Süße Snacks: Kinder ticken sehr unterschiedlich

Studie der Universität Bonn offenbart, wie unterschiedlich Kinder entscheiden

Würden Kinder der dritten und vierten Klasse weniger ungesunde Snacks kaufen, wenn diese teurer wären? Einige Grundschülerinnen und -schüler achten tatsächlich auf den Preis. Andere dagegen haben so starke Vorlieben, dass sie bereit sind, dafür auch etwas mehr zu zahlen. Eine dritte Gruppe scheint hingegen noch nicht über ausreichende Kompetenzen zu verfügen, um sich durch Preise wesentlich beeinflussen zu lassen. Die Studie verdeutlicht vor allem, wie unterschiedlich Kinder bei ihren Konsumentscheidungen ticken – eine Erkenntnis, die auch für die Politik von Interesse sein dürfte. Die Ergebnisse sind nun in der Zeitschrift Food Quality and Preference veröffentlicht.

Nehme ich besser die Schokocookies oder vielleicht doch die Apfelscheiben? Schon Grundschulkinder stehen vor dieser Entscheidung: Auf mehr als zwei Milliarden Euro wird die Kaufkraft der Sechs- bis Zwölfjährigen in Deutschland geschätzt. Viele von ihnen investieren einen Großteil ihres Taschengelds in Eiscreme und andere Süßigkeiten. Doch der häufige Griff zu ungesunden Snacks kann langfristige Folgen haben: Jedes siebte Kind in Deutschland gilt als übergewichtig. Gleichzeitig steigt die Zahl derer, die schon in jungen Jahren an Diabetes erkranken oder unter Herz-Kreislauf-Problemen leiden.

„In Ländern wie Großbritannien wird auf süße Getränke inzwischen eine Zuckersteuer fällig“, erklärt Stefanie Landwehr, Promovendin am Lehrstuhl für Marktforschung der Agrar- und Ernährungswirtschaft der Universität Bonn. Bei Teenagern scheint diese Maßnahme auch Erfolg zu haben, wie Studien nahelegen. Doch ist das auch bei jüngeren Kindern der Fall? Und welchen Einfluss haben im Vergleich bestimmte Marken, die in der Altersgruppe populär sind, auf die Kaufentscheidung?

Keks, Obstpüree oder Apfelscheiben?

Landwehr ist diesen Fragen zusammen mit Lehrstuhlinhaberin Prof. Dr. Monika Hartmann sowie Prof. Sean B. Cash (Tufts University Boston, USA) und Dr. Ching-Hua Yeh (Universität Bonn) nachgegangen. Als Versuchspersonen konnten die Forschenden rund 120 Grundschülerinnen und -schüler im Alter von sieben bis zehn Jahren gewinnen. Die jungen Teilnehmenden sollten zunächst einige Fragen beantworten, etwa zu ihren Lieblingssnacks und ihrem Wissen über Ernährung. Zudem absolvierten sie einen einfachen Test zu ihrem Verständnis von Mengen. Beispielfrage: Wenn 50 Kinder auf einem Kindergeburtstag sind, ist das viel oder wenig? „Die Ergebnisse lassen Rückschlüsse darauf zu, wie gut Kinder Zahlen einschätzen können“, erklärt Landwehr. „Wer diesbezüglich über wenig Kompetenzen verfügt, kann vermutlich auch Preise schlechter beurteilen.“

Nach Abschluss dieses Teils bekamen die Mädchen und Jungen zur Belohnung drei Euro. Anschließend konnten sie im Rahmen eines einfachen Experiments einen Snack kaufen. Das Sortiment umfasste einen Schokokeks (die ungesündeste Alternative), eine Quetschpackung mit Obstpüree (etwas gesünder) und Apfelscheiben (die gesündeste Wahl). Die Produkte wurden in drei unterschiedlichen Preisstufen angeboten – 60 Cent, ein Euro oder 1,40 Euro. Zudem gab es jeden Snack in zwei Varianten: eine von McDonald’s, einer bei Kindern sehr bekannten Marke, und eine zweite von einem unbekannten Hersteller.

Nun wurden den Kindern Fotos von zwei verschiedenen Produkten zu unterschiedlichen Preisen gezeigt, etwa einem No-Name-Schokocookie für einen Euro und Apfelscheiben von McDonald‘s für 1,40 Euro. Die Mädchen und Jungen konnten angeben, welches Produkt sie kaufen würden, hatten aber auch die Option, keines der beiden zu nehmen. Die Wahl wurde auf einer Antwortkarte vermerkt. Insgesamt wurde dieses Experiment zehnmal mit unterschiedlichen Snack- und Preiskombinationen wiederholt. „Wir hatten also am Ende für jedes Kind zehn Antwortkarten“, erklärt Prof. Monika Hartmann. Diese wurden nun umgedreht und gemischt, und das jeweilige Kind durfte eine Karte ziehen. Die darauf angekreuzte Wahl wurde dann umgesetzt: Wurde beispielsweise die Karte gezogen, bei der sich das Kind für einen No-Name-Schokocookie zum Preis von einem Euro entschieden hatte, so bezahlte es und erhielt den Keks.

Cookie-Fans schauen nicht auf den Preis

Die Auswertung der Daten zeigt, dass die Grundschülerinnen und -schüler bei ihren Konsumentscheidungen sehr unterschiedlich vorgingen. „Generell ließen sie sich in drei Gruppen einteilen“, sagt Landwehr. Die Cookie-Fans, die sich vom Kauf ihres Lieblingssnacks auch dann nicht abbringen ließen, wenn dieser teurer war. Die Preisbewussten, die ihre Entscheidung vor allem vom Kaufpreis abhängig machten. Und diejenigen, die noch kein klares Verständnis von günstig oder teuer hatten – das waren meist die Jüngeren. Sie tendierten oft dazu, das Fruchtpüree zu wählen; der Preis spielte für sie dabei keine größere Rolle.

Etwas überraschend war für die Forschenden ein weiteres Ergebnis: Die Snacks von McDonald‘s waren bei den Kindern keineswegs beliebter. Im Gegenteil: Im Schnitt waren sie sogar weniger bereit, für diese zu zahlen, als für Snacks unbekannter Hersteller. „Möglicherweise liegt das daran, dass McDonald‘s eher für seine Burger und Pommes bekannt ist und weniger für Apfelschnitten oder Schokocookies“, spekuliert Landwehr. Es sei durchaus möglich, dass andere Marken sehr wohl einen Effekt auf die Konsumentscheidungen von Kindern hätten.

Insgesamt zeigt die Studie, dass jüngere Kinder eine sehr heterogene Zielgruppe sind: Maßnahmen, die darauf abzielen, ihr Konsumverhalten in eine bestimmte Richtung zu lenken, wirken nicht für alle gleichermaßen. „So spielt das Alter und das Verständnis für ‚günstig‘ oder ‚teuer‘ eine wesentliche Rolle für die Auswirkungen von Preissignalen“, erklärt Landwehr. „Es gibt allerdings Kinder, die ein solches Verständnis haben, sich durch höhere Preise aber dennoch kaum beeinflussen lassen. Es ist daher sinnvoll, im Kampf gegen Übergewicht auf eine Vielzahl von Strategien zu setzen, um möglichst viele Mädchen und Jungen zu erreichen.“

Originalpublikation:

Stefanie C. Landwehr, Monika Hartmann, Sean B. Cash, Ching-Hua Yeh: The kids are not all the same – Heterogeneity in children’s snack purchase behavior. Food Quality and Preference, DOI: https://doi.org/10.1016/j.foodqual.2023.104906

Johannes Seiler, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn




Neue Studie zu alten Herausforderungen: Schulen im Brennpunkt

Kinder starten mit deutlich schwierigeren Lernvoraussetzungen

Kein Kita-Besuch, kaum elterliche Unterstützung, mangelnde Sprachkenntnisse – Schulen im sozialen Brennpunkt haben mit extremen Bedingungen zu kämpfen. So geben beispielsweise 75 Prozent der befragten Schulleitungen in der Studie „Schule im Brennpunkt 2023“ des impaktlab der Wübben Stiftung Bildung an, dass Kinder beim Schuleintritt einen hohen Unterstützungsbedarf im Bereich der Sprachkompetenzen haben. Zudem zeigt die Befragung, dass 17,4 Prozent der Schülerinnen und Schüler an Schulen im Brennpunkt keine Kindertagesstätte besucht haben, im bundesweiten Vergleich sind es 8 Prozent. Mehr als jedes vierte Kind hat darüber hinaus bereits traumatische Lebenserfahrungen gemacht (etwa Flucht). Mit 100 Prozent sagen alle befragten Schulleitungen, dass die mangelnde elterliche Unterstützung das schulische Lernen der Kinder und Jugendlichen stark beeinträchtigt. Eine besonders große Barriere für die Zusammenarbeit mit Eltern ist laut der Befragung die Sprache. In der Studie, die heute anlässlich des zehnjährigen Bestehens der Stiftung veröffentlicht wurde, haben Schulleitungen aus vier Bundesländern die aktuelle Situation und die Herausforderungen an ihren Schulen dargestellt und bewertet.

Dr. Markus Warnke, Geschäftsführer der Wübben Stiftung Bildung, erklärt dazu: „Unsere Studie zeigt, dass sich ungünstige Lernvoraussetzungen häufen und es für Schulen im Brennpunkt daher sehr viel schwieriger ist, ihren Bildungsauftrag zu erfüllen als für Schulen in anderen Lagen. Darauf muss Politik reagieren und diese Schulen gezielt unterstützen. Denn alle Kinder und Jugendlichen haben ein Grundrecht auf Bildung.“

Kaum Passung von Lehrplänen und Lehrwerken

Die schlechten Lernvoraussetzungen von Schülerinnen und Schülern im Brennpunkt wirken sich auch auf die Passung der Lehrpläne und Lehrwerke aus, die in den Schulen genutzt werden. Mit 80 bzw. 70 Prozent hat die überwältigende Mehrheit der Leitungen der Schulen im Brennpunkt angegeben, dass sich die gängigen Lehrpläne und Lehrwerke nicht für die Kinder und Jugendlichen eignen. Das betrifft sowohl das Schwierigkeitsniveau und den Umfang als auch die inhaltlich-thematische Ausrichtung, die nicht zur Lebensrealität der Schülerinnen und Schüler passen.

Personal- und Raumnot als große Herausforderungen

Weitere Probleme an den Schulen im Brennpunkt sind die räumlichen und personellen Ressourcen. Diese bewerten über 70 Prozent der Schulleitungen als schlecht. Dieser Befund geht – auch das zeigt die Befragung – mit hohen Belastungen bei dem Kollegium und den Schulleitungen einher. Trotz der besonderen Anforderungen hat mehr als die Hälfte der Schulleitungen angegeben, auf jeden Fall an ihrer Schule bleiben zu wollen. Weiterhin sind mehr als 70 Prozent davon überzeugt, dass sie die Bildungschancen der benachteiligten Schülerinnen und Schüler verbessern können.

Schulleitungen liefern Empfehlungen für Bildungsverwaltung und Politik

Um Hinweise aus diesen Ergebnissen ableiten zu können, hat die Wübben Stiftung Bildung acht Schulleitungen aus vier Bundesländern gebeten, ihre Ideen für eine bessere Unterstützung der Schulen im Brennpunkt aufzuschreiben. In der entstandenen Publikation „Chancen schaffen: Zur Situation von Schulen im Brennpunkt“ liefert das Autorenteam konkrete Empfehlungen für die Bildungsadministration und Bildungspolitik. Zu diesen zählen insbesondere eine frühzeitige sprachliche und motorische Förderung mit einer obligatorischen Vorschule, eine sozialindexbezogene und faire Personalzuweisung, Flexibilität bei der Umsetzung der Curricula und ein eigenverantwortliches und sozialindexbasiertes Chancenbudget.

Dr. Markus Warnke: „Mit Blick auf das Startchancen-Programm, das Schulen in herausfordernden Lagen unterstützen soll, haben sich bisher vor allem Bund und Länder ausgetauscht. Entscheidend ist aber auch mit den Schulen in Brennpunkten ins Gespräch zu kommen. Dafür bieten diese beiden Publikationen eine gute Grundlage und viele Anknüpfungspunkte.“

Hintergrundinformationen zur Studie und Stichprobe

Die Befragung „Schule im Brennpunkt 2023“ des impaktlab der Wübben Stiftung Bildung wurde zum ersten Mal durchgeführt. Ziel ist es, die Situation an Schulen im Brennpunkt systematisch sowie länder- und schulstufenübergreifend zu erfassen. In die Auswertung wurden nur Schulen aufgenommen, in denen entweder mindestens 50 Prozent der Schülerinnen und Schüler eine andere Herkunftssprache als Deutsch haben oder mindestens 50 Prozent der Kinder und Jugendlichen aus Familien kommen, die Leistungen nach dem zweiten Sozialgesetzbuch erhalten (z. B. Arbeitslosengeld). Die Ergebnisse basieren auf den Einschätzungen von insgesamt 149 Schulleitungen aus Grundschulen und weiterführenden Schulen in vier deutschen Bundesländern. In der Befragung wurden folgende Bereiche in den Blick genommen: Voraussetzungen der Schülerinnen und Schüler, Lernen in Schule und Unterricht, schulische Ressourcen, Personal an der Schule, Eltern als Bildungs- und Erziehungspartner sowie Leitung an der Schule. Darüber hinaus sind Fragen zu der größten Herausforderung sowie positivsten Entwicklung der letzten Jahre an den Schulen eingeflossen.

Über das impaktlab

Das impaktlab ist die wissenschaftliche Einheit der Wübben Stiftung Bildung. Auf Basis wissenschaftlicher Analysen und praktischer Erkenntnisse gibt es Impulse in das Bildungssystem, um die Situation an Schulen im Brennpunkt zu verbessern.

Über die Wübben Stiftung Bildung

Die Wübben Stiftung Bildung ist eine 2013 gegründete private Bildungsstiftung mit Sitz in Düsseldorf. Ihre Vision ist es, dass alle Kinder und Jugendlichen unabhängig von ihrer Herkunft gerechte Bildungschancen erhalten. Dafür ist ein Bildungssystem notwendig, das genau das besser gewährleisten kann. Um dieser Vision näher zu kommen, berät, begleitet und unterstützt die Wübben Stiftung Bildung Akteure des Bildungssystems bei der Weiterentwicklung von Schulen im Brennpunkt.

Zur Publikation: Schule im Brennpunkt 2023: Eine Befragung des impaktlab der Wübben Stiftung Bildung: https://www.wuebben-stiftung-bildung.org/wp-content/uploads/2023/05/WSB_Schulen_im_Brennpunkt_Web.pdf

Tamara Endberg-Krenn, Wübben Stiftung Bildung




Umweltstudie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen

umweltstudie

Alle Kinder und Jugendlichen in Deutschland sind mehrfach belastet

Die Deutsche Umweltstudie zur Gesundheit (GerES) ist die bundesweit einzige bevölkerungsrepräsentative Erhebung von Schadstoffbelastungen in der Bevölkerung. Mit ihr wird seit fast 40 Jahren die Schadstoff-Belastung im Körper der Menschen und in ihrem Wohnumfeld erfasst.

Zwischen 2014 und 2017 untersuchte das Umweltbundesamt, wie stark Kinder und Jugendliche in Deutschland durch Umwelteinflüsse belastet sind. Zur Studie eingeladen wurden nach statistischen Kriterien ausgewählte Familien. Es wurden 2.294 Kinder und Jugendliche im Alter von 3 bis 17 Jahren aus 167 Orten in ganz Deutschland untersucht.

Schwerpunkt des Untersuchungsprogramms bildete das Human-Biomonitoring (HBM) – die Untersuchung körpereigenen Materials. Es wurden Blut- und Urinproben der teilnehmenden Kinder und Jugendlichen auf 107 unterschiedliche Umweltschadstoffe untersucht. Außerdem wurden die Umweltbelastungen der Teilnehmenden aus ihrem Wohnumfeld erfasst. Dazu wurden Trinkwasser, Hausstaub und die Innenraumluft untersucht sowie der Schallpegel im Wohnbereich gemessen.

Fazit: Ein Großteil der teilnehmenden Kinder und Jugendlichen ist mit einer Vielzahl der untersuchten Schadstoffe belastet.

Diese Stoffe besitzen fast ausnahmslos toxikologisch bedenkliche Eigenschaften, daher ist die gleichzeitige Belastung mit mehreren Schadstoffen aufgrund möglicher Mischungseffekte besonders kritisch zu sehen. Die Effekte von Stoffen mit ähnlichen Wirkmechanismen können sich addieren, so dass in Summe eine kritische Belastung erreicht werden kann, auch wenn die Belastung mit den jeweiligen Einzelstoffen als unkritisch bewertet wird. Ein Beispiel hierfür sind die Phthalate BBzP, DnBP, DEHP und DiNP, die als Weichmacher in Kunststoffprodukten dienen. Sie sind als reproduktionstoxisch eingestuft und werden mit verschiedenen anderen gesundheitlichen Beeinträchtigungen in Verbindung gebracht. In nahezu allen Teilnehmenden wurden diese vier additiv wirkenden Phthalate gefunden. Darüber hinaus birgt auch die Belastung mit Schadstoffen mit unterschiedlichen Wirkmechanismen Risiken aufgrund von Mischungseffekten, die jedoch noch nicht ausreichend untersucht worden sind.

31 Stoffe wurden in (fast) allen Teilnehmenden gefunden: Darunter sind Acrylamid, Benzol, Bisphenol A (BPA), Butylhydroxytoluol (BHT), Chlorphenole: 2-Monochlorphenol, 4-Monochlorphenol, 2,4-Dichlorphenol, 2,5-Dichlorphenol, Lysmeral (Butylphenyl Methylpropional), Metalle und Halbmetalle: Arsen, Blei, Quecksilber, Selen und vieles mehr.

Quelle: Umweltbundesamt

Weitere Informationen finden Sie hier.

Die Studie gibt es hier zum kostenlosen Downoad.




95 % der pflegenden Eltern fühlen sich überfordert

Neue Studie zur Kinderpflege zu Hause weist auf vielfältige Herausforderungen für Pflegende hin

2021 waren 271.838 Kinder in Deutschland pflegebedürftig ( BMG 2021). Für die Pflege schwerkranker und pflegebedürftiger Kinder bringen pflegende Eltern wöchentlich mehr als 40 Stunden auf – mehr als für einen durchschnittlichen Vollzeitjob in Deutschland. Das zeigt die neue pflege.de-Studie zur Kinderpflege zuhause. 95 Prozent pflegender Eltern fühlen sich zumindest teilweise mit der Pflege ihres Kindes überfordert. Wie die Studie zeigt, hat dies komplexe Gründe. Anlässlich der aktuell immer noch angespannten Situation in Kinderkliniken ist es umso wichtiger, die Aufmerksamkeit auf diese oft unsichtbare gesellschaftliche Gruppe zu richten.

pflege.de-Studie zeigt: Kinderpflege findet bei 92 Prozent zuhause statt und wird hauptsächlich von den Müttern übernommen

Die Pflegesituation von Kindern mit Pflegebedarf ist fast immer gleich: 92 Prozent der Kinder werden in den eigenen vier Wänden der Familie gepflegt. Die Kinderpflege übernehmen hauptsächlich die Mütter: 87 Prozent der Hauptpflegepersonen von pflegebedürftigen Kindern sind Mütter.

Ursache für die Pflegebedürftigkeit bei Kindern: Meist eine Behinderung von Geburt an

Die Gründe für eine Pflegebedürftigkeit bei Kindern sind vielfältig – oft kommen mehrere Faktoren zusammen. Bei 60 Prozent der Kinder aus der pflege.de-Studie ist der Pflegebedarf durch eine Behinderung von Geburt an bzw. eine Erbkrankheit oder einen Gendefekt begründet. 48 Prozent sind aufgrund einer psychischen oder neurologischen Störung oder Erkrankung pflegebedürftig. Eine chronische Erkrankung (23 Prozent) oder eine Krebserkrankung (14 Prozent) werden ebenfalls als Ursachen für die Pflegebedürftigkeit angegeben.

Vollzeitjob Kinderpflege: Eltern pflegen meist mehr als 40 Stunden pro Woche

Der zeitliche Aufwand für pflegende Eltern ist groß: 61 Prozent der Befragten bringen mehr als 40 Stunden wöchentlich für die Pflege ihres Kindes auf. Im Vergleich: Die gewöhnliche Wochenarbeitszeit von Erwerbstätigen in Deutschland beträgt 34,8 Stunden. Kein Wunder, dass 95 Prozent der Befragten angeben, zumindest teilweise mit der Kinderpflege überfordert zu sein.

Hauptbelastungsfaktor in der häuslichen Kinderpflege ist die Bürokratie

Anträge über Anträge: Wer sein Kind zuhause pflegt, muss sich mit einer Vielzahl an Anträgen und Papierkram auseinandersetzen. Für 81 Prozent ist genau das die größte Belastung bei der Kinderpflege – weit mehr als die körperliche Herausforderung, die die Pflege stellt (25 Prozent). Die mentale und emotionale Belastung (78 Prozent) wiegt hingegen fast ebenso schwer wie die Last, die durch den Versuch Familie, Beruf und Pflege zu vereinbaren, entsteht (76 Prozent). 59 Prozent der befragten Eltern wünschen sich deshalb mehr Entlastungsangebote.

Mehr dazu gibt’s im vollständigen Ergebnisbericht – inklusive grafisch aufbereiteter Studienergebnisse, fachlichen Ratschlägen aus der Kindermedizin sowie praktischen Tipps von drei pflegenden Müttern: https://www.pflege.de/pflegende…/pflegebeduerftige-kinder/




Gute Ausbildungschancen für Abiturienten – schlechte für Hauptschüler

Ergebnisse der Studie des Forschungsinstituts für Bildungs- und Sozialökonomie im Auftrag der Bertelsmann Stiftung

Eine wachsende Zahl von Abiturient:innen entscheidet sich für eine Berufsausbildung. In den vergangenen zehn Jahren ist der Anteil derer, die mit Abitur eine duale oder schulische Ausbildung beginnen, von 35 Prozent im Jahr 2011 auf 47,4 Prozent im Jahr 2021 gestiegen. „Von einer mangelnden Attraktivität der Berufsausbildung für Abiturient:innen kann keine Rede sein“, sagt Dieter Dohmen, Direktor des FiBS Forschungsinstituts für Bildungs- und Sozialökonomie und Autor der Studie. „Und auch nicht davon, dass sich Abiturient:innen zu wenig für berufliche Ausbildungen interessieren würden“.

Schlechte Ausbildungschancen für Hauptschüler:innen

Ganz anders stellt sich die Situation für Hauptschüler:innen dar: Schulabgänger:innen mit Hauptschulabschluss haben es immer schwerer, einen Ausbildungsplatz zu bekommen. Es sinkt nicht nur die Zahl der Hauptschulabsolvent:innen insgesamt, sondern auch der Anteil derjenigen, die eine Ausbildung machen. Zwischen 2011 und 2021 hat sich der Anteil der Jugendlichen, die mit einem Hauptschulabschluss die Berufsausbildung beginnen, um ein Fünftel verringert. 

Zahl der Ausbildungsverträge deutlich gesunken

Auch die Gesamtzahl der Ausbildungsverhältnisse sinkt im langfristigen Vergleich: Wurden 2007, dem letzten Höchststand, noch 844.000 Ausbildungsverhältnisse neu begründet, so liegt im Jahr 2021 die Zahl bei 706.000 Ausbildungsverträgen. Damit ist die Zahl der Ausbildungsverträge insgesamt um fast 140.000 gesunken. Dies ist auf rückläufige Zahlen bei den dualen Ausbildungsverhältnissen (Rückgang um 158.000) bei einem gleichzeitig leichten Anstieg bei den schulischen Ausbildungen (Anstieg um 20.000) zurückzuführen.

Viele Jugendliche gehen leer aus

Auf den ersten Blick erscheint positiv, dass die Zahl der Jugendlichen gesunken ist, die nach der Schule in Übergangsmaßnahmen landen, um den Schulabschluss zu verbessern oder sich auf den Ausbildungseinstieg vorzubereiten. Begannen zum letzten Höchststand in 2005 noch 417.000 junge Menschen solche Maßnahmen, so ist mit 225.000 in 2021 ein Tiefststand zu verzeichnen. Jedoch hat sich zugleich die Zahl der Jugendlichen deutlich erhöht, die sich weder in Ausbildung noch in der Schule oder in Arbeit befinden, die sogenannten NEETs (Not in Employment, Education or Training). 2021 werden in der Gruppe der 15- bis 24-Jährigen 630.000 Personen zu den NEETs gezählt, im Jahr 2019 waren es 492.000. „Die Entwicklung ist dramatisch“, sagt Dieter Dohmen. „Viel zu viele Jugendliche gehen auf dem Ausbildungsmarkt leer aus oder fallen ganz aus dem System. Wir müssen die Integrationsfähigkeit des Ausbildungssystems wieder deutlich erhöhen“. 

Ausbildungsgarantie hilft jungen Menschen beim Einstieg in den Beruf

Vor allem für Jugendliche mit niedriger Schulbildung wird es offenkundig trotz vieler tausend unbesetzter Ausbildungsplätze immer schwieriger, einen Ausbildungsplatz zu ergattern. Ursachen dafür liegen unter anderem in steigenden Qualifikationsanforderungen auf dem Ausbildungsmarkt und in regionalen Ungleichgewichten. Auch hat die Coronakrise vielen Jugendlichen den Berufseinstieg aufgrund fehlender Praktika und Orientierungsmöglichkeiten erschwert. „Für diese jungen Menschen ist die Gefahr besonders groß, ohne berufliche Qualifizierung zu bleiben und damit in prekären Beschäftigungsverhältnissen oder Dauerarbeitslosigkeit zu landen“, warnt Clemens Wieland, Ausbildungsexperte der Bertelsmann Stiftung. 

Im Jahr 2020 lag die Quote der sogenannten Ungelernten im Alter von 20 bis 35 Jahren laut Berufsbildungsbericht bei 15,5 Prozent und damit bei mehr als 2,3 Millionen. Bei jungen Menschen ohne Schulabschluss in dieser Altersgruppe liegt die Ungelerntenquote sogar bei 64,4 Prozent und selbst bei denjenigen mit Hauptschulabschluss liegt sie noch bei mehr als einem Drittel (35,8 Prozent). „Wir brauchen eine Ausbildungsgarantie, die wirklich jedem jungen Menschen eine Ausbildungschance gibt und die auch individuelle Begleitung und Unterstützung beinhaltet, um den Abschluss zu erreichen“, sagt Wieland. „Der aktuelle Gesetzesentwurf zur Ausbildungsgarantie greift hier noch deutlich zu kurz.“ 

Link zur Studie: www.chance-ausbildung.de/MonitorBund

Zusatzinformationen

Das FiBS Forschungsinstitut für Bildungs- und Sozialökonomie hat unter Leitung von Dieter Dohmen untersucht, wie sich die Übergangschancen von jungen Menschen in die verschiedenen nachschulischen Bildungswege – einschließlich der schulischen Ausbildung und der verschiedenen Bildungsgänge des Übergangsbereichs – in Abhängigkeit der Schulabschlüsse im Zeitablauf entwickelt haben. Dazu nutzt das FiBS das dort entwickelte Bildungsmonitoringtool EduSimTM, dessen Langzeitdaten alle formalen Bildungsbereiche umfassen und u.a. auf Daten aus der Ausbildungsstatistik des Bundesinstituts für Berufsbildung (BiBB), der Bundesagentur für Arbeit, des Statistischen Bundesamts sowie von Eurostat aufbauen.




Viele Beschäftigte in der Sozialen Arbeit vor dem Burnout

ver.di veröffentlicht erste vorläufige Ergebnisse einer aktuellen Studie zur Situation der Beschäftigten

Eine Studie zur Situation in der Sozialen Arbeit offenbart eine dramatische Situation: Das Burnout-Risiko der Beschäftigten ist extrem hoch. In allen Arbeitsfeldern der Sozialen Arbeit besteht eine höchstmögliche berufliche Erschöpfung.

Das verdeutlicht die Studie „Professionelle Krise nach Corona? Steuerungsbedarf in der Sozialen Arbeit nach der Pandemie (CriCo)“, deren erste Ergebnisse Prof. Dr. Nikolaus Meyer (Hochschule Fulda) und Dr. Elke Alsago von ver.di (Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft) jetzt bekanntgeben.

An der Befragung hatten im November 2022 über 8.200 Beschäftigte aus verschiedenen Arbeitsfeldern der Sozialen Arbeit teilgenommen: Beschäftigte aus Kindertageseinrichtungen, der Behindertenhilfe, den Jugendämtern, den Ganztagsschulen, aber auch aus Beratungsstellen und der Kinder- und Jugendarbeit.

Erholungspausen fallen oftmals aus

Die ersten Studienergebnisse zeigen, dass viele Beschäftigte die gesetzlich vorgesehenen Erholungspausen seit Ausbruch der Pandemie häufig ausfallen lassen, um die vorhandene Arbeit zu schaffen. 40 Prozent der Befragten geben an, regelmäßig drei oder mehr Stunden wöchentlich zusätzlich zu arbeiten. Über 60 Prozent gehen häufig oder sehr häufig an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit. Über 65 Prozent der Befragten stehen bei ihrer Arbeit unter Zeitdruck und mehr als 80 Prozent nehmen eine deutliche Veränderung ihrer Arbeit wahr. Insbesondere in den Kindertagesstätten und Jugendämtern klagen die Beschäftigten, dass der dringend notwendige direkte Kontakt zu den Erziehungsberechtigten sowie den Kindern und Jugendlichen abgenommen hat.

Die sich verschlechternden Arbeitsbedingungen und der eklatante Personalmangel in der gesamten Sozialen Arbeit – alleine in Kindertagesstätten fehlen laut dem ver.di KITA-Personalcheck 175.000 Fachkräfte – zeigen sich in einer hohen Personalfluktuation. Nur bei etwa jeder oder jedem vierten Befragten gab es in den letzten zwölf Monaten keinen personellen Wechsel im Team. Ein Drittel der Befragten muss mehr arbeiten, weil zu wenig Personal vorhanden ist.

„Die Situation ist so brisant, dass wir schon heute erste Ergebnisse veröffentlichen, auch wenn die abschließenden Ergebnisse der Studie erst im März vorliegen“, betont die stellvertretende ver.di-Vorsitzende Christine Behle. Schnelles Handeln sei angesagt.

Zahlreiche Effekte treffen aufeinander

Meyer wies darauf hin, dass unterschiedliche Effekte aufeinandertreffen: der Fachkräftemangel in der gesamten Sozialen Arbeit, die Zunahme von unterstützungsbedürftigen Menschen (23,5 Prozent), eine Verschlechterung der Lebenssituation bei vorhandenen Adressat/innen während der Corona-Pandemie und eine starke Corona-bedingte Krankheitswelle der Beschäftigten. Dies führe dazu, dass es den Beschäftigten trotz individuellem Einsatz, wie z.B. Mehrarbeit und Verzicht auf Pausen, nicht mehr gelinge, den Ansprüchen an ihre Arbeit gerecht zu werden. Entsprechend würden mehr als 77 Prozent der Befragten davon ausgehen, nicht bis zur Rente weiterarbeiten zu können. Noch höher liegt der Wert mit 86,5 Prozent im Bereich der Kindertagesstätten.

Behle forderte die Arbeitgeber auf, die anstehenden Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst dazu zu nutzen, die Beschäftigten durch einen guten Abschluss wenigstens von den finanziellen Sorgen und Existenzängsten zu entlasten. „Auch die Bundesregierung muss den Ernst der Stunde erkennen und gemeinsam mit den Ländern ein Sondervermögen auf den Weg bringen, um die Not in den Arbeitsfeldern der Sozialen Arbeit zu beseitigen und in die Ausbildung von Fachkräften zu investieren. Ansonsten wird die Abwanderung der Fachkräfte aus der Sozialen Arbeit weiter Fahrt aufnehmen. Die Versorgung der Schwächsten in unserer Gesellschaft ist schon heute nicht mehr gesichert.“ 

Weiter Informationen finden Sie hier: https://sozialearbeit.verdi.de/arbeitsbereiche/++co++2faa0892-58fd-11ed-bf71-001a4a160111

Martina Sönnichsen, ver.di Bundesverband




Schüler, die Gedrucktes lesen, haben einen größeren Wortschatz

Mehr Sprachförderung für mehr Bildungsgerechtigkeit nötig

Sprache ist essenziell für den schulischen Erfolg, denn ohne Sprachkompetenz können Inhalte nicht richtig vermittelt und verstanden werden. Die Studie eines Forschungsteams am Institut für Schulentwicklungsforschung an der TU Dortmund hat sich daher intensiv mit einer der Säulen für Sprachkompetenz beschäftigt: dem Wortschatz am Beispiel von Viertklässler. „Dabei ist zum einen deutlich geworden, dass es schon in der Grundschule sehr große Unterschiede im Wortschatz gibt und dass diese Unterschiede zum anderen systematisch mit dem familiären Hintergrund zusammenhängen, konkret, welchen Bildungsabschluss die Eltern haben, ob es einen Zuwanderungshintergrund gibt oder wie die familiäre Leseumgebung aussieht“, erläutert Dr. Ulrich Ludewig, der die Auswertung der Daten von rund 4.600 Viertklässler in Deutschland durchführte.

Die durchschnittlichen Unterschiede im Wortschatz entsprechen zwischen manchen Schülergruppen dem Lernzuwachs von über einem Jahr. Diese Ergebnisse verdeutlichen einmal mehr, dass der Wortschatz in der Grundschule systematisch gefördert und spezifische Schülergruppen gezielt in den Blick genommen werden müssen.

Wortschatz, Bücherlesen und Lesen an digitalen Geräten

In der Erhebung gab die Hälfte der Grundschulkinder an, (fast) täglich Bücher zu lesen, während 22 Prozent nie oder maximal einmal im Monat ein Buch lesen. Schüler, die (fast) täglich Bücher lesen, zeigen dabei im Mittel einen deutlichen Wortschatzvorsprung gegenüber denjenigen, die seltener Bücher lesen. Dies gilt für die Gesamtgruppe und findet sich in unterschiedlich starker Ausprägung in nahezu allen betrachteten Schülergruppen aufgeteilt nach Geschlecht, Anzahl der Bücher im Haushalt, Zuwanderungshintergrund und Bildungsabschluss der Eltern. So haben beispielsweise viel lesende Jungen ebenso wie viel lesende Mädchen einen im Mittel deutlich höheren Wortschatz, wenn man sie mit seltener lesenden Jungen bzw. Mädchen vergleicht. Lediglich bei Kindern, die selber zugewandert sind, oder deren Eltern höchstens einen mittleren Schulabschluss (ohne Berufsausbildung) haben, zeigt sich trotz häufigen Bücherlesens kein signifikant größerer Wortschatz im Vergleich zu weniger lesenden Kindern aus ihrer Vergleichsgruppe. In beiden Fällen ist demnach eine Förderung im schulischen Kontext besonders wichtig.

In der Studie haben ein Viertel der Viertklässler angegeben, (fast) täglich an digitalen Geräten zu lesen. Häufiges Lesen an digitalen Geräten weist dabei einen negativen Zusammenhang mit dem Wortschatz der Kinder auf. Ulrich Ludewig führt aus: „Der Wortschatz ist am kleinsten, wenn Kinder oft an digitalen Geräten lesen und gleichzeitig selten bis nie ein Buch.“ Dies hängt möglicherweise mit der Art der Texte zusammen: Häufig werden digital eher Chatnachrichten, Anweisungen in Apps, kurze Teasertexte und ähnliches gelesen, die keine längeren, aufeinander aufbauenden Textpassagen und weniger vielfältigen Wortschatz beinhalten. Dieses trägt kaum zu einem Ausbau des Wortschatzes bei und gleichzeitig fehlt die Zeit für sprachförderlichere Aktivitäten. Möglich ist auch, dass sich Kinder mit geringem Wortschatz nicht an Bücher herantrauen und daher erst gezielt mit leichteren Büchern zum Lesen motiviert werden müssen.

Fazit

„Die Sonderauswertung verdeutlicht, dass Kinder beim Erwerb und Ausbau der sprachlichen Kompetenzen gezielte Unterstützung in ihren Grundschulen benötigen, besonders, wenn ihre familiäre Umgebung eher wenige Lerngelegenheiten für den Aufbau sprachlicher Kompetenzen im Deutschen bietet“, führt Bildungsforscherin Nele McElvany aus. Der Förderbedarf in Bezug auf den Wortschatz sei besonders groß bei Kindern, die nie oder nur selten Bücher lesen, selbst nicht in Deutschland geboren sind und deren Eltern einen eher niedrigen Bildungsabschluss haben. Daher müsse die systematische Förderung bestimmter Schülergruppen in den Schulen, besser noch bereits im Kindergarten, verstärkt werden. Das Forschungsteam betont: „Sämtliche Studien in den letzten Jahren machen deutlich, dass Sprachkompetenzen unabdingbar sind, um einen erfolgreichen weiteren Schul- und Lebensweg zu ermöglichen. Um mehr Bildungsgerechtigkeit in Deutschland zu erreichen, ist daher in den Schulen ab der ersten Klasse eine regelmäßige Diagnostik der Sprachkompetenzen mit daran anschließender gezielter Förderung unter Einbezug der Familien dringend angeraten.“ Die ausführlichen Ergebnisse sind verfügbar unter: https://ifs.ep.tu-dortmund.de/

Zur Studie

Für den Sonderbericht wurden Daten von 4.611 Viertklässlerinnen aus 252 Grundschulen in Deutschland ausgewertet, die an der Internationalen Grundschul-Lese-Untersuchung (IGLU 2021) im Frühjahr 2021 teilnahmen und zusätzlich einen national ergänzten Wortschatztest bearbeiteten, auf dem die berichteten Befunde beruhen. Zudem wurden ergänzende Angaben aus dem nationalen Schülerfragebogen herangezogen. Damit bestand die Möglichkeit, eine wichtige Voraussetzung der Lesekompetenz nach den pandemiebedingten Einschränkungen auf einer repräsentativen Datenbasis zu untersuchen. Das zugrundeliegende Vorhaben wird mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) sowie der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland (KMK) zu gleichen Anteilen gefördert. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei den Autoren. Institutsportrait: Das interdisziplinäre Institut für Schulentwicklungsforschung (IFS) an der TU Dortmund ist als Forschungseinrichtung an der Schnittstelle von Wissenschaft, schulischer Praxis und Politik angesiedelt. Die durch fünf Professuren und rund 40 Mitarbeiter gestalteten Forschungsbereiche des Instituts arbeiten zu aktuellen Themen im Bereich der Empirischen Bildungsforschung mit dem Ziel, schulische Lern- und Entwicklungsprozesse, Schulentwicklung und Bildungsergebnisse im Kontext ihrer individuellen, sozialen und institutionellen Bedingungen zu erfassen, zu erklären und zu optimieren. Das IFS trägt mit seiner Arbeit wesentlich den Profilbereich „Bildungs- und Arbeitswelten von morgen“ der TU Dortmund mit.

Quelle: Studie der TU Dortmund




Von der Erkenntnis zum Engagement beim Umweltschutz

Studie unter 11- bis 13-Jährigen weist auf große Diskrepanz zwischen Erkenntnis und Handeln hin

Schülerinnen und Schüler sehen zwar einen dringenden Handlungsbedarf in Sachen Naturschutz, legen aber selbst kaum ein umweltfreundliches Verhalten an den Tag. Dies geht aus einer Studie hervor, die in der Arbeitsgruppe Didaktik der Biologie an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) erstellt worden ist. Nach ihren eigenen Angaben setzen nur zwölf Prozent der Schülerinnen und Schüler im Alter von elf bis 13 Jahren aktives Verhalten zum Schutz der Natur in ihrem Alltag um.

„Obwohl sie eine Reihe von Verhaltensabsichten mit dem Naturschutz in Verbindung bringen, berichten nur wenige Schülerinnen und Schüler über ihre eigenen Aktivitäten im Naturschutz. Wir stellen fest, dass zwischen den Äußerungen der Schülerinnen und Schüler und ihren Handlungen eine Lücke klafft“, sagt Laura Christ von der Arbeitsgruppe Didaktik der Biologie, die die Studie durchgeführt hat. „Daher ist es umso wichtiger, dass Naturschutz in der Schule verankert und damit das Engagement der jungen Menschen für den Erhalt von Natur und Umwelt verstärkt wird.“ An der Studie hatten sich 144 Schülerinnen und Schüler der Klassenstufen sechs und sieben an Schulen im Großraum Rhein-Main beteiligt.

Freiwillige befragt

Die Erhebungen fanden zwischen Juni und Oktober 2021 im Biologieunterricht an Partnerschulen der Arbeitsgruppe statt. Die Schülerinnen und Schüler konnten freiwillig an der Studie teilnehmen und sich zu einem fiktiven Szenario äußern. Demnach bat der Gemeinderat die jungen Leute, ihre Meinung zum Naturschutz der Zukunft mitzuteilen und insbesondere zwei Fragen zu beantworten: Was bedeutet Naturschutz für dich? Was bewegt dich, dass du dich schon heute für den Naturschutz der Zukunft engagierst? Ihre Antworten konnten die Schülerinnen und Schüler in Textform direkt an eine angegebene E-Mail-Adresse schicken oder aber die Antworten wurden von den Lehrerinnen und Lehrern gesammelt. „Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer wussten, dass es eine fiktive Situation ist und nicht wirklich vom Gemeinderat in Auftrag gegeben wurde. Wir haben sie gebeten, sich wahrheitsgemäß zu äußern, und sie darüber informiert, dass die Antworten keinen Einfluss auf ihre Noten haben werden“, erklärt Laura Christ die Voraussetzungen.

Naturschutz wird vor allem mit Tieren in Verbindung gebracht

Den Auswertungen zufolge bringen die meisten Schülerinnen und Schüler mit dem Begriff „Naturschutz“ Tiere in Verbindung. Das Wort „Tiere“ wird in 57 Prozent der Antworten erwähnt, gefolgt von „Natur“ mit 55 Prozent. Dagegen werden Insekten und Bienen nur in jeweils sechs Prozent der Antworten mit Naturschutz assoziiert. „Auch die Begriffe Klimawandel oder Kohlendioxid fallen nur selten“, sagt Laura Christ zu den Ergebnissen. Eher wissenschaftliche Begriffe wie „biologische Vielfalt“ kommen in den Antwortschreiben nicht vor.

Hauptsächlich existenzieller Zugang zum Naturschutz

Eine Einteilung der Antworten nach Kategorien ergibt, dass die Schülerinnen und Schüler vorwiegend einen existenziellen Zugang zum Naturschutz haben, das heißt sie äußerten sich in etwa mit „Damit wir auch in Zukunft noch so auf der Erde leben können wie bisher“ oder „Ein Leben ohne Pflanzen und Tiere ist nicht möglich“. 74 der 144 Schülerinnen und Schüler nennen auch konkrete Verhaltensabsichten, wie zum Beispiel „Es wäre gut, wenn die Menschen weniger Auto fahren würden“. Allerdings beschreiben nur 17 Teilnehmende also lediglich zwölf Prozent Verhaltensweisen, die sie tatsächlich aktiv in ihrem alltäglichen Leben umsetzen – anhand von 38 verschiedenen Beispielen wie etwa beim Konsumverhalten: „Ich kaufe regionale Produkte.“

Konzept von Naturschutz wird im Allgemeinen verstanden – Handlungsmöglichkeiten aufzeigen

„Die Erhebung zeigt uns, dass die Schülerinnen und Schüler in diesem Alter das Konzept von Naturschutz im Allgemeinen verstehen, aber nicht so ganz wissen, wie sie es in ihrem eigenen Leben umsetzen können oder umsetzen sollen“, sagt Prof. Dr. Daniel Dreesmann, Leiter der AG Didaktik der Biologie an der JGU. „Fragen zum Artensterben und dem Naturschutz sind für die jungen Menschen relevant, wie auch die Demonstrationen von Fridays for Future zeigen. Wir müssen aber deutlicher wie bisher Handlungsmöglichkeiten aufzeigen.“

Laura Christ merkt an, dass zum einen Wissenslücken bestehen, die der Schulunterricht nicht schließen konnte, auf der anderen Seite aber auch die Diskrepanz zwischen Erkenntnis und Engagement auffällt. „Wie schafft man den Sprung von der Erkenntnis zur Umsetzung?“, formuliert sie die Herausforderung. Eine Möglichkeit wären beispielsweise Citizen-Science-Projekte, in denen die von Schülerinnen und Schülern erhobenen Daten zum Beispiel Naturschutzbehörden zur Verfügung gestellt werden und in deren Arbeit einfließen. „Damit könnten die Schülerinnen und Schüler direkt erleben, dass ihr Tun nicht nur dem Unterricht und den Noten dient, sondern sie einen aktiven Beitrag leisten, um den Naturschutz voranzubringen.“

Hier geht es zur Studie.

Petra Giegerich, Johannes Gutenberg Universität Mainz