entwickler des „Situationsorientierten Ansatzes“ Prof. Armin Krenz (Foto) versuchen wir dem Widerspruch auf den Grund zu gehen, warum Musik und Tanz einerseits von so elementar wichtiger Bedeutung von Kindern sind, andererseits aber nur ein Mauerblümchendasein im pädagogischen Alltag vieler Kindertageseinrichtungen und Grundschulen spielen.

Dabei zitiert Krenz neben vielen anderen den Musikwissenschaftler und Bildungsexperten Prof. Hans Günther Bastian mit den Worten: „Es musiziert in jedem Kind, ob es das weiß oder will oder nicht.“ Laut Krenz werden Kinder als „Ohrenmenschen“ geboren mit einer „musikalischen Biographie“. „Sie haben die Stimme der Mutter wahrgenommen, reagieren schon im Mutterleib auf Musik und Melodien, hören den Herzschlag, nehmen Vibrationen der Stimme der Mutter wahr … Somit ist eine Bereitschaft zum Musikempfinden immer vorhanden – und wir können diese Kompetenz aufgreifen oder verkümmern lassen!“

(Das komplette Interview können Sie sich hier anhören)

Interview mit Armin Krenz

Entsprechend groß ist die Bedeutung der Musik für Kinder: „Lernen mit allen Sinnen“, „Rhythmik“, „Wahrnehmungsbereitschaft, Geräuschesensibilisierung und Wahrnehmungsdifferenzierung“, „Inklusionsmethode“, „Bewegungsfreude und Tanz“, „Hinhören, soziales Lernen, Kontaktfähigkeit und Aktivitätswünsche“ seien hier als Stichworte genannt, die Krenz im Interview weiter ausführt.

Lernprozesse durch Musik

Zu den Lernprozessen erläutert er, dass Musik immer beide Gehirnhälften anrege und damit für die Ausformung des Gedächtnisses und alle Bildungsprozesse von größter Bedeutung sei. „Insofern kann man sagen: Musik ist hör- und fühlbare Mathematik, weil sich der Rhythmus immer in einem Takt ausdrückt und für eine systematische Wahrnehmung mit festzustellenden Entwicklungsfortschritten sorgt“, so der Professor. Musik schaffe soziale Gelegenheiten und fördere ein Gemeinschaftsgefühl. Durch Musik könnten Kinder ihren Körper ganz intensiv spüren und so sorge sie dafür, ganz in sich und bei sich selbst zu sein. Mit Musik würden Kinder auch ihre Stimme entdecken, indem sie die Melodie sprachlich unterstützten und Freude dabei empfänden, mit der Musik in einen Dialog einzutreten. Sie rege die Sprache an – den Wunsch, Gefühle und Erlebnisse in Worte zu fassen, zu beschreiben und entstandene Gedanken in Handlungen umzusetzen. Sie helfe einen individuellen Musikgeschmack zu entwickeln, mit dem sich das Kind identifizieren könne. Gerade solche Identifikationen tragen zu einer persönlichen Stabilität bei, die das Selbstwertgefühl eines Kindes stärke Diese Zusammenfassung zeige damit auf, dass es beim Erleben von Musik immer um die Trinität von „Musikerleben-Bewegungsaktivität-Sprachentwicklung“ gehe.


Was Erzieherinnen und Erzieher wissen sollten

Die Rolle der Erzieherinnen und Erzieher ist vielfältig und stets im Wandel begriffen. Weiterbildung zu Themen wie Bindungs- und Bildungsforschung, Neurobiologie und Lern- und Entwicklungspsychologie ist daher ständig notwendig. Damit das Wissen um die neuesten Erkenntnisse im Bereich Elementarpädagogik immer zur Hand ist, hat Dr. Armin Krenz 20 zentrale Präsentationen aus seinen Seminaren und Workshops zusammengestellt.

Armin Krenz
Elementarpädagogische Grundsätze auf den Punkt gebracht
20 Fact-Sheets für Fortbildungen, Beratungsgespräche, Teamgespräche und zur Prüfungsvorbereitung
344 Seiten mit den Abbildungen von 20 Powerpoint Präsentationen
ISBN: 978-3-96304-613-1
29,95 €


Musik dürfe allerdings nicht zur Geräuschkulisse oder Berieselung verkommen. Sie brauche Stille und Konzentration, um zum Bildungserlebnis zu werden. „Musik muss sich immer – stimmlich, instrumentell, rhythmisch und textbezogen – an den Themen der Kinder, ihren Musikorientierungen und an den spezifischen Bedürfnissen der Kinder orientieren!… Kinder wollen Akteure sein – gespürte Selbstaktivitäten zum Ausdruck bringen und damit ihre Selbstwirksamkeit erleben: Ich bin wichtig, bedeutsam, jemand, der beachtet und gesehen wird, nicht überflüssig, ich bin Ich und ich kann schon Vieles mitbewirken, Einfluss nehmen, mich freuen und Zufriedenheit spüren… Diese zwei grundlegenden Erfahrungen – ich bin und ich kann – bilden die Grundlage für eine Identitätsentwicklung und sind eine Voraussetzung für die Entwicklung von Sicherheit im Sinne einer Persönlichkeitsstabilisierung!“

Gründe für den Bedeutungsverlust

Gründe für den Bedeutungsverlust von Musik in der pädagogischen Praxis sieht Krenz unter anderem darin begründet, dass mittlerweile vielen elementarpädagogische Fachkräfte nicht gerne an „Bewegungsaktivitäten“ teilnehmen, nicht gerne singen oder Schwierigkeiten damit haben, nur noch selten ein Instrument und selbst nur noch ein recht kleines Repertoire an Liedern und Singspielen haben.

Ein Plädoyer für viel mehr Musik

„Wir müssen endlich – unumstößlich – der MUSIK (mit Rhythmus und Tanz) den bildungsrelevanten Bildungswert zugestehen, diesen in die Elementarpädagogik aufnehmen und in die projektorientierte Arbeit integrieren, auch um wissenschaftliche Erkenntnisse umzusetzen.
Wir müssen aufhören, eine Elementarpädagogik zu konzipieren und den Kindern aufzudrücken, die nur noch auf kognitive Frühförderung ausgerichtet ist und funktional, lieblos, lernzielorientiert gestaltet wird.
Wir müssen damit beginnen, Musik, Bewegung, Tanz nicht wie ein Nebenfach in der Schule zu betrachten und immer mehr in den Hintergrund zu schieben.
Wir müssen selbst die Musik als ein Erlebnisinstrument entdecken und wertschätzen, um die „Sprache der Musik“ als ein durch nichts zu ersetzendes Medium zu begreifen!“, lautet das Plädoyer von Armin Krenz. „Nur die Töne sind imstande, die Gedankenrätsel zu lösen, die oft in unserer Seele geweckt werden.“, zitiert er Hans Christian Andersen und schließt mit den Worten: „Und weil wir selbst der Musik, dem Rhythmus des Lebens und dem Tanz in der Pädagogik eine immer geringere Bedeutung beimessen, bleiben uns viele Geheimnisse des Lebens verborgen. Doch sie zu entdecken, hilft dabei, ganz spannende Gedankenrätsel zu lösen. Was kann es Spannenderes geben?!“




Musik ist Seelenproviant für Kinder

Ein Plädoyer für mehr Musik und Tanz in Kindertagesstätten

Wer kennt das nicht: Wenn in der Öffentlichkeit – auf großen Plätzen oder in Einkaufsstraßen – Musiker:innen auf ihren Instrumenten spielen und dazu singen, beginnen Kinder, sich im Rhythmus der Musik zu bewegen, erst vorsichtig und dann immer intensiver, bis die Bewegung in eine Tanzdarbietung übergeht, immer rhythmischer, immer lebendiger, stets mit einer stärker werdenden Innerlichkeit. Dabei scheinen Kinder ZEIT und RAUM um sich herum zu vergessen und manches Mal könnte man annehmen, Kinder befinden sich in einem leichten Trancezustand. Dasselbe kann auch im Kinderzimmer passieren, wenn Kinder ihre Lieblingsmusik hören und sie – wie von einem imaginären Zauberstab berührt – vom Stehen in eine Tanzbewegung hinübergleiten und den Liedtext mitsingen oder mitsummen bzw. ihren Mund so bewegen, als würden sie selbst den Originaltext hervorbringen.

Musik ist weitaus mehr als nur eine bloße Aneinanderreihung von Noten, eingebettet in bestimmte Takte. Musik setzt Energien frei, die offensichtlich innere Impulse in Gang setzen, die das „reine Hören“ erweitern wollen, Emotionen ansprechen und vielfältige Ausdrucksformen aktivieren, die sich schließlich in sichtbare und rhythmische Bewegungsaktivitäten umsetzen.

Musik aktualisiert frühkindlichste Hörerlebnisse

Die Sinnesorgane ‚Ohren’ und das Hören sind bei Kindern als primär vorhandener Sinneskanal schon vor ihrer Geburt ‚auf Empfang’ ausgerichtet, so dass Neurobiologen bei sich entwickelnden Kindern schon im Mutterleib von „Ohrenmenschen“ sprechen. Pränatale Untersuchungen haben gezeigt, dass der Mutterleib als eindrucksvoller Klangraum bezeichnet werden kann, weil Kinder nicht nur die Vibrationen der Stimme wahrnehmen sondern auch schon auf Musik, Melodien und Gesänge reagieren. Dabei bildet der mütterliche Herzschlag den Grundrhythmus, der im Gleichklang (mit gewissen Veränderungen, je nach Höhe des Blutdrucks und einer sich leicht nach einer zu- bzw. abnehmenden Herzfrequenz) für eine rhythmisches Erleben sorgt, das durch den Gleichklang für ein Gefühl einer emotionalen Sicherheit sorgt.

Schon Säuglinge freuen sich über rhythmisch erklingende Klänge und Töne. Es bereitet ihnen zusätzliche Freude, selbst Laute zu produzieren.

Howard Earl Gardner, Professor für Kognition und Pädagogik von der Harvard University, kommt bei seinen Forschungen zu der Erkenntnis, dass jeder Mensch mit umfangreichen Erfahrungen von Rhythmus geboren wird, primär durch den Herzschlag der Mutter und mit einem besonderen Musikinstrument: der Stimme!

Schon Säuglinge freuen sich daher auch über rhythmisch erklingende Klänge und Töne und es bereitet ihnen zusätzliche Freude, selber Laute und Töne zu produzieren. So erleben es beispielsweise schon Säuglinge und Kleinkinder als sehr angenehm, wenn Erwachsene alltägliche Pflegeaktivitäten mit Singen begleiten oder ältere Kinder rhythmische Ausdrucksweisen mit Trommeln, Stampfen, Klopfen oder Klatschen untermauern.

Ebenso geht es auch um Stilleerlebnisse, um beispielsweise das rhythmische Herzklopfen – bei sich selbst und bei anderen – wahrzunehmen. Auch die Natur hält beispielsweise rhythmische Klänge bereit – wie beim sorgsamen Lauschen der Vogelstimmen zu bemerken ist. In diesem Zusammenhang sei kurz erwähnt, dass analytisch orientierte Entwicklungspädagogen davon ausgehen, dass Jugendliche, die eine lautstarke und rhythmisch durchsetzte Musik bevorzugen, ihren Wunsch zum Ausdruck bringen, diesen „Urrhythmus des Lebens“ spüren zu wollen, um Ungewissheiten oder Irritationen zu kompensieren. In ähnlicher Weise setzt sich dieses Erlebenwollen von Annahme, Wärme, Sicherheit und Wohlbefinden vom Kindesalter bis ins hohe Alter fort.      


krenz

Viele kennen Prof. Dr. Armin Krenz als Begründer des „Situationsorientieren Ansatzes“; andere aus seinen zahlreichen Fortbildungen. Zu seinen Kernthemen gehören unter anderem die Förderung der Professionalität und der Kompetenzen frühpädagogischer Fachkräfte. Bei Burckhardthaus sind dazu spannende Bücher erschienen.


Musik ist ein fester Bestandteil in den länderspezifischen Bildungsprogrammen

In den Bildungsprogrammen/ Bildungsgrundsätzen aller 16 Bundesländer finden sich neben den bekannten Bildungsbereichen – allerdings in unterschiedlicher Gewichtung und Ausführung – auch bedeutsame Informationen sowie Hinweise zur besonderen Bedeutung der Musik für eine entwicklungsförderliche Pädagogik. Die Praxis hingegen zeigt, dass dabei den Bildungsbereichen Bewegung/ Gesundheit, Sprachbildung, Schriftkultur/ Literacy, Medienkompetenz, mathematische/ naturwissenschaftliche/ technische Grunderfahrungen, bildnerisches Gestalten und Naturerfahrung eine häufig höhere Wertigkeit beigemessen wird und der Bildungsbereich ‚Musik’ somit ein Schattendasein führt.

Dieser Umstand bedarf einer deutlichen Korrektur, zumal Bildungswissenschaftler:innen, Neurobiolog:innen, Entwicklungspsycholog:innen und andere mit der Elementarpädagogik vernetzte Fachleute schon seit vielen Jahren auf die unersetzliche Bedeutung von Musik für den Auf-/ und Ausbau spezifischer Entwicklungsfelder hinweisen.

Es gibt Bereiche der Seele, die nur durch die Musik beleuchtet werden.

(Zoltán Kodály)

Musik ermöglicht bedeutsame und zudem nicht zu ersetzende Lernprozesse

Neurobiologen konnten nachweisen, dass spannende und für Kinder interessante Musikaktivitäten die beiden Gehirnhälften des Menschen gemeinsam in Aktion treten lassen, wodurch ein sehr differenziertes und umfassendes neuronales Gesamtnetzwerk gebildet wird und damit vielfältige Auswirkungen mit sich bringt.   Schaut man dabei in die vielfältigen Forschungsergebnisse, die sich mit der besonderen Wirkweise der Musik im Hinblick auf die Initiierung und Festigung bestimmter Lernereignisse, -vorgänge und Lernprozesse befassen, so kommt man aus dem Staunen nicht heraus, denn gerade Musik sorgt für weitreichende Transfereffekte.  Neben den Tatsachen, dass Musik tiefe Selbsterfahrungsmöglichkeiten bietet, indem sie durch ihre Melodien, Tonlagen, Klangfolgen, Rhythmen und Texte den Weg zur Innerlichkeit öffnet und später eine besonders tiefe Interaktions– und Teamfähigkeit unterstützt, fördert Musik auch ein aktives Zuhören und ein zunehmend vertieftes Lauschen, liefert Impulse für fortlaufende, immer neue Selbstauseinandersetzungen und Gespräche, regt eine wechselseitige Kommunikation an und fördert ein ästhetisches Empfinden für Gleichklänge/ ästhetische Harmonien zwischen sich und der gegenständlichen Welt. Darüber hinaus bietet Musik auch die Möglichkeit, sich für eine kulturelle Identifikation mit bestimmten, musikalischen Traditionen des Herkunftslandes oder des Kulturkreises zu beschäftigen, was gerade in multikulturellen Gemeinschaften von hoher Bedeutung ist.

Wenn einer mit Vergnügen zu einer Musik in Reih und Glied marschieren kann, dann hat er sein großes Gehirn nur aus Irrtum bekommen, da für ihn das Rückenmark schon völlig genügen würde.

(Albert Einstein)

Musik lässt – wie es sonst nur Märchen schaffen – besonders intensive Bilder in den Köpfen der Kinder entstehen, die Denkprozesse in Gang setzen und die wiederum immer weitergehende Gedanken provozieren, wodurch die Sprach– und Stimmbildung unterstützt wird. Dadurch, dass  Musikstücke häufig eine Dynamik (laut + leise, langsam + schnell)  in sich tragen, geschieht ein Wechsel von Spannung und Entspannung, wodurch einerseits die Sinne sensibilisiert werden und andererseits auch das für ein Lernen so wichtige „rhythmische Prinzip“ zum Tragen kommt. Musik öffnet somit immer wieder einen Gedankenhorizont, wodurch fantasievolle und kreative Einfälle provoziert und hervorgebracht werden können, die sich dann nicht selten in szenischen Spielhandlungen oder bildnerischen Ausdrucksweisen fortsetzen, einschließlich einer Bewegungsvielfalt, die ein Körperbewusstsein auf-/ ausbaut, die gezielte Steuerung der Bewegungsenergie ermöglicht und die Körperkoordination und Synchronisation unterschiedlicher Bewegungsmöglichkeiten unterstützt. Zusammengefasst kann demnach gesagt werden: Musik sorgt für ein zunehmend positives Selbstkonzept (ich bin …/ ich kann …./ ich habe vielfältige Kompetenzen)  und stärkt ein selbstbildungsaktives Lernverhalten wie Lernfreude („was steckt noch alles in mir?“), Lernneugierde („was gibt es noch an unbekannten Dingen zu entdecken?“), Ausdauer, eine innere Ausgeglichenheit, Konzentrationsfertigkeit und Anstrengungsbereitschaft. Musik bringt schließlich immer wieder Abwechslung und Freude in die bekannte und unbekannte Erlebniswelt eines Kindes und hilft ihm, entwicklungshinderliche Grenzbereiche zu überwinden, um dann aus einer zunehmend emotionalen Stabilität eine sozial ausgerichtete Haltung zu entwickeln. Dies hat beispielsweise schon vor über zwei Jahrzehnten die „Berliner Studie“ (Bastian 1996 bis 1999. In: MBJS Brandenburg, Potsdam 2004, S. 21 ff.) an Grundschulen sehr eindrucksvoll dokumentiert und nachgewiesen, dass Kinder mit vielfältigen Musikerlebnissen zum einen ein positiveres Bild von sich selbst entwickelten und sich darüber hinaus ihr soziales Verhalten sehr zum Vorteil verändert hatte.

Sicherlich fällt es daher nicht schwer, der Aussage von Friedrich Nietzsche zuzustimmen:

Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum

Ein Aufruf an jede Kita

Jedes Musikerlebens, in welcher Form auch immer, beim Tanzen und ebenso beim Singen der Kinder schafft in erster Linie emotional-intrapersonale bzw. emotional-soziale Ausdruckserfahrungen, bei denen Kinder staunend auf neue Ausdrucksmöglichkeiten stoßen oder alte, bekannte und bevorzugte Ausdrucksweisen immer wiederholen, weil sie dabei Freude und Selbstzustimmung erleben. Vor allem dann und dadurch, wenn sie in zunehmendem Maße die Erfahrung machen, dass einzelne Funktionsbereiche wie Sprache, Bewegung, Spiel, Rhythmus, Gestik, Malen, Naturerleben etc., die im Alltagserleben in der Regel voneinander getrennt sind, nun miteinander in eine sinnvolle Beziehung, in eine enge Verbindung treten können. Diese für Kinder überaus spannende Vernetzung wird aber nur dann einen weiterhin hohen Bedeutungswert haben, wenn es bei all’ diesen Aktivitäten zu keinem Drill, keinem Perfektionismus, keinem makellos vorzeigbaren Ergebnis führen muss.

Musizieren, Singen und Tanzen schaffen in erster Linie emotional-intrapersonale bzw. emotional-soziale Ausdruckserfahrungen, bei denen Kinder staunend auf neue Ausdrucksmöglichkeiten stoßen oder alte und bevorzugte Ausdrucksweisen immer wiederholen, weil sie dabei Freude und Selbstzustimmung erleben.

Es geht, wie der Musikpädagoge G. Noll schon vor 50 Jahren sagte, im Wesentlichen bei einem aktiven Musikerleben in erster Linie stets um die Entfaltung einer kreativen Disposition in Kindern und daher ist es ein Prozess der zunehmenden Lebendigkeit und einer Lebensfreude: als Gegenpart zu den vielfältigen Einschränkungen, denen Kinder oftmals ausgesetzt waren/ sind (denken wir hierbei nur an die Coronamaßnahmen in Kindertagesstätten) oder an die zunehmenden, umweltspezifischen Herausforderungen, denen sich die zukünftigen Generationen noch stärker stellen müssen als es die gegenwärtige Generation schon in Ansätzen erleben muss. Gefragt sind daher kluge/ weise, weiterdenkende, gradlinige, mutige, authentische, verantwortungsbewusste, politikinteressierte und sozialkompetente Personen, die immer wieder nach kreativen Problemlösungen suchen. Und dazu brauchen sie ein hohes Maß an Angstfreiheit sowie ein positives Lebensgefühl: trotz mancher Umwelt- und Umfeldherausforderungen. Die MUSIK trägt dazu bei, diese Kompetenzen aufzubauen. Wer Kindern diese Erfahrungen vorenthält, raubt ihnen ein unersetzliches Lernfeld.

(Liedvorschlag Ich bin klasse“: Musik: Reinhard Horn; Text: Susanne Brandt)

Reflexionsfragen

Wenn – wie zuvor beschrieben – Musik eine außergewöhnlich große Bedeutung für die Initiierung, Stabilisierung und Weiterentwicklung von unterschiedlichen Bildungsprozessen mit sich bringt, dann ist es sicherlich notwendig, dass Mitarbeiter:innen in Kindertagesstätten ihre Alltagspraxis daraufhin überprüfen, inwieweit ihre Musikpraxis auch einen hohen Stellenwert einnimmt. So ergeben sich beispielsweise folgende Reflexionsfragen:

  • Gibt es musikalisch dauerhafte Rituale im Kita-Alltag, die Kinder mit Freude annehmen?
  • Finden im Kita-Alltag immer wieder die Bereiche Musik und Tanz genügend Raum, um Kindern die Möglichkeit zu bieten, Musik- und Tanzerlebnisse kennenzulernen und wertschätzen zu können?
  • Stehen den Kindern ausreichende und unterschiedliche Musikinstrumente/ Materialien zur Verfügung, um Instrumente zu nutzen oder bauen zu können?
  • Werden, gemeinsam mit Kindern, Liedtexte entwickelt und vielleicht sogar eigene Melodien erstellt, Theaterstücke mit Liedern, Musikbegleitung und Tanz selbst kreiert und für mögliche, fröhliche Aufführungen vorbereitet?
  • Werden den Kindern reichliche Gelegenheiten geboten, eigene musikalische Fantasieimpulse zu entwickeln und in kreative Handlungsmöglichkeiten umzusetzen?
  • Sind die Musikstücke, Tänze und Bewegungsmöglichkeiten so ausgerichtet, dass Kinder ihre unterschiedlichen Primärgefühle (Freude/ Wut/ Angst/ Trauer) dynamisch und ausdrucksstark zur Entfaltung bringen können?  
  • Singen/ Musizieren die Mitarbeiter:innen selber gerne? Beherrschen sie ein Musikinstrument und wenn nicht, wer von den Fachkräften setzt sich das Ziel, das Spielen eines Musikinstruments zu lernen?
  • Kennen alle Mitarbeiter:innen genügend Lieder/ Spiellieder/ Klanggeschichten und Klangspiele/ Sprachmelodien/ Klangspielzeuge und –materialien/ Liedgeschichten/ Kindertänze und wenn nicht, wie können sie ihr Repertoire erweitern?
  • Wird vor allem jedes Musikerlebnis als etwas Besonderes erfahren, das eine möglichst gezielte Beachtung verdient hat? Dabei haben ungezielt laufende CDs im Alltagsgeschehen als „Permanentberieselung“  (ein „Gedudel nebenbei“) keinen Platz; sie sorgen eher über Reizüberflutungen am laufenden Band.

Und nun, da Sie diesen Beitrag gelesen haben, gönnen Sie sich erst einmal ein besonderes Musikerlebnis mit dem Lied „Wunderfinder“ von Alexa Feser: https://www.youtube.com/watch?v=AFK-GYOf-MU .

Literaturhinweise (Praxis):

Erhard, Amelie/ Hiessl, Milena/ Sokoll, Lena: Kinder-Klang-Kiste. 140 musikalische Bausteine rund um das Kita-Jahr. Helbling Verlag 2018

Gulden, Elke + Scheer, Bettina: Singzwerge und Krabbelmäuse. Frühkindliche Entwicklung musikalisch fördern mit Liedern, Reimen, Bewegungs- und Tanzspielen für zu Hause … Ökotopia Verlag 2010 (12. Edition)

Horn, Reinhard: Meine schönsten Kinderlieder. Karussell (Universal Music) 2010 (CD mit Textheft)

Horn, Reinhard: Lachen, Singen, Tanzen. Karussell ( Universal Music). 2012 (CD mit Textheft)

Horn, Reinhard: Das Krippenkinderliederbuch. (incl. CD). Kontakte Musikverlag 2016 

Vahle, Frederik: Das Anne Kaffeekanne Liederbuch zum Singen, Spielen und Tanzen. Ellermann Verlag 2014 (3. Edition)

Literaturhinweise (Theorie):

Jenke, Monika: Die Bedeutung der Musik für Kinder in ihrer Entwicklung und in ihrem lebensweltlichen Kontext. GRIN Verlag 2014

Stadler Elmer, Stefanie: Kind und Musik. Das Entwicklungspotenzial erkennen und verstehen. Verlag Springer 2014 

Tüpker, Rosemarie: Durch Musik zur Sprache. Books on Demand 2009 

Walther, Emelie: Der Einfluss von Musik auf die kindliche Entwicklung. Wissenschaftliche Erkenntnisse zur frühkindlichen Musikerziehung. Verlag Studylap 2018

Prof. h.c. Dr. h.c. Armin Krenz, Honorarprofessor a.D., Wissenschaftsdozent für Elementar- und Entwicklungspädagogik/ Entwicklungspsychologie; Email: armin.krenz@web.de 




Spielimpulse, Lieder, Sprechverse und Anregungen zum Download

Das Bildungswerk Rhythmik bietet bundesweit zahlreiche Fortbildungs- und Weiterbildungsformate

Das Bildungswerk Rhythmik e.V. bietet bundesweit zahlreiche Fortbildungs- und Weiterbildungsformate, sowie eine berufsbegleitende Zusatzausbildung mit dem Abschluss „Rhythmikpädagoge/in (BWR)“ an. Deren Ziel ist es, Rhythmik als künstlerisch-pädagogische Arbeitsweisen zu erlernen, um sie in der Arbeit mit Kindern, Erwachsenen und Senioren gezielt anwenden zu können.

Das BWR ist Herausgeber der Verbandszeitschrift „Rhythmikreport“ mit theoretischen und praktischen Impulsen sowie allen Veranstaltungsorten und Terminen. Eine vier- bis fünfmal jährlich erscheinende Infomail, die Homepage (www.bw-rhythmik.de) und der Rhythmikreport sichern den Informationsfluss und den direkten Kontakt zu den Mitgliedern.

Hier finden Sie Spielimpulse, Lieder, Sprechverse und Anregungen zum kostenlosen Download.

https://www.bw-rhythmik.de/praxismaterial/

Weitere Informationen zu den Kursen finden Sie hier

https://www.bw-rhythmik.de/




Das rhythmische Prinzip von Ruhe und Kraft

Tanzen

Drei Spiele zu Bewegung und Rhythmus von Dr. Charmaine Liebertz

Das rhythmische Prinzip von Ruhe und Kraft findet sich überall in unserem Alltag, sei es in der Musik, der Beobachtung von Naturphänomenen oder dem täglichen menschlichen Umgang. Kinder lernen hier spielend ein inneres Gleichgewicht kennen.

Lebende Buchstaben und Zahlen

Die Kinder gehen oder hüpfen im Kreis, bis ein vereinbartes Signal (z. B. Klangschale) ertönt. Der Spielleiter hält ein großes Blatt aus Papier oder Karton in die Höhe. Darauf ist eine Zahl oder ein Buchstabe gezeichnet. Die Kinder bilden mit ihrem Körper stehend, sitzend oder liegend die Zahl bzw. den Buchstaben nach. Komplexe Figuren erfordern mehrere Kinder etwa das A: zwei etwa gleich große Kinder und ein kleines Kind. Durch häufiges Ausprobieren finden die Kinder selbst die beste Lösung der Körperdarstellung heraus. Es gibt viele Wege!

Variante

Je nach Altersstufe können so nicht nur Buchstaben oder Zahlen, sondern auch ganze Wörter zum Leben erweckt werden. Rechtschreib- und leseschwache Kinder erleben Buchstaben nicht mehr als angsteinflößende, abstrakte Gebilde. Sie erwachen vielmehr zu lebendigen Körpern. Und Ganzkörpererfahrungen steigern ihre Merkfähigkeit!

Alter 3 bis 10 Jahre
Zeit: 5 bis 10 Minuten
Sozialform: Gruppenspiel
Material: Klangsignal, Buchstaben oder Zahlen

Die Bewegungskette

Alle Kinder stehen im Kreis. Nun führt das erste Kind eine Bewegung vor, z. B. Kopfnicken.

Das nächste wiederholt dieses Kopfnicken und zeigt eine neue Bewegung, z. B. Arme in die Luft strecken. Jedes Kind ahmt alle vorangegangenen Bewegungen nach und fügt eine neue hinzu. So entsteht eine lustige Bewegungskette. Wer eine Bewegung vergisst, scheidet aus.

Alter: 3 bis 9 Jahre
Zeit: 5 bis 10 Minuten
Sozialform: Gruppenspiel

Hexe, Hexe, was kochst du heute?

Ein Kind wird zur Hexe auserkoren, die sich ans Ende des mindestens 20 Meter langen Spielfeldes stellt. Ihr gegenüber am anderen Ende des Spielfeldes stehen alle Mitspieler nebeneinander auf einer Startlinie (evtl. mit Kreide gezogen). Sie rufen bei jedem Schritt, den sie in Richtung Hexe gehen, je ein Wort des folgenden Spruches: »Hexe, Hexe, kochst du heute grüne Echse?« Ruft die Hexe »Ja!«, dann bleiben alle Mitspieler regungslos auf der Stelle stehen und antworten »Hhmm, wie lecker!«

Ruft die Hexe jedoch »Nein, ich koche Zitteraal!«, dann laufen alle zitternd und zähneklappernd zur Startlinie zurück, während die Hexe versucht, die Flüchtenden zu fangen. Wen die Hexe erwischt, der spielt in der nächsten Runde ihre Rolle.

Alter: 3 bis 10 Jahre
Zeit: 10 bis 15 Minuten
Sozialform: Gruppenspiel

kartei bewegung

Diese Spiele stammen aus folgender Spielekartei:

Die Spielekartei Bewegung und Rhythmus
Charmaine Liebertz
Burckhardthaus
ISBN: 9783944548203
14,95 €
Mehr unter: www.burckhardthaus-laetare.de




Spiele für Bewegung und Rhythmus

kind himmel

Drei Spielideen zur Auswahl

turnschuh

Bewegung ist ein Grundbedürfnis eines jeden Kindes. Doch in der heutigen Zeit werden wir dem nur noch selten gerecht. Hier können sich Kinder bewegen. Ebenso wichtig wie Anspannung ist im Leben die Entspannung. Das rhythmische Prinzip von Ruhe und Kraft findet sich überall in unserem Alltag, sei es in der Musik, der Beobachtung von Naturphänomenen oder dem täglichen menschlichen Umgang. Kinder lernen hier spielend ein inneres Gleichgewicht kennen.

Spiele für mehr Bewegung:

Das Dschungelbuch

»Heute brechen wir zu einer Expedition nach Afrika auf! Wählt die Menschen und Tiere aus, die ihr am liebsten spielt. Es gibt einige Lastenträger und viele Dschungeltiere. Die Lastenträger erklimmen langsam mit ihrer schweren Last einen Hügel, bis sie erschöpft zu Boden sinken.« Wird das Dschungelbuch draußen aufgeführt, so ist vielleicht ein echter Hügel vorhanden. Innen hilft die Fantasie: Beim Erklimmen sind Schritte und Atmung schwer, dann laufen die Lastenträger auf der anderen Seite schnell wieder herunter. Als Last eignet sich ein Rucksack oder die Schultasche. »Plötzlich steht ihr vor einem reißenden Fluss, den ihr nur auf Seilen überqueren könnt!«

Die Kinder balancieren auf Seilen, die auf der Erde liegen. Jetzt begegnen sie den anderen Mitspielern: Schwerfälligen Elefanten, hoch springenden Gazellen, pfeilschnellen Raubkatzen, spielenden Löwenkindern

Tipp;

Eignet sich herv orragend für Aufführungen im Kindergarten oder in der Schule. Die Kinder entwerfen und basteln die Dekoration, komponieren und spielen die Filmmusik. Die Zuschauer werden mit afrikanischen Köstlichkeiten wie Hirsegerichten, exotischen Früchten und Bananenmilch verwöhnt.

kind matte

Alter: 3 bis 8 Jahre
Zeit: 10 bis 30 Minuten
Sozialform: Gruppenspiel
Material: afrikanische Musik, Seile, Taschen

Tunnelball

Zunächst werden zwei Reihen mit auf dem Boden liegenden Kindern gebildet. Am Anfang einer jeden Reihe steht ein Kind mit einem Ball. Der Spielleiter gibt das Startsignal. Jetzt rollen beide Kinder den Ball in ihrer Reihe so rasch wie möglich unter den Mitspielern hindurch, die mit Liegestütze einen Tunnel formen. Der letzte Mitspieler des Tunnels läuft rasch nach vorne und beginnt erneut. Unterdessen hat sich der vorangegangene Ballspieler wieder in die Tunnelreihe eingeordnet. Gewonnen hat die Gruppe, die als erste einen Durchgang schafft.

Variante

Der Ball könnte ebenso durch Reihen sitzender Kinder gerollt werden, die jetzt allerdings ihre ausgestreckten Beine anheben müssen.

kind mit ball

Alter: 4 bis 10 Jahre
Zeit: 5 bis 10 Minuten
Sozialform: Gruppenspiel
Material: 2 Bälle

Spiele für mehr Rhythmus:

Eis am Stiel

Die Kinder bewegen sich zum Rhythmus eines Tamburins durch den Raum. Plötzlich verstummt das Tamburin und die Kinder erstarren in der zuletzt ausgeführten Bewegung. Und wer es dann schafft, seine erstarrte Bewegung für einige Sekunden auf einem Bein stehend zu präsentieren, der ist ein echtes Eis am Stiel.

kind tanzt

Alter: 3 bis 8 Jahre
Zeit: ca. 5 Minuten
Sozialform: Einzelspiel
Material: Tamburin

Diese Spiele stammen aus folgender Spielekartei:

Die Spielekartei Bewegung und Rhythmus
Charmaine Liebertz
Burckhardthaus
ISBN: 9783944548203
14,95 €
Mehr unter: www.burckhardthaus-laetare.de

Fotos: Schuhe: Milos Tasic/fotolia.com, Kind auf Matte: Kipenicker/fotolia.com, Kind mit Ball: travnikovstudio/fotolia.com, Tanzendes Kind: cromary/fotolia.com