Wie Kinder sauber werden können

Keine Frage der Erziehung, sondern der biologischen Entwicklung

Mag es auch das Natürlichste der Welt sein. Bis ein Kind sein Geschäft selbstständig auf der Toilette erledigen kann, ist viel Zeit und eine Menge Geduld nötig. Dabei können alle, die mit Kindern leben, ganz schön unter Druck geraten. Denn die ganze Geschichte stinkt im Laufe der Jahre nicht nur mehr. Viel schwieriger ist es, mit den Ratschlägen von  so genannten Expertinnen und Experten und erfahrenen Kolleginnen und Kollegen klar zu kommen. Da gibt es jede Menge gut gemeinte Tipps und Tricks, damit die Kinder schnell keine Windel mehr brauchen. Sollte ihnen im Laufe der Zeit jemand empfehlen, das Kind

  • regelmäßig auf die Toilette zu setzen, bis etwas kommt,
  • es zu wecken, um es aufs Töpfchen zu setzen,
  • gegen Abend weniger trinken zu lassen,
  • für eine nasse Hose zu bestrafen oder
  • für eine trockene Hose zu belohnen,

gehen sie bitte darüber hinweg. Im besten Fall erreichen sie mit diesen Methoden nichts. In allen anderen Fällen tun Sie dem Kind wirklich etwas Übles an. Das Ergebnis ist nichts Gutes.

Warum die Kontrolle von Darm und Blase so kompliziert ist

Denn damit ihr Kind Darm und Blase erfolgreich kontrollieren kann, müssen alle an Ausscheidungs-Funktionen beteiligten anatomischen Strukturen intakt sein. Zudem müssen die zur Steuerung notwendigen Nervenbahnen vollständig ausreifen. Dabei geht es um höchst komplizierte Vorgänge, die einige Jahre Entwicklungszeit brauchen. Schauen wir uns mal die Entwicklungsstufen an. In Ihrem Buch, „Wie Kinder richtig sauber werden“, unterscheidet die Verhaltensbiologin Dr. Gabriele Haug Schnabel vier Schritte, bis ein Kind nicht mehr einkotet.

1. Schritt: Das Kind nimmt wahr, dass sich sein Bauch ein- oder zweimal am Tag anders als sonst anfühlt. Er drückt, manchmal rumort er. „Wichtig für diese Entwicklungsstufe ist, dass die kindliche Aufmerksamkeit auf ein bestimmtes Körpergefühl gerichtet ist, das bald vertraut ist“, schreibt Haug-Schnabel.

2. Schritt: Das Kind kotet bewusst ein. In dieser Phase können sie auch gut erkennen, dass ihr Kind das Gefühl wieder erkennt und richtig zuordnet. Es unterbricht seine Aktivitäten und zieht sich an ein abgeschiedenes Plätzchen zurück oder macht es sich irgendwie bequem. Nun kann das Geschehen in aller Ruhe in die Windel gehen.

3. Schritt: Wenn das Kind soweit ist, das mitzuteilen, was gerade passiert ist „Stinker macht!“, ist der dritte Schritt, die „Meldung im Nachhinein“, geschafft.

Wichtig ist, positiv zu reagieren: „Hast Du es gemerkt? Prima! Dann gehen wir schnell die Windel wechseln.“

4. Schritt: Nach einiger Zeit kann das Kind die einen Stuhlgang ankündigenden „Empfindungen“ melden und passend „bearbeiten“, so dass die Chance besteht, noch rechtzeitig mit nacktem Po aufs Töpfchen zu kommen.

Über 90 Prozent aller Kinder schaffen das bis sie drei Jahre alt sind.

Entwicklung braucht Zeit

Deutlich komplizierter ist dagegen die Blasenkontrolle. Das liegt vor allem daran, dass das kleine Geschäft viel häufiger am Tag und mit weniger Regelmäßigkeit anfällt als das große. Es verlangt mehr Aufmerksamkeit. Die Blase perfekt zu beherrschen, kann vier bis fünf Jahre dauern. Mehr Komplexität verlangt auch mehr Entwicklungsschritte. Haug-Schnabel unterscheidet sieben:

1. Schritt: Das Kind erkennt die Signale im Blasenbereich.

2. Schritt: Es meldet das kleine Geschäft im Nachhinein.

3. Schritt: Das Kind zeigt deutlich, dass es den Harndrang spürt (trippeln, Beine zusammenpressen …) und versucht die Harnabgabe hinauszuzögern. Die richtige Reaktion wäre, auf das Kind zuzugehen und zu sagen: „Ich glaube, Du musst Pipi. Komm, wir versuchen mal, ob es ins Töpfchen plätschert.“ Aber nur vorschlagen, nicht erzwingen.

4. Schritt: Aufs Töpfchen oder zur Toilette gehen, wenn Harndrang verspürt wird.

5. Schritt: Harn abgeben, wenn die Blase noch nicht voll ist.

6. und 7. Schritt: Aufschieben, wenn die Blase voll ist und nachts aufwachen, wenn der Harndrang da ist.

Auf diesem Weg können sie ihr Kind positiv begleiten. Sie haben jedoch keine Chance, etwas zu beschleunigen. Ihr Kind lernt von ihnen durch Beobachtung, wann es Zeit ist zur Toilette zu gehen, wie viel Zeit es vorher einkalkulieren muss damit es noch rechtzeitig klappt, wo und wie es den passenden Ort findet – und was es dort machen muss. Seien sie also an der Seite ihres Kindes, aber drängen sie es nie. Es wird immer wieder Fortschritte, aber auch oftmals Rückschläge geben, etwa wenn das Kind im Spieleifer in die Hose pinkelt. Für das Kind ist die Geschichte ohnehin dann erst geschafft, wenn es allein auf die Toilette gehen darf und dort selbstständig zurechtkommt.

Kinder auf dem Weg zur Resilienz begleiten

Kinder stärken und sie in ihrer Entwicklung unterstützen. Das ist der Weg, Kinder körperlich, geistig und seelisch zu bilden. Auf Basis neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse zeigen die Autorinnen, wie Sie dazu beitragen, dass Kinder zu starken Persönlichkeiten werden, die sich nicht in Angst, Gewalt oder Sucht flüchten. Ein umfassender Ratgeber für Eltern, Erzieher und Therapeuten.

Stark von Anfang an – Kinder auf dem Weg zur Resilienz begleiten
Gabriele Haug-Schnabel/Gabriele Schmid-Steinbrunner
Hardcover, 250 Seiten
ISBN/EAN: 978-3-934333-45-1
20 Euro




Frühe Traumata beeinflussen den Stoffwechsel

Ein Kindheitstrauma führt bei Mäusen und Menschen zur Veränderung von Blutfaktoren, wie eine Studie der Universität Zürich (UZH) http://uzh.ch zeigt. Diese potenziell gesundheitsschädlichen Effekte übertragen sich im Mausmodell auch auf die Nachkommen. Die Forscher haben einen biologischen Mechanismus identifiziert, durch den die traumatischen Erfahrungen in die Keimbahn eingebettet werden.

Grund für Stoffwechselleiden

„Wir hatten die Hypothese, dass Bestandteile des Bluts eine Rolle spielen“, so Isabelle Mansuy vom UZH-Hirnforschungsinstitut. Mit ihrem Team hat sie nachgewiesen, dass ein Trauma in der Kindheit lebenslang die Zusammensetzung des Blutes beeinflusst und dass diese Veränderungen auch an die Nachkommen vererbt werden. „Dieses Resultat ist für die Medizin von hoher Relevanz, weil es erstmals frühe Traumata mit Stoffwechselkrankheiten bei Nachkommen in Verbindung bringt.“

Besonders auffällig waren Veränderungen im Fettstoffwechsel – so waren etwa bestimmte mehrfach ungesättigte Fettsäuren in höherer Konzentration vorhanden. Die gleichen Veränderungen beobachteten die Experten auch bei den Nachkommen der Männchen. Wurde das Blut von traumatisierten Tieren in nicht traumatisierte Männchen injiziert, so entwickelten auch deren Nachkommen die Symptome eines Traumas – ein eindrücklicher Beweis dafür, dass das Blut Stressbotschaften an die Keimzellen weiterleitet.

25 Kinder in Pakistan untersucht

Die Wissenschaftler untersuchten auch, ob es ähnliche Effekte bei Menschen gibt: Hierzu analysierten sie in einem pakistanischen SOS-Kinderdorf Blut und Speichel von 25 Kindern, deren Vater gestorben war und die getrennt von der Mutter aufwuchsen. Im Vergleich zu Kindern aus intakten Familien waren bei diesen Waisen ebenfalls mehrere Faktoren des Fettstoffwechsels erhöht. „Die traumatischen Erfahrungen dieser Kinder sind sehr gut vergleichbar mit unserem Mausmodell und ihr Metabolismus weist ähnliche Blutveränderungen auf“, sagt Mansuy. Weltweit leiden bis zu einem Viertel der Kinder unter Gewalt, Missbrauch und Vernachlässigung, oft mit Langzeitfolgen im späteren Leben.

Das Team hat einen Mechanismus aufgedeckt, über den die Faktoren des Fettstoffwechsels Signale an die Keimzellen weitergeben. Dabei spielt der PPAR-Rezeptor eine Schlüsselrolle: Er wird durch Fettsäuren aktiviert und reguliert die Genexpression und DNA-Struktur in vielen Geweben. Dieser Rezeptor ist in den Spermien der traumatisierten Mäuse hochreguliert. Eine künstliche Aktivierung des Rezeptors führte zudem bei männlichen Mäusen sowie deren Nachkommen zu niedrigerem Körpergewicht und Störungen im Zuckerstoffwechsel.

Florian Fügemann für pressetext.com