Erste Schritte in der Sprachentwicklung des Babys

Im Verlauf des ersten Lebensjahres macht ein Kind bereits enorme Schritte in seiner sprachlichen Entwicklung

Babys möchten Sprache hören

Von Geburt an zeigt ein Kind bereits eine besondere Vorliebe für menschliche Stimmen und ist „ganz Ohr“, wenn Mutter oder Vater mit ihm sprechen: Kein Geräusch ist so interessant wie die menschliche Stimme. Dabei kommt es zunächst gar nicht so sehr darauf an, was sondern wie etwas gesagt wird. Ohne dass es Eltern bewusst ist, „verwöhnen“ sie meist bereits ihr Neugeborenes mit Sprache, liebkosen es durch Streicheln wie auch mit ihrer Stimme. Es erfährt auf diese Weise ihre Zuwendung, Nähe und Wärme und kann sich angenommen und willkommen fühlen. Damit ist die Sprache – lange bevor ein Kind selbst sprechen kann – von Geburt an ein wichtiges Bindeglied in der Beziehung zwischen Eltern und ihrem Kind.

Verständigung ist der „Motor“ der Sprachentwicklung

Ihr Kind möchte sich von Anfang an mit Ihnen verständigen, und es kann dies bereits auf vielfältige Weise: 

  • Schreien ist in den ersten Lebensmonaten das stärkste Ausdrucksmittel des Säuglings.
  • Aber auch durch Körpersprache, Gesichtsausdruck und vor allem im Blickkontakt teilt Ihnen Ihr Kind mit, ob es sich wohl oder unbehaglich fühlt, ob es spielen oder seine Ruhe haben möchte.

Als Mutter oder Vater deuten Sie die Äußerungen Ihres Babys vermutlich meist intuitiv richtig und „beantworten“ sie entsprechend:

  • Wenn es Ihren Blick sucht, spielen und sprechen Sie zum Beispiel mit Ihrem Baby.
  • Wenn es weint und unruhig ist, wiegen Sie Ihr Baby auf dem Arm und trösten es mit sanfter Stimme,
  • Wenn Ihr Baby interessiert nach seinem Spielzeug schaut, reichen Sie es ihm.

In diesem wechselseitigen Austausch macht Ihr Kind zunehmend die Erfahrung, dass es sich mitteilen und damit etwas bewirken kann; dass Verständigung Spaß macht und es sich wohl dabei fühlt.

Vertraut werden mit Sprache

Mit jeder „Unterhaltung“ wird Ihr Kind etwas mehr mit „seiner“ Sprache vertraut – wenn sie ihm beispielsweise beim Baden oder Wickeln erzählen, was sie gerade tun, ihm etwas vorsingen oder wenn Sie es mit dem Klang Ihrer Stimme zu beruhigen oder zu ermuntern versuchen. Ihr Kind bekommt hierbei ein immer besseres Ohr für die Laute seiner Muttersprache:

  • Bereits in den ersten Lebenswochen verfeinert es zunehmend seine Fähigkeit, Stimmen und Sprachmelodien – zum Beispiel beruhigend oder Aufmerksamkeit erregend – zu unterscheiden.
  • Mit etwa zwei Monaten weiß Ihr Kind, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen seinem Befinden und der Art und Weise, wie Sie es ansprechen: Wenn es unruhig ist und sich unwohl fühlt, hört es Ihre tröstende Stimme mit gedehnten Worten und einer eher tiefen, fallenden Sprachmelodie; wenn es wach und aufmerksam ist und Sie mit ihm spielen, nimmt es eine eher steigende Sprechmelodie wahr.
  • Wenig später, mit drei, vier Monaten lernt Ihr Kind allmählich, auch die Geschehnisse ringsum mit der gehörten Sprache in Verbindung zu bringen. Es erkennt nun vielleicht schon seinen Namen und versteht – etwa mit vier Monaten – einen freundlichen Gesichtsausdruck und Tonfall von einem ärgerlichen zu unterscheiden.
  • Kaum einen Monat später begreift es, dass ein ärgerlicher Gesichtsausdruck auch mit einer ärgerlichen Stimme, ein lächelndes und freundliches Gesicht dagegen mit einer freundlich klingenden Stimme verbunden ist.

Auf dem Weg zum ersten Wortverständnis

In den ersten sechs Monaten hat Ihr Kind somit schon jede Menge gelernt. Den Inhalt einzelner Wörter oder Sätze kann es zwar noch nicht verstehen, aber viele sind ihm inzwischen bereits ebenso vertraut geworden wie die damit verbundenen tagtäglichen Tätigkeiten.

Jetzt, da es immer beweglicher wird, interessiert sich Ihr Kind mehr und mehr für seine Umwelt, erkundet die Gegenstände mit den Händen, mit dem Mund, mit den Augen. Dabei hört es Ihre ermunternden Worte und wie Sie etwas bezeichnen, mit dem es sich so ausgiebig beschäftigt:

  • Nach und nach begreift Ihr Kind, dass bestimmte Personen mit einem bestimmten Namen, Gegenstände, Situationen und Handlungen mit bestimmten Worten verbunden sind.
  • Ab etwa acht Monaten beginnt Ihr Kind schließlich, erste Worte zu verstehen, auch wenn diese – ebenso wie Form oder Farbe – zunächst noch untrennbar mit einem bestimmten Gegenstand verbunden sind: Nur sein roter Ball ist ein Ball!

Gegen Ende des ersten Lebensjahres kann Ihr Kind wahrscheinlich bereits 50 bis 100 Wörter verstehen. Es versteht nun einfache Aufforderungen, wie zum Beispiel „Gib mir den Ball!“, und reagiert sinngemäß auf Fragen wie „Wo ist denn der Papa?“ Es winkt, wenn es „Auf Wiedersehen“ hört, schüttelt den Kopf bei „Nein“ und klatscht in die Hände, wenn es sich freut.

Über spielerisches Erproben der Stimme zum ersten Wort

So wie das Verständnis von Sprache zusehends zunimmt, so entwickelt ein Kind im Verlauf des ersten Lebensjahres auch enorme Fähigkeiten, Laute zu bilden und zu äußern:

  • Mit etwa zwei Monaten, vielleicht auch schon früher, beginnt Ihr Baby gurrend und schnalzend mit ersten, zunächst zufälligen „Stimmübungen“. Für Sie als Mutter oder Vater sind diese ersten Laute geradezu eine Einladung zu einem „wirklichen Gespräch“. Wahrscheinlich „antworten“ Sie Ihrem Kind, indem Sie seine Laute immer wieder nachahmen, variieren und abwandeln. Dabei beobachtet Ihr Kind mit zunehmender Aufmerksamkeit Ihren Mund und Ihre Lippenbewegungen. Es lernt nun, die anfangs zufälligen Muskelbewegungen in Mund, Hals und Kehlkopf immer besser zu kontrollieren.
  • Schon bald – ab etwa drei Monaten – antwortet Ihr Kind Ihnen quietschend, brummend und juchzend, wenn Sie es ansprechen oder mit ihm spielen. Es erprobt nun mit wachsender Begeisterung seine Stimme, lacht und brabbelt vergnügt vokalartige Laute wie „a“ und „i“ vor sich hin oder versucht, Sie damit zum Spielen aufzufordern.
  • Ab etwa fünf, sechs Monaten plappert Ihr Kind bereits erste Silben, indem es verschiedene Laute miteinander verbindet, sie zu Ketten aneinanderreiht und schließlich verdoppelt: „da-da-da-da“, „da-da“. Es hört sich dabei selbst zu und vermag seine Laute immer mehr der gehörten Sprache in seiner Umgebung anzupassen.
  • Im Rede- und Antwortspiel „antwortet“ Ihnen Ihr Kind nun mit verschiedenen Lauten und Tönen. Es lauscht, wenn Sie die Töne nachahmen und wiederholen, und ist begeistert, wenn es Ihnen erneut plappernd antworten kann.
  • Gegen Ende des ersten Lebensjahres oder etwas später – beginnt Ihr Kind schließlich die ersten Wörter zu plappern; meist sind dies „Mama“ und „Papa“ oder Wörter mit symbolischer Bedeutung, wie zum Beispiel „nam-nam“ für Essen.

Risiken für die sprachliche Entwicklung frühzeitig erkennen

Damit sich Ihr Kind sprachlich gut entwickeln kann, muss es gut hören können.

  • Auch wenn ein Hörtest keine auffälligen Befunde gezeigt hat, sollten Sie dem Hörvermögen Ihres Kindes besondere Aufmerksamkeit schenken und hin und wieder bewusst darauf achten, ob und wie Ihr Kind zum Beispiel auf Geräusche reagiert.
  • Wenden Sie sich unbedingt an Ihren Kinderarzt oder Ihre Kinderärztin, wenn Sie den Eindruck haben, Ihr Kind höre nicht gut oder plappere nach dem ersten Halbjahr für sein Alter zu wenig.
    (Stand: 4.9.2021)

Quelle: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, kindergesundheit-info.de, http://www.kindergesundheit-info.de/themen/ernaehrung/0-12-monate/beikosteinfuehrung/, CC BY-NC-ND




Ursprung kulturellen Lernens: Babys imitieren, weil sie imitiert werden

Der Ursprung sozialen Lernens beim Menschen liegt in der Interaktion von Säugling und seinen Bezugspersonen

Ohne darüber nachzudenken, lernt der Mensch laufend von anderen. Soziales Lernen vermeidet mühsames Ausprobieren, das Rad muss nicht jedes Mal neu erfunden werden. Doch woher kommt diese Fähigkeit, die Grundlage für kulturelles Lernen und damit den evolutionären Erfolg der menschlichen Spezies ist? Eine Studie unter der Leitung von Professor Markus Paulus, Inhaber des Lehrstuhls für Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU), belegt, dass sie in der frühesten Kindheit wurzelt. „Kinder erwerben die Fähigkeit zur Imitation, weil sie selbst von ihren Bezugspersonen imitiert werden“, sagt Markus Paulus.

Kinder sind Imitationswunder – ihre Eltern sorgen dafür, dass sie es werden

Für die Studie wurde die Interaktion zwischen Mutter und Kind über mehrere Monate untersucht. Zum ersten Mal kamen die Babys im Alter von sechs Monaten ins Labor, die letzte Untersuchung fand im Alter von 18 Monaten statt. Im Rahmen spielerischer Situationen wurden Interaktionen und Imitationen von Mutter und Kind analysiert.

Die Längsschnittstudie zeigt: Je feinfühliger die Mutter mit ihrem sechs Monate alten Kind umging und je öfter sie es nachahmte, desto stärker war bei diesem im Alter von 18 Monaten die eigene Fähigkeit ausgeprägt, andere zu imitieren.

In der Interaktion von Eltern und Kind ist das gegenseitige Nachahmen ein Zeichen von Kommunikation. Eltern gehen auf die Signale des Kindes ein, spiegeln und verstärken sie. Es kommt zu einer gegenseitigen Imitation von Handlungen und Gesten. „Über diese Erfahrungen verbindet sich das, was das Kind fühlt und tut, mit dem, was es sieht. Es bilden sich Assoziationen heraus. Das visuelle Erleben wird mit der eigenen motorischen Handlung verknüpft“, erläutert Markus Paulus den neurokognitiven Prozess.

Durch Nachahmung lernen Kinder zum Beispiel, Objekte zu nutzen, kulturtypische Gesten wie zum Beispiel das Winken ebenso wie den Erwerb von Sprache. „Kinder sind Imitationswunder. Das Nachahmen ebnet ihnen den Weg zu ihrer weiteren Entwicklung. Mit Imitation beginnt der kulturelle Prozess der Menschwerdung“, so Markus Paulus. Lange galt in der Psychologie die Theorie, dass die Fähigkeit zur Nachahmung angeboren sei. Die LMU-Studie ist nun ein weiterer Beleg dafür, dass sie erst erworben werden muss.

Auf der Nachahmung basiert die kulturelle Weitergabe von Wissen

Entscheidend dafür, wie gut Kinder lernen, andere zu imitieren, ist, dass Eltern feinfühlig auf ihr Kind reagieren. Als Feinfühligkeit wird die Fähigkeit einer Bezugsperson bezeichnet, Signale des Kindes wahrzunehmen und rasch und adäquat darauf zu reagieren. „Die Feinfühligkeit der Mutter ist ein Prädiktor dafür, wie stark sie ihr Kind nachahmt“, sagt Dr. Samuel Essler, Erstautor der Studie.

Die Studie zeigt zudem, was den Menschen als soziales Wesen ausmacht: Seine individuellen Fähigkeiten entwickeln sich erst durch die Interaktion mit anderen. Sie sind der besonderen Art zu verdanken, wie der Mensch seinen Nachwuchs aufzieht.

„Indem Kinder Teil einer sozialen Interaktionskultur sind, in der sie imitiert werden, lernen sie von anderen zu lernen. Dieses Wechselspiel hat über Generationen und Jahrtausende zur kulturellen Evolution des Menschen geführt“, sagt Markus Paulus. „Durch soziales Lernen müssen Handlungen oder bestimmte Techniken nicht immer wieder neu erfunden werden, sondern es gibt eine kulturelle Weitergabe von Wissen. Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Fähigkeit zur Imitation und damit zum kulturellen Lernen selbst ein Produkt kulturellen Lernens ist, insbesondere der Eltern-Kind-Interaktion”, sagt Markus Paulus.

Originalpublikation: https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0960982223011648?dgcid=coauthor

Quelle: LMU Stabsstelle Kommunikation und Presse/Ludwig-Maximilians-Universität München




Warum Kleinkinder ein unterschiedliches Schlafbedürfnis haben

Forscher stellen Zusammenhang zwischen Schlafhäufigkeit, geistiger Entwicklung und Sprachentwicklung fest

Babys und Kleinkinder, die häufiger ein Nickerchen machen, haben laut einer Studie der University of East Anglia meist einen kleineren Wortschatz und schlechtere kognitive Fähigkeiten als ihre Altersgenossen. Das Schlafbedürfnis der Kinder begründet sich aus Sicht des Forscherteams rund um die Psychologin Dr. Teodora Gliga darin, dass diese Kinder Informationen während des Schlafs weniger gut verarbeiten können und deshalb mehr schlafen müssten.

Viele Eltern sorgen sich in Bezug auf den Schlaf ihrer Kinder, dass sie nicht so viel schlafen, wie für ihr Alter erwartet wird – oder dass sie zu häufig und zu lange schlafen.“, sagt Dr. Gliga. „Unsere Forschung zeigt jedoch, dass die Häufigkeit des Mittagsschlafs eines Kindes seine individuellen kognitiven Bedürfnisse widerspiegelt. Manche Kinder können Informationen im Schlaf besser verarbeiten und schlafen daher seltener. Kleine Kinder schlafen von Natur aus so lange, wie sie brauchen, und das sollte man ihnen auch erlauben.“

Untersuchungsaufbau

Das Forschungsteam untersuchte 463 Kleinkinder im Alter zwischen acht Monaten und drei Jahren während der Schließung im Jahr 2020. Die Eltern wurden zu den Schlafgewohnheiten ihrer Kinder, ihrer Fähigkeit, sich auf eine Aufgabe zu konzentrieren, Informationen im Gedächtnis zu behalten, und der Anzahl der Wörter, die sie verstanden und sagen konnten, befragt. Außerdem wurden die Eltern zu ihrem sozioökonomischen Status befragt – einschließlich ihrer Postleitzahl, ihres Einkommens und ihrer Bildung – sowie zum Umfang der Bildschirmzeit und der Aktivitäten im Freien, denen ihr Kind nachgeht.

„Die Schließung gab uns die Möglichkeit, das intrinsische Schlafbedürfnis der Kinder zu untersuchen, denn wenn Kinder in der Kinderbetreuung sind, halten sie selten so viel Mittagsschlaf, wie sie brauchen.“, erläutert Dr. Gliga. „Wir haben festgestellt, dass die Struktur des Tagesschlafs ein Indikator für die kognitive Entwicklung ist. Kinder, die häufiger, aber kürzer schliefen als für ihr Alter erwartet, hatten einen kleineren Wortschatz und schlechtere kognitive Funktionen.“


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Damit alle ruhig schlafen können

Schlaflose Nächte sind für viele Eltern von Babys und Kleinkindern ein Problem. Jetzt gibt es die sechs besten Ein- und Durchschlaf-Programme in einem Buch. Mit Anleitungen und Orientierungshilfen, damit Sie genau die Methode finden, die für sie und Ihr Kind richtig ist. Mit psychologischen Hintergründen, die die eigentlichen Ursachen von kindlichen Ein- und Durchschlaf-Problemen erklären. Mit Tipps und Erläuterungen, was man schon im Laufe des Tages für eine ruhige Nacht tun kann. Mit vielen anschaulichen Fallbeispielen aus der täglichen Beratungspraxis der Autorin.

Petra Weidemann-Böker
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Die Ergebnisse stellen frühere Vorstellungen in Frage, wonach Erzieherinnen und Erzieher bei allen Kindern im Vorschulalter häufige Nickerchen fördern sollten. Stattdessen fordert das Forscherteam die individuellen Schlafbedürfnisse der Kinder zu berücksichtigen.

Sozioökonomische Faktoren

Interessanterweise wurde in der Studie beobachtet, dass Kinder aus niedrigeren sozioökonomischen Verhältnissen während der Schließung eher einen schlechteren Schlaf hatten. Allerdings ließen sich die Unterschiede in den Schlafmustern nicht vollständig durch eine erhöhte Bildschirmzeit und weniger Aktivitäten im Freien erklären. Die Forscher fordern die Betreuer auf, bei der Bestimmung des Schlafbedarfs von Kindern deren geistiges Alter und nicht ihr chronologisches Alter zu berücksichtigen.

Die Forschung wurde in Zusammenarbeit zwischen der University of East Anglia, der University of Oxford, der Oxford Brookes University, der University of Leeds und der University of Warwick durchgeführt und vom Economic and Social Research Council (ESRC) finanziell unterstützt.

Sorgen müssen sich die Eltern von Kindern, die häufig schlafen, genauso wenig machen, wie sich die Eltern von Wenigschläfern entspannt zurücklehnen können. Kinder entwickeln sich einfach unterschiedlich. Entscheidend ist nur, dass Kinder ihre ganz individuellen, echten Bedüfnisse erfüllt bekommen.

Die Studie wurde in der Zeitschrift JCPP Advances veröffentlicht.




Die Entwicklung der Sprache spielerisch unterstützen

Sprachspile

Charmaine Liebertz hat zahlreiche Spiele entwickelt, um die Sprachbildung von Kindern zu unterstützen

Sprache ist unser wichtigstes Werkzeug für ein harmonisches Zusammenleben. Die Spielekartei Sprachförderung hilft schon den Kleinsten, ihre Sprechmotorik zu trainieren und die Zusammenarbeit im Spiel durch Sprache zu koordinieren. Die spannenden und originellen Spielideen unterstützen die natürliche Sprachentwicklung und helfen Ihnen Schwächen gezielt zu trainieren. Die drei folgenden Spiele unterstützen Kinder bei der Sprachentwicklung.

Ich bin das Auto!

Vor den Kindern stehen drei Aktionsstühle. Ein Kind beginnt, setzt sich auf den mittleren Stuhl und sagt z.B.: „Ich bin das Auto!“ Auf die Stühle rechts und links setzen sich nun Kinder, die als erste mit dem Begriff „Auto“ eine Assoziation verbinden. Sie sagen diese Assoziation laut. Das könnte „Straße, Reifen, Fahrrad …“ sein. Das Kind auf dem mittleren Stuhl darf nun entscheiden, welcher Begriff und damit welches Kind neu auf seinen mittleren Stuhl wechselt, die beiden anderen gehen zurück zu den übrigen Kindern. Und schon beginnt eine neue Runde mit dem neuen Begriff.

  • Alter: ab 4 Jahre
  • Zeit: 10 bis 15 Minuten
  • Sozialform: Gruppenspiel

Variante

Die Assoziationsketten eignen sich auch für andere Wortarten.
Gefragt sind dann nur Adjektive* oder Verben. Größere Kinder können auch abwechselnde Assoziationsketten bilden. Nach Auto – Straße – Fahrrad wechselt z. B. „Straße“ auf den mittleren Stuhl. In der nächsten Runde sind nun Eigenschaften gefordert, die Kinder nennen Adjektive wie „gerade“ und „breit“. Bleibt etwa „breit“ übrig, dann folgen als passende Begriffe z. B. „Brücke“ und „Fluss“ (also Nomen*) und wieder folgt eine Eigenschaft. Genauso ist ein Wechsel mit Verben möglich. Nutzen Sie das Spiel auch im Fremdsprachenunterricht.

Dichterlesung

Die Kinder bilden Paare. Der Spielleiter erklärt: „Versucht, im Gespräch ganz viel über euren Partner (Eigenschaften, Vorlieben, Stärken, Schwächen usw.) zu erfahren, und macht euch dazu Notizen!“ Für die anschließende Aufgabe „Schreibt nun einen Vierzeiler über euren Interview-Partner!“ erhalten die Kinder ca. 10 Minuten Zeit. Dann sammelt der Spielleiter die Werke ein und verteilt sie neu. Es folgt die spannende Dichterlesung: Die Vierzeiler werden laut vorgelesen und die Gruppe rät, von wem hier die Rede sein könnte.

  • Alter: 8 bis 11 Jahre
  • Zeit: 25 – 40 Minuten
  • Sozialform: Gruppenspiel
  • Material: Papier und Stift

Variante

Die Kinder komponieren ein Lied oder schreiben eine Geschichte über ihren Interview-Partner.

Der Detektiv im Sprachwald

Ein Kind verlässt als Detektiv den Raum. Die anderen Kinder bilden Paare. Jedes Paar vereinbart ein zusammengesetztes Hauptwort (z.B. Blumentopf) von dem je ein Partner einen Wortteil (Blumen + Topf) im Gedächtnis speichert. Die Paare gehen auseinander und verteilen sich im Raum. Der nun hereingerufene Detektiv erfährt: „Im Raum stehen stumme Wortpaare. Sie sind traurig, weil sie sich verloren haben. Aber sie verbindet ein Geheimnis, ein gemeinsames Wort. Wenn du die Kinder mit dem Finger berührst, dann nennen sie dir ihr Wort. Bring die unglücklichen Paare rasch zusammen. Du darfst die Kinder so oft du möchtest berühren.“

  • Alter: 4 bis 10 Jahre
  • Zeit: 10 bis 15 Minuten
  • Sozialform: Gruppenspiel

Variante

Der Detektiv kann viele „verlorene Wortpartner“ suchen:

  • Paare (z.B. kalt – heiß / der – Mann / Apfel – Äpfel / Auto – car usw.)
  • Drillinge (z.B. Schwein – Sau – Ferkel / gehe – ging – werde gehen usw.)
  • Gruppen (z.B. To – ma – ten – sa – lat / Geh – bitte – jetzt – einkaufen!)
kartei sprache

Die Spielekartei Sprachförderung
Charmaine Liebertz

Burckhardthaus
ISBN: 9783944548234
14,95 €
Mehr unter: www.oberstebrink.de




Spielerisch die Sprachentwicklung unterstützen

Sprachspile

Um die Sprachbildung von Kindern zu unterstützen, hat Charmaine Liebertz zahlreiche Spiele entwickelt

Sprache ist unser wichtigstes Werkzeug für ein harmonisches Zusammenleben. Die Spielekartei Sprachförderung hilft schon den Kleinsten, ihre Sprechmotorik zu trainieren und die Zusammenarbeit im Spiel durch Sprache zu koordinieren. Die spannenden und originellen Spielideen unterstützen die natürliche Sprachentwicklung und helfen Ihnen Schwächen gezielt zu trainieren. Die drei folgenden Spiele unterstützen Kinder bei der Sprachentwicklung.

Sprechende Rücken

Die Kinder bilden Paare. Jeweils einem der Partner wird eine Papierkarte auf den Rücken geheftet. Darauf kann z.B.
ein Tier abgebildet sein (oder eine Blume, ein Spielzeug, ein Werkzeug …). Nun laufen alle Kinder durch den Raum. Die
Kinder ohne Karte versuchen jetzt, das Bild auf dem Rücken ihres laufenden Partners zu erkennen. Benennen sie das Gesehene richtig, wird gewechselt.

Variante

Das Spiel ist sehr variabel, wenn Sie die Bildmotive altersgemäß auswählen: Für Kindergartenkinder z. B. ein Tier, einen Gegenstand oder einen Beruf; für Vorschul- und Grundschulkinder z.B. einen Buchstaben, eine Silbe, ein Wort oder gar einen Satz. Wenn die Kinder das Gesehene danach in Geschichten verarbeiten, regen Sie damit ihre Kreativität und Erzählfreude an.

Alter: 3 bis 8 Jahre
Zeit: 5 bis 10 Minuten
Sozialform: Paarspiel
Material: Papierkarten mit div. Abbildungen

Raumdiktat

Die Spieler bilden Paare, die sich gegenüber stehen: Auf der einen Raumseite stehen die Rufer. Sie rufen ihrem Partner einen Satz (oder ein Wort) zu. Bitten Sie die Rufer, laut und deutlich zu sprechen. Dieser Gruppe gegenüber – auf der anderen Raumseite – stehen die Schreiber mit Stift und Papier. Sie notieren den vom Partner gerufenen Satz. Das ist nicht einfach, denn alle Sätze werden gleichzeitig gerufen! Der Spielleiter erklärt: „Hört genau hin, konzentriert euch auf die Stimme und die Lippenbewegungen eures Partners. Versucht, unwichtige Geräusche herauszufiltern!“

Variante

Anfänglich rufen sich die Kinder einzelne Worte zu, später – je nach Alter – sogar fremdsprachige Sätze. Übrigens: Jeder zugerufene Satz kann den Anfang einer, von den Kindern entwickelten, Geschichte bilden.

Alter: 4 bis 10 Jahre
Zeit: ca. 5 Minuten
Sozialform: Paarspiel
Material: Papier und Stift

Knack die Walnuss!

Die Kinder stellen sich in einer Reihe auf. Der Spielleiter nennt den Kindern ein beliebiges Startwort, z.B. „Hausbau“, und ein beliebiges Zielwort, z.B. „Walnuss“. Mit dem Ruf „Knack die Walnuss!“ beginnt die kreative Wortkette. Der erste Spieler muss mit dem letzten Teil des Startwortes (also „Bau“) ein zusammengesetztes Hauptwort bilden, z.B. „Baustein“. Und so geht es weiter, bis die Kinder in gemeinsamer Wortakrobatik das Zielwort „Walnuss“ erreicht haben. Oft wird das Zielwort nicht innerhalb einer Runde erreicht, dann spielt man einfach mehrere Runden – nach dem letzten Spieler in der Reihe folgt jeweils der Spieler am Anfang der Reihe.

Variante

Man kann das Spiel auch ungeordnet spielen, dann ruft jedes Kind seine Idee in den Raum. Unterbrechen sich zwei Spieler, so ruft der Spielleiter eine neue Wortaufgabe, z.B. „Knack das Gartentor und beginne mit dem Wort Erdnuss!“

Alter: 5 bis 9 Jahre
Zeit: ca. 5 Minuten
Sozialform: 3 bis 5 Minuten
Material: –

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Die Spielekartei Sprachförderung

Charmaine Liebertz
Burckhardthaus
ISBN: 9783944548234
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Wie Sprache gelingt

Sprache als lebendiges und integriertes Alltagserlebnis für Kinder und Erwachsene:

Viele kennen Prof. Armin Krenz als Begründer des „situationsorientierten Ansatzes“. Im folgenden Artikel, der in dem Buch Entwicklungsorientierte Elementarpädagogik in unserem Schwesterverlag Burckhardthaus erschienen ist, schreibt er über die Sprachentwicklung bei Kindern.

Sprache kann Selbstbildungswelten im Menschen öffnen oder verschließen. Sie wirkt unbemerkt und ständig entwicklungsförderlich oder entwicklungshinderlich auf Kinder. Im Sinne eines entwicklungsförderlichen Prozesses stellt das Kind durch Erlebnisse in den ersten Lebensjahren… einen Bezug zwischen sich und der Welt her, vergewissert sich seiner individuellen Identität und ordnet sich seinem Umfeld zu. Auf der anderen Seite muss festgehalten werden, dass beispielsweise „bei einer Sprachentwicklungsstörung auch Störungen auf der kommunikativ-pragmatischen Ebene bestehen. Eine Störung auf dieser Ebene äußert sich in der verminderten Fähigkeit, Gedanken, Gefühle und Erlebnisse in einer nachvollziehbaren Art und Weise sprachlich zu äußern.“ (Bunse/Hoffschildt, 2008, S. 119). Doch allzu sehr wird derzeitig in der deutschen (Elementar-)Pädagogik die Sprache als ein funktionalisiertes Methodenkompendium betrachtet – dies belegen die ungezählten „Sprachtrainings- bzw. Sprachförderprogramme“.…

Die Sprache ist weitaus mehr als eine bloße Bündelung von gesprochenen und zumeist zusammenhängenden Worten. Sie ist ein lebendiger, lebensnotwendiger, der menschlichen Existenz alltäglicher und Sinn gebender Kommunikationsdialog, der Tag für Tag erlebt, gepflegt und genutzt werden kann und soll … .

Sprache ist Erlebnis – und kann Menschen in Erstaunen versetzen.
Sprache ist Genuss – und lässt immer wieder manche kleinen und großen Zuhörer/innen mit offenem Mund besonders spannenden Erzählungen folgen.
Sprache verbindet – und lässt im ersten Augenblick unüberbrückbar erscheinende Grenzen zusammenbrechen.
Sprache erfreut – und bringt Sonne in die Herzen trauriger Menschen.
Sprache beglückt – und eröffnet in einem Gespräch gedankliche Perspektiven, die bis dahin kaum zugelassen werden konnten.
Sprache berührt – und lässt die Menschen in nachsinnende Gedankenwelten kommen, sodass die Gegenwart teilweise in völlige Vergessenheit gerät.
Sprache ist wie die Feder eines Vogels – leicht, beschwingt und wundervoll zu betrachten. Sprache ist wie ein heller Sonnenstrahl – wegweisend, zielgebend und richtungsorientierend.

Gleichzeitig kann Sprache aber auch wie ein Schwert sein: scharf wie eine frisch geschliffene Klinge, zerstörend und vernichtend. Sie kann sich wie ein Feuer in die Herzen mancher Menschen brennen und eine nachhaltige Wirkung auf den Gesprächspartner haben. Sprache kann aber auch ermüden, abschrecken, Ängste provozieren und krank machen. Sprache kann damit Selbstbildungswelten im Menschen öffnen oder verschließen und wirkt (unbemerkt) permanent entwicklungsförderlich oder entwicklungshinderlich auf Kinder, Jugendliche und Erwachsene …

Sprache als alltagsbedeutsamer Kommunikationswert

Grundvoraussetzungen und zugleich Lernbedingungen für einen entwicklungsförderlichen Sprachauf- und Sprachausbau ergeben sich primär aus folgenden Aspekten:

  • einer sicheren und vertrauensvollen Beziehung zwischen dem Kind und dem Erwachsenen,
  • dem Zusammenspiel von Sinneswahrnehmung und einer aktiv beteiligten Motorik,
  • einer sich momentan vollziehenden Persönlichkeitsentwicklung des Kindes,
  • dem aktuellen Erleben von Sprach- und Sprechfreude,
  • einer engagierten Selbsttätigkeit und Selbstaktivität,
  • einer lebendigen und zuverlässig erlebten Interaktion,
  • einer im Alltag sorgsam gestalteten Dialogpflege,
  • einer vielfältigen Sprachnutzung in Alltagssituationen und Alltagsbezügen, die für das Kind bedeutsam und interessant sind,
  • einem anregungsreichen Umfeld, das zwar reizvoll, nicht aber reizüberflutend auf das Kind wirkt sowie
  • einer Sprachnutzung und einem Spracherleben, das sich an der aktuellen Lebenswelt des Kindes orientiert.

Wie Sprache im Sinne eines alltagsbedeutsamen Kommunikationswertes auf Kinder und dabei besonders auf deren Sprach-/Sprechentwicklung wirkt, zeigen vor allem die vielfältigen Untersuchungsergebnisse von Prof. Dr. Gisela Szagun, die zu den renommiertesten Spracherwerbsforscherinnen Deutschlands gehört (Szagun, G., 2006) und entsprechend formulierte Konsequenzen (2007) konstatiert. Darüber hinaus finden sich viele sprachunterstützende Hinweise in den Arbeiten von Dr. Martine F. Delfos, die seit Jahren über das Thema „Gesprächsführung mit Kindern“ forscht. Weitere Praxishinweise für hilfreiche Grundvoraussetzungen und Lernbedingungen für einen erfolgreichen Sprachauf- und -ausbau liefern Rita Steininger (2004), Bernd Reimann (2009) und Sabine Bunse/Christiane Hoffschildt (2009), Marlies Koenen (2009)und Karin Jampert et al. (2006).

Nur wenn Sprachsituationen in lebendigen Handlungszusammenhängen einbezogen und darüber hinaus gleichzeitig mit gegenwartsorientierten Lebenswirklichkeiten der Kinder verbunden sind, in denen sie selbst Sprechfreude erleben und eigene Deutungen vornehmen können, wird Sprache von Kindern als ein Zielmedium und ein spannendes Ausdrucksmittel angenommen und gerne genutzt. Doch die pädagogische Praxis sieht zumeist diametral anders aus – und das nicht erst seit 2009!

Zwar mag es auf den ersten Blick so wirken, als hätten es Kinder der heutigen Generation besser bzw. leichter, weil sie mehr Spielmittel, größere Bildungschancen, bessere Förderungsmöglichkeiten oder vielschichtigere Kommunikationswege nutzen können. Ein genaueres Betrachten macht aber deutlich, dass es vor allem um eines geht: Kinder müssen eine ständige Zunahme an Erfahrungsverlusten hinnehmen (vgl.: Ellneby, Y., 2001; Konrad, F.-M. + Schultheis, K., 2008; Rittelmeyer, Chr., 2007; DJI, 2009; Alt, Chr., 2008; Hurrelmann, K. et al., 2007)

Sprachaufbau geschieht im Sinne eines beziehungsorientierten „concomitant learning“

Entwicklungspädagogisch muss diese Tatsache sowohl Eltern als auch pädagogische Fachkräfte immer wieder aufs Neue aufrütteln, weil bekannt ist, dass Kinder in den ersten Lebensjahren vor allem aus den vielfältigsten Situationen eines Alltagshandelns lernen (= concomitant learning) (vgl.: Holt, J., 2003; Markowa, D., 2005; Jackel, B., 2008; Astington, J. W., 2000). So entwickeln sich alle kognitiven Prozesse aus einem begeisterten Tun, dem selbst beteiligten Aktiv-Sein, der selbst motivierten Tätigkeit und motorisch herausfordernden Aktivität. Nicht umsonst heißt es in einem alten Spruch: „Aus Erfahrung wird man klug.“ Wenn Kinder in zunehmendem Maße den Erfahrungsverlusten ausgesetzt sind, es aber gleichzeitig ihrer Bestimmung entspricht, sich als mitgestaltende und gleichzeitig lernende Mitakteure in dieser Welt zu begreifen, gibt es nur vorbestimmte Auswege: Entweder resignieren Kinder, ziehen sich zurück und klagen darüber, dass ihnen „so langweilig ist“, oder sie suchen vielfältige Chancen, die Welt dennoch zu entdecken, etwa durch Regel- und Grenzüberschreitungen, Bewegungsüberschüsse oder Aktionismen, indem sie auf sich aufmerksam machen (müssen) nach dem Motto: „Seht doch, hier bin ich.“ Einerseits ist es die Angst davor, übersehen zu werden, die Kinder dazu veranlasst, sich zurückzuziehen oder „auf die Pauke zu hauen“, weil sie ihrem Umfeld klar machen wollen, dass die Planungen bzw. Angebote an ihren originären Bedürfnissen vorbeigehen und andererseits verlieren die Kinder durch diese alltagsfernen Angebote immer stärker ihre Neugierde, ihr Umfeld auf eigene Faust mit Zeit und Ruhe zu erkunden. Langeweile ist das Resultat aus dem anerzogenen Verhaltensmuster, außengesteuerte Erwartungen zu erfüllen, so dass die Bereitschaft, Akteur der eigenen Entwicklung zu werden, nach wiederholten Aufstandsversuchen systematisch nachlässt. Damit gewinnt die Überzeugung Oberhand, dass eigene Vorhaben nicht so bedeutsam zu sein scheinen sondern stattdessen eine Abwartehaltung, um sich als Reakteur in Szene zu setzen, erwünscht zu sein scheint.

Viele elementarpädagogische Fachkräfte und berufspolitische Mandatsträger können die aufgezeigten Gefahren einer völligen Verplanung von Kindheiten nachvollziehen und reagieren entsprechend bedauernd. Doch was ist von dem Versuch, Kindheit als ein eigenständiges Zeitfenster zu begreifen und entsprechend mit Kindern zu erleben, geblieben? Die Praxis zeigt: wenig. Es wird f ü r Kinder gedacht und f ü r sie geplant, f ü r Kinder arrangiert und f ü r Kinder gehandelt anstatt zu begreifen, dass eine „Pädagogik vom Kinde aus“ eine Pädagogik m i t dem Kind ist. Viele elementarpädagogische Fachkräfte haben sich schon vor Jahren darüber aufgeregt, dass Eltern ihren Kindern in immer jüngerem Alter immer mehr Kindheitszeiten vorenthalten haben, indem sie die Tendenz unterstützt haben, Kinder in Arrangements unterzubringen. Mit dem Babyschwimmen, den Krabbelgruppen und frühkindlichen Förderprogrammen fing es an, zog sich über die ungezählten Kurse und Trainings für Kinder weiter (Montag: Ballett/Judo; Dienstag: Flöten-/Klavierunterricht; Mittwoch: Turnen/Fußball; Donnerstag: Reiten/Handball; Freitag: Tennis/frühes Leselernen; Samstag: Sportturniere; Sonntag: frei!?) und setzt(e) sich dann über die Kindergartenzeit fort. Viele Kinder hatten und haben ein Tagesprogramm, das dem eines Managers ähnlich ist.

D.h.: die entfernt gesehene Zukunft wird in die Gegenwart hineingeholt, so dass die Zukunft zur Gegenwart gemacht wird! Diese alltagsweltliche Vorstellung von Erziehung hat eine außergewöhnlich lange Tradition – sie ist von der Antike über die Zeit der Aufklärung, der Moderne, des Faschismus und des Kommunismus bis zur heutigen Zeit bekannt und findet sich erneut und hier besonders stark ausgeprägt in der aktuellen Pädagogik der „bildungsgeprägten Lernpädagogik“. Erlaubt sei ein Rückblick. Der polnische Arzt und Pädagoge Dr. Janusz Korczak gab dazu schon vor über 90 Jahren eine klare Stellungnahme ab, indem er sagte: „Wer die Kindheit überspringen will und dabei in die fern liegende Zukunft zielt – wird sein Ziel verfehlen.“ (1978, S. 20) Statt suchender Fragen, die wir uns aus den Beobachtungen der Kinder ableiten und immer wieder aufs Neue stellen, danach was Kinder am heutigen Tage brauchen, um in weitere Selbstbildungsanstrengungen kommen zu können, trachtet – so Korczak – „die ganz moderne Pädagogik … danach, bequeme Kinder heranzubilden, sie strebt konsequent und Schritt für Schritt danach, alles einzuschläfern, zu unterdrücken und auszumerzen, was Willen und Freiheit des Kindes ausmacht, seine Seelenstärke, die Kraft seines Verlangens und seiner Absichten. Artig, gehorsam, gut, bequem, aber ohne Gedanken daran, dass es innerlich unfrei und lebensuntüchtig sein wird.“ (1987, S. 12) Was Kinder brauchen sind „Abenteuer für eine echte Kindheit“ (Lee, J., 2005) Wenn Antoine de Saint-Exupery einmal sagte: „Wenn du mit anderen ein Schiff bauen willst, so beginne nicht, mit ihnen Holz zu sammeln, sondern wecke in ihnen die Sehnsucht nach dem großen, weiten Meer“, dann sei die Frage erlaubt, was vielerorts in der Pädagogik tatsächlich passiert. Viele Arbeitsimpulse in der Elementarpädagogik besitzen in zunehmendem Maße den Charakter einer „Kinderbelehrung“ mit der Folge, dass die gesamte Kindergartenpädagogik zu einer „vorgezogenen Schulpädagogik“ mutiert und Kinder zusätzlich irritiert, weil uns neurobiologische Erkenntnisse zeigen, dass Kinder in Zusammenhängen fühlen, denken und handeln (wollen), im Sinne einer nachhaltigen Bildung in Handlungsvernetzungen begreifen müssen und nur das als lernbedeutsam auf­nehmen werden, was sie selbst als lernherausfordernd klassifizieren.

Sprachaufbau und -entwicklung ist in Sinnzusammenhänge integriert

Eine so genannte „ganzheitliche“ sprachunterstützende Pädagogik (im Sinne einer nachhaltigen Bildung bzw. Bildung aus erster Hand) ist dann gewährleistet, wenn möglichst alle Entwicklungsbereiche in einer Spiel-, Erlebnis-, Erfahrungs- und Alltagsaktivität des Kindes gleichzeitig angesprochen und beteiligt sind. Entwicklungspsychologisch ist eine Trennung oder ein Herauslösen einzelner Entwicklungsbereiche nicht nur unmöglich, sondern kann auch keine nachhaltigen Bildungsprozesse im Kind bewirken. So sucht man bis heute vergeblich nach Studien, die das Gegenteil beweisen würden.

Kinder sind stets mit all’ ihren Entwicklungsfeldern – gleichzeitig und untrennbar – beteiligt, wenn es ihnen darum geht, die Welt zu erkunden, eigene Stärken zu erleben, neue Entwicklungsmöglichkeiten auszutesten und für sie bedeutsame Lebenserfahrungen zu machen. Die kindeigenen Entwicklungsfelder offenbaren sich in ihrem Denken, ihrer Fantasie, ihrer Kreativität, ihrer Sprache und ihrem Sprechen, ihrer Motorik, ihrer Soziabilität, ihrer Intelligenz, ihrer Motivation und vor allem ihren Gefühle.

Doch statt diese entwicklungspsychologisch bedeutsame Tatsache zur Kenntnis zu nehmen, steckt die Elementarpädagogik und stecken viele Eltern die Kinder in immer mehr pädagogisierte Arrangements, durch die sie ihre eigenen Lernimpulse immer weiter verdrängen und darauf warten, dass es vielleicht noch etwas Spannenderes gibt als ihre erlebte Realität. Der Weg vom Säugling über das Kind zum Jugendlichen und Erwachsenen wird immer kürzer und damit weniger nachvollziehbar für die Kinder selbst und ihr eigenes Leben. Nicht selten entstehen sogenannte Entwicklungsbrüche vielfältigster Art – ausgedrückt als Verhaltensirritationen, auf die die Erwachsenenwelt mit immer neuen, heilsversprechenden therapeutisierten Pädagogikprogrammen reagiert. Dort, wo ein Leben zunehmend in Bedingungen geschieht – und das macht den Alltag auch in manchen Kindertagesstätten aus – wird und ist die aktive Selbstbestimmung vieler Kinder radikal reduziert. Der Alltag ist aus „Fertigbausteinen“ zusammengesetzt, die den Kindern wenig Raum lassen, Forscher, Entdecker, Wissenschaftler mit eigenen Neigungen sein zu können. Janusz Korczak, der bekannte polnische Arztpädagoge, hat einmal gesagt:

„Wir belasten Kinder mit neuen Pflichten des Menschen von morgen, ohne ihnen die Rechte des Menschen von heute zuzugestehen. [   ] Um der Zukunft willen wird gering geachtet, was es heute erfreut, traurig macht, in Erstaunen versetzt, ärgert und interessiert. Für dieses Morgen, das es weder versteht noch zu verstehen braucht, betrügt man es um viele Lebensjahre.“ Verteidigt die Kinder, Gütersloh 1987, S.47

Kinder brauchen andere Erlebnisse als funktionalisierte Sprachübungen

Damit Kinder nicht noch mehr „Ohnmachtserlebnisse, Auslieferungserlebnisse, Trennungserlebnisse, Beziehungsnöte und Bedrohungsängste“ erfahren müssen, ist es vielleicht hilfreich, sich an das Wort eines unbekannten Apachenkriegers zu erinnern: „Großer Geist, bewahre mich davor, über einen Menschen zu urteilen, ehe ich nicht eine Meile in seinen Mokassins gegangen bin.“ Kinder laden uns jeden Tag dazu ein.

Was Kinder dringender denn je brauchen ist ein Lebens- und Lernumfeld, das vor allem durch folgende Merkmale gekennzeichnet ist:

Sie brauchen ungeteilte Zeiten, in denen sie mit Ausdauer und nach eigenen Zeitempfindungen Dinge in Ruhe zu Ende führen können, und sie brauchen vor allem Erwachsene, die ihre Ausdrucksformen wirklich verstehen, die Symbole ihres Handelns und Erzählens begreifen, und sie brauchen den Kindergarten als einen Ort, an dem sie ein aktives Mitspracherecht haben: von der Gestaltung des Tagesablaufes bis hin zur Kinderkonferenz.

Kinder brauchen offene Ohren, die hören, was Kinder zur Zeit beschäftigt, und sie suchen vielfältige Möglichkeiten, das wirkliche Leben – und keine künstlich gestaltete und strukturierte Welt – kennenzulernen.

Kinder brauchen eine Umgebung, in der sie sich in ihrer Individualität entwickeln können, bevor eine so genannte Sozialentwicklung auf sie einströmt, und sie brauchen Menschen, die ihnen einen Raum zugestehen, in dem sie mit Versuch und Irrtum das Weltgeschehen um sie herum begreifen können.

Sie brauchen Erwachsene (und ein entsprechendes Umfeld), mit denen der Prozesshaftigkeit eine höhere Beachtung geschenkt wird als dem Herstellen von irgendwelchen „ästhetischen Produkten“ und sie brauchen diese Erwachsenen als Bündnispartner zur Umsetzung ihrer ureigenen Interessen.

Sie brauchen und suchen einen Ort, an dem ihr magisch-mythisches Denken – also ihre subjektiv bildhafte Vorstellung von der Welt und deren wirksamen Zusammenhängen – ausreichend Platz findet, erlebt und ausgedrückt wird.

Sie brauchen Mitspieler und keine Dirigenten, die wirklich auf der Ebene von Kindern – im wahrsten Sinne des Wortes – sind, und sie brauchen Erwachsene, die mit ihnen sprechen anstatt auf sie einzureden oder über sie zu sprechen.

Sie brauchen Menschen, die ihre Stärken sehen und nicht gegen ihre vermeintlichen Schwächen kämpfen, und sie suchen Erwachsene, die statt eines Pessimismusses einen hohen Optimismus ausstrahlen, die ihre Stärken sehen und nicht ihre „Schwächen“ minimieren wollen.

Sie suchen Mitmenschen, die sich auf Erfahrungen einlassen und keine Dogmen (Lehrsätze) verbreiten, und sie brauchen Erwachsene, die statt „moralisierender Ratschläge für andere Werte“ selbst ihr eigenes Leben auf der Grundlage einer verinnerlichten Wertemoral gestalten.

Sie wünschen sich Menschen, die loslassen können, statt sich auf bestimmte Rollen und Vorhaben/Ziele zu fixieren, und sie suchen Erwachsene, die sie, statt erziehen zu wollen, ganzheitlich begleiten.

Kinder brauchen Menschen, die Selbsterfahrung auf sich nehmen, statt eigene Gedanken, Gefühle und Muster zu projizieren, und sie suchen Erwachsene, die mit ihnen auf die Suche nach Wahrheiten gehen, statt im Sinne von Recht oder Unrecht zu debattieren und eigene Standpunkte auf Kinder zu übertragen.

Wenn diese (und sicherlich viele weitere) Merkmale für den Kindergarten zutreffen sollen, bedarf es immer wieder einer selbstkritischen Reflexion einrichtungsspezifischer Normen und eingefahrener Verhaltensmuster – im Interesse von Kindern und Erwachsenen sowie einer tatsächlich bildungsorientierten Frühpädagogik.

So bedarf es in der Elementarpädagogik keiner zusätzlichen Intensivräume für besondere Arbeiten, sondern Räume, in denen es überall „intensiv“ zugeht.

Die Kindergartenzeit ist auch keine Zeitspanne eines vorgezogenen Schulübens, sondern ein Leben und Lernen mit Kindern in sinnzusammenhängenden, ganzheitlichen Vorhaben, die sich auf das aktuelle Leben der Kinder mit ihren Themenschwerpunkten beziehen.

Die Elementarpädagogik ist kein Ort, an dem Kinder gesagt bekommen, was sie machen können/sollen/müssen, sondern an dem die Themen der Kinder verstanden und aufgegriffen werden (vgl.: Wiebe, E., 2010, S. 118-134).

Der Kindergarten hat für eine Atmosphäre zu sorgen, in der sich Kinder angenommen und wertschätzend behandelt fühlen. Dabei ist die Umgebung von Kindern als ein Ort zu erfassen, an dem sie sich selber fordern und eigenmotiviert fördern können.

Der Kindergarten hat sich Kindern als ein Ort zu zeigen, an dem das Leben pulsiert, in dem bestehende Alltagsrealitäten ihres erlebbaren Umfeldes erfahren werden können und der jede aufgesetzte Künstlichkeit von inszenierten, erwachsenengesteuerten und herbeigeführten „teilisolierten Förderprogrammen“ aufgibt (vgl.: Lill, G., 2007, S. 18 ff.; Krenz, A.: 2010, S. 121 ff.).

Er hat Kindern die entwicklungsförderliche Möglichkeit zu bieten, unverarbeitete Erfahrungen aufzuarbeiten, um sich von alltäglichem Erwartungsdruck und biographisch ausgelösten Belastungen zu befreien (vgl.: Krenz, A., 2008, S. 201 ff.).

Der Kindergarten muss ein Ort sein, an dem der Phantasiereichtum von Kindern jede Arbeitsschablone überflüssig macht und die Person der Erzieherin bzw. des Erziehers ein von den Kindern geliebter Teil der Gruppe ist.

Der Kindergarten gestaltet dabei seine Arbeit aus einem Selbstverständnis heraus, in dem zunehmend eingesetzte Therapieprogramme durch das gemeinsame, ganzheitliche Leben immer mehr überflüssig werden.

Alltagstaugliches Sprachgeschehen als lernprovozierender Lebensraum

Damit wird der Kindergarten zu einem Ort, an dem mit Kindern zusammen gekocht und gelacht wird, Freude regiert und Regeln gemeinsam ausgehandelt werden, Kinder noch Kinder sein können und nicht als „unfertige Erwachsene“ betrachtet werden, geachtete Rückzugsecken bestehen und Kinder selbstverständlich jeden Tag ihr Spielzeug mitbringen können, Jungen ebenso wie Mädchen zu ihren besonderen Rechten kommen und Gewalt von einer natürlichen Aggression unterschieden wird. Ein Ort, an dem es ebenso Ablehnung, Abgrenzung und Auseinandersetzungen gibt wie unter den Erwachsenen und dabei natürliche Wege gesucht und miteinander gegangen werden, um solche Grenzen zu überwinden; an dem jedes Kind das verbriefte Recht auf Meinungsäußerung – ein in der UN-Charta „Rechte des Kindes“ festgeschriebenes Recht (Artikel 12/13) – besitzt und vor allem das Kind in Erwachsenen ein Modell für das Gesagte erlebt. Viele elementarpädagogische Fachkräfte behaupten mit fester Überzeugung, dass sie sich genau durch diese Merkmale auszeichnen. Doch trifft dabei ein Wunsch- bzw. Ideal-Ich nicht selten auf ein widersprüchliches Realbild. (Hinweis für die Praxis: Es lohnt sich durchaus, diesen Anspruch gezielt in einer Selbstbeobachtung zu überprüfen. Vgl. Krenz, A., 2009, S. 22)

Dort, wo der Kindergarten zu einem alltagstauglichen, bildungsorientierten und lernprovozierenden Lebensraum geworden ist, fühlen sich Kinder angenommen und verstanden. Dies schafft die notwendige Sicherheit für Kinder, sich auf neue Erfahrungen einzulassen, alte Muster zu verändern und mit neuen Verhaltensweisen zu experimentieren.

Der Kindergarten ist in Gefahr, sich allzu schnell auf wieder neue Programme und Richtungen einzulassen – ein Beweis für eine oftmals zu beobachtende Orientierungslosigkeit der gegenwärtigen Elementarpädagogik. Wenn Kinder diesen „lernprovozierenden Bullerbü-Effekt“ (vgl.: Lindgren, A., 2006) – d.h. Sinn gebende, in der Lebensrealität erfahrbare Zusammenhänge zwischen dem real-aktuellen Kinderleben und ihrem real existenten Umfeld – nicht mehr im Kindergarten erleben können, dann müssen sie auch hier resignieren und entwickeln bzw. verfestigen auffällige Verhaltensweisen, die sich folgenotwendig weiter in die Schulzeit verlagern oder die Kinder suchen ihre Erfahrungen „auf der Straße“. Das ist – auf die Gegenwart bezogen – dramatisch und wäre im Hinblick auf die Zukunft fatal. Kinder brauchen nötiger denn je einen beziehungsorientierten und lernintensiven Alltags-Lebensraum – der Kindergarten kann ihn bieten und Kindern nutzbar machen.

Sprachentwicklung braucht sprach- und sprechfreundliche Rahmenbedingungen/Begleiterscheinungen

Wenn Erzieherinnen und Erzieher Wert darauf legen, dass sich Sprache entwickeln, auf- und ausbauen soll, sind zunächst die Faktoren zu identifizieren und zu verändern, die die Sprach- und Sprechentwicklung eines Kindes massiv hemmen:

  • unübersichtliche Beziehungsverhältnisse durch zu große Gruppen oder pädagogische „Ansätze“, die sogenannte „feste Gruppen“ ablehnen;
  • wenig oder sehr eingeschränkte Bewegungsangebote, die zumeist darauf ausgerichtet sind, den Kindern „gezielte“ Bewegungsmöglichkeiten anzubieten;
  • ein wahrnehmungsstörender Lärmpegel, der es Kindern nahezu unmöglich macht, aufeinander zu hören, miteinander in Ruhe zu reden, gemeinsam die Sprache zu erleben; (Hinweis: in einer „pulsierenden Pädagogik“, wo Kinder mit für sie interessanten Themen beschäftigt sind, geht es zwar lebendig und handlungsaktiv, nicht aber automatisch auch „lärmend“ zu.);
  • ein gereiztes Sprach-/Sprechklima – ausgelöst durch zunehmend „genervte“ Erwachsene, die voller lernzielorientierter Fördervorgaben oftmals nur noch „Lernergebnisse bei Kindern“ feststellen und dokumentieren wollen;
  • Sprachkorrekturen, die die Sprechfreude der Kinder hemmen;
  • Hektik, Unruhe, Chaos, Streit, Zeitfresser, Sprachunterbrechungen, die eine sprachunfreundliche Atmosphäre ausbreiten;
  • ein Zeit unterbrochenes Zuhören, weil Erwachsene mit allzu vielen Nebentätigkeiten beschäftigt sind und immer weniger Ruhe besitzen, sich ganz und gar auf Gesprächserlebnisse mit Kindern einzulassen;
  • ein „Nachäffen“ von Sprach-/Sprechfehlern, das vielleicht als „Ansporn“ gedacht, aber immer als „Verletzung“ erlebt werden wird;
  • ein monologisierendes Einreden auf Kinder, das nicht selten als sprachabschreckend von Kindern empfunden wird;
  • wenn Kindern Sprach-/Sprechäußerungen abgenommen werden;
  • wenn Kindern viel zu früh Antworten auf ihre Fragen gegeben werden, anstatt mit ihnen nach Antworten zu suchen und
  • wenn eine „kognitive“ Sprache eingesetzt wird, statt einer emotional positiv besetzten – beziehungsorientierten – Sprache. Eine solche beziehungsorientierte Sprache kann nur dort geschehen, wo elementarpädagogische Fachkräfte Kinder nicht nur >verstehen< sondern ihr Verhalten/ihre Sprachaussagen fühlend fühlen.

Der/die Erzieher/in als sprachunterstützender Ausgangspunkt für Sprachentwicklung

Es besteht heute überhaupt kein Zweifel daran, was die Sprache nachhaltig fördert (vgl.: Mannhard, A. + Braun, W. C., 2008; Weinert, S., 2007 + 2008; Weinert, S. + Grimm, H., 2008; Mietzel, G., 2002; Tracy, R., 2007). Entsprechende Hinweise finden sich daher auch in nahezu allen länderspezifischen Orientierungs- und Bildungs(rahmen)richtlinien für Kindertageseinrichtungen! Eine „integrierte Sprachförderung“ (Best, P. + Zehnbauer, A., 2009/Michalak, M., 2008) geschieht vor allem durch die Merkmale, die Sprachäußerungen außergewöhnlich stark aktivieren, provozieren, lebendig werden lassen: alltäglich miteinander sprechen; miteinander singen; miteinander dichten und reimen; Dialoge lebendig pflegen und gemeinsam auf die Suche nach Antworten gehen; miteinander philosophieren; Kinderaktivitäten sprachlich begleiten; gemeinsames Genießen einer lebendigen Bewegungskultur; Geschichten vorlesen und nacherzählen; Märchen vorlesen und nachspielen; Geschichten erfinden und aufschreiben; miteinander spielen; sorgsam aufeinander hören; Hörspiele erfinden und aufzeichnen; Kindergartenzeitungen erstellen und drucken; Kinderkonferenzen gemeinsam gestalten.

Entsprechend der bekannten Aussage von Pestalozzi, dass „Erziehung Liebe und Vorbild ist – sonst Nichts!“, muss es in einer sprachförderlichen Erziehungs- und Bildungsatmosphäre vor allem um die eigene Sprach- und Sprechkultur der elementarpädagogischen Mitarbeiter/innen und die der Elementarpädagogik zugeordneten Fachkräfte gehen.

Sprache ist für Kinder ein alltägliches, lebendiges, entwicklungsförderliches Kommunikationserlebnis mit Kindern und Sprachbildung von Kindern versteht sich in erster Linie als eine Herausforderung an die hohe Sprachkompetenz von bindungsorientierten Erwachsenen!

Die verschiedenen Merkmale des eigenen Sprechverhaltens, die eine sprachförderliche oder sprachhinderliche Auswirkung auf Kinder haben, äußern sich in der Stimmfarbe, der Stimmkraft, im Sprechtempo, der Aussprache, dem Satzbau, den möglicherweise genutzten Sprachmarotten und dem Sprechausdruck. (vgl.: Mannhard, A. + Braun, W.C., 2008)

Wir alle haben sicherlich ein Bild von unserer gelebten Alltagssprache. Wir glauben, eher einfühlsam, annehmbar, freundlich, aufgeschlossen, einladend, und insgesamt kommunikationsförderlich zu sprechen.

Gleichzeitig ist es so, dass unser Wunschbild häufig einem Idealbild entspricht und mit der Wirklichkeit – dem Realbild – nicht unbedingt übereinstimmen muss.

Aus diesem Grunde sei ein Sprach-/Sprechreflexionsbogen vorgestellt, der wie ein Spiegel zur Hand genommen werden kann, um einerseits selbst eine Sprach- bzw. Sprechanalyse vorzunehmen oder andererseits – was noch effektiver ist – eine Kollegin/einen Kollegen zu bitten, bei der Spracherfassung sowie einer kritischen Bestandsaufnahme behilflich zu sein.

So kann der folgende Reflexionsbogen gezielt dabei helfen, sein eigenes Sprach- und Sprechverhalten zu erfassen und ggf. Maßnahmen zu ergreifen, um notwendige Veränderungen vorzunehmen:

Aussprache Satzbau Sprach-marotte Sprech­beginn/-ausdruck Sprech­tempo Stimmkraft Stimmfarbe
deutlich einfach struk-turiert häufige Wieder­holungen ängstlich langsam leise weich
undeutlich mittellang „Ich würde sagen“ ungeduldig mittel (zu) laut hart
näselnd lang „irgend­wie“ fragend schnell dynamisch melodisch
nuschelig eintönig (nur: Subjekt, Prädikat, Ergänzung) viele „Äh“ originell hastig, rasend gepresst voluminös
akzen­tuiert verschach-telt viele „und“ bestimmend abgehackt entspannt flach
stockend kompliziert viele „ich“ schüchtern ohne Pausen schrill hell
näselnd vollständig viele Fremd-wörter rücksichtsvoll (nicht mit der „Türe ins Haus fallen“) mit Pausen schneidend dunkel
lispelnd abgebro-chen viele Angli-zismen rücksichtslos mit zu langen Pausen gleichbleibend kippend (wech­selnd zwi­schen hoch + tief)
über-deutlich abstrakt „Ich sag‘ mal …“ lebhaft „ohne Luft zu holen“ wechselnd betonend
sorgfältig konkret viele „ne“ am Satzende sicher ein­schläfernd gewaltig voll
rhyth-misch grammati-kalisch korrekt „eigentlich“ spannend gehetzt zurück­haltend leer
fließend grammati-kalisch falsch „Man sollte …“ fesselnd      
    „Ja aber …“ interessant      

„Gute Sprachförderung“ ist alltäglich hörbar. Test- und Sprachförderverfahren mögen Erwachsene beruhigen – Kinder werden durch sie nicht selten massiv beunruhigt. Die Methodengläubigkeit und didaktisierte Vielfalt in der Elementarpädagogik setzt den eigenen Entwicklungszeitraum Kindheiten mit seinen besonderen Erfordernissen zunehmend aufs Spiel. Insofern ist aus entwicklungspsychologischer, sprachwissenschaftlicher und entwicklungspädagogischer Sicht ein Perspektivwechsel dringender denn je notwendig! 

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