Sprachförderung mit dem Startchancen-Programm inklusive

Gezielte Unterstützung von Schulen mit hohem Anteil sozial benachteiligter Schülerinnen und Schüler

Im Deutschland hängt der Bildungserfolg noch immer stark vom Elternhaus ab. Mit dem Startchancen-Programm, das Anfang des Schuljahres gestartet ist, wollen Bund und Länder etwas dagegensetzen. Dabei geht es nicht einfach nur um finanzielle Unterstützung des Bundes, sondern auch um systemische Veränderungen und eine Stärkung der Leistungsfähigkeit des Bildungswesens.

2.125 Schulen mit dabei

Aktuell haben 2.125 Schulen in ganz Deutschland begonnen, das Startchancen-Programm umzusetzen. Das sind mehr als doppelt so viele, wie ursprünglich angedacht. Bis zum Schuljahr 2026/27 soll es in ganz Deutschland etwa 4.000 Startchancen-Schulen geben.

Die Auswahl der geförderten Schulen erfolgte laut Bundesbildungsministerium durch das jeweilige Bundesland anhand geeigneter und transparenter Kriterien. Diese seien wissenschaftsgeleitet und orientierten sich an den Zielsetzungen des Startchancen-Programms.

Sollten Sie an Ihrer Schule ebenfalls einen hohen Anteil sozial benachteiligter Schülerinnen und Schüler haben, die gezielter gefördert werden sollten, und nicht am Startchancen-Programm beteiligt sein, sollten Sie dringend beim Bildungs- bzw. Kultusministerium Ihres Bundeslandes nachhaken. Immerhin stellen Bund und Länder ganz erhebliche Mittel bereit.

Zwei Milliarden Euro jährlich

Das Programm ist auf zehn Jahre angelegt. Der Bund stellt dafür jährlich eine Milliarde Euro zur Verfügung. Die 16 Bundesländer beteiligen sich ebenfalls mit einer Milliarde, so dass den ausgewählten Schulen erhebliche Mittel zur Verfügung stehen. Die Gelder sollen bedarfsgerecht an Schulen mit einem hohen Anteil sozial benachteiligter Schülerinnen und Schüler verteilt werden.

Die Höhe der Fördergelder, die ein Land vom Bund für das Startchancen-Programm erhält, berücksichtigt die sozialen Rahmenbedingungen. Insbesondere der Anteil junger Menschen in Armut und mit Migrationsgeschichte soll hierbei entscheidend sein. Die Länder verteilen die Fördermittel innerhalb des jeweiligen Landes gezielt auf die Startchancen-Schulen.

Stärkung der Basis- und Zukunftskompetenzen

Bund und Länder haben sich darauf verständigt, insbesondere Grundschulen zu unterstützen. Vor allem in den ersten Schuljahren werden die entscheidenden Weichen für den Bildungserfolg gestellt. Konkret sollen 60 Prozent aller Mittel den Grundschulen zur Verfügung gestellt werden. 40 Prozent erhalten die weiterführenden und beruflichen Schulen.

Der Fokus der Unterstützung liegt auf der Stärkung von Grundkompetenzen wie Lesen, Schreiben und Rechnen. Dazu gehört auch die Sprachförderung. Ziel ist, die Zahl der Schülerinnen und Schüler, die die Mindeststandards in Mathematik und Deutsch verfehlen, bis zum Ende der Programmlaufzeit an den Startchancen-Schulen zu halbieren.

Erst in zweiter Linie geht es Bund und Ländern um die Entwicklung sozialer Kompetenzen wie Demokratie lernen oder soziales und kooperatives Lernen. Aber immerhin heißt es: „Gegenstand der Unterstützung ist außerdem die Persönlichkeitsentwicklung der Schülerinnen und Schüler. Das Programm soll die jungen Menschen dabei unterstützen, die nötigen Zukunftskompetenzen zu erwerben, wie die Befähigung zur demokratischen Teilhabe.“

Unterstützung der Schulentwicklung

Um die Ziele des Startchancen-Programms zu erreichen, werden die Strukturen im Unterricht und im Kollegium an den Startchancen-Schulen entsprechend professionalisiert und weiterentwickelt. Das beinhaltet unter anderem eine stärkere Vernetzung der Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler, Eltern, des pädagogischen Personals und der außerschulischen Akteure wie Ausbildungsbetriebe oder Schulnetzwerke. Außerdem wird in eine bessere Infrastruktur und Ausstattung der Schulen investiert.

Die Länder bauen ergänzend dazu entsprechende Strukturen in der Bildungsverwaltung hinsichtlich Zielbestimmung, Prozessbegleitung und Zielerreichung des Startchancen-Programms auf.

Drei Programmsäulen

Säule I: Investitionen in eine zeitgemäße und förderliche Lernumgebung

Ziel des Investitionsprogramms sind Beiträge zu modernen, klimagerechten und barrierefreien Lernorten. Angestrebt werden Investitionen in eine hochwertige Ausstattung und moderne Infrastruktur. Weitere Informationen zu der Frage, was genau aus Säule I gefördert werden kann, finden sich in § 1 der Verwaltungsvereinbarung über die Gewährung von Finanzhilfen des Bundes an die Länder nach Artikel 104c des Grundgesetzes zur Umsetzung der Säule I des Startchancen-Programms (VV).

Säule II: Chancenbudgets für bedarfsgerechte Lösungen in der Schul- und Unterrichtsentwicklung

Das Chancenbudget soll Spielräume für diejenigen eröffnen, die vor Ort Verantwortung tragen und das Miteinander an der Schule jeden Tag aufs Neue gestalten. Es geht um eine deutliche Stärkung der Schulautonomie. Eine Einordnung zur Verwendung des Chancenbudgets nimmt das Orientierungspapier zur Verwendung der Chancenbudgets an den Startchancen-Schulen (BLV-Anlage 3) vor. Weitere Konkretisierungen zur inhaltlichen Verwendung sowie zum administrativen Prozess der Verausgabung werden von den einzelnen Ländern vorgenommen. Es ist davon auszugehen, dass die konkrete Umsetzung von Säule II in den 16 Ländern im Rahmen der bundesweiten Vorgaben unterschiedlich erfolgen wird.

Für die einzelnen Schulen spielen – sowohl zeitlich als auch inhaltlich – die individuellen Entwicklungsziele gem. Kapitel D.I.1 der Vereinbarung zwischen Bund und Ländern zur Umsetzung des Startchancen-Programms (BLV) eine entscheidende Rolle, da hieraus konkrete Fördermaßnahmen abgeleitet werden. Fragen zur konkreten Ausgestaltung sollten daher an die Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner in den Ländern gerichtet werden.

Säule III: Personal zur Stärkung multiprofessioneller Teams

Vor allem geht es hier um die Beratung und Unterstützung der Schülerinnen und Schüler, eine lernförderliche Elternarbeit, die Entwicklung einer positiven Schulkultur sowie darum, Betroffene bei der Inanspruchnahme staatlicher Leistungen zu stärken. Neben Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen, Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeitern sollen vor allem auch pädagogische Fachkräfte anderer Disziplinen ihre Stärken und Expertise einbringen können. Hierdurch soll die Zusammenarbeit in multiprofessionellen Teams an den Startchancen-Schulen ausgebaut und weiterentwickelt werden. Die konkrete Schwerpunktsetzung und Ausgestaltung erfolgt bedarfsorientiert und schulbezogen in den Ländern unter Berücksichtigung der dortigen Spezifika. Fragen zur konkreten Ausgestaltung sollten daher an die Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner in den Ländern gerichtet werden.

Freiräume eröffnen und bedarfsgerechte Lösungen ermöglichen

Die Chancenbudgets sollen den Startchancen-Schulen Freiräume eröffnen und bedarfsgerechte Lösungen ermöglichen, die den Gegebenheiten vor Ort Rechnung tragen. Um eine Verwendung der Chancenbudgets im Sinne der Programmziele zu unterstützen, wurde in Abstimmung mit der Wissenschaft ein sogenanntes Orientierungspapier (BLV-Anlage 3) entwickelt.

Dieses Orientierungspapier richtet sich vorrangig an die Kultusministerien in den Ländern. Es enthält Maßnahmenbereiche, die eine leistungsfördernde sowie ungleichheits- und diversitätssensible Unterrichts- und Schulgestaltung unterstützen. Die Maßnahmenbereiche sollen entsprechende Professionalisierungsprozesse fördern und sind nach wissenschaftlichen Erkenntnissen sowie praktischen Erfahrungen aus den Ländern entstanden.

Zur Veranschaulichung der Maßnahmenbereiche werden in dem Orientierungspapier einzelne Maßnahmen beschrieben und auch konkrete Beispiele genannt. Diese sind keinesfalls abschließend. In der Praxis gibt es eine Vielzahl weiterer, ebenso qualifizierter Beispiele.

Für die in dem Orientierungspapier genannten Maßnahmenbereiche sollen zwei Drittel der Chancenbudgets an den Startchancen-Schulen aufgewendet werden. Für bedarfsgerechte Maßnahmen, die über die im Orientierungspapier genannten Maßnahmenbereiche hinausgehen, steht den Startchancen-Schulen ein Drittel ihres Chancenbudgets zur freien Verfügung.

Wissenschaftliche Begleitung und Evaluation

Das Startchancen-Programm soll größtmögliche Wirkung entfalten, Vorbild für die Zukunft sein und Modellcharakter entwickeln. Deshalb wird das Vorhaben auch nach dem Start als lernendes Programm wissenschaftlich begleitet und evaluiert.

Weitere Informationen finden Sie unter: https://www.bmbf.de/bmbf/de/bildung/startchancen/startchancen-programm.html

Quelle: Die Bundesregierung und Bundesministerium für Bildung und Forschung




Beobachtung und Dokumentation: Ansätze und Praxishilfen für die Kita

Fachbeiträge, Videos und Praxismaterial zum Download rund ums Thema

„Beobachtung ist die Grundlage für eine Pädagogik, in der das KIND und sein Recht auf eine möglichst förderliche Entwicklung im Mittelpunkt der Betrachtung stehen. Mit der Beobachtung fängt jede entwicklungsförderliche Pädagogik an und bildet den Grundstein (das Fundament) für wertschätzende Beziehungserlebnisse sowie begleitende Entwicklungsimpulse“, schreibt Prof. Armin Krenz in seinem Beitrag mit dem Titel „Kindliche Entwicklungsprozesse beobachten und dokumentieren“, den wir bei SPIELEN und LERNEN publiziert haben.

Damit dies einfacher gelingt, ist ein Konzept für die systematische Beobachtung in der Kita notwendig. Eine ganze Reihe von Arbeitshilfen und Instrumente können dabei sehr nützlich sein. Sehr gefragt ist unser Leitfaden zur Vorbereitung für Entwicklungsgespräche, den wir seit langer Zeit schon gratis zum Download anbieten. Bei unserer Internetrecherche ist uns vor allem der deutsche Bildungsserver aufgefallen. In der Rubrik „Entwicklungs- und Bildungsprozesse beobachten und dokumentieren“ finden sich zahlreiche Anregungen und Praxishilfen.

Ansätze und Konzepte

Für alle, die erst einmal einen groben Überblick zum Thema haben wollen, bietet sich das Video zum Thema „Bildungsdokumentation“ von „Schulen ans Netz e.V.“ an. Der kleine Film ist so einfach und eingängig, dass ihn auch Laien gut verstehen können. Mit einer Gesamtlänge von 3:56 Minuten ist er auch gut für einen Elternabend als Einstieg zum Thema geeignet:

biber

Unter den Ansätzen und Konzepten zur systematischen Beobachtung fanden wir vor allem den Beitrag zum Wahrnehmenden Beobachten stark. Die Website zu dem prozessorientierten Verfahren zur Beobachtung und Dokumentation bietet neben zahlreichen Downloads, etlichen Literaturtipps und Praxisbeispielen eine ganze Reihe Online-Vorträge, in denen Prof. Dr. Marjan Alemzadeh durch die vier praktischen Schritte des Wahrnehmenden Beobachtens führt.

Weitere spannende Beiträge finden sich etwa

Eine Vorlesung der Hochschule Hildesheim zum Thema „Kindheitspädagogische Beobachtung und Dokumentation“ von Prof. Dr. Peter Cloos ist auf Youtube zu sehen. Der Vortrag dauert etwa 75 Minuten:

nifbe-video

Ebenfalls von der Uni Hildesheim stammt auch das Buch Organisationsentwicklung in Kitas – Beispiele gelungener Praxis“ von Cindy Mieth. Das Buch lässt sich kostenlos als PDF downloaden.

Praktische Hilfen

Verschiedene Firmen bieten aktuell eine Fülle von Software zur Beobachtung und Dokumentation an. Da wir aber keine Möglichkeiten hatten, diese zu testen und wir uns zudem auf kostenfreie Angebote konzentrieren wollten, stellen wir hier keine kompletten Programme vor.

Vieles geht aber auch ohne PC. Und die beste Variante ist, wenn die Wahl Ihnen überlassen bleibt. Das ist etwa beim Kompik-Beobachtungsbogen der Fall. Mit Kompik können Sie die Entwicklung von Kita-Kindern im Alter von 3,5 bis 6,0 Jahren beobachten und dokumentieren. Das Programm lässt sich einfach herunterladen und installieren. Der Fragebogen kann auch ohne PC in Papierform ausgefüllt werden.

Das Netzwerk frühkindliche Entwicklung BIBER bietet einen guten Überblick mit praktischen Hilfen zur Bildungsdokumentation und Portfolioarbeit. „Um die Persönlichkeitsentwicklung bestmöglich zu fördern, wird das Kind – sein Verhalten, Spiel, Bewegung, Sprache – gezielt beobachtet. Diese Beobachtungen sind Grundlage für individuelle Förderschritte, die in der Bildungsdokumentation sichtbar gemacht und festgehalten werden“, beschreibt BIBER den Inhalt der Website.

av1-beobachtung-video

Rund um das „Bildungsbuch“ dreht sich alles auf der Seite der Gewerkschaft Bildung und Erziehung (GEW). Hier heißt es: „In nahezu allen Bildungsplänen für Kindertagesstätten wird verlangt, Bildung zu beobachten und zu dokumentieren. Aber wie lässt sich Bildung sichtbar machen? Ein Team von Pädagogen aus Praxis, Wissenschaft und Fort-/Weiterbildung geht seit Jahren dieser Frage nach und hat das Projekt ,Bildungsbuch‘ entwickelt, das zur Zeit in Kindertagesstätten praktiziert, weiterentwickelt und reflektiert wird.“ Daneben findet sich auf dem Bildungsserver auch „Das Übergangsbuch“ im PDF-Format. Hier dokumentieren Kinder, Eltern und pädagogische Fachkräfte den Übergang von der Kindertageseinrichtung in die Schule.

Ebenfalls auf dem Bildungsserver finden sich weitere Links etwa

Eine ganze Reihe weiterer Fachartikel hält auch „Das Kita-Handbuch“ bereit.

ifp-video

Datenschutz

Wer viel dokumentiert, sollte auch auf den Danteschutz achten. In den Beispielen, die oben aufgeführt sind, finden sich dazu etliche Leitfäden und Hinweise. Wer es noch detaillierter wünscht, sollte sich die „Empfehlungen zum Datenschutz bei Bildungs- und Lerndokumentationen in Kindertagesstätten“ downloaden. Herausgegeben hat das Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung des Bundeslandes Rheinland-Pfalz die Empfehlungen. Sie dürften aber wohl für alle Bundesländer Geltung haben.

Weitere Fachbeiträge




Mit Pappe und Bildern den Spracherwerb unterstützen

Kinderbücher sind ein Schlüssel zur Sprachförderung – aber nicht immer:

Die schlechteste Antwort, die ein Erwachsener auf die Frage geben kann, warum er ein bestimmtes Kinderbuch gekauft hat, ist: „Weil es mir gefallen hat“. Warum? Die Antwort ist einfach: Nicht der Geschmack eines Erwachsenen ist entscheidend, sondern der des Kindes. Schließlich ist die selbstgefällige Entscheidung der Erwachsenen eine Hauptursache dafür, dass Kinder oftmals keinen Zugang zu Büchern finden und letztlich auch die Motivation dazu.

Bücher sind das Tor zur Welt. Das gilt besonders für Bücher für die Kleinsten: die Pappbücher und Bilderbücher. Hier entdecken Kinder das Buch, lernen die Übertragung in die Zweidimensionalität und entwickeln die Sprachfertigkeit weiter. Leider klappt das immer seltener. Ein Grund: Viele Kinderbücher sind nicht wirklich für Kinder gemacht.

Mit allen Sinnen die Welt entdecken

Pappbilderbücher sind die ersten Bücher, die kleine Kinder in die Hand bekommen. Das geschieht meist im Alter von zehn Monaten bis zwei Jahren. In dieser Zeit ist für Kinder alles neu. Sie entdecken die Welt mit allen Sinnen und lernen sprechen. Das alles geschieht in ihrer engsten Umgebung.

In dieser Altersgruppe müssen Pappbilderbücher an die Alltagswelt und die Entwicklung der Kinder anschließen. So lernen die Kinder, ihre Welt in die zweidimensionale Welt des Buches zu übertragen, verarbeiten ihre Eindrücke und lernen, diese zu benennen. 

Abstrakte Kunst für kleine Kinder  

Wer mit diesem Anspruch die Buchhandlung um die Ecke besucht, erlebt so manches Mal sein blaues Wunder. Da sind zum einen wahre Kunstexperimente, die den Kindern untergeschoben werden. Abstrakte Darstellungen oder stark verniedlichte Darstellungen von Tieren und Menschen, die so stark verändert sind, dass ein Kind im Alter von ein bis zwei Jahren keine Chance hat, sie zu erkennen.

Daneben finden wir bekannte Bilderbücher ins Pappbilderbuch übertragen. Was also bisher für Kinder ab drei oder gar vier Jahren empfohlen wurde, ist jetzt durch die Pappe für Kinder ab einem Jahr geeignet? Zudem finden sich für Zweijährige so packende Themen wie Quantenphysik, Mittagsschlaf oder die Frage nach der Farbe von Küssen. Sollen das spannende Geschichten für Kleinkinder sein?

Es geht oft nur um die Erwachsenen

Sicher nicht! Aber schließlich kaufen auch nicht die Kinder sondern Erwachsene die Bücher. Denen soll der Inhalt gefallen. Zudem kann es so manche BuchhändlerIn gar nicht erwarten, die Kinder mit abstrakter Kunst zu beglücken. Während so einige Verleger meinen, die Chance nutzen zu müssen, um mit seinen Bilderbucherfolgen im Pappeformat noch einmal Reibach zu machen. Weder BuchkäuferInnen, BuchhändlerInnen noch die Verlage denken dabei an die Kinder. Im schlimmsten Fall schaden diese Bücher den Kindern, weil sie entweder überfordert sind oder nichts damit anfangen können.

Vom Meister des Pappbilderbuchs

In einem Interview mit der Literaturgarage hat Helmut Spanner, der Meister des Pappbilderbuchs, über seine Arbeit gesprochen. Schon als Student auf der Kunstakademie setzte er sich vor über 40 Jahren mit dem Pappbilderbuch auseinander. In seiner Examensarbeit widmete er sich dem Thema und stellte in einer kleinen Studie mit 50 Kindergartenkindern fest, warum sie mit so mancher Darstellung einfach nichts anfangen konnten.

Auf diesen Erkenntnissen baute er dann sein Werk auf.  „Bei den Kleinkindern geht es nur um ursprüngliche, einfache, existenzielle Dinge.“, erklärt er. Seine Bücher holen die Kinder eben dort ab, wo sie stehen. Wie auch Prof. Armin Krenz in seinem Artikel über spielen und lernen schreibt, entwickelt sich der Mensch über das Tun. Spanner bezeichnet dies als „Greiferfahrung“.

„Kinder kommen über die Hände“

„Die Kinder kommen über die Hände. Die visuelle Wahrnehmung ist am Ende des zweiten Lebensjahres erst führend. Das heißt, die taktile Wahrnehmung, die Greiferfahrung, ist wichtig, ist eine Vorstufe der rein abstrakten visuellen Wahrnehmung. So lernen die Kinder durch Greifen Wahrnehmung – sie begreifen. Was früher etwa eine Tasse war, in die das Kind reingreifen konnte, taucht jetzt im Buch auf. Hier kann es aber nicht mehr reingreifen. Es kann die Tasse auch nicht mehr umfassen. Es ist eine platte Welt. Die reale Tasse ist Natur und das Buch ist Kultur. Für einen Erwachsenen ist das alles völlig normal. Ein Kind steht aber vor einer völlig unbekannten Welt.“ sagt Spanner.

Kinder entdecken im Buch die Welt neu

Im Buch ist dann alles anders. Und die Kinder entdecken die Welt völlig neu. „Je weiter die Bilder aus dem Greifbereich hinausgehen, desto schwieriger sind sie zu erkennen, desto abstrakter sind sie. Deshalb müssen sich Pappbilderbücher für kleine Kinder möglichst nahe an die Realität halten. Meine Sachen sind nicht vom Erscheinungsbild her, sondern geistig reduziert. Das heißt etwa, dass ich eine Tasse ohne irgendwelche Muster zeichne. Weil ein Kind sonst die Muster mit der Tasse mitlernen würde. Das führt dann später im schlimmsten Fall zu Vorhängen mit Blumenmuster.“

Erste Wörter – Erste Sätze

Natürlich stammt unser Aufmacherbild aus einem der Bücher von Helmut Spanner. Es heißt „Erste Wörter – erste Sätze“ und ist in unserem Schwesterverlag Oberstebrink erschienen. Dr. Dagmar Eckart schreibt auf ihrem Buchblog dazu: „Max badet die Puppe. Lulu schaut zu. Nicki ruht sich aus. Klingt einfach, oder? Für Kinder sind solche Sätze jedoch ein Meilenstein im Spracherwerb. Das Papp-Bilderbuch ,Erste Wörter, erste Sätze’ von Helmut Spanner ist voll davon und hilft Kindern, aus Wörtern Sätze zu bilden.“

Und weiter heißt es: „Im Mittelpunkt des Geschehens steht eine bunte Truppe kleiner Bären, die genau das tun, was kleine Kinder auch machen: spielen, bewegen, im Haushalt helfen und miteinander agieren. Rund 20 solcher Alltagssituationen passen auf eine Doppelseite. Das erzeugt einerseits ein leicht wimmeliges Gesamtbild, auf dem es immer etwas zu entdecken gibt. Andererseits bleibt genug Raum für kleine, alltagsnahe Details wie eine Nudel, die noch aus dem Topf heraushängt. Immer mit dabei ist ein Baby-Bär, der genau wie die größeren Bären mitmachen möchte. Nicht nur das sorgt für ein angenehm offenes Rollenbild: Ob Bären-Mädchen oder Junge – jeder macht alles und packt überall an … Es gibt erstaunlich wenig Bilderbücher für Kinder unter zwei Jahren, die die Interaktion zwischen Kindern so in den Mittelpunkt stellen.“

Wenke Bönisch von der Kinderbibliothek beschreibt dies: „Spanner verzichtet auf Details im Hintergrund, was viel zu sehr verwirren würde. Die kleinen Leser entdecken so ihre eigene Welt, wenn Taps auf Stelzen balanciert und ein Pflaster auf der Stirn auf eine Schramme hinweist. Oder wenn Tommi über die Drachenschnur fällt, weiß so manches Kind, wie weh es tut. Gestik, Mimik und vor allem die Körperhaltung ist absolut natürlich. Spanner gestaltet illustratorisch die Gegenstände so genau, als würde man sie wahrhaftig spüren – die Wärme des Holzes, das Nass des Abwaschwassers, die metallene Schubkarre. Zu jeder Szene gibt es einen ganz kurzen Satz. Auch hier bleibt Spanner bei seiner Leserschaft: Subjekt, Prädikat, mal ein Objekt. So lernen die Kleinen, die Bilder mit den ersten Wörtern, mit den ersten Sätzen zu verknüpfen. Sie dechiffrieren die Welt und die Sprache. Eine nicht einfache Aufgabe!“

Von diesem und anderen Pappbilderbüchern

Freilich hört sich das Ganze an, wie Werbung für das Buch „Erste Wörter – Erste Sätze“, das die Diplom Pädagogin und Buchhändlerin Gabriele Hoffmann als „DAS Bilderbuch für Sinn erschließenden Spracherwerb“ bezeichnet (siehe auch Video). Aber das Prinzip des Pappbilderbuches wird damit auch klar und genau deshalb haben wir es auch ins Programm genommen. Es gilt, die Entwicklung des Kindes zu beachten, vom Kind aus zu denken, seine Alltagswelt realistisch abzubilden, statt ihm die Gedanken- und Geschmackswelt der Erwachsenen überzustülpen.  

Natürlich hat Spanner noch viel mehr Pappbilderbücher wie etwa die Bestseller „Erste Bilder – erste Wörter“ oder „Ich bin die kleine Katze“ publiziert. Oder denken wir nur an die Bücher von Eric Carle wie etwa „Die kleine Raupe Nimmersatt“, die schon seit über 50 Jahren aus keinem Kindergarten mehr wegzudenken ist.

Und wie soll es nun sein?

Auf die Frage, wie denn ein Pappbilderbuch für Kinder sein sollte, antwortet Spanner: Nahe an der Realität muss es sein, ästhetisch, also geschmacksbildend, es muss einfach sein, echt und ohne Unstimmigkeiten, emotional … Es ist nicht der freie künstlerische Stil, der im Pappbilderbuch gefragt ist. Die Ansprüche gehen vom Kind aus. Ich kann mich eben nicht als freier Maler im Pappbilderbuch verwirklichen. Da bin ich falsch. Das ist eine andere Kategorie. Es geht um die Kinder. Aber nicht in dem Sinne, nur das zu befriedigen, was die Kinder sehen wollen.“ Weitere Infos zu Helmut Spanner unter https://www.helmut-spanner.de.

Vom Wesen der Tiere

Einen Schritt weiter geht die niederländische Pastellmalerin Loes Botman. Sie weiß wie keine andere, wie sie den Charakter der Tiere in ihren faszinierenden Pastellzeichnungen zum Ausdruck bringen kann. Dies ist einer der Gründe, warum ihre Bücher von kleinen Kindern so geliebt werden. Ihnen erschließt sich hier eine faszinierende neue Welt, in der die kleinen Tiere in einem natürlichen Hintergrund wunderschön zum Leben erweckt werden.

Einen Schritt weiter geht die niederländische Pastellmalerin Loes Botman. Sie weiß wie keine andere, wie sie den Charakter der Tiere in ihren faszinierenden Pastellzeichnungen zum Ausdruck bringen kann. Dies ist einer der Gründe, warum ihre Bücher von kleinen Kindern so geliebt werden. Ihnen erschließt sich hier eine faszinierende neue Welt, in der die kleinen Tiere in einem natürlichen Hintergrund wunderschön zum Leben erweckt werden.

Aufgrund der Hintergründe sind die kleinen Pappbilderbücher etwas komplexer als jene von Helmut Spanner. Deshalb sind die Bücher für Kinder erst ab 18 Monaten geeignet. Dabei hält sich Botman mit den Hintergründen zurück. Diese sind lediglich die Bühne für die Tiere.

Dr. Wenke Bönisch lobt die detailgetreuen und realistischen Abbildungen. „Man spürt fast schon das weiche Fell der Katze oder den harten Panzer der Schildkröte.“, schreibt Sie in ihrer Rezension. Zu jeder Abbildung gibt es einen kleinen Reim, in dem eine Eigenschaft des Tieres hervorgehoben wird. Die Reime bilden den Wortschatz und das Sprachgefühl der Kleinkinder. Mehr Informationen zu den Büchern von Loes Botman finden Sie hier.




Warum Eltern ihren Babys vorsingen sollten

Spiellieder prägen die Sprachfähigkeiten von Kleinkindern

Eltern singen ihren Babys oft Wiegenlieder oder fröhliche Spiellieder vor. Doch wie reagieren Babys auf diese alltäglichen Gesänge – und welche Rolle spielen sie für die kindliche Entwicklung? Diesen Fragen ist ein Forschungsteam der Universität Wien in Zusammenarbeit mit der University of East London in einer aktuellen Studie nachgegangen. Das Fazit: Welche Lieder Eltern mit ihren Kleinen singen und wie Babys auf unterschiedliche Rhythmen reagieren, hängt mit der späteren Sprachentwicklung der Kinder zusammen. Die Studie erscheint aktuell im Fachjournal Developmental Cognitive Neuroscience.

Vom Instinkt zur bewussten Aktion

Musik spielt eine tiefgreifende Rolle im menschlichen Alltag – und das schon von ganz früh. Weltweit singen Eltern instinktiv für ihre Babys in vielerlei alltäglichen Situationen, etwa beim Wickeln oder Spielen. Dabei wollen sie ihre Kleinen beruhigen, deren Aufmerksamkeit gewinnen oder einfach gemeinsam Spaß haben. Forscherinnen und Forscher aus dem Wiener Kinderstudien Labor der Universität Wien haben sich nun gefragt, wie junge Säuglinge auf unterschiedliche, von der Mutter vorgesungene Rhythmen reagieren und welche Folgen die Wahrnehmung und Verarbeitung dieser Rhythmen für die Sprachentwicklung hat. 

Musik motiviert

Die akustischen Merkmale von Kinderliedern variieren abhängig von ihrem Verwendungszweck: Spiellieder zeichnen sich durch eine höhere Rhythmik, ein schnelleres Tempo und höhere Tonhöhen aus. Sie sind zudem musikalisch vielfältiger und komplexer als Schlaflieder. Letztere sind durch ein langsames Tempo, tiefere Tonhöhen und weniger musikalische Variation gekennzeichnet, um Babys zu beruhigen und beim Einschlafen zu helfen. In einer neuen Studie haben Mütter ihren sieben Monate alten Babys zwei bekannte Kinderlieder vorgesungen – ein Schlaflied („Schlaf, Kindlein schlaf“) und ein Spiellied („Es tanzt ein Bi-Ba-Butzemann“).

Bei den Säuglingen wurde dabei die Gehirnaktivität mittels Elektroenzephalographie (EEG) gemessen. Zusätzlich wurden die rhythmischen Bewegungen (etwa wippen oder strampeln) der Babys beobachtet. Als diese Kinder 20 Monate alt waren, wurden die Eltern mittels Fragebogen über den Wortschatz ihrer Kleinkinder befragt.

Schlaflieder und Spiellieder

Durch moderne Analyseverfahren konnten die Forscherinnen und Forscher zeigen, dass es möglich ist, anhand der Gehirnaktivität der Babys die neurale Verarbeitung beider Arten von Liedern zu beobachten. Dazu Studienerstautorin Trinh Nguyen: „Unsere Ergebnisse zeigten, dass es den Babys leichter fiel, das Schlaflied mit ihrer Gehirnaktivität zu ,tracken’“. Damit ist gemeint, dass die Gehirnwellen den Klang des Gesangs widerspiegeln. Das liegt wahrscheinlich am langsamen Tempo und den einfachen Strukturen des Liedes.

Mehr rhythmische Bewegungen zeigten die Säuglinge allerdings während des Spiellieds.“ Die etwas komplexeren musikalischen Strukturen der Spiellieder könnten anregender sein und die Kinder dadurch motivieren, sich mehr zur Musik zu bewegen. Spannenderweise wirkte sich aber nur das neuronale Tracking in Kombination mit rhythmischen Bewegungen beim Spiellied positiv auf die Größe des Wortschatzes der Kinder im Alter von 20 Monaten aus.

Auf das Lied kommt es an

Die Studie legt nahe, dass die Art und Weise, wie Babys auf unterschiedliche Lieder reagieren, mit ihrer späteren sprachlichen Entwicklung zusammenhängen könnte. Dies eröffnet Möglichkeiten für weitere vertiefende Forschung, um die Mechanismen und genauen Zusammenhänge zwischen musikalischer Wahrnehmung und Sprachentwicklung besser zu verstehen. In weiterführenden Studien untersucht das Forschungsteam zum Beispiel, welche musikalischen Elemente (Tonhöhe, Tempo, Klangfarbe) für Babys besonders anregend sind.

Die Erkenntnisse könnten für die Entwicklung von Interventionsprogrammen hilfreich sein, die die musikalische Interaktion zwischen Eltern und Babys gezielt fördern. Dies könnte von der Frühförderung bis zum Kindergarten und darüber hinaus reichen, um die kognitive und sprachliche Entwicklung von Kindern zu unterstützen.

Originalpublikation:

Trinh Nguyen, Susanne Reisner, Anja Lueger, Sam V. Wass, Stefanie Höhl, & Gabriela Markova: Sing to me, baby: Infants show neural tracking and rhythmic movements to live and dynamic maternal singing. In: Developmental Cognitive Neuroscience, 2023.
DOI: 10.1016/j.dcn.2023.101313

Theresa Bittermann, Universität Wien




Auf Kinder hören – mit Kindern sprechen

Sprache ist der Motor für jede Selbstexploration und Selbstbildung

Die PowerPoint Präsentationen und Seminarunterlagen von Armin Krenz haben sich in zahllosen Vorträgen und Weiterbildungen bewährt. Sie vermitteln kurz und prägnant das Wesentliche für die pädagogische Praxis und stützen sich dabei auf neueste wissenschaftliche Erkenntnisse. Eben hat er mit „Elementarpädagogische Grundsätze auf den Punkt gebracht“ ein neues Buch vorgelegt, in dem er jedes Kapitel mit einem Fachrartikel einleitet. Im Anschluss daran findet sich ein Abdruck der jeweiligen Powerpoint. Jedes Kapitel schließ mit einer ausfürhlichen Literaturliste.

Das Buch unterstützt pädagogische Fachkräfte dabei, in Bereichen wie Raumgestaltung, Kindheitspädagogik oder in der Beziehung zum Kind aktuelles Wissen in die Praxis umzusetzen. Ob in der Ausbildung, als Vorbereitung auf Gespräche im Kita-Team oder zur Auffrischung des eigenen Fachwissens.

Mit Erlaubnis des Autors publizieren wir hier ein vollstädiges Kapitel aus seinem neuen Buch „Elementarpädagogische Grundsätze auf den Punkt gebracht“. Im Anhang finden Sie eine PowerPoint Präsentation von Prof. Krenz, die wir hier einen Monat lang für Sie zur Verfügung stellen.

Was Sprache bedeutet

Sprache ist Erlebnis – durch sie kann der Mensch sich selbst in Erstaunen versetzen.
Sprache ist wie ein Wunder – sie kann dazu beitragen, in völlig neue Gedankenwelten einzutauchen und gedankliche Tiefen zu erleben, die bis dahin völlig unentdeckt geblieben sind.
Sprache ist Genuss – durch sie versetzt sich der Mensch immer wieder selbst in die Lage, den eigenen Worten gerne zu lauschen.
Sprache fasziniert – durch sie ergeben sich Erkenntnisse, die bisherige (entwicklungshinderliche) Überlegungen auflösen können und innovative Gedanken provozieren.
Sprache verbindet – und lässt im ersten Augenblick unüberbrückbar erscheinende Grenzen zusammenbrechen, wodurch der Mensch ins unerwartete Erstaunen gerät.
Sprache erfreut – und bringt in Selbstgesprächen Sonne in das eigene Herz, um beispielsweise Trauer zu verstehen oder den Sinn bzw. die Bedeutung plötzlicher Irritationen zu begreifen.
Sprache beglückt – und eröffnet in einem konstruktiven Selbstgespräch gedankliche Perspektiven, die bis dahin kaum zugelassen werden konnten.
Sprache berührt – und lässt den Menschen in nachsinnende Gedankenwelten kommen, so dass neue Gedankenverbindungen geknüpft werden können und neue Gefühlswelten entdeckt werden.
Sprache ist wie die Feder eines Vogels – leicht, beschwingt und wundervoll zu betrachten, um sich selbst aus festgefahrenen Gedankenstrukturen zu befreien.
Sprache ist wie ein heller Sonnenstrahl – wegweisend für das eigene Leben, zielgebend und richtungsorientierend.

Gleichzeitig kann Sprache aber auch wie ein Schwert sein: scharf wie eine frisch geschliffene Klinge, zerstörend und vernichtend. Sie kann sich wie ein Feuer in das eigene Herz oder in die Herzen anderer Menschen brennen und eine nachhaltig destruktive Wirkung haben.

Sprache kann auch ermüden, abschrecken, Ängste provozieren und krank machen.

Sprache kann damit Selbstbildungswelten im Menschen öffnen oder verschließen und wirkt (unbemerkt) permanent entwicklungsförderlich oder entwicklungshinderlich.

Das größte Problem in der Kommunikation ist, dass wir nicht zuhören, um zu verstehen. Wir hören zu, um zu antworten.

Thomas Schäring


cover-krenz-pp

Armin Krenz
Elementarpädagogische Grundsätze auf den Punkt gebracht
20 PowerPoint Präsentationen als Grundlage für Teambesprechungen, Fortbildungsveranstaltungen, Fachberatungen
Softcover, 336 Seiten, durchgehend vierfarbig
ISBN: 978-3-96304-613-1
29,95 €


Was Kinder dringender denn je brauchen, ist ein sprachaktives, sprechmotivierendes Lebens- und Lernumfeld:

  • Sie brauchen ungeteilte Zeiten, in denen sie mit Ausdauer und nach eigenen Zeitempfindungen Dinge in Ruhe zu Ende führen können, um Sprachgedanken zu entwickeln, zu verfolgen und auch abschließen zu können.
  • Sie brauchen vor allem Erwachsene, die ihre Ausdrucksformen wirklich verstehen, die Symbole ihres Handelns und Erzählens begreifen und sprachlich „übersetzen“.
  • Sie brauchen den Kindergarten als einen Ort, an dem sie ein aktives Mitspracherecht haben: von der Gestaltung des Tagesablaufes bis hin zur Kinderkonferenz.
  • Sie brauchen offene Ohren, die hören, was Kinder zurzeit beschäftigt und dabei immer wieder mit ihnen in einen lebendigen Kommunikationsaustausch über die kinderbedeutsamen Themen einsteigen.
  • Sie brauchen vielfältige Möglichkeiten, das wirkliche Leben – und keine künstlich gestaltete und strukturierte Welt – kennen zu lernen und dabei philosophische Betrachtungen über ihre Beobachtungen vornehmen zu können.
  • Sie brauchen eine Umgebung, in der sie sich in ihrer Individualität entwickeln können und den Fragen –sprachlich ausgedrückt – nachgehen, „Wer bin ich, was macht mich einmalig in dieser Welt, was kann ich gut und was gibt es alles zu lernen?“, bevor eine so genannte Sozialentwicklung auf sie einströmt.
  • Sie brauchen Menschen, die ihnen einen Raum zugestehen, in dem sie mit Versuch und Irrtum das Weltgeschehen um sie herum begreifen und sprachlich in Worte fassen können.
  • Sie brauchen Erwachsene (und ein entsprechendes Umfeld), die der Prozesshaftigkeit in einem Gespräch eine hohe Beachtung schenken und ihnen  als Bündnispartner zur Umsetzung ihrer ureigenen Interessen zur Seite stehen, die immer wieder sprachlich aufgenommen und weiterverfolgt werden können.
  • Sie brauchen und suchen einen Ort, an dem ihr magisches Denken ausreichend Platz findet, erlebt und sprachlich vielschichtig ausgedrückt zu werden.
  • Sie brauchen und suchen in Erwachsenen Mitspieler/innen und keine Dirigenten, die wirklich auf der Ebene von Kindern – im wahrsten Sinne des Wortes – sind und sie brauchen Erwachsene, die mit ihnen sprechen anstatt auf sie einzureden, an ihnen vorbei reden oder über sie zu sprechen.
  • Sie brauchen Menschen, die ihre Stärken sehen und nicht gegen ihre vermeintlichen Schwächen kämpfen, die ihre Stärken und Handlungstätigkeiten sprachlich begleiten (und nicht loben!).
  • Sie suchen Erwachsene, die statt eines Pessimismusses einen hohen Optimismus ausstrahlen und ihr Lebensglück durch eine reichhaltige und motivierende Sprache zum Ausdruck bringen.

Gebe es keine Kommunikation, wären die Menschen aufgeschmissen. Aber aufgrund von Smartphones merken sie nicht einmal, dass sie aufgeschmissen sind.

cool ge Poet 123

Dort, wo der Kindergarten zu einem alltagstauglichen, >bildungsorientierten und lernprovozierendem Lebensraum< geworden ist und die gesamte Kommunikation respektvoll und wertschätzend gestaltet ist, fühlen sich Kinder angenommen und verstanden. Dies schafft die notwendige Sicherheit für Kinder, sich in Sicherheit zu wissen, wodurch es ihnen leichter fällt, eigene Erlebnisse, Erfahrungen und Eindrücke zu äußern, über ihr Gefühlserleben zu sprechen, sich auf neue Erfahrungen einzulassen, auch alte (Sprach)Muster zu verändern und mit neuen Verhaltensweisen zu experimentieren.

Wenn Kinder diesen »lernprovozierenden Bullerbü – Effekt« nicht mehr im Kindergarten erleben können, dann müssen sie auch hier resignieren, verlieren ihre Freude am Sprechen, experimentieren nicht mehr mit ihrer Sprache oder fallen in frühere Sprachformen zurück und entwickeln bzw. verfestigen zusätzlich auffällige Verhaltensweisen, die sich folgenotwendig weiter in die Schulzeit verlagern bzw. Kinder ihre Erfahrungen »auf der Straße« suchen. Das ist – auf die Gegenwart bezogen – dramatisch und wäre im Hinblick auf die Zukunft fatal. Kinder brauchen nötiger denn je einen beziehungsorientierten und lernintensiven, werteorientierten, kommunikationsinteressanten, sprachintensiven Alltags-Lebensraum, in dem Kinder immer wieder aufs Neue Freude an ihrer Sprache empfinden und gleichzeitig auch Freude daran haben, sich mit anderen Kindern und den Erwachsenen zu unterhalten — die Kindertagesstätte kann Kindern diesen Raum bieten und den Kindern nutzbar machen.

Sprechen und Hören ist Befruchten und Empfangen.

Novalis

Es besteht heute überhaupt kein Zweifel daran, was die Sprache nachhaltig fördert:  Eine „integrierte Sprachförderung“ geschieht vor allem durch die Merkmale, die Sprache außergewöhnlich stark aktivieren, provozieren, lebendig werden lassen:ein alltägliches miteinander sprechen; miteinander singen; miteinander dichten und reimen, Dialoge lebendig pflegen und gemeinsam auf die Suche nach Antworten gehen; miteinander philosophieren; Kinderaktivitäten sprachlich Begleitung; gemeinsames Genießen einer lebendigen Bewegungskultur; Geschichten vorlesen und nacherzählen; Märchen vorlesen und nachspielen; Geschichten erfinden und aufschreiben; miteinander spielen; sorgsam aufeinander hören; Hörspiele erfinden und aufzeichnen; Kindergartenzeitungen erstellen und drucken; Kinderkonferenzen gemeinsam gestalten.

„Gute Sprachförderung“ ist damit alltäglich und werteorientiert hörbar – nämlich in einer werteorientierten Kommunikations-, Interaktions-, Konflikt-, Spiel- und Sprachkultur. Sie ist anstrengend und wundervoll zugleich.

Die Menschheit zur Freiheit bringen, das heißt, sie zum Miteinander reden bringen
To bring freedom to mankind means to get them to talk to each other
Mener les hommes à la liberté veut dire les amener à dialoguer

Karl Jaspers

Armin Krenz




Die Entwicklung der Sprache spielerisch unterstützen

Sprachspile

Charmaine Liebertz hat zahlreiche Spiele entwickelt, um die Sprachbildung von Kindern zu unterstützen

Sprache ist unser wichtigstes Werkzeug für ein harmonisches Zusammenleben. Die Spielekartei Sprachförderung hilft schon den Kleinsten, ihre Sprechmotorik zu trainieren und die Zusammenarbeit im Spiel durch Sprache zu koordinieren. Die spannenden und originellen Spielideen unterstützen die natürliche Sprachentwicklung und helfen Ihnen Schwächen gezielt zu trainieren. Die drei folgenden Spiele unterstützen Kinder bei der Sprachentwicklung.

Ich bin das Auto!

Vor den Kindern stehen drei Aktionsstühle. Ein Kind beginnt, setzt sich auf den mittleren Stuhl und sagt z.B.: „Ich bin das Auto!“ Auf die Stühle rechts und links setzen sich nun Kinder, die als erste mit dem Begriff „Auto“ eine Assoziation verbinden. Sie sagen diese Assoziation laut. Das könnte „Straße, Reifen, Fahrrad …“ sein. Das Kind auf dem mittleren Stuhl darf nun entscheiden, welcher Begriff und damit welches Kind neu auf seinen mittleren Stuhl wechselt, die beiden anderen gehen zurück zu den übrigen Kindern. Und schon beginnt eine neue Runde mit dem neuen Begriff.

  • Alter: ab 4 Jahre
  • Zeit: 10 bis 15 Minuten
  • Sozialform: Gruppenspiel

Variante

Die Assoziationsketten eignen sich auch für andere Wortarten.
Gefragt sind dann nur Adjektive* oder Verben. Größere Kinder können auch abwechselnde Assoziationsketten bilden. Nach Auto – Straße – Fahrrad wechselt z. B. „Straße“ auf den mittleren Stuhl. In der nächsten Runde sind nun Eigenschaften gefordert, die Kinder nennen Adjektive wie „gerade“ und „breit“. Bleibt etwa „breit“ übrig, dann folgen als passende Begriffe z. B. „Brücke“ und „Fluss“ (also Nomen*) und wieder folgt eine Eigenschaft. Genauso ist ein Wechsel mit Verben möglich. Nutzen Sie das Spiel auch im Fremdsprachenunterricht.

Dichterlesung

Die Kinder bilden Paare. Der Spielleiter erklärt: „Versucht, im Gespräch ganz viel über euren Partner (Eigenschaften, Vorlieben, Stärken, Schwächen usw.) zu erfahren, und macht euch dazu Notizen!“ Für die anschließende Aufgabe „Schreibt nun einen Vierzeiler über euren Interview-Partner!“ erhalten die Kinder ca. 10 Minuten Zeit. Dann sammelt der Spielleiter die Werke ein und verteilt sie neu. Es folgt die spannende Dichterlesung: Die Vierzeiler werden laut vorgelesen und die Gruppe rät, von wem hier die Rede sein könnte.

  • Alter: 8 bis 11 Jahre
  • Zeit: 25 – 40 Minuten
  • Sozialform: Gruppenspiel
  • Material: Papier und Stift

Variante

Die Kinder komponieren ein Lied oder schreiben eine Geschichte über ihren Interview-Partner.

Der Detektiv im Sprachwald

Ein Kind verlässt als Detektiv den Raum. Die anderen Kinder bilden Paare. Jedes Paar vereinbart ein zusammengesetztes Hauptwort (z.B. Blumentopf) von dem je ein Partner einen Wortteil (Blumen + Topf) im Gedächtnis speichert. Die Paare gehen auseinander und verteilen sich im Raum. Der nun hereingerufene Detektiv erfährt: „Im Raum stehen stumme Wortpaare. Sie sind traurig, weil sie sich verloren haben. Aber sie verbindet ein Geheimnis, ein gemeinsames Wort. Wenn du die Kinder mit dem Finger berührst, dann nennen sie dir ihr Wort. Bring die unglücklichen Paare rasch zusammen. Du darfst die Kinder so oft du möchtest berühren.“

  • Alter: 4 bis 10 Jahre
  • Zeit: 10 bis 15 Minuten
  • Sozialform: Gruppenspiel

Variante

Der Detektiv kann viele „verlorene Wortpartner“ suchen:

  • Paare (z.B. kalt – heiß / der – Mann / Apfel – Äpfel / Auto – car usw.)
  • Drillinge (z.B. Schwein – Sau – Ferkel / gehe – ging – werde gehen usw.)
  • Gruppen (z.B. To – ma – ten – sa – lat / Geh – bitte – jetzt – einkaufen!)
kartei sprache

Die Spielekartei Sprachförderung
Charmaine Liebertz

Burckhardthaus
ISBN: 9783944548234
14,95 €
Mehr unter: www.oberstebrink.de




Sprachförderung in einer beziehungsgeprägten Sprachkultur mit Kindern

Zur „Guten Sprachförderung“ gehört eine werteorientierte Kommunikations-, Interaktions-, Konflikt-, Spiel- und Sprachkultur

Sprache als Motor der Selbstexploration und Selbstbildung

Ausgangsthesen:

  • Sprache ist Erlebnis: Durch sie kann der Mensch sich selbst in Erstaunen versetzen.
  • Sprache ist wie ein Wunder: Sie kann dazu beitragen, in völlig neue Gedankenwelten einzutauchen und gedankliche Tiefen zu erleben, die bis dahin völlig unentdeckt geblieben sind.
  • Sprache ist Genuss: Durch sie versetzt sich der Mensch immer wieder selbst in die Lage, den eigenen Worten gerne zu lauschen.
  • Sprache fasziniert: Durch sie ergeben sich Erkenntnisse, die bisherige (entwicklungshinderliche) Überlegungen auflösen können und innovative Gedanken provozieren.
  • Sprache verbindet: Und lässt im ersten Augenblick unüberbrückbar erscheinende Grenzen zusammenbrechen, wodurch der Mensch ins unerwartete Erstaunen gerät.
  • Sprache erfreut: Und bringt in Selbstgesprächen Sonne in das eigene Herz, um beispielsweise Trauer zu verstehen oder den Sinn bzw. die Bedeutung plötzlicher Irritationen zu begreifen.
  • Sprache beglückt: Und eröffnet in einem konstruktiven Selbstgespräch gedankliche Perspektiven, die bis dahin kaum zugelassen werden konnten.
  • Sprache berührt: Und lässt den Menschen in nachsinnende Gedankenwelten kommen, so dass neue Gedankenverbindungen geknüpft werden können und neue Gefühlswelten entdeckt werden.
  • Sprache ist wie die Feder eines Vogels: leicht, beschwingt und wundervoll zu betrachten, um sich selbst aus festgefahrenen Gedankenstrukturen zu befreien.
  • Sprache ist wie ein heller Sonnenstrahl: wegweisend für das eigene Leben, zielgebend und richtungsorientierend.

Gleichzeitig kann Sprache aber auch wie ein Schwert sein: scharf wie eine frisch geschliffene Klinge, zerstörend und vernichtend. Sie kann sich wie ein Feuer in das eigene Herz oder in die Herzen anderer Menschen brennen und eine nachhaltig destruktive Wirkung haben.

Sprache kann auch ermüden, abschrecken, Ängste provozieren und krank machen. Ja, Sprache kann auch eine todbringende Auswirkung haben.

Sprache kann damit Selbstbildungswelten im Menschen öffnen oder verschließen und wirkt (unbemerkt) permanent entwicklungsförderlich oder entwicklungshinderlich.

Sprache als persönlicher Kommunikationsmotor für eine entwicklungsförderliche Lebensorientierung

Kinder sind verstärkt in Ohnmachtserlebnissen, Auslieferungserlebnissen, Trennungserlebnissen, Beziehungsnöten und Bedrohungsängsten gebunden.

Ausgangsthesen:

Was Kinder daher dringender denn je brauchen, ist ein sprachaktives, sprechmotivierendes Lebens- und Lernumfeld:

  • Sie brauchen ungeteilte Zeiten, in denen sie mit Ausdauer und nach eigenen Zeitempfindungen Dinge in Ruhe zu Ende führen können, um Sprachgedanken zu entwickeln, zu verfolgen und auch abschließen zu können.
  • Sie brauchen vor allem Erwachsene, die ihre Ausdrucksformen wirklich verstehen, die Symbole ihres Handelns und Erzählens begreifen und sprachlich „übersetzen“.
  • Sie brauchen den Kindergarten als einen Ort, an dem sie ein aktives Mitspracherecht haben: von der Gestaltung des Tagesablaufes bis hin zur Kinderkonferenz.
  • Sie brauchen offene Ohren, die hören, was Kinder zurzeit beschäftigt und dabei immer wieder mit ihnen in einen lebendigen Kommunikationsaustausch über die kinderbedeutsamen Themen einsteigen.
  • Sie brauchen vielfältige Möglichkeiten, das wirkliche Leben – und keine künstlich gestaltete und strukturierte Welt – kennen zu lernen und dabei philosophische Betrachtungen über ihre Beobachtungen vornehmen zu können.
  • Sie brauchen eine Umgebung, in der sie sich in ihrer Individualität entwickeln können und den Fragen –sprachlich ausgedrückt – nachgehen, „Wer bin ich, was macht mich einmalig in dieser Welt, was kann ich gut und was gibt es alles zu lernen?“, bevor eine so genannte Sozialentwicklung auf sie einströmt.
  • Sie brauchen Menschen, die ihnen einen Raum zugestehen, in dem sie mit Versuch und Irrtum das Weltgeschehen um sie herum begreifen und sprachlich in Worte fassen können.
  • Sie brauchen Erwachsene (und ein entsprechendes Umfeld), mit denen der Prozesshaftigkeit eine höhere Beachtung geschenkt wird als dem Herstellen von irgendwelchen »ästhetischen Produkten« und sie brauchen diese Erwachsenen als Bündnispartner zur Umsetzung ihrer ureigenen Interessen, die immer wieder sprachlich aufgenommen und weiterverfolgt werden können.
  • Sie brauchen und suchen einen Ort, an dem ihr magisches Denken ausreichend Platz findet, erlebt und sprachlich vielschichtig ausgedrückt zu werden.
  • Sie brauchen und suchen in Erwachsenen Mitspieler/innen und keine Dirigenten, die wirklich auf der Ebene von Kindern – im wahrsten Sinne des Wortes – sind und sie brauchen Erwachsene, die mit ihnen sprechen anstatt auf sie einzureden, an ihnen vorbei reden oder über sie zu sprechen.
  • Sie brauchen Menschen, die ihre Stärken sehen und nicht gegen ihre vermeintlichen Schwächen kämpfen, die ihre Stärken und Handlungstätigkeiten sprachlich begleiten (und nicht loben!).
  • Sie suchen Erwachsene, die statt eines Pessimismusses einen hohen Optimismus ausstrahlen und ihr Lebensglück durch eine reichhaltige und motivierende Sprache zum Ausdruck bringen.
  • Sie suchen Mitmenschen, die sich auf Erfahrungen einlassen und keine Dogmen (Lehrsätze) verbreiten und sie brauchen Erwachsene, die statt »moralisierender Ratschläge für andere Werte« selbst ihr eigenes Leben auf der Grundlage einer verinnerlichten Wertemoral gestalten.
  • Sie wünschen sich Menschen, die loslassen können, statt sich auf bestimmte Rollen und Vorhaben/Ziele zu fixieren (und damit auch sprachlich flexibel sind) und sie suchen Erwachsene, die sie statt erziehen zu wollen ganzheitlich (auch sprachlich)begleiten.
  • Kinder brauchen Menschen, die Selbsterfahrung auf sich nehmen, statt eigene Gedanken, Gefühle und Muster auf Kinder zu projizieren und sie suchen Erwachsene, die mit ihnen auf die Suche nach Wahrheiten gehen, statt im Sinne von Recht oder Unrecht zu debattieren und eigene Standpunkte auf Kinder übertragen.

Sprache als Wertefaktor in einer Welt zunehmender Werteverluste

Sprache kann als ein lebensbedeutsamer Wertefaktor nur dann einen subjektiven Wert durch das Kind selbst erhalten, wenn folgende Merkmale gegenwärtig sind:


Alle Bücher, die von Armin Krenz bei Burckhardthaus erschienen sind, finden Sie hier.


Ausgangsthesen:

Die Kindergartenzeit ist keine Zeitspanne eines vorgezogenen Schulübens, sondern ein Leben und Lernen mit Kindern in Sinn zusammenhängenden, ganzheitlichen Vorhaben, die sich auf das aktuelle Leben der Kinder mit ihren Themenschwerpunkten bezieht.Die Elementarpädagogik ist kein Ort, an dem Kinder gesagt bekommen, was sie machen können/sollen/müssen, sondern an dem die Themen der Kinder verstanden und sprachlich/ inhaltlich konkret aufgegriffen werden.Der Kindergarten hat für eine Atmosphäre zu sorgen, in der sich Kinder angenommen und wertschätzend behandelt fühlen – nur dann kann Sprache gedeihen. Dabei ist die Umgebung von Kindern als ein Ort zu erfassen, an dem sie sich selber fordern und eigenmotiviert fördern können.Der Kindergarten hat sich Kindern als ein Ort zu zeigen, in dem das Leben pulsiert, in dem Realitäten erfahren werden können und der jede aufgesetzte Künstlichkeit aufgibt.Er hat Kindern die entwicklungsförderliche Möglichkeit zu bieten, unverarbeitete Erfahrungen aufzuarbeiten, um sich von alltäglichem Erwartungsdruck und biographisch ausgelösten Belastungen zu befreien.Der Kindergarten muss ein Ort sein, an dem der Phantasiereichtum von Kindern jede Arbeitsschablone überflüssig macht und die Person der Erzieherin ein von Kindern geliebter Teil der Gruppe ist.Der Kindergarten gestaltet dabei seine Arbeit aus einem Selbstverständnis heraus, in dem zunehmend eingesetzte Therapieprogramme durch das gemeinsame, ganzheitliche Leben immer mehr überflüssig werden.

Damit wird der Kindergarten zu einem Ort, an dem mit Kindern zusammen gekocht und gelacht wird, Freude regiert und Regeln gemeinsam ausgehandelt werden, Kinder noch Kinder sein können und nicht als »unfertige Erwachsene« betrachtet werden, geachtete Rückzugsecken bestehen und Kinder selbstverständlich jeden Tag ihr Spielzeug mitbringen können, Jungen ebenso wie Mädchen zu ihren besonderen Rechten kommen und Gewalt von einer natürlichen Aggression unterschieden wird. Ein Ort, an dem es ebenso Ablehnung, Abgrenzung und Auseinandersetzungen gibt wie unter den Erwachsenen und dabei natürliche Wege gesucht und miteinander gegangen werden, um solche Grenzen zu überwinden; an dem jedes Kind das verbriefte Recht auf Meinungsäußerung besitzt und vor allem das Kind in Erwachsenen ein Modell für das Gesagte erlebt.

Dort, wo der Kindergarten zu einem alltagstauglichen, „bildungsorientierten und lernprovozierendem Lebensraum“ geworden ist, fühlen sich Kinder angenommen und verstanden. Dies schafft die notwendige Sicherheit für Kinder, sich auf neue Erfahrungen einzulassen, auch alte (Sprach)Muster zu verändern und mit neuen Verhaltensweisen zu experimentieren.

Wenn Kinder diesen „lernprovozierenden Bullerbü-Effekt“ nicht mehr im Kindergarten erleben können, dann müssen sie auch hier resignieren und entwickeln bzw. verfestigen auffällige Verhaltensweisen, die sich folgenotwendig weiter in die Schulzeit verlagern bzw. Kinder ihre Erfahrungen „auf der Straße“ suchen. Das ist – auf die Gegenwart bezogen – dramatisch und wäre im Hinblick auf die Zukunft fatal. Kinder brauchen nötiger denn je einen beziehungsorientierten und lernintensiven, werteorientierten Alltags-Lebensraum — der Kindergarten kann ihn bieten und Kindern nutzbar machen.

Es besteht heute überhaupt kein Zweifel daran, was die Sprache nachhaltig fördert:  Eine „integrierte Sprachförderung“ geschieht vor allem durch die Merkmale, die Sprache außergewöhnlich stark aktivieren, provozieren, lebendig werden lassen:ein alltägliches miteinander sprechen; miteinander singen; miteinander dichten und reimen, Dialoge lebendig pflegen und gemeinsam auf die Suche nach Antworten gehen; miteinander philosophieren; Kinderaktivitäten sprachlich Begleitung; gemeinsames Genießen einer lebendigen Bewegungskultur; Geschichten vorlesen und nacherzählen; Märchen vorlesen und nachspielen; Geschichten erfinden und aufschreiben; miteinander spielen; sorgsam aufeinander hören; Hörspiele erfinden und aufzeichnen; Kindergartenzeitungen erstellen und drucken; Kinderkonferenzen gemeinsam gestalten.

„Gute Sprachförderung“ ist damit alltäglich und werteorientiert hörbar – nämlich in einer werteorientierten Kommunikations-, Interaktions-, Konflikt-, Spiel- und Sprachkultur. Sie ist anstrengend und wundervoll zugleich.

Literaturhinweise:

Albers, Timm: Sag mal! Krippe, Kindergarten und Familie: Sprachförderung im Alltag. Beltz Verlag, Weinheim 2011
Beci, Veronica: Sprache ist überall. Das Praxisbuch zur alltagsintegrierten Sprachbildung. Ökotopia Verlag, Münster 2019
Gräßer, Melanie + Hovermann, Eike (Hrsg.): Alltagsintegrierte Sprachbildung in der Kita. Die Sprachentwicklung von Kindern wahrnehmen, begleiten und unterstützen. Verlag Klett Kita GmbH, Stuttgart 2021
Jungmann, Tanja/ Morawiak, Ulrike/ Meindl, Marlene: Überall steckt Sprache drin. Alltagsintegrierte Sprach- und Literacy-Förderung für 3- bis 6-jährige Kinder. Ernst Reinhardt Verlag, München, 2. Aufl. 2018
Sachse, Susanne + Volkmann, Gesina (Hrsg.): So funktioniert alltagsintegrierte Sprachbildung.  Verlag an der Ruhr, Mülheim 2018

Prof. h.c. Dr. h.c. Armin Krenz,
Honorarprofessor a.D., Wissenschaftsdozent für Entwicklungspsychologie und Entwicklungspädagogik




Sprach-Kitas: Weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist

Förderung der sprachlichen Bildung als Teil der Qualitätsentwicklung

Mit dem Bundesprogramm „Sprach-Kitas: Weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist“ fördert das BMFSFJ seit 2016 die sprachliche Bildung als Teil der Qualitätsentwicklung in der Kindertagesbetreuung. Das Bundesprogramm richtet sich vorwiegend an Kitas, die von einem überdurchschnittlich hohen Anteil von Kindern mit sprachlichem Förderbedarf besucht werden. Das Programm verbindet drei inhaltliche Schwerpunkte: alltagsintegrierte sprachliche Bildung, inklusive Pädagogik und die Zusammenarbeit mit Familien. Für jede Sprach-Kita stellt das Programm eine zusätzliche Fachkraft zur Verfügung. Die zusätzlichen Fachkräfte werden im Verbund von einer externen Fachberatung begleitet. Bundesweit ist etwa jede 10. Kita eine Sprach-Kita. Davon profitieren fast 500.000 Kinder und ihre Familien.

Ab 2021 legt das Bundesprogramm Sprach-Kitas einen neuen Fokus auf den Einsatz digitaler Medien und die Integration medienpädagogischer Fragestellungen in die sprachliche Bildung. Digitale Medien gehören heute in vielen Familien zum Alltag und damit zum Sprachumfeld von Kindern aller Altersgruppen. Deshalb greift das Programm digitale Medien bei der sprachlichen Bildung auf. Der neue Schwerpunkt Digitalisierung des Bundesprogramms dient dazu, medienpädagogische Ansätze in der sprachlichen Bildung zu stärken sowie digitale Bildungs- und Austauschformate für die Fachkräftequalifizierung und die Programmabläufe besser nutzbar zu machen.

Weitere Informationen finden Sie hier.