Wer sich nicht aufs Klo traut, der kann nicht gut lernen

Viele Schülerinnen und Schüler vermeiden den Toilettengang wegen erheblicher Mängel

Zusammen mit dem Institut für Hygiene und Öffentliche Gesundheit (IHPH) des Universitätsklinikums Bonn (UKB) hat die German Toilet Organization (GTO) mit Sitz in Berlin eine wissenschaftliche Studie zu Schultoiletten an 17 weiterführenden Schulen aus elf Berliner Bezirken durchgeführt. Eben wurde sie der Öffentlichkeit vorgestellt. Aus den Studienergebnissen geht klar hervor, dass die Mehrheit der Schülerinnen und Schüler die Schultoiletten als einen negativen Ort wahrnimmt. Und daher die Nutzung von vielen vermieden wird. Funktionelle Schäden, fehlende Privatsphäre, Gestank und eine unzureichende Versorgung mit Füllgütern wie Toilettenpapier und Seife sind weitere Beanstandungen, die sich mit Berichten aus anderen Städten decken.

Oftmals würden schon einfache Maßnahmen weiterhelfen

Es wurde aber auch deutlich, dass einfache Maßnahmen signifikante Verbesserungen erzielen können. Dazu gehören die strukturell verankerte Partizipation der Schülerinnen und Schüler in die Gestaltung und Nutzung von Sanitärräumen, ein gut organisiertes und sichtbares Mängelmanagement durch die Schule sowie die Umsetzung von zwei Reinigungszyklen pro Tag, wovon mindestens eine im Tagdienst durchgeführt werden sollte.

Subjektiven Wahrnehmung und Bestandsaufnahme

Ziel der Berliner Studie [1] war es, valide Daten zur subjektiven Wahrnehmung und dem Nutzungsverhalten aus der Perspektive der Schülerinnen und Schüler bezüglich ihrer Schultoiletten zu erheben und gleichzeitig eine Bestandsaufnahme zur Funktionsfähigkeit und Ausstattung sowie zu wichtigen strukturellen Prozessen wie Reinigung, Wartung und Instandhaltung der Schultoiletten durchzuführen. Darüber hinaus war es den Autorinnen und Autoren der Studie in der Konzeption und Auswertung besonders wichtig, mögliche Zusammenhänge zwischen einzelnen Messgrößen zum Zustand der Toiletten, strukturellen Maßnahmen der Schule und der Wahrnehmung der Schülerinnen und Schüler zu ermitteln. Aus den Ergebnissen konnten Handlungsempfehlungen für Schulen und Politik abgeleitet werden, verbunden mit einer klaren Aufforderung, jetzt zu handeln.

Vermeidung des Toilettengangs führt zu gesundheitlichen Schäden

Die Ergebnisse bestätigen die Erfahrungen, die sowohl die GTO als auch das IHPH in vielfältigen Projekten gesammelt haben: Sanitärräume sind dann ein Ort, an dem sich die Schulkinder gerne aufhalten, wenn sie in ihrer Komplexität erfasst und so gestaltet werden, dass sie nicht allein auf das Merkmal „Ausstattung“ oder „Fehlverhalten der Schülerinnen und Schüler“ reduziert werden. Die Vermeidung des Toilettengangs während des Schulaufenthalts aufgrund der negativen Wahrnehmung der Sanitärräume führt zu einer Reihe vielfach belegter gesundheitlicher Risiken, angefangen von Konzentrationsstörungen bis hin zu Blasenentzündungen, Verstopfung mit Bauchschmerzen und sogar Infektionskrankheiten. Aus diesem Grunde drängen das IHPH und auch die GTO schon lange darauf, den Ort endlich aus der Tabuzone herauszuholen und anstelle von Schuldzuweisungen eine konstruktive, gemeinschaftliche Herangehensweise für eine nachhaltige Besserung der Zustände voranzutreiben.

Am Bedarf der Betroffenen vorbei

Dr. Andrea Rechenburg, die die Auswertung der Daten am IHPH leitete, betonte, dass das Monitoring des Nachhaltigkeitsziels Nr. 6 „Verfügbarkeit und nachhaltige Bewirtschaftung von Wasser und Sanitärversorgung für alle gewährleisten“ in Deutschlands Schulen lückenhaft ist, auch wenn national die Versorgung als gesichert gilt. Hier entsteht der Eindruck, dass im Grunde kein Handlungsbedarf bestehe, dabei sind aktuell keine Daten für weiterführende Schulen und den städtischen und ländlichen Raum vorhanden, und die tatsächliche Funktionalität von Sanitärräumen wird nicht dokumentiert. Zukünftig müsse mit erweiterten Indikatoren gearbeitet werden, die abbilden, welche Bedarfe es für die Schülerinnen und Schüler heute wirklich gibt. Und wo diese im Sinne des Nachhaltigkeitsziel 6 für alle und zu jeder Zeit erfüllt werden.

„Hygiene-Tipps für Kids“

Das Institut für Hygiene und öffentliche Gesundheit (IHPH) beschäftigt sich mit seiner Initiative „Hygiene-Tipps für Kids“ bereits seit 20 Jahren mit Themen der Infektionsprävention und Hygiene im direkten Lebensumfeld von Kindern. Der schlechte Zustand der Schultoiletten ist immer wieder Ausgangspunkt von Anfragen aus der Schulgemeinschaft. Innovative, partizipative Elemente wie die Ausbildung von „Junior-Hygieneinspektoren“ und der Blick auf die strukturellen Prozesse von Reinigung und Wartung sind von Beginn an Teil des Konzepts. Wasser, Sanitärversorgung und Hygiene (WASH) in Schulen ist ein Themenkomplex zu dem das IHPH in seiner Funktion als Kollaborationszentrum der Weltgesundheitsorganisation (WHO) auch international schon seit 2015 arbeitet. Es war u. a. maßgeblich beteiligt an der Erstellung des in 2019 von der WHO herausgegebenen Informationspakets zur Verbesserung von WASH in Schulen für das Schulpersonal [2].

Quellen

[1] German Toilet Organization, Institut für Hygiene und Öffentliche Gesundheit des Universitätsklinikums Bonn. Toiletten machen Schule® – Studie zu Sanitäranlagen an Berliner Schulen, Berlin: 2023. germantoilet.org/de/, www.ukbonn.de/ihph, www.hygiene-tipps-fuer-kids.de.
[2] Improving health and learning through better water, sanitation and hygiene in schools: An information package for school staff. Copenhagen: WHO Regional Office for Europe; 2019. www.who.int/europe/publications/i/item/9789289054508
Weiterführende Informationen auf folgenden Webseiten:
www.ukbonn.de/ihph/

Dr. Inka Väth, Universitätsklinikum Bonn




Mögliche Ursache für intellektuelle Defizite bei Frühgeborenen entdeckt

Offenbar wirkt sich die Geburt hemmend auf das Wachstum von Nervenscheiden aus

Die Geburt wirkt sich hemmend auf das Wachstum von Nervenscheiden aus. Das schließt eine neurowissenschaftliche Forschungsgruppe aus der Analyse von Magnetresonanztomografie-Daten. Dass die Nervenscheiden unmittelbar nach der Geburt verlangsamt wachsen, könnte kognitive Defizite bei Frühgeborenen erklären. Das Team um die Marburger Neurowissenschaftlerin Dr. Mareike Grotheer berichtet im Forschungsmagazin „PNAS“ über seine Ergebnisse.

Je besser das Kabel isoliert ist, desto schneller kann der Strom hindurchfließen

Viele Nervenfasern von Wirbeltieren besitzen eine Hülle aus Myelin, die sogenannte Nervenscheide; sie gewährleistet eine besonders schnelle Erregungsleitung. „Dies lässt sich gut mit einem Kabel vergleichen“, erklärt Mareike Grotheer, die Leitautorin der Studie: „Je besser das Kabel isoliert ist, desto schneller kann der Strom hindurchfließen.“ Auch die Leitungsbahnen von menschlichen Hirnzellen sind mit Myelin umhüllt. „Diese Nervenscheiden aus Myelin sind für die Funktion des Gehirns von wesentlicher Bedeutung“, legt die Neurowissenschaftlerin dar; „geht die Bildung der Myelinscheiden schief, so kann dies zu Entwicklungs- und kognitiven Störungen führen.“

Nervenscheiden reifen vor der Geburt schneller als direkt danach

Grotheer nutzte gemeinsam mit ihrem Team das Verfahren der Magnetresonanztomografie, um die Ausdehnung der Myelinscheiden entlang der Leitungsbahnen zu erforschen. Hierfür griff die Gruppe auf bereits bestehende Bilddaten des „Developing Human Connectome Projects“ zurück. Um die Nervenbahnen im Gehirn der Neugeborenen zu identifizieren und deren Myelingehalt zu quantifizieren, entwickelte das Team eigens eine neue Software. „Mit deren Hilfe wiesen wir nach, dass die Nervenscheiden vor der Geburt schneller reifen als direkt danach“, berichtet Grotheer.

Verzögerung in der Reifung der Myelinscheiden bei Frühgeborenen

Zudem verglich die Forschungsgruppe die Resultate termingerecht geborener Kinder mit den Befunden bei Frühgeborenen. Bei diesen sind die Nervenscheiden demnach weniger reif. „Die Verzögerung in der Reifung der Myelinscheiden könnte damit zusammenhängen, wieviel Zeit ihrer Entwicklung die frühgeborenen Kinder im Mutterleib verbrachten und wieviel Zeit außerhalb“, erläutert Grotheer.

„Das geringere nachgeburtliche Wachstum der Nervenscheiden könnte außerdem mit kognitiven Defiziten zusammenhängen, die nach einer Frühgeburt auftreten können“, folgert die Marburger Neurowissenschaftlerin. Biete man Frühgeborenen eine Umgebung, die sich an die Gegebenheiten im Mutterleib anlehne, könne dies vielleicht ihrer neuronalen Entwicklung nach der Geburt zugutekommen.

Mit Magnetresonanztomografie kann sichtbar gemacht werden, dass das Gehirn reift, wenn Säuglinge älter werden
(Abbildung: Stephanie Zika/ Philipps-Universität Marburg)

Die Neurowissenschaftlerin Dr. Mareike Grotheer leitet die Arbeitseinheit Educational Neuroscience an der Philipps-Universität Marburg; sie gehört dem mittelhessischen „Center for Mind Brain and Behavior“ an. Neben Grotheers Team beteiligten sich Arbeitsgruppen von den Universitäten Stanford und Washington in den USA an der Veröffentlichung.

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft, das Exzellenzprogramm des Hessischen Wissenschaftsministeriums sowie US-amerikanische Förderorganisationen unterstützten die Forschungsarbeit finanziell.

Originalpublikation: Mareike Grotheer & al.: Human white matter myelinates faster in utero than ex utero, PNAS 2023

Anne Reichel, Philipps-Universität Marburg




Süße Snacks: Kinder ticken sehr unterschiedlich

Studie der Universität Bonn offenbart, wie unterschiedlich Kinder entscheiden

Würden Kinder der dritten und vierten Klasse weniger ungesunde Snacks kaufen, wenn diese teurer wären? Einige Grundschülerinnen und -schüler achten tatsächlich auf den Preis. Andere dagegen haben so starke Vorlieben, dass sie bereit sind, dafür auch etwas mehr zu zahlen. Eine dritte Gruppe scheint hingegen noch nicht über ausreichende Kompetenzen zu verfügen, um sich durch Preise wesentlich beeinflussen zu lassen. Die Studie verdeutlicht vor allem, wie unterschiedlich Kinder bei ihren Konsumentscheidungen ticken – eine Erkenntnis, die auch für die Politik von Interesse sein dürfte. Die Ergebnisse sind nun in der Zeitschrift Food Quality and Preference veröffentlicht.

Nehme ich besser die Schokocookies oder vielleicht doch die Apfelscheiben? Schon Grundschulkinder stehen vor dieser Entscheidung: Auf mehr als zwei Milliarden Euro wird die Kaufkraft der Sechs- bis Zwölfjährigen in Deutschland geschätzt. Viele von ihnen investieren einen Großteil ihres Taschengelds in Eiscreme und andere Süßigkeiten. Doch der häufige Griff zu ungesunden Snacks kann langfristige Folgen haben: Jedes siebte Kind in Deutschland gilt als übergewichtig. Gleichzeitig steigt die Zahl derer, die schon in jungen Jahren an Diabetes erkranken oder unter Herz-Kreislauf-Problemen leiden.

„In Ländern wie Großbritannien wird auf süße Getränke inzwischen eine Zuckersteuer fällig“, erklärt Stefanie Landwehr, Promovendin am Lehrstuhl für Marktforschung der Agrar- und Ernährungswirtschaft der Universität Bonn. Bei Teenagern scheint diese Maßnahme auch Erfolg zu haben, wie Studien nahelegen. Doch ist das auch bei jüngeren Kindern der Fall? Und welchen Einfluss haben im Vergleich bestimmte Marken, die in der Altersgruppe populär sind, auf die Kaufentscheidung?

Keks, Obstpüree oder Apfelscheiben?

Landwehr ist diesen Fragen zusammen mit Lehrstuhlinhaberin Prof. Dr. Monika Hartmann sowie Prof. Sean B. Cash (Tufts University Boston, USA) und Dr. Ching-Hua Yeh (Universität Bonn) nachgegangen. Als Versuchspersonen konnten die Forschenden rund 120 Grundschülerinnen und -schüler im Alter von sieben bis zehn Jahren gewinnen. Die jungen Teilnehmenden sollten zunächst einige Fragen beantworten, etwa zu ihren Lieblingssnacks und ihrem Wissen über Ernährung. Zudem absolvierten sie einen einfachen Test zu ihrem Verständnis von Mengen. Beispielfrage: Wenn 50 Kinder auf einem Kindergeburtstag sind, ist das viel oder wenig? „Die Ergebnisse lassen Rückschlüsse darauf zu, wie gut Kinder Zahlen einschätzen können“, erklärt Landwehr. „Wer diesbezüglich über wenig Kompetenzen verfügt, kann vermutlich auch Preise schlechter beurteilen.“

Nach Abschluss dieses Teils bekamen die Mädchen und Jungen zur Belohnung drei Euro. Anschließend konnten sie im Rahmen eines einfachen Experiments einen Snack kaufen. Das Sortiment umfasste einen Schokokeks (die ungesündeste Alternative), eine Quetschpackung mit Obstpüree (etwas gesünder) und Apfelscheiben (die gesündeste Wahl). Die Produkte wurden in drei unterschiedlichen Preisstufen angeboten – 60 Cent, ein Euro oder 1,40 Euro. Zudem gab es jeden Snack in zwei Varianten: eine von McDonald’s, einer bei Kindern sehr bekannten Marke, und eine zweite von einem unbekannten Hersteller.

Nun wurden den Kindern Fotos von zwei verschiedenen Produkten zu unterschiedlichen Preisen gezeigt, etwa einem No-Name-Schokocookie für einen Euro und Apfelscheiben von McDonald‘s für 1,40 Euro. Die Mädchen und Jungen konnten angeben, welches Produkt sie kaufen würden, hatten aber auch die Option, keines der beiden zu nehmen. Die Wahl wurde auf einer Antwortkarte vermerkt. Insgesamt wurde dieses Experiment zehnmal mit unterschiedlichen Snack- und Preiskombinationen wiederholt. „Wir hatten also am Ende für jedes Kind zehn Antwortkarten“, erklärt Prof. Monika Hartmann. Diese wurden nun umgedreht und gemischt, und das jeweilige Kind durfte eine Karte ziehen. Die darauf angekreuzte Wahl wurde dann umgesetzt: Wurde beispielsweise die Karte gezogen, bei der sich das Kind für einen No-Name-Schokocookie zum Preis von einem Euro entschieden hatte, so bezahlte es und erhielt den Keks.

Cookie-Fans schauen nicht auf den Preis

Die Auswertung der Daten zeigt, dass die Grundschülerinnen und -schüler bei ihren Konsumentscheidungen sehr unterschiedlich vorgingen. „Generell ließen sie sich in drei Gruppen einteilen“, sagt Landwehr. Die Cookie-Fans, die sich vom Kauf ihres Lieblingssnacks auch dann nicht abbringen ließen, wenn dieser teurer war. Die Preisbewussten, die ihre Entscheidung vor allem vom Kaufpreis abhängig machten. Und diejenigen, die noch kein klares Verständnis von günstig oder teuer hatten – das waren meist die Jüngeren. Sie tendierten oft dazu, das Fruchtpüree zu wählen; der Preis spielte für sie dabei keine größere Rolle.

Etwas überraschend war für die Forschenden ein weiteres Ergebnis: Die Snacks von McDonald‘s waren bei den Kindern keineswegs beliebter. Im Gegenteil: Im Schnitt waren sie sogar weniger bereit, für diese zu zahlen, als für Snacks unbekannter Hersteller. „Möglicherweise liegt das daran, dass McDonald‘s eher für seine Burger und Pommes bekannt ist und weniger für Apfelschnitten oder Schokocookies“, spekuliert Landwehr. Es sei durchaus möglich, dass andere Marken sehr wohl einen Effekt auf die Konsumentscheidungen von Kindern hätten.

Insgesamt zeigt die Studie, dass jüngere Kinder eine sehr heterogene Zielgruppe sind: Maßnahmen, die darauf abzielen, ihr Konsumverhalten in eine bestimmte Richtung zu lenken, wirken nicht für alle gleichermaßen. „So spielt das Alter und das Verständnis für ‚günstig‘ oder ‚teuer‘ eine wesentliche Rolle für die Auswirkungen von Preissignalen“, erklärt Landwehr. „Es gibt allerdings Kinder, die ein solches Verständnis haben, sich durch höhere Preise aber dennoch kaum beeinflussen lassen. Es ist daher sinnvoll, im Kampf gegen Übergewicht auf eine Vielzahl von Strategien zu setzen, um möglichst viele Mädchen und Jungen zu erreichen.“

Originalpublikation:

Stefanie C. Landwehr, Monika Hartmann, Sean B. Cash, Ching-Hua Yeh: The kids are not all the same – Heterogeneity in children’s snack purchase behavior. Food Quality and Preference, DOI: https://doi.org/10.1016/j.foodqual.2023.104906

Johannes Seiler, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn




Neue Studie zu alten Herausforderungen: Schulen im Brennpunkt

Kinder starten mit deutlich schwierigeren Lernvoraussetzungen

Kein Kita-Besuch, kaum elterliche Unterstützung, mangelnde Sprachkenntnisse – Schulen im sozialen Brennpunkt haben mit extremen Bedingungen zu kämpfen. So geben beispielsweise 75 Prozent der befragten Schulleitungen in der Studie „Schule im Brennpunkt 2023“ des impaktlab der Wübben Stiftung Bildung an, dass Kinder beim Schuleintritt einen hohen Unterstützungsbedarf im Bereich der Sprachkompetenzen haben. Zudem zeigt die Befragung, dass 17,4 Prozent der Schülerinnen und Schüler an Schulen im Brennpunkt keine Kindertagesstätte besucht haben, im bundesweiten Vergleich sind es 8 Prozent. Mehr als jedes vierte Kind hat darüber hinaus bereits traumatische Lebenserfahrungen gemacht (etwa Flucht). Mit 100 Prozent sagen alle befragten Schulleitungen, dass die mangelnde elterliche Unterstützung das schulische Lernen der Kinder und Jugendlichen stark beeinträchtigt. Eine besonders große Barriere für die Zusammenarbeit mit Eltern ist laut der Befragung die Sprache. In der Studie, die heute anlässlich des zehnjährigen Bestehens der Stiftung veröffentlicht wurde, haben Schulleitungen aus vier Bundesländern die aktuelle Situation und die Herausforderungen an ihren Schulen dargestellt und bewertet.

Dr. Markus Warnke, Geschäftsführer der Wübben Stiftung Bildung, erklärt dazu: „Unsere Studie zeigt, dass sich ungünstige Lernvoraussetzungen häufen und es für Schulen im Brennpunkt daher sehr viel schwieriger ist, ihren Bildungsauftrag zu erfüllen als für Schulen in anderen Lagen. Darauf muss Politik reagieren und diese Schulen gezielt unterstützen. Denn alle Kinder und Jugendlichen haben ein Grundrecht auf Bildung.“

Kaum Passung von Lehrplänen und Lehrwerken

Die schlechten Lernvoraussetzungen von Schülerinnen und Schülern im Brennpunkt wirken sich auch auf die Passung der Lehrpläne und Lehrwerke aus, die in den Schulen genutzt werden. Mit 80 bzw. 70 Prozent hat die überwältigende Mehrheit der Leitungen der Schulen im Brennpunkt angegeben, dass sich die gängigen Lehrpläne und Lehrwerke nicht für die Kinder und Jugendlichen eignen. Das betrifft sowohl das Schwierigkeitsniveau und den Umfang als auch die inhaltlich-thematische Ausrichtung, die nicht zur Lebensrealität der Schülerinnen und Schüler passen.

Personal- und Raumnot als große Herausforderungen

Weitere Probleme an den Schulen im Brennpunkt sind die räumlichen und personellen Ressourcen. Diese bewerten über 70 Prozent der Schulleitungen als schlecht. Dieser Befund geht – auch das zeigt die Befragung – mit hohen Belastungen bei dem Kollegium und den Schulleitungen einher. Trotz der besonderen Anforderungen hat mehr als die Hälfte der Schulleitungen angegeben, auf jeden Fall an ihrer Schule bleiben zu wollen. Weiterhin sind mehr als 70 Prozent davon überzeugt, dass sie die Bildungschancen der benachteiligten Schülerinnen und Schüler verbessern können.

Schulleitungen liefern Empfehlungen für Bildungsverwaltung und Politik

Um Hinweise aus diesen Ergebnissen ableiten zu können, hat die Wübben Stiftung Bildung acht Schulleitungen aus vier Bundesländern gebeten, ihre Ideen für eine bessere Unterstützung der Schulen im Brennpunkt aufzuschreiben. In der entstandenen Publikation „Chancen schaffen: Zur Situation von Schulen im Brennpunkt“ liefert das Autorenteam konkrete Empfehlungen für die Bildungsadministration und Bildungspolitik. Zu diesen zählen insbesondere eine frühzeitige sprachliche und motorische Förderung mit einer obligatorischen Vorschule, eine sozialindexbezogene und faire Personalzuweisung, Flexibilität bei der Umsetzung der Curricula und ein eigenverantwortliches und sozialindexbasiertes Chancenbudget.

Dr. Markus Warnke: „Mit Blick auf das Startchancen-Programm, das Schulen in herausfordernden Lagen unterstützen soll, haben sich bisher vor allem Bund und Länder ausgetauscht. Entscheidend ist aber auch mit den Schulen in Brennpunkten ins Gespräch zu kommen. Dafür bieten diese beiden Publikationen eine gute Grundlage und viele Anknüpfungspunkte.“

Hintergrundinformationen zur Studie und Stichprobe

Die Befragung „Schule im Brennpunkt 2023“ des impaktlab der Wübben Stiftung Bildung wurde zum ersten Mal durchgeführt. Ziel ist es, die Situation an Schulen im Brennpunkt systematisch sowie länder- und schulstufenübergreifend zu erfassen. In die Auswertung wurden nur Schulen aufgenommen, in denen entweder mindestens 50 Prozent der Schülerinnen und Schüler eine andere Herkunftssprache als Deutsch haben oder mindestens 50 Prozent der Kinder und Jugendlichen aus Familien kommen, die Leistungen nach dem zweiten Sozialgesetzbuch erhalten (z. B. Arbeitslosengeld). Die Ergebnisse basieren auf den Einschätzungen von insgesamt 149 Schulleitungen aus Grundschulen und weiterführenden Schulen in vier deutschen Bundesländern. In der Befragung wurden folgende Bereiche in den Blick genommen: Voraussetzungen der Schülerinnen und Schüler, Lernen in Schule und Unterricht, schulische Ressourcen, Personal an der Schule, Eltern als Bildungs- und Erziehungspartner sowie Leitung an der Schule. Darüber hinaus sind Fragen zu der größten Herausforderung sowie positivsten Entwicklung der letzten Jahre an den Schulen eingeflossen.

Über das impaktlab

Das impaktlab ist die wissenschaftliche Einheit der Wübben Stiftung Bildung. Auf Basis wissenschaftlicher Analysen und praktischer Erkenntnisse gibt es Impulse in das Bildungssystem, um die Situation an Schulen im Brennpunkt zu verbessern.

Über die Wübben Stiftung Bildung

Die Wübben Stiftung Bildung ist eine 2013 gegründete private Bildungsstiftung mit Sitz in Düsseldorf. Ihre Vision ist es, dass alle Kinder und Jugendlichen unabhängig von ihrer Herkunft gerechte Bildungschancen erhalten. Dafür ist ein Bildungssystem notwendig, das genau das besser gewährleisten kann. Um dieser Vision näher zu kommen, berät, begleitet und unterstützt die Wübben Stiftung Bildung Akteure des Bildungssystems bei der Weiterentwicklung von Schulen im Brennpunkt.

Zur Publikation: Schule im Brennpunkt 2023: Eine Befragung des impaktlab der Wübben Stiftung Bildung: https://www.wuebben-stiftung-bildung.org/wp-content/uploads/2023/05/WSB_Schulen_im_Brennpunkt_Web.pdf

Tamara Endberg-Krenn, Wübben Stiftung Bildung




Umweltstudie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen

umweltstudie

Alle Kinder und Jugendlichen in Deutschland sind mehrfach belastet

Die Deutsche Umweltstudie zur Gesundheit (GerES) ist die bundesweit einzige bevölkerungsrepräsentative Erhebung von Schadstoffbelastungen in der Bevölkerung. Mit ihr wird seit fast 40 Jahren die Schadstoff-Belastung im Körper der Menschen und in ihrem Wohnumfeld erfasst.

Zwischen 2014 und 2017 untersuchte das Umweltbundesamt, wie stark Kinder und Jugendliche in Deutschland durch Umwelteinflüsse belastet sind. Zur Studie eingeladen wurden nach statistischen Kriterien ausgewählte Familien. Es wurden 2.294 Kinder und Jugendliche im Alter von 3 bis 17 Jahren aus 167 Orten in ganz Deutschland untersucht.

Schwerpunkt des Untersuchungsprogramms bildete das Human-Biomonitoring (HBM) – die Untersuchung körpereigenen Materials. Es wurden Blut- und Urinproben der teilnehmenden Kinder und Jugendlichen auf 107 unterschiedliche Umweltschadstoffe untersucht. Außerdem wurden die Umweltbelastungen der Teilnehmenden aus ihrem Wohnumfeld erfasst. Dazu wurden Trinkwasser, Hausstaub und die Innenraumluft untersucht sowie der Schallpegel im Wohnbereich gemessen.

Fazit: Ein Großteil der teilnehmenden Kinder und Jugendlichen ist mit einer Vielzahl der untersuchten Schadstoffe belastet.

Diese Stoffe besitzen fast ausnahmslos toxikologisch bedenkliche Eigenschaften, daher ist die gleichzeitige Belastung mit mehreren Schadstoffen aufgrund möglicher Mischungseffekte besonders kritisch zu sehen. Die Effekte von Stoffen mit ähnlichen Wirkmechanismen können sich addieren, so dass in Summe eine kritische Belastung erreicht werden kann, auch wenn die Belastung mit den jeweiligen Einzelstoffen als unkritisch bewertet wird. Ein Beispiel hierfür sind die Phthalate BBzP, DnBP, DEHP und DiNP, die als Weichmacher in Kunststoffprodukten dienen. Sie sind als reproduktionstoxisch eingestuft und werden mit verschiedenen anderen gesundheitlichen Beeinträchtigungen in Verbindung gebracht. In nahezu allen Teilnehmenden wurden diese vier additiv wirkenden Phthalate gefunden. Darüber hinaus birgt auch die Belastung mit Schadstoffen mit unterschiedlichen Wirkmechanismen Risiken aufgrund von Mischungseffekten, die jedoch noch nicht ausreichend untersucht worden sind.

31 Stoffe wurden in (fast) allen Teilnehmenden gefunden: Darunter sind Acrylamid, Benzol, Bisphenol A (BPA), Butylhydroxytoluol (BHT), Chlorphenole: 2-Monochlorphenol, 4-Monochlorphenol, 2,4-Dichlorphenol, 2,5-Dichlorphenol, Lysmeral (Butylphenyl Methylpropional), Metalle und Halbmetalle: Arsen, Blei, Quecksilber, Selen und vieles mehr.

Quelle: Umweltbundesamt

Weitere Informationen finden Sie hier.

Die Studie gibt es hier zum kostenlosen Downoad.




95 % der pflegenden Eltern fühlen sich überfordert

Neue Studie zur Kinderpflege zu Hause weist auf vielfältige Herausforderungen für Pflegende hin

2021 waren 271.838 Kinder in Deutschland pflegebedürftig ( BMG 2021). Für die Pflege schwerkranker und pflegebedürftiger Kinder bringen pflegende Eltern wöchentlich mehr als 40 Stunden auf – mehr als für einen durchschnittlichen Vollzeitjob in Deutschland. Das zeigt die neue pflege.de-Studie zur Kinderpflege zuhause. 95 Prozent pflegender Eltern fühlen sich zumindest teilweise mit der Pflege ihres Kindes überfordert. Wie die Studie zeigt, hat dies komplexe Gründe. Anlässlich der aktuell immer noch angespannten Situation in Kinderkliniken ist es umso wichtiger, die Aufmerksamkeit auf diese oft unsichtbare gesellschaftliche Gruppe zu richten.

pflege.de-Studie zeigt: Kinderpflege findet bei 92 Prozent zuhause statt und wird hauptsächlich von den Müttern übernommen

Die Pflegesituation von Kindern mit Pflegebedarf ist fast immer gleich: 92 Prozent der Kinder werden in den eigenen vier Wänden der Familie gepflegt. Die Kinderpflege übernehmen hauptsächlich die Mütter: 87 Prozent der Hauptpflegepersonen von pflegebedürftigen Kindern sind Mütter.

Ursache für die Pflegebedürftigkeit bei Kindern: Meist eine Behinderung von Geburt an

Die Gründe für eine Pflegebedürftigkeit bei Kindern sind vielfältig – oft kommen mehrere Faktoren zusammen. Bei 60 Prozent der Kinder aus der pflege.de-Studie ist der Pflegebedarf durch eine Behinderung von Geburt an bzw. eine Erbkrankheit oder einen Gendefekt begründet. 48 Prozent sind aufgrund einer psychischen oder neurologischen Störung oder Erkrankung pflegebedürftig. Eine chronische Erkrankung (23 Prozent) oder eine Krebserkrankung (14 Prozent) werden ebenfalls als Ursachen für die Pflegebedürftigkeit angegeben.

Vollzeitjob Kinderpflege: Eltern pflegen meist mehr als 40 Stunden pro Woche

Der zeitliche Aufwand für pflegende Eltern ist groß: 61 Prozent der Befragten bringen mehr als 40 Stunden wöchentlich für die Pflege ihres Kindes auf. Im Vergleich: Die gewöhnliche Wochenarbeitszeit von Erwerbstätigen in Deutschland beträgt 34,8 Stunden. Kein Wunder, dass 95 Prozent der Befragten angeben, zumindest teilweise mit der Kinderpflege überfordert zu sein.

Hauptbelastungsfaktor in der häuslichen Kinderpflege ist die Bürokratie

Anträge über Anträge: Wer sein Kind zuhause pflegt, muss sich mit einer Vielzahl an Anträgen und Papierkram auseinandersetzen. Für 81 Prozent ist genau das die größte Belastung bei der Kinderpflege – weit mehr als die körperliche Herausforderung, die die Pflege stellt (25 Prozent). Die mentale und emotionale Belastung (78 Prozent) wiegt hingegen fast ebenso schwer wie die Last, die durch den Versuch Familie, Beruf und Pflege zu vereinbaren, entsteht (76 Prozent). 59 Prozent der befragten Eltern wünschen sich deshalb mehr Entlastungsangebote.

Mehr dazu gibt’s im vollständigen Ergebnisbericht – inklusive grafisch aufbereiteter Studienergebnisse, fachlichen Ratschlägen aus der Kindermedizin sowie praktischen Tipps von drei pflegenden Müttern: https://www.pflege.de/pflegende…/pflegebeduerftige-kinder/




Gute Ausbildungschancen für Abiturienten – schlechte für Hauptschüler

Ergebnisse der Studie des Forschungsinstituts für Bildungs- und Sozialökonomie im Auftrag der Bertelsmann Stiftung

Eine wachsende Zahl von Abiturient:innen entscheidet sich für eine Berufsausbildung. In den vergangenen zehn Jahren ist der Anteil derer, die mit Abitur eine duale oder schulische Ausbildung beginnen, von 35 Prozent im Jahr 2011 auf 47,4 Prozent im Jahr 2021 gestiegen. „Von einer mangelnden Attraktivität der Berufsausbildung für Abiturient:innen kann keine Rede sein“, sagt Dieter Dohmen, Direktor des FiBS Forschungsinstituts für Bildungs- und Sozialökonomie und Autor der Studie. „Und auch nicht davon, dass sich Abiturient:innen zu wenig für berufliche Ausbildungen interessieren würden“.

Schlechte Ausbildungschancen für Hauptschüler:innen

Ganz anders stellt sich die Situation für Hauptschüler:innen dar: Schulabgänger:innen mit Hauptschulabschluss haben es immer schwerer, einen Ausbildungsplatz zu bekommen. Es sinkt nicht nur die Zahl der Hauptschulabsolvent:innen insgesamt, sondern auch der Anteil derjenigen, die eine Ausbildung machen. Zwischen 2011 und 2021 hat sich der Anteil der Jugendlichen, die mit einem Hauptschulabschluss die Berufsausbildung beginnen, um ein Fünftel verringert. 

Zahl der Ausbildungsverträge deutlich gesunken

Auch die Gesamtzahl der Ausbildungsverhältnisse sinkt im langfristigen Vergleich: Wurden 2007, dem letzten Höchststand, noch 844.000 Ausbildungsverhältnisse neu begründet, so liegt im Jahr 2021 die Zahl bei 706.000 Ausbildungsverträgen. Damit ist die Zahl der Ausbildungsverträge insgesamt um fast 140.000 gesunken. Dies ist auf rückläufige Zahlen bei den dualen Ausbildungsverhältnissen (Rückgang um 158.000) bei einem gleichzeitig leichten Anstieg bei den schulischen Ausbildungen (Anstieg um 20.000) zurückzuführen.

Viele Jugendliche gehen leer aus

Auf den ersten Blick erscheint positiv, dass die Zahl der Jugendlichen gesunken ist, die nach der Schule in Übergangsmaßnahmen landen, um den Schulabschluss zu verbessern oder sich auf den Ausbildungseinstieg vorzubereiten. Begannen zum letzten Höchststand in 2005 noch 417.000 junge Menschen solche Maßnahmen, so ist mit 225.000 in 2021 ein Tiefststand zu verzeichnen. Jedoch hat sich zugleich die Zahl der Jugendlichen deutlich erhöht, die sich weder in Ausbildung noch in der Schule oder in Arbeit befinden, die sogenannten NEETs (Not in Employment, Education or Training). 2021 werden in der Gruppe der 15- bis 24-Jährigen 630.000 Personen zu den NEETs gezählt, im Jahr 2019 waren es 492.000. „Die Entwicklung ist dramatisch“, sagt Dieter Dohmen. „Viel zu viele Jugendliche gehen auf dem Ausbildungsmarkt leer aus oder fallen ganz aus dem System. Wir müssen die Integrationsfähigkeit des Ausbildungssystems wieder deutlich erhöhen“. 

Ausbildungsgarantie hilft jungen Menschen beim Einstieg in den Beruf

Vor allem für Jugendliche mit niedriger Schulbildung wird es offenkundig trotz vieler tausend unbesetzter Ausbildungsplätze immer schwieriger, einen Ausbildungsplatz zu ergattern. Ursachen dafür liegen unter anderem in steigenden Qualifikationsanforderungen auf dem Ausbildungsmarkt und in regionalen Ungleichgewichten. Auch hat die Coronakrise vielen Jugendlichen den Berufseinstieg aufgrund fehlender Praktika und Orientierungsmöglichkeiten erschwert. „Für diese jungen Menschen ist die Gefahr besonders groß, ohne berufliche Qualifizierung zu bleiben und damit in prekären Beschäftigungsverhältnissen oder Dauerarbeitslosigkeit zu landen“, warnt Clemens Wieland, Ausbildungsexperte der Bertelsmann Stiftung. 

Im Jahr 2020 lag die Quote der sogenannten Ungelernten im Alter von 20 bis 35 Jahren laut Berufsbildungsbericht bei 15,5 Prozent und damit bei mehr als 2,3 Millionen. Bei jungen Menschen ohne Schulabschluss in dieser Altersgruppe liegt die Ungelerntenquote sogar bei 64,4 Prozent und selbst bei denjenigen mit Hauptschulabschluss liegt sie noch bei mehr als einem Drittel (35,8 Prozent). „Wir brauchen eine Ausbildungsgarantie, die wirklich jedem jungen Menschen eine Ausbildungschance gibt und die auch individuelle Begleitung und Unterstützung beinhaltet, um den Abschluss zu erreichen“, sagt Wieland. „Der aktuelle Gesetzesentwurf zur Ausbildungsgarantie greift hier noch deutlich zu kurz.“ 

Link zur Studie: www.chance-ausbildung.de/MonitorBund

Zusatzinformationen

Das FiBS Forschungsinstitut für Bildungs- und Sozialökonomie hat unter Leitung von Dieter Dohmen untersucht, wie sich die Übergangschancen von jungen Menschen in die verschiedenen nachschulischen Bildungswege – einschließlich der schulischen Ausbildung und der verschiedenen Bildungsgänge des Übergangsbereichs – in Abhängigkeit der Schulabschlüsse im Zeitablauf entwickelt haben. Dazu nutzt das FiBS das dort entwickelte Bildungsmonitoringtool EduSimTM, dessen Langzeitdaten alle formalen Bildungsbereiche umfassen und u.a. auf Daten aus der Ausbildungsstatistik des Bundesinstituts für Berufsbildung (BiBB), der Bundesagentur für Arbeit, des Statistischen Bundesamts sowie von Eurostat aufbauen.




Viele Beschäftigte in der Sozialen Arbeit vor dem Burnout

ver.di veröffentlicht erste vorläufige Ergebnisse einer aktuellen Studie zur Situation der Beschäftigten

Eine Studie zur Situation in der Sozialen Arbeit offenbart eine dramatische Situation: Das Burnout-Risiko der Beschäftigten ist extrem hoch. In allen Arbeitsfeldern der Sozialen Arbeit besteht eine höchstmögliche berufliche Erschöpfung.

Das verdeutlicht die Studie „Professionelle Krise nach Corona? Steuerungsbedarf in der Sozialen Arbeit nach der Pandemie (CriCo)“, deren erste Ergebnisse Prof. Dr. Nikolaus Meyer (Hochschule Fulda) und Dr. Elke Alsago von ver.di (Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft) jetzt bekanntgeben.

An der Befragung hatten im November 2022 über 8.200 Beschäftigte aus verschiedenen Arbeitsfeldern der Sozialen Arbeit teilgenommen: Beschäftigte aus Kindertageseinrichtungen, der Behindertenhilfe, den Jugendämtern, den Ganztagsschulen, aber auch aus Beratungsstellen und der Kinder- und Jugendarbeit.

Erholungspausen fallen oftmals aus

Die ersten Studienergebnisse zeigen, dass viele Beschäftigte die gesetzlich vorgesehenen Erholungspausen seit Ausbruch der Pandemie häufig ausfallen lassen, um die vorhandene Arbeit zu schaffen. 40 Prozent der Befragten geben an, regelmäßig drei oder mehr Stunden wöchentlich zusätzlich zu arbeiten. Über 60 Prozent gehen häufig oder sehr häufig an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit. Über 65 Prozent der Befragten stehen bei ihrer Arbeit unter Zeitdruck und mehr als 80 Prozent nehmen eine deutliche Veränderung ihrer Arbeit wahr. Insbesondere in den Kindertagesstätten und Jugendämtern klagen die Beschäftigten, dass der dringend notwendige direkte Kontakt zu den Erziehungsberechtigten sowie den Kindern und Jugendlichen abgenommen hat.

Die sich verschlechternden Arbeitsbedingungen und der eklatante Personalmangel in der gesamten Sozialen Arbeit – alleine in Kindertagesstätten fehlen laut dem ver.di KITA-Personalcheck 175.000 Fachkräfte – zeigen sich in einer hohen Personalfluktuation. Nur bei etwa jeder oder jedem vierten Befragten gab es in den letzten zwölf Monaten keinen personellen Wechsel im Team. Ein Drittel der Befragten muss mehr arbeiten, weil zu wenig Personal vorhanden ist.

„Die Situation ist so brisant, dass wir schon heute erste Ergebnisse veröffentlichen, auch wenn die abschließenden Ergebnisse der Studie erst im März vorliegen“, betont die stellvertretende ver.di-Vorsitzende Christine Behle. Schnelles Handeln sei angesagt.

Zahlreiche Effekte treffen aufeinander

Meyer wies darauf hin, dass unterschiedliche Effekte aufeinandertreffen: der Fachkräftemangel in der gesamten Sozialen Arbeit, die Zunahme von unterstützungsbedürftigen Menschen (23,5 Prozent), eine Verschlechterung der Lebenssituation bei vorhandenen Adressat/innen während der Corona-Pandemie und eine starke Corona-bedingte Krankheitswelle der Beschäftigten. Dies führe dazu, dass es den Beschäftigten trotz individuellem Einsatz, wie z.B. Mehrarbeit und Verzicht auf Pausen, nicht mehr gelinge, den Ansprüchen an ihre Arbeit gerecht zu werden. Entsprechend würden mehr als 77 Prozent der Befragten davon ausgehen, nicht bis zur Rente weiterarbeiten zu können. Noch höher liegt der Wert mit 86,5 Prozent im Bereich der Kindertagesstätten.

Behle forderte die Arbeitgeber auf, die anstehenden Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst dazu zu nutzen, die Beschäftigten durch einen guten Abschluss wenigstens von den finanziellen Sorgen und Existenzängsten zu entlasten. „Auch die Bundesregierung muss den Ernst der Stunde erkennen und gemeinsam mit den Ländern ein Sondervermögen auf den Weg bringen, um die Not in den Arbeitsfeldern der Sozialen Arbeit zu beseitigen und in die Ausbildung von Fachkräften zu investieren. Ansonsten wird die Abwanderung der Fachkräfte aus der Sozialen Arbeit weiter Fahrt aufnehmen. Die Versorgung der Schwächsten in unserer Gesellschaft ist schon heute nicht mehr gesichert.“ 

Weiter Informationen finden Sie hier: https://sozialearbeit.verdi.de/arbeitsbereiche/++co++2faa0892-58fd-11ed-bf71-001a4a160111

Martina Sönnichsen, ver.di Bundesverband