Viele Beschäftigte in der Sozialen Arbeit vor dem Burnout

ver.di veröffentlicht erste vorläufige Ergebnisse einer aktuellen Studie zur Situation der Beschäftigten

Eine Studie zur Situation in der Sozialen Arbeit offenbart eine dramatische Situation: Das Burnout-Risiko der Beschäftigten ist extrem hoch. In allen Arbeitsfeldern der Sozialen Arbeit besteht eine höchstmögliche berufliche Erschöpfung.

Das verdeutlicht die Studie „Professionelle Krise nach Corona? Steuerungsbedarf in der Sozialen Arbeit nach der Pandemie (CriCo)“, deren erste Ergebnisse Prof. Dr. Nikolaus Meyer (Hochschule Fulda) und Dr. Elke Alsago von ver.di (Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft) jetzt bekanntgeben.

An der Befragung hatten im November 2022 über 8.200 Beschäftigte aus verschiedenen Arbeitsfeldern der Sozialen Arbeit teilgenommen: Beschäftigte aus Kindertageseinrichtungen, der Behindertenhilfe, den Jugendämtern, den Ganztagsschulen, aber auch aus Beratungsstellen und der Kinder- und Jugendarbeit.

Erholungspausen fallen oftmals aus

Die ersten Studienergebnisse zeigen, dass viele Beschäftigte die gesetzlich vorgesehenen Erholungspausen seit Ausbruch der Pandemie häufig ausfallen lassen, um die vorhandene Arbeit zu schaffen. 40 Prozent der Befragten geben an, regelmäßig drei oder mehr Stunden wöchentlich zusätzlich zu arbeiten. Über 60 Prozent gehen häufig oder sehr häufig an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit. Über 65 Prozent der Befragten stehen bei ihrer Arbeit unter Zeitdruck und mehr als 80 Prozent nehmen eine deutliche Veränderung ihrer Arbeit wahr. Insbesondere in den Kindertagesstätten und Jugendämtern klagen die Beschäftigten, dass der dringend notwendige direkte Kontakt zu den Erziehungsberechtigten sowie den Kindern und Jugendlichen abgenommen hat.

Die sich verschlechternden Arbeitsbedingungen und der eklatante Personalmangel in der gesamten Sozialen Arbeit – alleine in Kindertagesstätten fehlen laut dem ver.di KITA-Personalcheck 175.000 Fachkräfte – zeigen sich in einer hohen Personalfluktuation. Nur bei etwa jeder oder jedem vierten Befragten gab es in den letzten zwölf Monaten keinen personellen Wechsel im Team. Ein Drittel der Befragten muss mehr arbeiten, weil zu wenig Personal vorhanden ist.

„Die Situation ist so brisant, dass wir schon heute erste Ergebnisse veröffentlichen, auch wenn die abschließenden Ergebnisse der Studie erst im März vorliegen“, betont die stellvertretende ver.di-Vorsitzende Christine Behle. Schnelles Handeln sei angesagt.

Zahlreiche Effekte treffen aufeinander

Meyer wies darauf hin, dass unterschiedliche Effekte aufeinandertreffen: der Fachkräftemangel in der gesamten Sozialen Arbeit, die Zunahme von unterstützungsbedürftigen Menschen (23,5 Prozent), eine Verschlechterung der Lebenssituation bei vorhandenen Adressat/innen während der Corona-Pandemie und eine starke Corona-bedingte Krankheitswelle der Beschäftigten. Dies führe dazu, dass es den Beschäftigten trotz individuellem Einsatz, wie z.B. Mehrarbeit und Verzicht auf Pausen, nicht mehr gelinge, den Ansprüchen an ihre Arbeit gerecht zu werden. Entsprechend würden mehr als 77 Prozent der Befragten davon ausgehen, nicht bis zur Rente weiterarbeiten zu können. Noch höher liegt der Wert mit 86,5 Prozent im Bereich der Kindertagesstätten.

Behle forderte die Arbeitgeber auf, die anstehenden Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst dazu zu nutzen, die Beschäftigten durch einen guten Abschluss wenigstens von den finanziellen Sorgen und Existenzängsten zu entlasten. „Auch die Bundesregierung muss den Ernst der Stunde erkennen und gemeinsam mit den Ländern ein Sondervermögen auf den Weg bringen, um die Not in den Arbeitsfeldern der Sozialen Arbeit zu beseitigen und in die Ausbildung von Fachkräften zu investieren. Ansonsten wird die Abwanderung der Fachkräfte aus der Sozialen Arbeit weiter Fahrt aufnehmen. Die Versorgung der Schwächsten in unserer Gesellschaft ist schon heute nicht mehr gesichert.“ 

Weiter Informationen finden Sie hier: https://sozialearbeit.verdi.de/arbeitsbereiche/++co++2faa0892-58fd-11ed-bf71-001a4a160111

Martina Sönnichsen, ver.di Bundesverband




Anrechnung der Erzieherinnenkompetenzen auf den Bachelor Soziale Arbeit

AnKE-Verfahren ermöglicht seit über 10 Jahren Anrechnung beruflicher Kompetenzen auf das Studium der Sozialen Arbeit

Erzieher:innen bringen mit ihrer Ausbildung sowie ihrer praktischen Berufserfahrung wichtige Kompetenzen für eine Tätigkeit in der Sozialen Arbeit mit. Aus diesem Grund wurde 2010 die Einführung des Verfahrens „Anrechnung der Kompetenzen von Erzieherinnen und Erziehern auf den Bachelor Soziale Arbeit“ (AnKE) an der Frankfurt University of Applied Sciences (Frankfurt UAS) beschlossen und 2012 per Senatsbeschluss in den Allgemeinen Bestimmungen für Prüfungsordnungen (ABPO) verankert. Studierende der Sozialen Arbeit, die eine staatliche Anerkennung zur Erzieherin bzw. zum Erzieher nachweisen, können sich hiermit vier Module, also ein Semester, auf ihr Studium anrechnen lassen und gewinnen so mehr Zeit, neben dem Studium weiter in den Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe tätig zu sein. Dabei kommen wiederum ihre zusätzlich an der Hochschule erworbenen Kompetenzen zum Tragen.

Durchlässigkeit von der Ausbildung zum Studium

Seit mittlerweile zehn Jahren eröffnet AnKE Erzieherinnen und Erziehern mit staatlicher Anerkennung die Chance auf vielfältige berufliche Einsatzmöglichkeiten in allen Bereichen der Sozialen Arbeit“, freut sich Prof. Dr. Barbara Klein, Dekanin des Fachbereichs Soziale Arbeit und Gesundheit der Frankfurt UAS. „Die Frankfurt UAS leistet damit die allseits geforderte Erhöhung des Anteils akademisch qualifizierter Fachkräfte in Kindertageseinrichtungen und schafft – ganz nach dem Prinzip des Lebenslangen Lernens – die Durchlässigkeit von der Ausbildung zum Studium.“

Die Nachfrage nach Anrechnung ist groß

Die Nachfrage nach Anrechnung ist groß – seit Start von AnKE haben mehr als 700 Studierende unter Anrechnungsbedingungen studiert. Insgesamt stellen rund 30 Studierende pro Semester einen Antrag auf Anrechnung ihrer Ausbildung. Die Erzieher:innen reduzieren durch das AnKE-Verfahren ihr Studium der Sozialen Arbeit um 30 ETCS oder 1 Semester. „Ermöglicht wurde das Anrechnungsverfahren insbesondere durch die Kooperation mit den inzwischen 13 hessischen Fachschulen für Sozialwesen, Fachrichtung Sozialpädagogik, mit denen wir erst kürzlich unsere Kooperationsvereinbarung erneuert haben“, ergänzt Prof. Dr. Carola Berneiser, Studiendekanin des Fachbereichs Soziale Arbeit und Gesundheit der Frankfurt UAS. „Mit Blick auf den Theorie- und Praxistransfer, auf den wir großen Wert legen, und unseren Auftrag, den Blick auf den sozialen Wandel und ständig veränderte Lebenslagen zu richten, sehen wir in der Kooperation zwischen unserer Hochschule und den Fachschulen eine besondere Chance. Denn ‚gemeinsam‘ können wir am besten auf die Bedarfe in der Praxis reagieren und Menschen ausbilden, die professionell mit Kindern arbeiten können.“

Bundesweites Best-Practice-Beispiel

Das AnKE-Verfahren wurde 2010 in Kooperation mit ursprünglich zehn hessischen Fachschulen für Sozialpädagogik (heute als „Fachschule für Sozialwesen, Fachrichtung Sozialpädagogik“ bezeichnet) entwickelt. Dazu glichen Vertreter:innen der Frankfurt UAS, der Fachschulen, eines öffentlichen sowie eines freien Trägers der Jugendhilfe die Lehrpläne der Fachschulen mit dem Modulhandbuch des Bachelor-Studiengangs auf ihre Anrechnungsfähigkeit ab. Seit dem Wintersemester 2010/11 läuft das Verfahren, dessen Entwicklung in das bis 2017 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit über zwei Millionen Euro geförderte Projekt „MainCareer – Offene Hochschule“ der Frankfurt UAS eingebettet war. Der Fokus lag dabei auf der Entwicklung und Erprobung von Konzepten, die einen Beitrag zur Durchlässigkeit zwischen Berufspraxis und Studium der Informatik, Pflege und Sozialen Arbeit leisten. Die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) würdigte das AnKE-Verfahren bereits im Mai 2013 als bundesweites Best-Practice-Beispiel.

Kontakt: Frankfurt University of Applied Sciences, Fachbereich 4: Soziale Arbeit und Gesundheit, Simone Strecker, Telefon: +49 69 1533-2603, E-Mail: aaek@fb4.fra-uas.de

Weitere Informationen zum AnKE-Verfahren an der Frankfurt UAS unter http://www.frankfurt-university.de/anke.

Friederike Mannig