Gewaltfreie Erziehung im Gesetz: Die Schweiz zieht nach

Die Schweiz plant ein Gesetz zur gewaltfreien Erziehung – ein Blick nach Deutschland, Österreich und andere Länder zeigt, welche Wirkung klare Regeln entfalten können

Die Schweiz steht kurz vor einer gesetzlichen Verankerung des Prinzips der gewaltfreien Erziehung.  Die Kommission für Rechtsfragen des Ständerats (RK-S) sprach sich mit überwältigender Mehrheit dafür aus, das Recht auf gewaltfreie Erziehung klar im Zivilgesetzbuch (ZGB) zu verankern. Nun liegt der Entwurf beim Ständerat in der Herbstsession.

Schweiz: Ein klares Signal im Zivilgesetzbuch

Die Kommission für Rechtsfragen des Ständerats (RK-S) hat sich für eine Gesetzesänderung ausgesprochen, die das Prinzip der gewaltfreien Erziehung ausdrücklich ins Schweizerische Zivilgesetzbuch (ZGB) aufnehmen soll. Künftig soll unmissverständlich gelten: Gewalt – körperlich wie seelisch – ist in der Erziehung unzulässig. Damit folgt die Schweiz einem Weg, den viele europäische Länder bereits gegangen sind.

Studien verdeutlichen den Handlungsbedarf: Rund 40 % der Schweizer Eltern gaben an, schon einmal körperliche Gewalt angewendet zu haben, ein Viertel der Kinder erlebt regelmäßig psychische Gewalt. Mit der neuen Norm will der Gesetzgeber nicht primär bestrafen, sondern ein Bewusstsein schaffen und so Prävention stärken.

Deutschland: Bewusstseinswandel seit 2000

Deutschland verankerte 2000 das „Recht auf gewaltfreie Erziehung“ im Bürgerlichen Gesetzbuch. Innerhalb von 25 Jahren hat sich dadurch viel verändert: Während Anfang der 2000er Jahre noch die Mehrheit einen „Klaps“ für harmlos hielt, ist die Zustimmung heute auf rund ein Drittel gesunken. Noch drastischer: Nur noch etwa fünf Prozent finden eine „Tracht Prügel“ akzeptabel.

Parallel haben Schulen und Kitas zahlreiche Programme zur Gewaltprävention und Wertebildung eingeführt. Bekannte Beispiele sind „Faustlos“, ein Curriculum zur Förderung von Empathie und Impulskontrolle, oder „Klasse2000“, das Kindern in Grundschulen gesundheitsförderliche Lebensweisen vermittelt – inklusive gewaltfreier Konfliktlösung. Solche Programme zeigen, dass Gesetze ihre Wirkung vor allem dann entfalten, wenn pädagogische Praxis anschließt.

Österreich: Früher Schritt, langsamer Wandel

Österreich hat Gewalt in der Erziehung bereits 1989 gesetzlich verboten – und später sogar in der Bundesverfassung über Kinderrechte abgesichert. Doch der gesellschaftliche Wandel verlief langsamer: Noch 2019 kannten nur 63 % der Eltern das Verbot, und psychische Gewalt wurde oft nicht als solche wahrgenommen.
Inzwischen fördern Initiativen wie „Starke Eltern – starke Kinder“ oder das Kinderschutz-Zentrum Wien Aufklärung und Elternbildung. Auch hier zeigt sich: Gesetzgebung allein reicht nicht – sie muss durch kontinuierliche pädagogische Arbeit begleitet werden.

Schweden: Pionier mit Vorbildfunktion

Schweden war 1979 das erste Land der Welt, das ein ausdrückliches Verbot von Körperstrafen in der Erziehung einführte. Dort hat sich über Jahrzehnte ein neues gesellschaftliches Verständnis entwickelt: Körperliche Gewalt wird kaum noch akzeptiert, und Kinderrechte haben einen hohen Stellenwert. Die Erfahrung zeigt: Der Weg zu einer gewaltfreien Kultur ist langfristig, aber möglich.

Internationale Perspektive

Heute haben über 65 Länder weltweit ein gesetzliches Verbot körperlicher Strafen in der Erziehung eingeführt – darunter auch Frankreich, Irland und Spanien. Andere, wie die USA, kennen kein landesweites Verbot: Dort sind körperliche Strafen im familiären Rahmen vielerorts weiterhin erlaubt. Die internationale Entwicklung zeigt: Rechtliche Rahmenbedingungen sind sehr unterschiedlich, und die Umsetzung hängt stark von kulturellen Traditionen und gesellschaftlichen Debatten ab.

Gernot Körner




Kinder im Netz: Leopoldina fordert Altersgrenzen

Die Nationale Akademie der Wissenschaften warnt vor Risiken intensiver Nutzung und empfiehlt strengere Regeln, weniger Suchtanreize und mehr digitale Bildung

Kinder unter 13 Jahren sollen nach den Vorschlägen der Leopoldina keine eigenen Accounts in sozialen Netzwerken haben dürfen. Für 13- bis 15-Jährige sei eine Nutzung nur mit Zustimmung der Eltern sinnvoll. Jugendliche bis 17 Jahre sollen Social Media zwar nutzen können, aber ohne Funktionen wie endloses Scrollen, personalisierte Werbung oder ständige Push-Nachrichten. Auch in Schulen empfiehlt das Papier klare Regeln: Smartphones sollten dort bis einschließlich Klasse 10 tabu sein.

Psychische Risiken

Das Papier stützt sich auf zahlreiche Studien, die zeigen: Intensive Social-Media-Nutzung kann mit Depressionen, Ängsten, Schlafproblemen und Konzentrationsstörungen einhergehen. Erste Langzeitstudien deuten darauf hin, dass die Netzwerke diese Probleme nicht nur begleiten, sondern auch verstärken oder sogar auslösen können.

Vorsorge statt Warten

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fordern deshalb die Anwendung des Vorsorgeprinzips. Es besagt, dass Risiken ernst genommen und Maßnahmen ergriffen werden müssen, auch wenn noch nicht alle wissenschaftlichen Beweise vorliegen. Gerade in Entwicklungsphasen sei Abwarten keine Option.

Bildung im Fokus

Neben Regeln und Gesetzen hebt die Leopoldina den Bildungsaspekt hervor. Ein digitaler Bildungskanon in Kitas und Schulen soll Kinder und Jugendliche frühzeitig stärken. Lehrkräfte und pädagogisches Personal sollen dabei unterstützt werden, riskantes Verhalten zu erkennen. Auch Eltern sollen durch Informationsangebote eingebunden werden.

Regeln auf EU-Ebene

Für die Umsetzung von Alterskontrollen sieht die Arbeitsgruppe vor allem Europa in der Pflicht. Mit der geplanten „EUDI-Wallet“ könnte ein datenschutzkonformer digitaler Altersnachweis geschaffen werden. Deutschland solle diesen Prozess aktiv begleiten.

Die Rolle der Leopoldina

Die Leopoldina ist die älteste dauerhaft bestehende Wissenschaftsakademie der Welt. 1652 gegründet und seit 2008 Nationale Akademie der Wissenschaften Deutschlands, vereint sie über 1.600 Mitglieder aus mehr als 30 Ländern. Ihre Aufgabe: Politik und Gesellschaft unabhängig und wissenschaftlich beraten. Das aktuelle Diskussionspapier will Denkanstöße geben, wie der digitale Alltag von Kindern und Jugendlichen sicherer gestaltet werden kann.

Diskussionspapier „Soziale Medien und die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen“ (2025)

Fokusgruppe Digitalisierung

Ansprechpersonen:

Dr. Charlotte Wiederkehr und Dr. Matthias Winkler Referentin und Referent der Abteilung Wissenschaft – Politik – Gesellschaft E-Mail: politikberatung@leopoldina.org

Quelle: Pressemitteilung Leopoldina




Wie die Inklusion in deutschen Schulen stockt

inklusion-kind-schule

Barrieren in deutschen Schulen: Warum inklusiver Unterricht nicht vorankommt

Eine repräsentative forsa-Umfrage unter 2.737 Lehrkräften zeigt: Zwischen inklusiven Ansprüchen und schulischer Realität klafft weiterhin eine große Lücke. Seit der letzten Erhebung 2020 hat sich in Sachen Inklusion kaum etwas bewegt.

Tomi Neckov, stellvertretender Bundesvorsitzender des VBE, kommentiert: „Die Inklusion in der Schule ist in den letzten fünf Jahren kaum vorangekommen“ Die Befragung offenbart strukturelle Defizite: 41 % der Lehrkräfte berichten, dass ihre Schule nicht barrierefrei sei — ein alarmierendes Zeichen. Barrieren betreffen nicht nur Schülerinnen und Schüler mit Behinderung, sondern auch Lehrkräfte und Eltern. Sie verstoßen gegen das Grundrecht auf Teilhabe und freie Berufswahl.

Hohe Zustimmung – aber Zweifel an der Durchführbarkeit

Die grundsätzliche Zustimmung zur Inklusion ist groß: 62 % der Lehrkräfte (2015: 57 %) bewerten inklusiven Unterricht als sinnvoll – bei Lehrkräften mit praktischen Erfahrungen sind es sogar 69 %. Doch nur 28 % sehen die aktuelle Umsetzung als realistisch an – Gründe sind Personalmangel, große Klassen und fehlende individuelle Förderung. Als Konsequenz befürwortet fast die Hälfte den mehrheitlichen Erhalt von Förderschulen, ein Drittel sogar deren vollständige Beibehaltung. Lediglich knapp 20 % sprechen sich für ihre Abschaffung aus.

Personalknappheit und fehlende Unterstützung

In zwei Dritteln der Fälle reduziert sich die Klassengröße nicht, wenn inklusionsbedürftige Kinder hinzukommen. Zwar arbeiten inklusiv tätige Lehrkräfte häufig mit sonderpädagogischen Fachkräften zusammen – dies ist aber nur für die Hälfte der Befragten gegeben. Nur 20 % berichten von effektiven Unterstützungsmaßnahmen. Laut Neckov führt das zu Überlastung und Frustration. Die Politik ist gefordert: schnelle und wirkungsvolle Entlastung notwendig.

Qualifikation und Austausch fehlen

Viele Lehrkräfte fühlen sich ungenügend vorbereitet: Zwei Drittel erhielten keine Inklusions-Ausbildung, fast die Hälfte besitzt kein sonderpädagogisches Wissen. Fortbildungen werden zwar von über der Hälfte besucht, doch Angebots- und Zeitmangel blockieren eine flächendeckende Weiterbildung. Feste Koordinationsstrukturen würden zwar zunehmen, bleiben aber unzureichend — mit fatalen Folgen für die Motivation.

Digitale Mittel unterstützten, ersetzen aber nicht den Unterricht

75 % der Lehrkräfte nutzen digitale Endgeräte zur individuellen Förderung — häufiger an Grund‑ und Förderschulen, als an Gymnasien. 50 % verwenden Lern-Apps und ähnliche Tools mindestens wöchentlich. Digitale Medien erleichtern differenziertes Lernen und Zugänge für Kinder mit körperlichen Einschränkungen. Neckov mahnt jedoch: Technik ist ergänzend, kein Ersatz für zwischenmenschliche Unterstützung.

Fazit: Jetzt ist ein echter Aufbruch für Inklusion nötig

Neckov zieht ein nüchternes Fazit: „Auf die Lehrkraft kommt es an. Und wenn die nicht angemessen unterstützt wird, kann Inklusion nicht gelingen.“ Bislang ist das nicht der Fall — die Zufriedenheit mit der Inklusionspolitik bleibt niedrig, besonders bei Lehrkräften in inklusiven Settings (44 % sehr unzufrieden). Die Forderung: mehr Personal, bessere Qualifikation, mehr Zeit für Kooperation und barrierefreie Infrastruktur, damit Inklusion zur Norm wird.

Inklusion an Schulen aus Sicht der Lehrkräfte in Deutschland –
Meinungen, Einstellungen und Erfahrungen
Ergebnisse einer repräsentativen Befragung von Lehrkräften

Ergebnisse der Befragung als PDF

Quelle: Pressemitteilung VBE




Neue Autorität: Wenn Lehren auf Beziehung statt Bestrafung baut

Martin Lemme, Bruno Körner: „Neue Autorität“ in der Schule – Präsenz und Beziehung im Schulalltag

Wenn die Zeit für umfangreiche Fachliteratur fehlt, sind die Spickzettel für Lehrerinnen aus dem Carl-Auer Verlag eine willkommene Alternative: kompakt, praxisnah und inhaltlich dicht. Band 16 der Reihe, „Neue Autorität in der Schule“ von Martin Lemme und Bruno Körner, ist ein solches Büchlein – und hat es in sich.

In klar strukturierten, aufeinander aufbauenden Kapiteln skizzieren die Autoren einen Leitfaden für den professionellen Umgang mit herausforderndem Verhalten an Schulen. Die dahinterliegende Haltung ist geprägt von den Prinzipien der Gewaltfreien Kommunikation und aktuellen psychologischen Erkenntnissen. Aufbauend auf Haim Omers Konzept der „Neuen Autorität“ aus den 1980er-Jahren, übertragen Lemme und Körner dessen Kerngedanken überzeugend auf die schulische Praxis.

Dabei gelingt ihnen etwas Seltenes: Sie stellen bestehende Routinen nicht anklagend infrage, sondern nehmen gängige pädagogische Verhaltensweisen auf, reflektieren sie und transformieren sie behutsam. Wo der Schulalltag oft mit Strafen und „Konsequenzen“ auf abweichendes Verhalten reagiert, plädieren die Autoren für eine neue Form von Autorität – eine, die auf innerer Ruhe, Präsenz und Beziehung basiert. Selbst im „Schweigenden Gespräch“, das drei Minuten Stille aushält, bleibt diese Haltung spürbar zugewandt.

Lesende werden sich dabei nicht selten an Lehrpersonen erinnert fühlen, die sie selbst erlebt haben – im Positiven wie im Negativen. Gerade deshalb bietet dieses Buch wertvolle Impulse, um im Kollegium gemeinsam über bestehende Praktiken nachzudenken.

Insbesondere der verbreitete Umgang mit Entschuldigungen, Verträgen oder Sanktionen wird kritisch beleuchtet. Die Autoren zeigen auf, wie solche Maßnahmen, so gut gemeint sie sein mögen, oft an der Integrität der Schüler*innen vorbeizielen. Hier knüpfen sie an Jesper Juuls Werteverständnis an und entlarven manche gängige Praxis als pädagogisch fragwürdig.

Zwar hätten einige praxisnahe Fallbeispiele den Text anschaulicher gemacht – dennoch bleibt das Büchlein ein überzeugender, gut lesbarer Leitfaden. Es liefert Anregungen zur Selbstreflexion und eröffnet Wege aus Eskalationsspiralen – ohne erhobenen Zeigefinger, dafür mit Haltung.

Daniela Körner (Lehrkraft, nicht mit dem Autor verwandt oder verschwägert)

Martin Lemme, Bruno Körner
„Neue Autorität“ in der Schule
Präsenz und Beziehung im Schulalltag
Spickzettel für Lehrer
Band 16,
6. Auflage,
Softcover, 123 Seiten
ISBN 978-3-8497-0429-2
Carl-Auer Verlag
Heidelberg 2022
16,95 €

Mehr zum Buch…




Integration: Die Kitas und Schulen haben Enormes geleistet

Was das deutsche Bildungssystem jetzt braucht – Einblick in zehn Jahre Forschung zum Weltflüchtlingstag

Wie gelingt Integration, wenn Tausende geflüchtete Kinder und Jugendliche auf ein Bildungssystem treffen, das auf deren Ankunft kaum vorbereitet ist? Diese Frage ist seit 2015 drängend – und sie bleibt es auch heute. Anlässlich des Weltflüchtlingstags der Vereinten Nationen sprechen die Bildungsforscherinnen Dr. Jutta von Maurice und Dr. Gisela Will vom Leibniz-Institut für Bildungsverläufe (LIfBi) über Erfolge, Defizite und Lehren aus fast zehn Jahren Forschung. Dabei wird deutlich: Integration ist kein Automatismus – sie muss gestaltet, unterstützt und wissenschaftlich begleitet werden.

Die beiden Forscherinnen leiten seit 2016 am LIfBi umfassende Längsschnittstudien zur Bildungsintegration Geflüchteter in Deutschland. Die Studie ReGES – Refugees in the German Educational System und das Folgeprojekt „Bildungswege von geflüchteten Kindern und Jugendlichen“ zeichnen mit insgesamt neun Erhebungswellen den Bildungsweg von über 2.400 Kindern und 2.400 Jugendlichen aus fünf Bundesländern nach. Die Daten von sieben Erhebungen stehen bereits für die Forschung zur Verfügung und bilden eine der umfassendsten Datenbasen zur Bildungsintegration Geflüchteter im deutschsprachigen Raum.

„Dieses Bild begleitet mich bis heute“

Dr. Jutta von Maurice erinnert sich gut an die Situation im Jahr 2015, als viele Geflüchtete aus Syrien und anderen Ländern des Nahen Ostens Deutschland erreichten

„Ich bin in der Bahn einer Frau begegnet, die wenige Stunden zuvor entbunden hatte. Das Kind hatte noch nicht einmal etwas zum Anziehen – dieses Bild begleitet mich bis heute.“

Damals fehlte es nicht nur an Unterkünften und Versorgung, sondern auch an einer bildungspolitischen Strategie. Schulen und Kitas standen unter enormem Druck, Integration ad hoc leisten zu müssen.

„Unsere Systeme waren auf diese große Anzahl von Menschen nicht vorbereitet“, erklärt von Maurice.
Um die emotional und politisch aufgeladene Debatte mit belastbaren Zahlen zu unterfüttern, wurde die ReGES-Studie ins Leben gerufen.

Kitas als Integrationsmotor – mit strukturellen Schwächen

Ein zentrales Ergebnis der Forschung: Frühkindliche Bildungseinrichtungen spielen eine Schlüsselrolle bei der Integration – wenn der Zugang gelingt.

„Die Kitas und Schulen haben sich einer Riesenherausforderung gestellt und heute wissen wir, dass sie Enormes geleistet haben“, sagt Dr. Gisela Will.

So besuchen etwa 80 Prozent der geflüchteten Kinder aus der ReGES-Stichprobe nach rund zweieinhalb Jahren Aufenthalt in Deutschland eine Kindertageseinrichtung – ein beachtlicher Wert, der jedoch hinter dem Durchschnitt anderer Kindergruppen zurückbleibt. Der Grund liegt häufig nicht in fehlender Motivation, sondern in fehlenden Plätzen.

„Das Angebot ist regional sehr unterschiedlich. Gerade in Ballungszentren scheitert der Zugang zur Kita oft daran, dass Familien keinen Platz finden“, so Will.

Gleichzeitig zeigen die Daten, dass Sprachförderung im Vorschulalter bei lediglich 30 Prozent der Kinder stattgefunden hat – ein klarer Schwachpunkt.

„Die Sprachförderung ist definitiv der Knackpunkt“, betont von Maurice.
„Denn obwohl die geflüchteten Kinder in den Sprachtests Fortschritte machen, gelingt es ihnen nicht, den Rückstand zu den Gleichaltrigen ohne Fluchterfahrung aufzuholen.“

Schule: Freude trifft auf strukturelle Hürden

In der Grundschule zeigt sich ein gemischtes Bild: Die überwiegende Mehrheit der geflüchteten Kinder wird altersgerecht eingeschult, viele gehen gern zur Schule und haben Freude am Lernen.
Doch knapp sieben Prozent der Kinder verbleiben in separaten Klassen für Neuzugewanderte – auch dann noch, wenn sie bereits mehrere Jahre in Deutschland leben.

„Das zeigt, dass fehlende Sprachkompetenzen oft zu einer verlängerten Segregation führen“, erklärt Will.
Ein Teufelskreis, wenn nicht frühzeitig gefördert wird.

Weiterführende Schulen: Flucht als Bildungsbruch

Die Situation der älteren Jugendlichen ist noch komplexer. Viele hatten bereits vor der Ankunft in Deutschland eine mehrmonatige oder gar mehrjährige Unterbrechung ihrer Schullaufbahn.

„Oft beginnt der Einstieg hierzulande in niedrigeren Klassenstufen oder weniger anspruchsvollen Schulformen“, so Will.
Zudem sei der Wohnort entscheidend:
„Bildungspolitische Regelungen unterscheiden sich stark zwischen den Bundesländern – das wirkt sich direkt auf die Bildungschancen der Jugendlichen aus.“

Hinzu kommt: Jugendliche aus Familien mit höherem Bildungsniveau und positiver Selbsteinschätzung ihrer Schulleistungen im Herkunftsland schaffen häufiger den Sprung auf ein Gymnasium.


Zwei Bücher – ein Ziel: Geflüchtete Kinder stärken

Ob in der Kita oder in der Flüchtlingshilfe: Wer mit geflüchteten Kindern arbeitet, braucht praktische Ideen, Einfühlungsvermögen und kreative Lösungen. Die erfahrene Pädagogin Regina Grabbet bietet in zwei praxiserprobten Bänden wertvolle Impulse – von Sprachförderung über Spielideen bis hin zum Umgang mit traumatisierten Kindern.

Mit vielen Beispielen aus der Praxis, hilfreichen Tipps und erprobten Methoden – für alle, die geflüchtete Kinder begleiten, unterstützen und integrieren.

Softcover, 14,8 x 21 cm, 112 Seiten, ISBN 9783944548258 und 9783944548265, je 12,95 €


Ukraine: Neue Geflüchtete, andere Voraussetzungen

Lassen sich diese Erkenntnisse auf die Situation der Geflüchteten aus der Ukraine übertragen? Nur eingeschränkt.

„Die Bildungsbiografien dieser Gruppe waren durch die Flucht weniger stark unterbrochen“, erklärt Will.
Zudem habe das Bildungssystem nach der Pandemie besser auf digitale Angebote zurückgreifen können – ein Fortschritt gegenüber 2015. Gleichzeitig stellen sich neue Herausforderungen, etwa durch die stärkere Konzentration von Geflüchteten in bestimmten Städten, was das System regional erneut stark belastet.

Integration als gesamtgesellschaftliche Aufgabe

Was bleibt, ist die klare Erkenntnis: Integration gelingt nicht automatisch – und nicht ohne gezielte politische, pädagogische und gesellschaftliche Unterstützung.

„Die pädagogischen Fachkräfte in Kindergärten und Schulen müssen gezielt unterstützt werden in den Aufgaben, die wir ihnen als Gesellschaft übertragen“, fordert von Maurice. „Sei es durch Weiterbildung, durch bessere Rahmenbedingungen oder durch echte Anerkennung ihrer Arbeit.“

Die Forscherinnen fordern eine strukturelle Stärkung des Bildungssystems – nicht nur für geflüchtete Kinder, sondern für alle:

„Die Gesellschaft in Deutschland wird immer heterogener, und das spiegelt sich in Klassenzimmern und Kitas wider“, so von Maurice. „Eine bessere Ausstattung der Bildungseinrichtungen mit gut qualifiziertem Personal würde nicht nur geflüchteten, sondern allen Kindern und Jugendlichen zugutekommen.“

Hintergrund

Die Studien „ReGES“ und „Bildungswege von geflüchteten Kindern und Jugendlichen“ wurden vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Sie begleiten Kinder und Jugendliche mit Fluchterfahrung über mehrere Jahre und untersuchen deren Integration ins deutsche Bildungssystem – von der Kita bis zur Schwelle zum Beruf. Mehr Informationen unter: www.lifbi.de/ReGES und www.lifbi.de/BildungswegeFlucht

Quelle: Iris Meyer/Pressemitteilung Leibniz-Institut für Bildungsverläufe




Einsamkeit junger Menschen – ein Warnsignal für Pädagogik und Demokratie

Neue Studie der Bertelsmann Stiftung zeigt: Wer sich einsam fühlt, verliert Vertrauen in Gesellschaft und Mitgestaltung

Einsamkeit ist für viele junge Menschen in Deutschland Teil ihres Alltags. Doch was bedeutet das für ihre Haltung zur Demokratie, für ihr gesellschaftliches Engagement – und für ihr Vertrauen in die eigene Gestaltungsfähigkeit? Eine repräsentative Studie der Bertelsmann Stiftung hat 2.532 junge Menschen zwischen 16 und 30 Jahren befragt. Die Ergebnisse sind besorgniserregend – nicht nur für die Politik, sondern auch für pädagogische Fachkräfte, die junge Menschen in ihrer Entwicklung begleiten. Und weil diese Studie in der Öffentlichkeit nur wenig Beachtung findet, haben wir uns entschlossen, die wichtigsten Eckdaten zu publizieren, auch wenn die Zielgruppe nicht ganz unsere ist.

Fast die Hälfte der Befragten (46 Prozent) gab an, sich moderat oder stark einsam zu fühlen. Bei jenen, die unter starker Einsamkeit leiden, zeigt sich eine klare Tendenz: Sie sind unzufriedener mit demokratischen Strukturen, glauben seltener daran, etwas bewirken zu können, und fühlen sich deutlich weniger gehört. 60 Prozent der stark Einsamen glauben nicht, dass ihr Engagement etwas verändern kann. Bei jungen Menschen ohne Einsamkeitserfahrungen liegt dieser Anteil bei 42 Prozent.

Verlust von Vertrauen und politischer Wirksamkeit

Auch das Vertrauen in demokratische Institutionen ist bei den einsamen Befragten deutlich schwächer ausgeprägt. 63 Prozent von ihnen äußern Unzufriedenheit mit der Demokratie in Deutschland. Zum Vergleich: Bei den nicht einsamen jungen Menschen liegt dieser Wert bei 41 Prozent. Ein ähnliches Bild zeigt sich auf lokaler Ebene: Über die Hälfte der stark Einsamen glaubt nicht daran, in ihrem direkten Umfeld – etwa in der Stadt oder Gemeinde – etwas verändern zu können.

Diese Daten werfen ein Schlaglicht auf die langfristigen Folgen von sozialer Isolation: Wer sich dauerhaft nicht zugehörig fühlt, zieht sich nicht nur sozial, sondern auch politisch zurück. In der Altersgruppe der 16- bis 30-Jährigen ist das besonders bedeutsam – denn sie befinden sich in einer entscheidenden Phase der Identitätsbildung und der Suche nach gesellschaftlicher Verortung.

Gefühl der Ausgrenzung trotz politischem Interesse

Die Studie zeigt deutlich, dass Einsamkeit nicht mit Desinteresse gleichzusetzen ist. Viele einsame junge Menschen interessieren sich sehr wohl für politische Themen – fühlen sich aber von politischen Entscheidungsträger:innen nicht repräsentiert. Rund die Hälfte der stark Einsamen gibt an, dass ihre Werte und Überzeugungen auf Bundesebene nicht vertreten werden. Zudem äußern 76 Prozent von ihnen das Gefühl, dass ihre Sorgen nicht ernst genommen werden – ein spürbarer Unterschied zu den 61 Prozent unter den nicht einsamen Befragten.

Für Fachkräfte in Schule und Pädagogik bedeutet das: Einsamkeit ist kein individuelles Randthema, sondern ein Indikator für gesellschaftliche Entfremdung. Sie kann jungen Menschen das Gefühl nehmen, Teil einer größeren Gemeinschaft zu sein – auch in Bildungs- und Lernkontexten.

Gemeinschaft erleben – Zugehörigkeit stärken

Gleichzeitig machen die Studienergebnisse Hoffnung: Das Gefühl von Anerkennung und sozialer Einbindung wirkt wie ein Schutzfaktor – und kann junge Menschen motivieren, sich aktiv einzubringen. Wer sich gesehen und wertgeschätzt fühlt, ist eher bereit, Verantwortung zu übernehmen. Politisches oder soziales Engagement wird so zur Brücke aus der Isolation – wenn es auf echte Beteiligung trifft.

Gerade im Kontext von Schule, Jugendarbeit und außerschulischer Bildung sind diese Erkenntnisse relevant: Wo junge Menschen Räume der Begegnung und des Austauschs erleben, wo sie sich ernst genommen fühlen und ihre Stimmen zählen, wächst auch ihr Vertrauen in das Gemeinsame – in Schule, Gesellschaft und Demokratie.

Hier geht es zum Einsamkeitsbarometer




Wie verhalten sich Geflüchtete im Zielland und wieso?

schulkinder

Jenseits der Sprachbarriere: Neue Studie wirft Blick auf die schulische Ausbildung von Kindern

In Deutschland zur Schule gehen – das gilt als Goldstandard für die Integration geflüchteter Kinder. Hier lernen sie die Sprache. Hier lernen sie die sozialen Normen. Die Schulpflicht sichert diesen Anspruch des Staates ab. Doch wie verhalten sich die Eltern dazu? Erschwert der fachübergreifende Unterricht in einer Fremdsprache aus ihrer Sicht das Lernen? Und böte die Digitalisierung nicht auch Alternativen zum deutschen Klassenzimmer? Diesen Fragen sind die Makrosoziologin der Freien Universität Berlin, Prof. Dr. Céline Teney, und ihr Team nachgegangen.

Die Forschenden haben ukrainische Mütter und Väter befragt, die als Geflüchtete in Berlin beziehungsweise Warschau leben. Die ersten Interviews fanden wenige Monate nach der russischen Invasion 2022 statt. Zwei weitere Runden folgten 2023 und 2024. Die Ergebnisse ihrer Studie „Educational stategies of displaced Ukrainians in Berlin und Warsaw. The role of transnational opportunity structure“ ist gerade im Fachmagazin “Population, Place & Space“ erschienen und online abrufbar unter (https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/psp.70032 )

Optionen über Grenzen hinweg

„Wir sind auf ein Phänomen gestoßen, das sich als transnationale Chancenstruktur beschreiben lässt“, sagt die Céline Teney. Die Makrosoziologin forscht unter anderen zum sozialen Konfliktpotenzial der Globalisierung. Sie betont: „Dank Digitalisierung haben sich digitale Beziehungsräume geöffnet. Das heißt, Geflüchtete können ihr Leben weitgehend jenseits von nationalstaatlichen Grenzen führen.“ Theoretisch gelte diese Tatsache auch für Schulkinder. Denn viele Länder – einschließlich der Ukraine – haben während der Covid-Pandemie eine Infrastruktur für Fernunterricht aufgebaut. Praktisch stehen geflüchtete Eltern in Deutschland lediglich vor die Wahl, ob sie ihren schulpflichtigen Kindern zusätzlich zum Präsenzunterricht muttersprachlichen Onlineunterricht aufbürden, trotz aller Risiken in die Heimat zurückkehren, damit die schulische Ausbildung in der Muttersprache und nach heimischem Lehrplan weitergehen kann oder vollständig auf Bildung an einer deutschen Schule setzen.

Auf Rückkehr hoffen und sich eingliedern

Für eine doppelte Beschulung entschieden sich 2022 deutlich mehr Befragte als 2023: Viele Eltern glaubten zu Beginn der Invasion noch an deren baldiges Ende. 2023 und 2024 muteten jeweils immer weniger Eltern ihren Kindern die Doppelbelastung zu. Das heißt, sie kehrten entweder in die Ukraine zurück oder verzichteten auf den Unterricht in der Muttersprache. „Die Mehrheit setzt auf eine ausschließliche Beschulung im Zielland“, fasst Céline Teney zusammen. „Das bestätigt den in anderen Studien nachgewiesenen Wunsch der meisten Migrant*innen, sich einzugliedern.“

Sorgen um den Lernerfolg

Allerdings äußern viele Mütter und Väter, die sich für einen Verbleib in Deutschland entschieden, auch Unbehagen. Sie fürchten beispielsweise, ihre Kinder könnten aufgrund der Sprachbarriere schlechtere Noten bekommen als es ihren Potenzialen entspricht. Eine 17-jährige Schülerin aus Mariupol bringt es so auf den Punkt: „Meinen Traumberuf bekomme ich nur mit Bestnoten. Das wird auf Deutsch sehr schwer.“ Sie halte es für realistischer, sich mit einem guten ukrainischen Abschluss in Deutschland zu bewerben als mit einem mittelmäßigen deutschen Abitur, so die Teenagerin.

Auch die Willkommensklassen, die unter anderem das Land Berlin eingerichtet hat, stoßen auf Skepsis. Ziel dieses Angebots ist es, Kinder mit viel Deutschunterricht auf eine Regelklasse vorzubereiten. Zahlreiche Eltern halten das für vergeudete Zeit, weil sie perspektivisch zurück nach Hause möchten. „Das Zertifikat ist in der Ukraine wertlos. In einer Willkommensklasse wird nichts gelehrt, was ein Zehnjähriger nachweisen muss“, gab beispielsweise eine 32-jährige Kiewerin zu Protokoll. Manche Befragten befürchten sogar langfristige Nachteile, sobald sich die Kinder wieder an das Leben in der Ukraine gewöhnen müssten. „Tatsächlich lässt sich kaum von der Hand zu weisen, dass Menschen, die ihre eigene Muttersprache nicht idiomatisch einwandfrei sprechen und schreiben können, mit einem Makel behaftet sind“, gibt Céline Teney zu bedenken.

Debatten über Alternativen

Auf Basis dieses Befunds erwartet das Forschungsteam, dass künftige Fluchtwellen Diskussionen über die Beschulung der Kinder auslösen. „Die Schulpflicht an sich ist ein unverzichtbares Mittel der Integration“, sagt Professor Teney. „Eine Politik, die auf Deutsch als alleiniger Unterrichtssprache besteht, wird sich allerdings erklären müssen.“ In alternativen Szenarien werde die Muttersprache der Geflüchteten eine größere Rolle spielen. Das schließe auch eine Mischung aus Präsenz- und Online-Unterricht ein.

Nationaler Anspruch auch in Polen

Ansatzweise hat Polen diesen Weg eine Zeit lang beschritten – und dann eine Kehrtwende vollzogen. Bei Deutschlands Nachbarn durften Eltern ihre Kinder zunächst online auf Ukrainisch unterrichten lassen. Der Besuch einer polnischen Schule erübrigte sich dadurch, und viele Geflüchtete machten gerne von dieser Option Gebrauch. Im September 2024 ordnete Warschau dann Vor-Ort-Unterricht an. Die Regierung begründete diesen Schritt mit dem Wunsch nach mehr Assimilation. Auch von Anreizen zur Rückkehr in die Ukraine war die Rede.

Fazit

„Die Verpflichtung auf Bildung nach den eigenen Regeln gehört zum legitimen Arsenal von Staaten, um Kinder von Geflüchteten zu integrieren“, lautet das Fazit von Professor Teney. Auf der anderen Seite könne eine transnationale Chancenstruktur dafür sorgen, Brüche in den Biografien von Geflüchteten abzumildern und Kindern den erhofftem Neustart in der Heimat zu erleichtern. „In diesem Spannungsfeld wird sich in Zukunft so manche bildungs- und integrationspolitische Debatte bewegen.“

Über die Studie

Im Auftrag von Professor Dr. Céline Teney führten ukrainische Assistentinnen im Sommer 2022 halbstrukturierte Interviews mit 82 vertriebenen Eltern schulpflichtiger Kinder. Die befragten Ukrainerinnen leben in Berlin beziehungsweise Warschau. An den Folgeinterviews im Frühjahr 2023 nahmen 60 und im Frühjahr 2024 noch 44 dieser Personen teil. Etwa ein Drittel der Befragten kehrte zwischen den Interviewrunden eins und drei in die Ukraine zurück.

Originalpublikation: https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/psp.70032

Christine Xuan Müller Stabsstelle Kommunikation und Marketing, Freie Universität Berlin

Quelle: Pressemitteilung idw – Informationsdienst Wissenschaft




Mental gesund in der Schule

Mithilfe einer neuen digitalen Plattform sollen Lehrkräfte bei mentalen Problemen ihrer Schülerinnen und Schüler unterstützt werden

Lehrkräfte nehmen oft wahr, wenn ein Kind mentale Probleme hat. Mithilfe einer neuen digitalen Plattform sollen sie dabei unterstützt werden, in solchen Fällen schnell und richtig zu handeln – und damit die mentale Gesundheit junger Menschen zu verbessern. Der Verein zur Förderung des Forschungs- und Behandlungszentrums für psychische Gesundheit (FBZ) der Ruhr-Universität Bochum will eine Intervention entwickeln, die später auch in anderen Regionen Deutschlands nutzbar ist. Die Brost-Stiftung fördert das Projekt „Mental gesund in der Schule: Digitale Hilfen für Lehrkräfte“ mit 150.000 Euro.

Innerhalb von zwei Jahren wird das Projektteam das digitale Angebot konzipieren. Dort sollen Lehrkräfte methodisch zugeschnittenes Wissen über psychische Störungen erhalten und ihre Handlungskompetenzen in diesem Bereich erweitern. „Wir möchten konkrete Hinweise geben, wie Lehrkräfte Schülerinnen und Schülern mit emotionalen oder Verhaltensauffälligkeiten im Schulalltag am besten begegnen können“, erklärt Projektkoordinatorin Dr. Kathrin Schopf aus dem FBZ. Über die digitale Plattform erfahren Lehrkräfte außerdem, wie sie ihre mentale Gesundheit stärken können – ebenso wie die ihrer Schülerinnen und Schüler. „Wir sind überzeugt, dass sich dieses Vorgehen mittel- und langfristig positiv auf die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen auswirkt“, betont Kathrin Schopf.

Deutschlandweites Angebot

An ausgewählten Schulen fragen die Psychologinnen und Psychologen zunächst ab, welche Faktoren Lehrkräfte in ihrem Alltag als besonders belastend empfinden. Diese Angaben fließen in die inhaltliche Gestaltung der digitalen Plattform ein. Das Angebot kann später deutschlandweit möglichst vielen Schulen zugutekommen – insbesondere in städtischen Ballungsräumen, die große Herausforderungen für die mentale Gesundheit von Kindern und Jugendlichen mit sich bringen. Schon seit knapp zwei Jahren führt das FBZ-Team im Bochumer Stadtteil Wattenscheid-Mitte das Projekt „Urban Mental Health“ durch, das dem Deutschen Zentrum für Psychische Gesundheit (DZPG) zugeordnet ist und von Dr. Lukka Popp koordiniert wird. Die hier entwickelten Interventionen und Erfahrungswerte fließen in die Entwicklung der digitalen Plattform ein.

Die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen ist von höchster gesellschaftlicher Relevanz. 75 Prozent aller psychischen Störungen beginnen bis zum jungen Erwachsenenalter; mit 14 Jahren haben bereits 50 Prozent der Betroffenen die erste psychische Störung entwickelt. Im weiteren Verlauf entstehen daraus in vielen Fällen krankheitsbedingte Fehltage und spätere Frühverrentungen.

Verein zur Förderung des FBZ

Seit 2018 gibt es den gemeinnützigen Verein zur Förderung des Forschungs- und Behandlungszentrums für psychische Gesundheit (FBZ). Ziel ist es, die Arbeit des FBZ in Behandlung, Lehre und Wissenschaft zu unterstützen. Der Verein unterstützt Patientinnen und Patienten im Rahmen einer Behandlung ebenso wie Kontakte zu externen Organisationen und Forschenden. Darüber hinaus unterstützt er Konferenzen und Bildungsangebote im Arbeitsbereich des FBZ.

Webseite des FBZ: https://fbz-bochum.de/

Meike Drießen Dezernat Hochschulkommunikation, Ruhr-Universität Bochum