Wie Kinder die Welt entdecken

Kinder eignen sich die Welt im Spiel an… und dafür brauchen sie Zeit

Das Kind will sich schon vor der Geburt und dann vom ersten Lebenstag an durch Bewegungen ausdrücken und bald will es alles, was es sieht und was von Interesse ist, wie ein Forscher neugierig mit den Händen und Sinnen

  • wahrnehmen und erkunden,
  • ergreifen und begreifen,
  • erfassen und erkennen.

All das will es in seiner Lebensform oder in seinem Lebensmittelpunkt SPIEL.

Neugierig forschen

Als heilpädagogisch orientierter Erziehungswissenschaftler habe ich in vielen Jahren gelernt, dass zu unserem Beruf vor allem die Neugier auf das noch Unbekannte, noch nicht Erklärbare gehört. Diesem neugierigen Forschen reicht ein Verständnis von Wissenschaft, das sich auf die Welt der Zahl und des Messbaren bezieht, nicht aus. Das wäre eine Einengung des Denkens und Erkennens auf Fakten, auf Feststell- und Beweisbarer. Doch über die gezählten und gemessenen Dinge hinaus gibt es etwas Lebendiges, das wahrzunehmen ist. Dieses Forschen, das wir bei Kindern beobachten, setzt eine kreative Lebenseinstellung und eine offene Erwartungshaltung voraus. Es überwindet die Welt der Quantität und wendet sich der Welt der Qualität zu. Diese Welt der Qualität zeigen Kinder den wissenschaftlichen Forschern.

Wie eignet sich das forschende Kind die Welt im Spiel an?

Malen ganz allgemein

Das Kind will sich aus eigener Kraft die Welt aneignen, zum Beispiel beim Malen mit körpereigenen Mitteln: Großflächiges Malen mit Fingern auf großem Papier (Packpapier) mit der Fingerfarbe Schultempera und Kleister (Kleister gleichmäßig verteilen und Farbe hinzufügen; Farbe direkt in den Kleister rühren oder mit den Fingern aufnehmen) erleben besonders Kinder mit körperlichen und kognitiven Beeinträchtigungen sowie Kinder mit Autismus: Sie sind fähig Spuren zu hinterlassen und Strukturen zu bilden und sehen sich als Gestalter ihrer Welt. Und sie lernen sich als Person zu erleben, die zur Welt und zu anderen Menschen einen eigenen Standpunkt beziehen kann.

Konkrete Malübungen

Bei diesen spielbetonten und rhythmischen Malübungen wird die Finger- und Handmotorik der Kinder weiter ausgebildet, die Bewegungsabläufe werden koordiniert und durch taktil- kinästhetische Erfahrungen wird ihre Sensibilität gefördert. Auch beim freien oder an Aufgaben gebundenen Gestalten mit Wachsmalkreiden werden feinmotorische Fähigkeiten (Finger- und Handfertigkeiten) geübt. Und beim Malen der eigenen Bewegungen (Kreis- und Drehbewegungen) lassen sich ausgeführte Bewegungen sichtbar machen. Kinder mit schwerer Behinderung können diese basalen Bewegungsmuster einüben. Und als rhythmische sprachbegleitende Übung kann die Bewegung der Finger, Hände und Arme in Farbspuren umgesetzt werden. Besonders Kinder mit starken Beugespasmen in den oberen Extremitäten werden durch Fingermalerei und Malen mit Wachsmalkreiden deutlich lockerer und entspannter.

Mit Papier üben

Für vielseitige Übungen der Finger- und Handfertigkeit (im Sinne feinmotorischer oder sensomotorischer Übungen und Übungen der Augen-Hand-Koordination) bietet sich vor allem Papier in verschiedenen Größen, Farben und Stärken an:

  • Papier reißen,
  • Papier schneiden (freier oder gebundener Schneiden/Ausschneiden), Papier falten,
  • Papier kleben (bunter Papier frei oder in Vorlagen/Rahmen zu einem Bild kleben) oder
  • Papier zuordnen (nach Farbe, Form und Größe).

Plastisches Gestalten

Auch das plastische Gestalten mit Knetmasse, Ton, Tonschlamm oder Tonklumpen ermöglicht viele Übungen: Vom Klumpen Teile abzupfen und sie zu einem Gegenstand (Haus, Baum, Schneemann) umwandeln. Durch Greifen, Festhalten und Loslassen (Verarbeiten zu einem Bau- oder Kunstwerk) werden nicht nur Feinmotorik und Augen-Hand-Koordination weiterentwickelt. Auch das Wollen, Denken und Fühlen, die Vorstellung, das Sprechen/die Sprache, das Gedächtnis, die Fantasie und Kreativität sowie die sozialen Kompetenzen werden in Sinnzusammenhängen geübt. Das Kind setzt sich bei diesen Aktivitäten mit der Wirklichkeit auseinander, kurz: es gestaltet seine Welt.

Besonders das Kind mit einer Wahrnehmungsstörung oder Beeinträchtigung seines Sehens (hochgradig sehbehindert oder blind) spürt den Widerstand des Gegenstandes, zum Beispiel des Tonklumpens in seinen Fingern und Händen. Mit ihm kann es, auch mit Führungshilfe, etwas formen und gestalten. Durch diese Aktivitäten wird ihm der Gegenstand zunehmend vertrauter: Es übt seine Finger- und Handmotorik und seine Sinnestätigkeit, es erkennt das Gespürte und erlebt sich als Person, die mit „Herz, Hand und Kopf“ (Pestalozzi) in der Wirklichkeit selbst etwas bewirken, verändern und gestalten kann (Krenz/Klein 2013, 182 ff.).

Diese Aneignung der Welt geschieht im Spiel.

Auf das Spiel als Lebensform der Kinder achten

Spiel ist keine Spielerei

Das Spiel wird häufig als überflüssiger und zu vernachlässigender Zeitvertreib, als Spielerei gesehen. Immer seltener sind sich Eltern – und auch vermehrt Fachkräfte – der Tatsache bewusst, dass Kinder in bindungsstarken Spielsituationen alle Fähigkeiten für ihr Leben aufbauen (könnten), die sie später einmal für eine aktive, kreative und selbstbewusste Lebensgestaltung brauchen.

Spiel dient der Persönlichkeitsentwicklung

Forschungsergebnisse aus den letzten drei Jahrzehnten zeigen übereinstimmend, dass das Spiel als Vorstufe und Nährboden für einen darauf aufbauenden Erwerb schulischer und beruflicher Fähigkeiten zu gelten hat und von entscheidender Bedeutung für die Persönlichkeitsentwicklung eines Kindes ist. Neurobiologen haben gezeigt, dass durch Spielen viele unterschiedliche Regionen der menschlichen Gehirns aktiviert werden, weil Kinder ihre ganze Aufmerksamkeit auf die Erlebnisse des Schauens und Betrachtens, des Hörens, Fühlens und Begreifens ausrichten und dabei ihre Fantasie nutzen, um sich Ereignisse selbst zu verdeutlichen, diese mit einer bunten Gedankenvielfalt ausschmücken, Ziele definieren und Strategien für eine Spielhandlung entwickeln.

Neugieriges Handeln von Beginn an

Kinder bringen ein außergewöhnlich großes Interesse für ihr Umfeld und ein hohes Neugierverhalten mit auf die Welt. Durch die alltäglichen Sinnesreize werden Interesse und Aufmerksamkeit für die „Welteindrücke“ aktiviert. Interessant sind alle Dinge, die sich bewegen, die Töne erzeugen, die sich anfassen lassen, die intensiv riechen oder zu schmecken sind. Dabei merken Kinder, dass man mit diesen Dingen etwas tun kann. Aus dieser neugierigen Handlung (Was geschieht dort? Wozu ist das da? Was kann ich damit anfangen?) entwickelt sich nach und nach eine aktiv gestaltete Spielhandlung, die sich aus unendlich vielen Einzeltätigkeiten im Dialog mit sich selbst, mit dem Anderen und dem Bildungsgegentand zusammensetzt.

Spielen entsteht also aus eng miteinander vernetzten Erfahrungshandlungen mit den eigenen Körperteilen, mit Gegenständen unterschiedlichster Art und vor allem in einer angenehm erlebten Beziehungsatmosphäre. Im Spiel eignen sich Kinder ganz nebenbei – je nach Spielform, Spielart, Spielinteresse und Spielverlauf – ein lebendiges, räumliches, kreatives, physikalisches, naturwissenschaftliches und mathematisches Wissen an (Klein 2018, 141 ff.).

Spiel darf nicht funktionalisiert werden!

Echtes Spielinteresse zeigen

Die Frage, wie Erwachsene Kinder zum Spiel(en) motivieren können, ist ganz einfach zu beantworten. Zunächst sollten Erwachsene von Anfang an ein authentisches Interesse an den Tätigkeiten der Kinder empfinden und ihnen helfen in Spielsituationen hineinzufinden, sie als aktiver Spielpartner anschließend viel spielen zu lassen, weil das Spiel dann besonders interessant wird! Dabei ist noch eines wichtig: Im Vordergrund des Spiels darf nie ein Förder- oder Schulungsgedanke stehen. Damit würde jedes Spiel funktionalisiert werden – eine Tatsache, die leider in vielen Kitas in immer stärkerem Maße zu beobachten ist. Der Zweck des Spiels liegt in

  • der Spannung,
  • der Freude,
  • der Aufregung,
  • den vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten

und nicht in einer „Konzentrationsübung“, in der „Schulung der Grobmotorik“ oder im Aufbau „sozialer Kompetenzen“.

Weniger ist mehr

Die pädagogische Fachkraft kann Bedingungen für das Spiel(en) schaffen: Manche Kinder haben schon soviel Spielmittel bzw. Spiel„zeug“, dass ihr Kinderzimmer einem vollgestopften Warenlager gleichkommt. Dasselbe ist in manchen Kitas zu beobachten. Zu viele Spielmittel hemmen das Kind in sein individuelles Spielverhalten einzusteigen. Von Zeit zu Zeit sollte daher in den Gruppenräumen ebenso wie im Kinderzimmer das Spielmittelangebot überprüft werden.

Bewährte Spielmittel sollten eher ergänzt werden als immer neuartige Spielmittel hinzuzufügen, damit Kinder bei einer Spielgeschichte bleiben können! Statt neuer Spielmittelkäufe eignen sich mitunter unterschiedlichste Gegenstände der Erwachsenenwelt, von stabilen Kartons über Rohre, Stoffe und alte Geräte bis hin zu Brettern und Dosen und Utensilien zum Verkleiden. Je intensiver solche Alltagsgegenstände ins Spiel mit einbezogen werden, desto weniger sind Kinder auf ständig neuer Spielzeug fixiert.

Kinder wollen und müssen spielen (dürfen)

Viele Spielmittel haben sich im Laufe der letzten Jahre verändert. Doch Kartenspiele, Quartetts und Sammelkarten gab er ebenso wie heute und Ritterburgen von damals haben sich heute zu hochgerüsteten galaktischen Weltraumstationen gewandelt. Auch Barbie gab er schon – nur nicht in dieser Auswahl und Vielfalt. Rollenspiele und Kartenspiele wurden damals ebenso gespielt wie Konstruktionsspiele – was damals als „Stabilbaukasten“ zur Verfügung stand wird heute mit unendlich vielen Stecksteinaufbausätzen ermöglicht. Auch damals wurden Aggressionsspiele zum Austoben, Fußballspiele oder andere Bewegungsspiele von Kindern mit Vorliebe genutzt. Allerdings sind einige Spielformen (Märchenspiele, Theaterspiele, Sozialregelspiele, musisch-rhythmische und Handpuppenspiele) in vielen Kindergärten leider immer seltener anzutreffen, was der emotional-sozialen und intellektuellen Entwicklung von Kindern schadet. Schließlich ist bekannt, dass gerade die Bereiche Spiel- und Schulfähigkeit eng zusammenhängen. Stattdessen werden viele Tagesabläufe der Kinder mit teilleistungsorientierten Anleitungstrainings und vor allem kognitiven Übungen sowie anderen Tätigkeiten voll ausgeplant – dabei muss das Spiel auf der Strecke bleiben.

Fazit

Je mehr Kinder die unterschiedlichen Spielformen (von Entdeckungs- über Wahrnehmungsspielen, von Schatten- über Rollenspielen, von vielen Bewegungs- und Musikspielen bis zu lebendigen Märchen- und Szenenspielen) kennenlernen, desto größer ist ihr Spiel- und damit auch ihr Lernpotenzial. Dabei sorgen die bei jedem Kind vorhandene Neugierde, die mit Spannung ausgefüllte Entdeckerfreude und die damit verbundenen Glückserlebnisse im Spiel zur nachhaltigen Aktivierung der Lernfreude.

Literatur

Klein, Ferdinand: Inklusive Erziehung in Krippe, Kita und Grundschule. Heilpädagogische Grundlagen und praktische Tipps im Geiste Janusz Korczaks. BurckhardtHaus 2018

Klein, Ferdinand: Inklusive Erziehungs- und Bildungsarbeit in der Kita. Heilpädagogische Grundlagen und Praxishilfen. 3. Auflage. Bildungsverlag EINS, 2019

Krenz, Armin/Klein Ferdinand: Bildung durch Bindung. Frühpädagogik: inklusiv und beziehungsorientiert. 2. Auflage. Vandenhoeck & Ruprecht, 2013




Kinderkommission zum „Weltspieltag“

UN-Kinderrechtskonvention sagt Kindern ein Recht auf Ruhe und Spiel zu

Schon seit über 20 Jahren gilt der 28. Mai als „Weltspieltag“. Und das hat einen ganz besonderen Grund: Der Aktionstag soll daran erinnern, dass die UN-Kinderrechtskonvention Kindern ein Recht auf Ruhe und Freizeit sowie auf Spiel und altersgemäße aktive Erholung zusagt.

Bewegungs- und Sportaktion des DKHW und der Sportjugend

In diesem Jahr rufen das Deutsche Kinderhilfswerk und die Deutsche Sportjugend anlässlich des „Weltspieltags“ Familien und Vereine zu einer großen Bewegungs- und Sportaktion auf. Dabei sollen in den sozialen Medien unter den Hashtags #Weltspieltag und #lasstunswasbewegen Fotos oder Videos gepostet werden, die Menschen entweder bei ihrer geliebten Sportart, beim Sport an ungewöhnlichen Orten oder bei einer für sie unbekannten Sportart zeigen. Damit soll auf die Bedeutung von Bewegung, Spiel und Sport für ein gesundes Aufwachsen von Kindern aufmerksam gemacht werden. Die Kinderkommission des Deutschen Bundestages hat auch in diesem Jahr wieder die Schirmherrschaft für die Aktion übernommen.

Kinder entdecken ihre Welt im Spiel

Die Vorsitzende der Kinderkommission, Charlotte Schneidewind-Hartnagel, MdB, erklärt hierzu: „Bewegung, Sport und Spiel liegen in der Natur von Kindern. Wer mit Kindern zu tun hat, kennt ihr Verlagen und ihre Freude, nach draußen zu gehen, zu klettern, zu laufen, aktiv zu sein. Kinder entdecken ihre Welt, ihre eigenen Stärken und Grenzen in Bewegung, Sport und Spiel. Auch soziales Miteinander, Teamgeist und ein gesunder Sinn dafür, seine Fähigkeiten mit anderen zu messen, können dabei gelernt und geübt werden. Kurzum: Bewegung gibt Kindern Kraft. Deshalb freue ich mich, dass das Deutsche Kinderhilfswerk und die Deutsche Sportjugend zur Bewegungs- und Sportaktion am Weltspieltag aufrufen. Gerade in der Corona-Pandemie, wo Vereinsangebote, Sport in Gruppen und Möglichkeiten, sich mit Gleichaltrigen zu treffen vielerorts eingeschränkt waren und sind, ist es wichtig, auf dieses Thema aufmerksam zu machen.“




Investitionen in Spielplätze sind meist nicht von der kommunalen Finanzlage abhängig

Umfrage des Deutschen Kinderhilfswerks zeigt, dass weiter viele Spielflächen verschwinden

Investitionen der Städte in Deutschland in den Erhalt und die Modernisierung von Spielplätzen sind vorrangig keine Frage der kommunalen Finanzlage. Das ist das zentrale Ergebnis einer Umfrage des Deutschen Kinderhilfswerkes unter den 81 Großstädten in Deutschland.

Gemeinden investieren sehr unterschiedlich in Spielplätze

„Die Zahl und Größe der Spielplätze sowie die Ausgaben für laufende Instandhaltungen und Investitionen sind gemessen an der Zahl der Kinder in den Städten und der Finanzkraft der Kommunen in … unterschiedlich. So finden sich zwischen Kiel im Norden bis Freiburg im Süden Kommunen, die trotz klammer Kassen überdurchschnittlich hohe Ausgaben bei den Spielplätzen leisten, ebenso wie Städte mit überdurchschnittlicher Finanzkraft, die sich hier eher knauserig zeigen. Das zeigt, dass Investitionen der Städte in den Erhalt und die Modernisierung von öffentlichen Spielplätzen vorrangig eine Frage des politischen Willens und keine Frage der kommunalen Finanzlage sind“, sagt Holger Hofmann, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerkes.

Viele Kommunen kürzen

Die Zahlen zeigen auch, dass es in einigen Kommunen in den vergangenen Jahren deutliche Kürzungen der finanziellen Mittel, und in vielen Kommunen lediglich Fortschreibungen der Haushaltsansätze gegeben hat, womit inflationsbereinigt immer weniger Geld für die Spielplätze zur Verfügung steht. Gleichzeitig gibt es in einigen Kommunen aber auch starke finanzielle Zuwächse für Instandhaltungen von und Investitionen in Spielplätze. Umso wichtiger ist es, die vorhandenen Finanzmittel sinnvoll unter Beteiligung der Kinder einzusetzen.

Recht auf Spiel

„Jedes Kind muss täglich die Möglichkeit haben, selbstständig im Freien zu spielen. Es ist für ein gesundes Aufwachsen essenziell und spätestens in Zeiten des digitalen Lernens besonders deutlich geworden“, sagt Ute Eckardt, Leiterin des Arbeitskreises „Spielen in der Stadt“ der Deutschen Gartenamtsleiterkonferenz.

Weiterhin Trend zum Rückbau und zur Umwidmung

„Das Deutsche Kinderhilfswerk beobachtet in zahlreichen Kommunen zudem den Trend, dass seit Jahrzehnten bewirtschaftete Spielplätze teilweise oder vollständig rückgebaut oder gar in Bebauungsplänen festgesetzte Spielflächen zu Bauland erklärt und veräußert werden. Zudem werden viele informelle Spielräume, wie zum Beispiel Brachflächen trotz hohem Spielwert zunehmend dem Neubau von Gebäuden und Straßenverkehrsmaßnahmen geopfert“, so Hofmann.

Keine repräsentativen Ergebnisse

An der Umfrage des Deutschen Kinderhilfswerkes unter den 81 Großstädten in Deutschland hatten 69 Kommunen teilgenommen. Die Ergebnisse der Umfrage sind aufgrund der sehr unterschiedlichen Definitionen der Kommunen, was unter Instandhaltungsausgaben (nur „reine“ Ausgaben, die dem Spielen der Kinder direkt zugutekommen oder beispielsweise auch Grünpflege) oder Investitionsausgaben (nur kommunale Finanzmittel oder beispielsweise auch eingeworbene Drittmittel und Spenden) gefasst wird, nicht repräsentativ. Aufgrund der hohen Rücklaufquote der Umfrage und im Anschluss geführter Gespräche mit den Kommunen können aus Sicht des Deutschen Kinderhilfswerkes aber klare Tendenzen und Aussagen aus den Angaben der Städte abgeleitet werden.

Quelle: Mitteilung des Deutschen Kinderhilfswerks




„Lasst uns (was) bewegen!“

Kinderhilfswerk und Sportjugend rufen zu großer Bewegungs- und Sportaktion am Weltspieltag auf

Das Deutsche Kinderhilfswerk und die Deutsche Sportjugend rufen Familien und Vereine zu einer großen Bewegungs- und Sportaktion in der Woche rund um den Weltspieltag am 28. Mai 2021 auf. Dabei sollen in den sozialen Medien unter den Hashtags #Weltspieltag und #lasstunswasbewegen Fotos oder Videos gepostet werden, die Menschen entweder bei ihrer geliebten Sportart, beim Sport an ungewöhnlichen Orten oder bei einer für sie unbekannten Sportart zeigen.

Bedeutung von Bewegung, Spiel und Sport für ein gesundes Aufwachsen

Damit soll auf die Bedeutung von Bewegung, Spiel und Sport für ein gesundes Aufwachsen von Kindern aufmerksam gemacht werden. Unterstützt wird die Aktion vom Kinder- und Familienradio Radio TEDDY. Botschafterin des Weltspieltags 2021 ist die ehemalige Boxweltmeisterin Regina Halmich, Botschafter der ehemalige Skirennläufer Felix Neureuther. Die Schirmherrschaft über den Weltspieltag hat die Kinderkommission des Deutschen Bundestages übernommen. 

Rahmenbedingungen für die Bewegung von Kindern verbessern

Im Vorfeld des Weltspieltages fordern das Deutsche Kinderhilfswerk und die Deutsche Sportjugend Politik und Gesellschaft dazu auf, die Rahmenbedingungen für die Bewegung von Kindern zu verbessern. Dazu sollte es beispielsweise in den Kommunen mehr altersgerechte, eigenständig erreichbare und frei zugängliche Spiel-, Sport- und Grünflächen geben, mehr Bewegungsmöglichkeiten in den Schul- und Kita-Alltag integriert werden und zudem der Vereinssport stärkere Unterstützung erhalten als bisher. 

Kinder entdecken spielend die Welt

„Kinder spielen zumeist überall dort, wo es möglich ist. So entdecken sie die Welt. Deshalb brauchen wir öffentlichen Raum, der sich besser zum bewegten Spielen eignet, wir brauchen Spielplätze, die mehr bieten als eine Rutsche, Sandkiste und Schaukel, und wir brauchen Sportvereine, wo Kinder ihre Lieblingssportart gemeinsam mit anderen ausüben können. Ich freue mich zum Weltspieltag schon auf viele tolle Fotos und Videos, die Kinder und Erwachsene beim Sport zeigen. Natürlich wäre es toll, wenn auch viele prominente Erwachsene beim Weltspieltag mitmachen. Also, auf geht‘s“, sagt Regina Halmich, Botschafterin des Weltspieltages 2021.

Halmich und Neureuther Botschafter des Weltspieltags

„Bewegung an der frischen Luft ist das A und O, sowohl für die Kinder wie auch für die Eltern. Ich selbst war als kleiner Bub ständig draußen am Spielen, beim Kraxeln auf den Bäumen und Rumtoben mit meiner Schwester. Dabei spielen die Eltern eine ganz wichtige Rolle. Mir haben es damals meine Eltern von klein auf vorgelebt und gezeigt, wie viel Spaß Bewegung und Sport machen und mich immer wieder dazu animiert. Genau das lebe ich meinen Kindern jetzt auch vor. Daher mein Appell an alle: Geht gemeinsam raus und entdeckt zusammen die Natur, tobt durch den Garten und erlebt Abenteuer. Nur wenn die Eltern aktiv sind, werden die Kinder es ihnen gleichtun. Wie sonst auch, werde ich am Weltspieltag mit meinen Kindern raus gehen und jede Menge Spaß haben“, sagt Felix Neureuther, Botschafter des Weltspieltages 2021.

Natürlicher Bewegungsdrang während Corona eingeschränkt

„Kinder haben einen natürlichen Bewegungsdrang, dem sie vielfach schon vor der Corona-Pandemie nur unzureichend nachkommen konnten. Wir müssen jetzt aufpassen, dass sich durch die Einschränkungen in der Pandemie das Bewegungsverhalten von Kindern und Jugendlichen nicht grundsätzlich nachteilig verändert. Denn wenn Kinder selten herumtollen, sich nur wenig bewegen und beim Sport nicht auch mal richtig auspowern, kann das bis ins Erwachsenenalter negativen Einfluss auf die Physis haben. Aber auch die Psyche leidet unter dem Bewegungsmangel. Insbesondere Kinder aus armen Verhältnissen sind davon betroffen. Deshalb gilt es insgesamt, dem Bewegungsdrang von Kindern möglichst immer und überall freien Lauf zu lassen“, betont Holger Hofmann, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerkes.

14. Weltspieltag

Der Weltspieltag 2021 wird deutschlandweit zum 14. Mal ausgerichtet. Zum diesjährigen Weltspieltag sind Kinder und Erwachsene zu einer großen Bewegungs- und Sportaktion aufgerufen, außerdem appellieren das Deutsche Kinderhilfswerk und die Deutsche Sportjugend an Schulen und Kindergärten, öffentliche Einrichtungen, Vereine und Nachbarschaftsinitiativen, in ihrer Stadt oder Gemeinde eine beispielgebende oder öffentlichkeitswirksame Aktion durchzuführen, soweit es die Corona-Pandemie zulässt – egal ob Spiel-, Beteiligungs- oder Protestaktion. Denn der Aktionstag dient ebenso der Lobbyarbeit für das Recht auf Spiel. Die Partner sind vor Ort für die Durchführung ihrer Veranstaltung selbst verantwortlich. Das Deutsche Kinderhilfswerk stellt umfangreiche Aktionsmaterialien zum Bewerben des Weltspieltages zur Verfügung. Weitere Informationen unter www.weltspieltag.de.




Die Natur entdecken mit Philipp

Mit Philipp spielen und lernen – zwei Gratis-Downloads zum Spielen:

Die Natur steckt voller Rätsel und Geheimnisse. Für Kinder ist hier vieles völlig neu. Sie betrachten ihre Umgebung mit staunender Aufmerksamkeit. Auf viele Fragen gibt es in dem Mitmach-Buch „Die Natur entdecken“ Antworten. Was fressen Tiere? Welche Gemüsesorten gibt es? Wie kommen Töne ins Ohr? Wie wächst Kresse und was hält den Vogel in der Luft? Damit Sie gleich loslegen können, gibt es hier zwei Gratis Downloads.

Spannende Experimente und Spiele

In spannenden Experimenten können Kinder die Welt der Natur erfahren und erfassen. Eine Sonnenuhr basteln und Spiegelbilder ausmalen, weckt Verständnis für komplexe Zusammenhänge. Im Brettspiel „Tropfenreise“ etwa machen die Spieler den Wasserkreislauf mit und erfahren, was ein Tropfen so alles lernen kann.

Mit Philipp der Maus

Philipp die Maus als liebenswerter und motivierender Wegbegleiter führt die Kinder durch eine Vielzahl von kurzweiligen und lehrreichen Förderaufgaben und Experimenten. In der Verbindung von Spielfreude und klaren „Versuchsanleitungen“ sind die Experimente und Spiele gut geeignet, um Vorschulkinder spielerisch zu fördern.

Philipp Natur

Die Natur entdecken
Mit Philipp spielen und lernen
Landa, Norbert, Türk, Hanne
Oberstebrink
ISBN: 9783963040085
4,95 Euro
Mehr unter: www.oberstebrink.de

Hier kostenlos zum Herunterladen zwei Seiten aus: „Die Natur entdecken“




Ein deutliches Ausrufezeichen für die geballte Kraft des Spiels

Sabine Weinberger und Helga Lindner: Faszination Spiel

Viele Erwachsene sehen das „Spiel“ noch als eine typische Kinderaktivität an, die zu jeder Phase einer Kindheit gehört, auch wenn demgegenüber manche Eltern und sogar einige pädagogische Fachkräfte im Rahmen der vor Jahren begonnenen ‚Bildungsoffensive’ dem Spiel(en) der Kinder eine zunehmend untergeordnete Bedeutung beimessen. 

So kommt genau zum richtigen Zeitpunkt das Buch der beiden Psychotherapeutinnen Sabine Weinberger und Helga Lindner heraus, die dem SPIEL seine außergewöhnlich hohe Bedeutung für bedeutsame Entwicklungsvorgänge erneut zusprechen und diese mit vielen Informationen belegen sowie mit vielen Hinweisen ausführen. Es geht dabei um so genannte Schlüsselqualifikationen wie beispielsweise eine humanistisch orientierte Kommunikationsqualität, um Lern- und Lebensfreude, Kreativität, Begeisterungsfähigkeit oder um eine Selbstbildungsmotivation, die dem Menschen helfen, viele angelegte Potenziale zu entdecken, aufzugreifen, auszubauen und zu verfeinern. 

Dabei – und das ist das Besondere in dieser Veröffentlichung – wenden sich die beiden Autorinnen nicht nur dem Bedeutungswert des Spiels für die kindliche Entwicklung zu. Sie konzentrieren sich in ihren spannenden und überaus lesenswerten Ausführungen in der Hauptsache auf die fünf Lebensphasen, die wir Menschen erfahren dürfen: die frühe Kindheit, das Schulalter, die Jugendphase, das Erwachsenenalter und das Leben als Senior*in. 

Nachdem sich Weinberger und Lindner dem Phänomen der „Faszination“, also einer  stark emotionsgeprägten Aufmerksamkeit und ihren  Begleitelementen wie Staunen, Achtsamkeit, möglichen so genannten Flow- und Tranceerlebnissen zugewandt und das Spiel in seinen vielfältigen und ganz unterschiedlichen Facetten näher erläutert haben, folgen die fünf Kapitel mit den altersspezifischen Schwerpunkten und Besonderheiten, die sich im Spiel verbergen und mit dem Spielen zum Ausdruck kommen. 

Geschichten, Metaphern, Beispiele, viele punktgenaue und nachdenkenswerte Zitate, Zusammenfassungen und die interessanten Textausführungen sorgen zu jedem Zeitpunkt für ein tiefes Leseerlebnis, das es schwer macht, eine Pause beim Lesen einzulegen. Und besonders interessierte Leser*innen erhalten nach jedem Kapitel Hinweise auf Vertiefungsliteratur und Quellentexte. 

Dieses Buch setzt ein dringend notwendiges, schon seit einiger Zeit längst überfälliges und zugleich deutlich formuliertes Ausrufezeichen, um die geballte Kraft des Spiels und dessen förderliche Auswirkungen für alle Altersstufen herauszustellen. Gleichzeitig beinhaltet es auch mit einem doppelten Ausrufezeichen ein Gegengewicht zur immer stärker werdenden, kognitiv orientierten Verplanung von Kindheiten, zur häufig seelenlosen und übermächtigen Digitalisierung als kommunikationsunterdrückender Zeit-/Beziehungsdieb und zum zunehmend egozentrisch gestalteten Selbstoptimierungs-wahn bei vielen Erwachsenen. Um diesem Trend eine wundervolle Alternative entgegenzusetzen, lohnt es sich für Eltern und pädagogische Fachkräfte, sich neugierig, interessiert und mit einer hohen Motivation auf die „Faszination Spiel“ einzulassen. 

Armin Krenz

Bibliographie

Sabine Weinberger und Helga Lindner
Faszination Spiel
Wie wir spielend zu Gesundheit, Glück und innerer Balance finden
Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, Wiesbaden 2020
Softcover, 168 Seiten
ISBN: 978-3-658-27049-0 
19,99 €uro

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Väter und Kinder beim Spielen auf gleicher Wellenlänge

Kinder erwerben wichtige soziale Kompetenzen durch Interaktionen mit ihren Eltern:

Die Entwicklungspsychologinnen Trinh Nguyen und Stefanie Höhl von der Universität Wien erforschen, was beim Spielen mit den Eltern im Gehirn passiert. Erst kürzlich zeigten sie, dass sich während sozialer Interaktion die rhythmische Gehirnaktivität von Müttern und Kindern gegenseitig anpasst. In einer aktuellen Studie gingen sie nun der Frage nach, ob dieser Effekt auch zwischen Vätern und Kindern eintritt. Die Studie erscheint aktuell im Fachjournal „Child Development“.

Was passiert im Gehirn?

In der neuen Studie haben fünf bis sechs Jahre alte Kinder mit ihren Vätern gemeinsam oder getrennt Puzzles gelöst, so wie sie das zu Hause auch machen würden. Während des Spiels wurde durch funktionelle Nah-Infrarotspektroskopie (fNIRS) gleichzeitig die Gehirnaktivität von Vater und Kind abgeleitet. Bei dieser Methode werden Änderungen der Sauerstoffsättigung in der äußersten Schicht des Gehirns erfasst – hier insbesondere im Schläfenlappen und Frontalhirn. Eine Aktivierung in diesen Regionen steht im Zusammenhang mit dem Fassen gemeinsamer Absichten, gegenseitiger Perspektivenübernahme sowie Selbstregulation. Diese Prozesse sind besonders relevant für soziale Interaktionen und entwickeln sich im Vorschulalter.

Anpassung der Gehirnaktivität

„Wir konnten beobachten, dass eine wechselseitige Anpassung der Gehirnaktivität von Vater und Kind nur dann stattfand, wenn beide miteinander das Puzzle lösten. Zudem war die Anpassung der Gehirnaktivität höher bei jenen Vater-Kind-Paaren, in welchen sich der Vater stärker mit seiner Rolle als fürsorglicher und involvierter Vater identifizierte“, erklärt Nguyen. Die neue Studie belegt daher, dass nicht nur die Anpassung der Gehirnaktivität zwischen Müttern und Kindern, sondern auch zwischen Vätern und Kindern eine grundlegende Rolle in sozialen Interaktionen spielt.

Anpassung der Gehirnaktivität anders als bei Müttern

Interessanterweise waren die beobachteten Verhaltensmuster bei den Vater-Kind-Paaren trotz der wechselseitigen Anpassung der Gehirnaktivität anders als in den Mutter-Kind-Paaren aus der letzten Studie. Während die Anpassung der Gehirnaktivität bei den Vater-Kind-Paaren von der Identifikation des Vaters mit der Vaterrolle abhing, war bei den Mutter-Kind-Paaren entscheidend, ob beide in der Spielsituation aufeinander eingingen. Was genau diese Unterschiede bedeuten und wie sich diese möglicherweise auf die Eltern-Kind-Beziehung auswirken, wollen die ForscherInnen in zukünftigen Studien weiterführend untersuchen.

Publikation in „Child Development“:
Interpersonal Neural Synchrony During Father–Child Problem Solving: An fNIRS Hyperscanning Study. Trinh Nguyen, Hanna Schleihauf, Melanie Kungl, Ezgi Kayhan, Stefanie Höhl, Pascal Vrticka. Child Development (2021). DOI: 10.1111/cdev.13510




Spielen und lernen

Kinder spielen und lernen

Nur wenn ein Kind wirklich spielfähig ist, wird es auch schulfähig:

Heute wissen wir, dass unsere gesamte Denkentwicklung daraus entsteht, wie häufig und intensiv wir als Kind aktiv gewesen sind. Diese Aktivität besteht bei Kindern fast immer aus dem Spiel. Darüber und über vieles andere schreibt Prof. Dr. Armin Krenz in seinem Beitrag über das Spielen und Lernen.

„Spiel“ – ein Wort, das ungeahnte Möglichkeiten birgt

Gerade das Thema Spiel(en) gleicht aufgrund der Häufigkeit seiner Bearbeitung fast einem „ausgelatschten Schuh“, weil kaum eine Woche vergeht, in der nicht ein Buch über das „Spiel“ veröffentlicht wird. Und fast keine Fachzeitschrift der Pädagogik darauf verzichtet, zumindest einmal in ihrer Ausgabe zum Phänomen „Spielen“ Stellung zu beziehen. Spielseminare werden veranstaltet. Spielemessen durchgeführt, Spielpädagogik in Schulen unterrichtet und Spielmittelvertreter bieten immer neuere Produkte an. Wo also hingeschaut wird, begegnet uns der Begriff „Spiel“. Einerseits scheint eine ungeheure Faszination von dem Wort auszugehen, andererseits birgt es ungeahnte Möglichkeiten, sich damit zu beschäftigen.

Die Folgen häufigen Aussagenmatsches

Tja, und nun dieser Artikel: Was kann er schon Neues bringen, ohne alte Kamellen aufzuwärmen, und warum lohnt es sich, ihn zu lesen? Die Antwort ist klar und unmissverständlich: Weil viele Veröffentlichungen das Phänomen „Spiel“ zerschlissen, zu viele Aussagen das Thema verwässert und zu viele Menschen das „Spiel“ zerredet haben. Was bleibt, ist nicht selten ein „Matsch von Aussagen“, die wirklichkeitsfremd, zu abgehoben und letztlich unklar sind.

Deshalb soll in dem Artikel ein Bereich besonders beachtet werden: bestehende Zusammenhänge zwischen Spiel- und Schulfähigkeit bei Kindern im Kindergartenalter. Die Folge häufigen „Aussagematsches“ über das Spiel sind bedenklich und nicht selten in der Praxis des Kindergartens zu beobachten:

Es werden zum Beispiel so unsinnige Trennungen gezogen zwischen dem „freien“ und „gebundenen Spiel“. Spiel wird als methodisches Mittel eingesetzt oder in den Erklärungen von ErzieherInnen Eltern gegenüber, warum das Spiel für Kinder wichtig ist, folgen ungenaue und unvollständige Erklärungen. Außerdem sind Seminare zum Thema „Spiel“ nahezu immer ausgebucht. Obgleich ja davon ausgegangen werden kann, dass ErzieherInnen während ihrer Ausbildung in dieser Frage genügend Spielkompetenz erworben haben. Es verwundert in diesem Zusammenhang nicht, dass etwa acht von zehn Kindergärten, die einen Referentenelternabend durchführen, den Wunsch äußern, zum Thema dieses Artikels dezidierte Ausführungen zu hören.

Spielen ist lernen – nicht mehr und nicht weniger

Wenn, wie wir wissen, die gesamte Denkentwicklung von Menschen daraus entsteht, wie häufig und intensiv sie als Kind aktiv gewesen sind/sein konnten, und wir gleichzeitig wissen, dass das gesamte Handeln von Kindern dazu dient, sich selber als ein „selbstbestimmter Bewirker“ zu erleben, sich in seinen Möglichkeiten und Grenzen zu erfahren, alte Erfahrungen auf neue Situationen zu übertragen und neue Erfahrungen zu bestaunen, dann heißt das zunächst einmal, dass das Tun für Kinder absolute Priorität vor allen anderen Äußerungsmöglichkeiten hat.

Wenn wir zudem wissen, dass das Spiel die Hauptaktivität von Kindern ist – nicht das Reden oder Zuhören, nicht das Besprechen von irgendwelchen Situationen –, dann ergibt sich die logische Zusammenführung, dass das Spiel eine kindgemäße, von ihm selbst gewünschte und mit Erlebnissen besetzte Handlungsaktivität ist, die immer im Zusammenhang mit seiner Lebensumwelt verbunden und daher für das Kind ernst, bedeutungsvoll und real ist.

Kinder lernen durch Handeln

Nur durch Tätigkeit lernt ein Kind Verhaltensweisen, die es in sein Verhaltensrepertoire aufnimmt und damit in seine Persönlichkeit integriert. Daher nimmt es – in diesem Zusammenhang – nicht wunder, dass zum Beispiel viele Gespräche mit Kindern über irgendetwas in der Regel keine langfristigen Auswirkungen haben. Und dies den Kindern zum Vorwurf zu machen hieße, entwicklungspsychologische Schritte bei Kindern zu missachten.

Spielen ist ein innerer Impuls

So heißt „Spielen“ für Kinder, den eigenen, inneren Impulsen nach Aktivität zu entsprechen, bestimmte Handlungsmöglichkeiten zu erproben und seinen Verhaltensspielraum zu erweitern. Es erscheint in diesem Zusammenhang fast überflüssig zu sein, eindringlich darauf hinzuweisen, dass also der Begriff „Lernen“ zunächst nichts mit „Intelligenzerweiterung“, „Begabungsausbau“ oder ähnlichen Begriffen zu tun hat. zumal – wie oben erwähnt – Kinder in ihrer Entwicklung mit/aus ihrem Spielen Verhaltensweisen (zum Beispiel Konzentration, Aufmerksamkeit) auf- und ausbauen.

Spielförderung bedeutet Unterstützung der Persönlichkeitsentwicklung

Spielförderung von Kindern im Kindergarten geht somit mit der Persönlichkeitsentwicklung und ihrer Fähigkeitenerweiterung Hand in Hand; Fähigkeiten, die sowohl für ihr eigenes Leben als auch für die Schule wichtig und bedeutsam sind. Die Entwicklung der Spielfähigkeit bei Kindern unterbrechen heißt, sie in ihrer Gesamtpersönlichkeitsentwicklung zu bremsen, Teilleistungsschwierigkeiten (zum Beispiel in der Sprache) zu provozieren und wesentliche Kompetenzen bezüglich der Schulfähigkeit zu beschneiden.

Spielfähigkeit als Voraussetzung zur Schulfähigkeit

Auf Grund der zuletzt vorgenommenen Aussage ist es nicht verwunderlich, dass zum Beispiel bei schulversagenden Kindern, die trotz durchschnittlicher, guter oder sogar sehr guter Begabung/Intelligenz große oder größte Schwierigkeiten in der Schule zeigen, immer wieder folgende Daten auffallen:

  • Sie wurden zu früh eingeschult.
  • Sie wurden im Kindergarten und/oder zu Hause zu früh mit kognitiven Ansprüchen konfrontiert und damit über- fordert und
  • ein überaus großer Teil der Kinder ist in seiner Spielfähigkeit eingeschränkt.

Es kann in diesem Zusammenhang nicht Aufgabe sein, in besonderem Maße auf die ersten beiden Punkte einzugehen. Nur soviel sei kurz angemerkt: Häufig werden in der Beurteilung von Schulfähigkeit bei Kindern zwei Merkmale miteinander verwechselt: Begabung und Schulfähigkeit. Unter Begabung verstehen wir die Leistungskapazität von Kindern. Also ihre Möglichkeiten, sich sprachlich auszudrücken, logisches Denken zu realisieren, Beziehungen und Gesetzmäßigkeiten zu erkennen oder Sinnzusammenhänge zu erfassen.

Demgegenüber ist Schulfähigkeit etwas völlig anderes, nämlich neue und unbekannte Anforderungen auf Grund einer stabilen Selbstsicherheit neugierig und aufmerksam sowie angstfrei aufzugreifen und mit Interesse und Konzentration nach einer Lösung zu suchen und zu finden.

Geht es bei der Begabung also um eine eher kopforientierte (= kognitive) Leistungsmöglichkeit, so zeichnet sich Schulfähigkeit durch eine reale, zu beobachtende Handlungsaktivität aus.

Ein simpler Vergleich sei erlaubt: Eine Person mit Angst vor Hunden kann zwar wissen, dass ein bestimmter Hund nicht beißt, wird aber dennoch die Straßenseite wechseln, um ihm nicht zu begegnen. Das Wissen hilft der Person also nicht dabei, ihren Weg auf der Straßenseite mit dem Hund fortzusetzen. Oder: Ein Kind mit massiven Sprachschwierigkeiten weiß zwar, dass ihm nichts Ernsthaftes passiert, wenn es spricht und dabei stottert, schränkt seine Sprechhäufigkeit aber trotzdem immer weiter ein. Wissen (= Begabung) und Können (= Schulfähigkeit) sind daher immer zwei deutlich unterschiedliche Bereiche.

Kinder wollen ihre Lebenssituation begreifen

Zum anderen wissen wir, dass Kinder im Kindergartenalter – gerade auf Grund heutiger veränderter Lebenssituation im Vergleich zu früheren Kindheitserfahrungen – vor allem darum bemüht sind, ihre besondere Lebenssituation zu begreifen, Erfahrungen zu verarbeiten, Enttäuschungen und „Unbegreiflichkeiten“ (zum Beispiel Elternstreit unverstandene Fernsehgeschichten) nachzuvollziehen und für sie offene Fragen zu beantworten. Kinder sind mit sich beschäftigt, ihrer Sicht von Wirklichkeit und ihrem Verständnis von Richtigkeit. Dabei stören letztendlich irgendwelche, von Erwachsenen ausgearbeitete Denkaufgaben den Prozess der Kinder sich zu definieren und umfassend zu begreifen.

Auch wenn vorschulische Arbeit von ErzieherInnen und Eltern mit noch so guten Absichten eingesetzt wird: Dies geht grundsätzlich an der Aufgabe des Kindergartens vorbei, entspricht nicht der Entwicklungsrealität von Kindern und bedingt langfristig genau das Gegenteil im Hinblick auf Intelligenzförderung. Verschiedene Untersuchungen belegen dies eindeutig. Leider ist dies schon lange bekannt. Dennoch hält sich das Märchen von der „frühen Vorschulförderung als ein guter Start fürs Leben“ weiterhin aufrecht mit dramatischen Folgen für Kinder.

Schulversagen und Einschränkung der Spielfähigkeit

Nun folgt eine entscheidende Beobachtung: Kinder, die in Teilbereichen oder auf ganzer Linie in der Schule versagen, zeigen in hohem Maße Einschränkungen in ihrer Spielfähigkeit. Umgekehrt ist es so, dass Kinder mit einer ausgesprochen guten Spielfähigkeit durchweg den Anforderungen in der Schule entsprechen.

Natürlich können und müssen hier Vermutungen geäußert werden: Offensichtlich haben Kinder mit einer guten Spielfähigkeit Kompetenzen zur Verfügung, die notwendig für ihr Bestehen in der Schule sind. Gleichzeitig bringen kognitive Förderungsprogramme den emotionalen Entwicklungsprozess bei Kindern durcheinander, der wiederum dafür verantwortlich ist, dass sie in ihrem Aufbau der Spielfähigkeit gehandicapt werden. Und genau hier schließt sich der Kreis. Folgendes Schaubild mag dies verdeutlichen:

Eingeschränkte Spielfähigkeit, bedingt durch Geschehnisse/Situationen in der unmittelbaren Umgebung des Kindes = eingeschränkte Schulfähigkeit

Im Gegensatz dazu:

Gute Spielfähigkeit bedingt durch kindgerechte Rahmenbedingungen im Kindergarten bezüglich des Spiels und einer hohen Wertschätzung durch die Eltern = vorhandene Schulfähigkeit

Was „Spielfähigkeit“ bedeutet

Spätestens jetzt kommt die Frage auf, was denn unter Spielfähigkeit verstanden wird: Darunter verbirgt sich die grundsätzliche Fähigkeit (= Kompetenz), die Fülle der Spielformen, wie zum Beispiel Rollen-, Imitations-, Bewegungs-, Regel-, Fantasie-, Strategie-, Funktions-, Imaginations- und darstellendes Spiel aktiv zu erleben und ohne und mit Material, alleine und mit anderen Personen, langfristig und ausdauernd sowie mit Neugierde, Aufmerksamkeit und Konzentration belastbar eine Spielsituation zu gestalten.

Selbstverständlich können sich Kinder nur dort spielend erfahren und verwirklichen, wo einerseits die gesamte Atmosphäre zum Spielen motiviert, andererseits Kinder genügend Raum zur Verfügung bekommen, in dem sie sich ernst genommen fühlen. Dies passiert dann, wenn Kinderbedürfnisse zum Ausgangspunkt der Pädagogik gemacht werden und nicht Eltern/ErzieherInneninteresse die Arbeit bestimmt.

Schulfähigkeit als Folge von Spielfähigkeit

Es fasziniert immer wieder, Verhaltensweisen bei Kindern zu beobachten, die viel und intensiv spielen, im Kindergarten, zu Hause und mit Freunden in deren Umgebung. Sie zeichnen sich zum Beispiel dadurch aus, dass sie in der Regel ausgeglichen, zuversichtlich, voller eigenem Vertrauen, bewegungsaktiv und -koordiniert, kontaktfreudig, ausdauernd und motiviert, sprachaktiv und kooperativ, wahrnehmungsoffen und aufmerksam, interessiert, neugierig und fantasievoll sind. Bringen wir diese Beobachtungen und weitere differenzierte Wahrnehmungen in ein Ordnungsraster im Hinblick auf grundsätzliche Kriterien zur Schulfähigkeit, so ergibt sich folgendes Bild: Schulfähigkeit ist definiert als ein Kompetenzgefüge mit folgenden Teilfähigkeiten:

Kognitive Schulfähigkeit, zum Beispiel

  • Kinder zeichnen sich durch Konzentration, also Ausdauer und Genauigkeit aus,
  • haben ein aktives Sprechverhalten,
  • besitzen einen guten Sprachfluss, einen großen Wortschatz,
  • denken in folgerichtigen Kausalzusammenhängen,
  • können Informationen abstrakt und logisch weitergeben,
  • besitzen eine gute Wahrnehmungs- und Beobachtungsfähigkeit.

Emotionale Schulfähigkeit, zum Beispiel

  • Kinder sind gefühlsmäßig eher ausgeglichen,
  • stehen neuen Anforderungen zuversichtlich gegenüber,
  • haben Vertrauen in die eigene Person,
  • verarbeiten Enttäuschungen eher ruhig und konstruktiv,
  • können uneindeutige Situationen in gewissem Rahmen aushalten,
  • zeigen eine hohe Anstrengungsbereitschaft

Motorische Schulfähigkeit, zum Beispiel

  • Kinder haben ein gutes Reaktionsvermögen,
  • zeichnen sich durch eine gute visuellmotorische
  • Koordinationsfähigkeit aus,
  • können ihre Feinmotorik steuern,
  • setzen grobmotorische Aktivitäten bewusst ein.

Soziale Schulfähigkeit, zum Beispiel

  • Kinder haben eine altersentsprechende Toleranzhaltung,
  • nehmen gerne Kontakt zu anderen Menschen auf,
  • sind in einer Gruppe ansprechbar,
  • halten Kontakte einerseits aufrecht, brechen aber auch Kontakte überlegt und gezielt ab,
  • haben keine Schwierigkeiten, sich von vertrauten Personen zu lösen,
  • halten Regeln ein beziehungsweise arbeiten an ihrer Veränderung.

Spielfähigkeit und Schulfähigkeit

Vergleichen wir nun die Fähigkeiten von Kindern, die sich durch eine gute Spielfähigkeit auszeichnen, mit den Anforderungen der Verhaltensweisen, die einer Schulfähigkeit zugerechnet werden, fällt auf, dass Deckungsgleichheit besteht. Das heißt im Einzelnen:

  • Kinder erwerben beim Spielen die Fähigkeiten und Fertigkeiten, die sie brauchen, um schulfähig zu sein.
  • Schulfähigkeit ist eine mittelbare Folge aus der Spielfähigkeit. Sie zu beschneiden hieße, Kinder im Aufbau ihrer Schulfähigkeit aktiv und passiv behindern.
  • Kognitive Lernprozesse geschehen gerade während des Spiels. Also in Situationen, die nicht von Erwachsenen im Hinblick auf kognitive Förderung strukturiert sind!
  • Eine der wesentlichen Grundlagen für Intelligenz und Selbstbewusstsein von Menschen ist die Fähigkeit, sich in andere Menschen, ihre Absichten und Gedanken, hinein- versetzen zu können. Genau dies geschieht im Spiel und gerade nicht beim so genannten „vorschulischen Arbeiten“.
  • Die „allgemeine Schulfähigkeit“ ist immer nur dann ge- geben, wenn die „emotionale Schulfähigkeit“ ausgeprägt ist. Sie dominiert an erster Stelle und kann sich nur dort entwickeln, wo Kinder ausgiebig spielen.
  • Nur wenn die „emotionale Schulfähigkeit“ bei Kindern ausgeprägt ist, kann sich die „kognitive Schulfähigkeit“ am besten entwickeln.

Ausblick

Spiel schafft Kindern Identität und vermittelt ihnen, wer sie sind, was sie können, wie ernst sie genommen werden und welche Achtung sie real erfahren. Natürlich wäre es völlig falsch, die Förderung der Spielfähigkeit lediglich unter dem Aspekt einer Schulfähigkeit zu sehen: Damit würde das Spiel pervertiert werden. Vielmehr dient das Spiel den Kindern dazu, sich in ihrer Gesamtpersönlichkeit zu erfahren und zu entwickeln. Weil es genau ihre Möglichkeit ist, ihr Leben spielend zu begreifen.

Wir wissen, dass auf der einen Seite die Lebensrealität von Kindern sowohl durch Elternforderungen und familiären Druck, massiv zunehmende Medieneinwirkungen und ökologische Dramen gekennzeichnet ist. Auf der anderen Seite durch gleichbleibend ungünstige Bedingungen in pädagogischen Einrichtungen immer größere Anforderungen an Kinder ( Eltern und ErzieherInnen) gestellt werden. So nimmt es nicht wunder, dass „auffällige Verhaltensweisen“ bei Kindern in einigen Verhaltensbereichen, wie zum Beispiel Sprache, Psychosomatik und Selbstwertgefühl, in Form von Sprachauffälligkeiten, körperlicher Anfälligkeit bei seelischer Belastung und zunehmender Angst in den letzten beiden Jahr- zehnten erheblich zugenommen haben.

Dem muss kompetent begegnet werden in Gesprächen mit KollegInnen, Eltern, MitarbeiterInnen anderer Einrichtungen, Berufs- verbänden und mit Trägern sowie in der Veränderung von Situationen. So auch in der Forderung, zum Beispiel dem Spiel absolute Priorität im Umgang mit Kindern zu gewähren, vorschulische Arbeitsblätter und -programme zu verbannen und eine Öffentlichkeitsarbeit zur Bedeutung des Spiels für die Entwicklungsmöglichkeiten von Kindern – auch im Hinblick auf ihre Schulfähigkeit – voranzubringen, dass gerade ErzieherInnen auf Grund ihres faktischen Wissens daran mitarbeiten, die Welt von Kindern aktiv mitzuverändern im Sinne des Schaffens von Spielwelten, wo es Spaß macht, als Kind zu leben und ausgiebig zu spielen.

Gleichzeitig sind aber auch politische Mandatsträger gefordert, Vorschulen systematisch aufzulösen, für wirklich attraktive Spiel- flächen und -plätze zu sorgen und vor allem endlich Konsequenzen aus Untersuchungsergebnissen zu ziehen, wenn es zum Beispiel um das Einschulungsalter geht. Wir wissen, dass die Zahl der schulversagenden Kinder, die mit knapp sechs Jahren eingeschult werden, um ein Vielfaches höher ist als die Anzahl der Kinder, die erst mit sieben Jahren eingeschult werden. Gleichzeitig wissen wir, dass die Entwicklung der Spielfähigkeit sich bis ins 7. Lebensjahr der Kinder hineinbringt (Parallelität von Schul- und Spielfähigkeit).

Welch ein Beleg zur Durchsetzung der Forderung, Kinder erst mit sieben Jahren einzuschulen! Die Schule muss sich fragen, wie kinderfreundlich und kindfähig sie ist. Lehrerinnen haben eine Antwort auf die Frage zu finden, welches Lernverständnis sie zur Grundlage ihres Unterrichts gewählt haben und wie kindzentriert ihre Schulstunden ausgerichtet sind. Die Arbeit der ErzieherInnen wird sich daran messen, wie spielkompetent die Kinder während der Kindergartenzeit wurden, ohne dass das Spiel zu einem methodischen Mittel degradiert und sinnentleert wurde.

Armin Krenz