Deutschland Spitzenreiter beim Zuckerverbrauch über Erfrischungsgetränke

foodwatch fordert erneut die Einführung der Limo-Steuer

In keinem anderen großen westeuropäischen Land nehmen die Menschen so viel Zucker über gesüßte Getränke auf wie in Deutschland. Das zeigen Zahlen des Marktforschungsinstituts Euromonitor zu den zehn bevölkerungsreichsten westeuropäischen Ländern, die die Verbraucherorganisation foodwatch ausgewertet hat.

Demnach lag der Pro-Kopf-Verbrauch von Zucker über Softdrinks hierzulande im Jahr 2023 bei durchschnittlich 23 Gramm pro Tag beziehungsweise etwa 8,5 Kilogramm pro Jahr – der höchste Wert in dem Ländervergleich. Die Deutschen konsumieren sogar mehr Zucker über Getränke als über Süßwaren: Über Schokolade, Bonbons & Co. nahmen sie knapp 22 Gramm pro Tag beziehungsweise rund 7,9 Kilogramm pro Jahr auf.

Flüssiger Zucker ist besonders schädlich

„Die Zahlen belegen: Limo, Cola & Co. sind die zentrale Quelle des zu hohen Zuckerkonsums. Der flüssige Zucker ist besonders schädlich und kostet unser Gesundheitssystem Milliarden. Während mehr als 100 Länder weltweit bereits Steuern auf gezuckerte Getränke eingeführt haben, ist Deutschland weiter Entwicklungsland bei der Prävention ernährungsbedingter Krankheiten”, kritisierte Luise Molling von foodwatch. 

Limo-Steuer nach britischem Vorbild

Die Verbraucherorganisation forderte erneut die Einführung einer Limo-Steuer nach britischem Vorbild. Der Vergleich mit Großbritannien zeige den Erfolg der dort 2018 eingeführten Abgabe: War der Zuckerkonsum über Süßgetränke in den beiden Ländern vorher etwa gleich hoch, sank er in Großbritannien bereits durch die Ankündigung der Steuer drastisch und liegt nun ganze fünf Gramm pro Tag und Kopf unter dem deutschen Niveau.

Hauptursachen für die Entstehung von Adipositas und Typ-2-Diabetes

Zuckergesüßte Getränke gelten laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als eine der Hauptursachen für die Entstehung von Adipositas und Typ-2-Diabetes. Aktuell sind schätzungsweise 8,5 Millionen Menschen in Deutschland an Typ-2-Diabetes erkrankt und etwa jeder vierte Erwachsene gilt als krankhaft übergewichtig. Allein durch Adipositas entstehen jährlich etwa 63 Milliarden Euro Folgekosten in Deutschland.

Getränkeindustrie erreicht selbstgesteckte Ziele nicht

Eine Studie der TU München belegte in diesem Jahr, dass die Getränkeindustrie ihren ohnehin wenig ambitionierten Zielen bei der Zuckerreduktion meilenweit hinterherhinkt. Zwischen 2015 und 2021 reduzierte sich der durchschnittliche Zuckergehalt in Erfrischungsgetränken lediglich um zwei Prozent, während in Großbritannien im gleichen Zeitraum durch die Limo-Steuer eine Reduktion um 29 Prozent erfolgt ist. Laut einer aktuellen Studie der Universität Cambridge sank damit auch der Zuckerkonsum bei Kindern und Erwachsenen deutlich. Wissenschaftler:innen der Universität Oxford und der TU München haben berechnet, dass eine Limo-Steuer in Deutschland hunderttausende Krankheitsfälle verhindern und bis zu 16 Milliarden Euro an Gesundheitskosten einsparen könnte.

Österreich knapp hinter Deutschland im Zuckerverbrauch

Beim Zuckerkonsum über Erfrischungsgetränke liegt Österreich mit fast 23 Gramm knapp hinter Deutschland. Dann folgen die Niederlande (22 Gramm), Belgien (18 Gramm), Großbritannien (18 Gramm), Schweden (17 Gramm), Frankreich (15 Gramm) und Spanien (13 Gramm). Die Italiener und Portugiesen nehmen am wenigsten Zucker über Softgetränke auf (9 Gramm).

Grundlage der foodwatch-Auswertung ist die Zutaten-Datenbank des Marktforschungsinstituts Euromonitor. Euromonitor berechnet Verbrauchszahlen für Inhaltsstoffe wie Zucker basierend auf Verkaufsdaten der Endprodukte und anhand der Rezepturen für die relevantesten Produkte.

Quellen und weiterführende Informationen:




Die freiwillige Zuckerreduktion in Softdrinks gelingt offenbar kaum

Studie der Deutschen Allianz Nichtübertragbare Krankheiten zeigt ernüchternde Bilanz

Der durchschnittliche Zuckergehalt von Softdrinks in Deutschland ist in den Jahren 2015 bis 2021 lediglich um etwa zwei Prozent gesunken. Das zeigt eine Studie der Deutschen Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK) in Zusammenarbeit mit Wissenschaftler:innen der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) und der Technischen Universität München (TUM), die heute in der Fachzeitschrift „Annals of Nutrition and Metabolism“ erschienen ist. Der Studie zufolge ist die Getränkeindustrie nicht auf Kurs, die selbst gesteckten Ziele zur Zuckerreduktion zu erreichen. Im Rahmen der Nationalen Reduktionsstrategie des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) ist vereinbart, den Zuckergehalt von Softdrinks von 2015 bis 2025 auf freiwilliger Basis um 15 Prozent zu senken.

„Die freiwillige Zuckerreduktion bei Softdrinks kommt nicht voran. Wenn sich der Trend so fortsetzt, würde das Ziel ‚15 Prozent weniger Zucker‘ erst in Jahrzehnten erreicht“, resümiert Oliver Huizinga, Co-Autor der Studie und politischer Geschäftsführer der Deutschen Adipositas-Gesellschaft (DAG). „So viel Zeit haben wir nicht! Bundesernährungsminister Cem Özdemir ist gut beraten, die Strategie seiner Vorgängerin nicht fortzuführen“, so Huizinga.

Treiber für Adipositas und Diabetes

„Zuckergetränke gelten als wesentlicher Treiber für Adipositas und Diabetes“, sagt Barbara Bitzer, Sprecherin von DANK und Geschäftsführerin der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG). „Appelle an die Industrie reichen nicht aus. Die Regierung muss endlich effektive Maßnahmen ergreifen, damit der Zuckergehalt in Softdrinks deutlich zurückgeht“, fordert Bitzer.

„Unsere Daten zeigen nicht nur ein langsames Reduktionstempo in Deutschland – sie zeigen auch, wie es anders geht. In Großbritannien ist der Zuckergehalt im gleichen Zeitraum um knapp 30 Prozent gefallen, bei ähnlichen Ausgangswerten“, ergänzt Dr. Peter von Philipsborn, Hauptautor der Studie und Wissenschaftler am Lehrstuhl für Public Health und Versorgungsforschung der LMU. „Großbritannien hat 2018 eine Hersteller-Abgabe auf Softdrinks eingeführt, um die Hersteller zu einer Zuckerreduktion zu bewegen. Dieser Ansatz hat sich als sehr wirkungsvoll erwiesen“, sagt Philipsborn.

Nationale Reduktionsstrategie von Julia Klöckner

Die damalige Bundesernährungsministerin Julia Klöckner hatte im Jahr 2018 die „Nationale Reduktionsstrategie“ für Fertiglebensmittel ins Leben gerufen. In diesem Rahmen hat sich die Getränkeindustrie freiwillig dazu verpflichtet, den absatzgewichteten Zuckergehalt von Softdrinks im Zeitraum 2015 bis 2025 um 15 Prozent zu reduzieren. Die aktuelle Studie zeigt, dass die Industrie bislang deutlich hinter diesem Ziel zurückbleibt. Rechnerisch hätte von 2015 bis 2021 eine Reduktion um neun Prozent erfolgen müssen, um auf Kurs zu sein.

Der Studie zufolge lag der durchschnittliche absatzgewichtete Zuckergehalt von Softdrinks in Deutschland im Jahr 2015 bei 5,3 Gramm je 100 Milliliter und im Jahr 2021 bei 5,2 Gramm je 100 Milliliter. Zum Vergleich: In Großbritannien ist der Zuckergehalt im gleichen Zeitraum von ebenfalls 5,3 Gramm je 100 Milliliter auf 3,8 Gramm je 100 Milliliter gesunken. Die britische Regierung hatte 2018 eine Hersteller-Abgabe auf stark gezuckerte Getränke eingeführt, um den Zuckergehalt in Softdrinks zu senken.

Abgabe oder Steuer auf Zuckergetränke zeigen Erfolge im Ausland

Weltweit haben mittlerweile mehr als 50 Regierungen eine Abgabe oder Steuer auf Zuckergetränke eingeführt. Medizinisch-wissenschaftliche Fachgesellschaften, die Weltgesundheitsorganisation, Verbraucherschützer und auch Krankenkassen empfehlen seit Jahren die Einführung einer entsprechenden Regelung auch in Deutschland. Das Bundesernährungsministerium hatte im Mai 2022 gegenüber der Lebensmittelzeitung angegeben, auf neue Erkenntnisse aus der Forschung zu warten und diese in die „Positionierung bezüglich einer möglichen Einführung einer Zuckersteuer in Deutschland“ einzubeziehen.

Für die aktuelle Studie haben die Autor:innen Daten des Marktforschungsinstituts Euromonitor International ausgewertet, das als führend in der Marktforschung für Verbrauchermärkte gilt. In die Daten von Euromonitor fließen Unternehmensberichte, offizielle Statistiken, Markterhebungen und Schätzungen von Branchenexpert:innen ein.

Die Studie wurde finanziert aus Mitteln des Berufsverbands der Kinder und Jugendärzte (BVKJ), der Deutschen Adipositas Gesellschaft (DAG), der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG), der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM), der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ), der Deutschen Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention (DGSMP), der Deutschen Herzstiftung, der LMU und des Verbands der Diabetes-Beratungs- und Schulungsberufe in Deutschland (VDBD).

Originalpublikation

Direktlink zur aktuellen Studie in der Fachzeitschrift „Annals of Nutrition and Metabolism“ (abstract, Englisch – Volltext als PDF): https://www.karger.com/Article/Abstract/529592

Michaela Richter/Deutsche Allianz Nichtübertragbare Krankheiten




US-Forscher fürchten Gedächtnisstörungen durch zuckerhaltige Getränke

Laut einer Studie an Ratten beeinflusst ein verändertes Mikrobiom im Verdauungstrakt das Gehirn

Jugendliche, die regelmäßig gezuckerte Getränke zu sich nehmen, gehen ein erhöhtes Risiko ein, in späteren Jahren an einer Demenz zu erkranken. Darauf deutet eine Studie von Forschern der University of Southern California hin. Denn bei Versuchen mit zwei Gruppen von Ratten, die normales beziehungsweise gezuckertes Wasser tranken, hatten die Zuckerkonsumenten Schwierigkeiten, sich an Dinge zu erinnern, die mit dem Hippocampus in Verbindung stehen. Dieser ist die Schaltstelle zwischen dem Kurz- und dem Langzeitgedächtnis.

Speziell Hippocampus betroffen

Die jugendlichen Ratten hatten freien Zugang zu der jeweiligen Getränkeart. Als sie nach etwa einem Monat erwachsen waren, testeten die Forscher das Erinnerungsvermögen der Tiere. Dieses erwies sich bei Zuckertrinkern gestört, sofern der Hippocampus beteiligt war. Gedächtnisfunktionen des perirhinalen Kortex dagegen schienen unbeeinflusst. „Der Zuckerkonsum in jungen Jahren scheint das Lernen und Gedächtnis im Hippocampus selektiv zu beeinträchtigen“, sagt daher die Ernährungswissenschaftlerin Emily Noble, Assistenzprofessorin an der University of Georgia.

Die in der Fachzeitschrift „Translational Psychiatry“ veröffentlichte Studie dokumentiert auch einen Zusammenhang zwischen spezifischen Veränderungen der Darmbakterien bei Ratten, die zuckerhaltige Getränke tranken, und der beeinträchtigten Gehirnfunktion. Die Arbeit zeigt, wie eine spezifische Veränderung des Mikrobioms – der Gesamtheit der Mikroorganismen im Magen und Darm – die Funktion einer bestimmten Region des Gehirns verändern kann..

Potenziell große Bedeutung

Wenngleich die Studie Ratten untersucht hat, scheint wahrscheinlich, dass zuckerhaltige Getränke sich auch bei anderen Lebewesen auf das Mikrobiom auswirken und dieses wiederum einen Einfluss auf Gehirnfunktionen hat. Für den Menschen könnte das von großer Bedeutung sein.

Nach Zahlen der dem US-Gesundheitsministerium unterstehenden Centers for Disease Control and Prevention konsumieren fast zwei Drittel der jungen Menschen in den USA täglich mindestens ein zuckerhaltiges Getränk – und das beeinträchtigt womöglich ihr Gedächtnis.

Quelle: Wolfgang Kempkens / pressetext.redaktion