In Deutschland fehlen rund 266.000 U3-Kitaplätze

Betreuungslücke hat sich mittlerweile ein Stück weit geschlossen

Wer 2019 nach einem Kitaplatz für sein Kleinkind gesucht hat, hatte besonders schlechte Karten: Damals lag die Betreuungslücke bei knapp 360.000 fehlenden Plätzen – ein Negativrekord. Nach einem moderaten Rückgang 2020 um rund 35.000 Plätze ist die Lücke bis zum Frühjahr 2022 auf 266.000 Betreuungsangebote gesunken. Das zeigt eine neue IW-Studie auf Basis von Daten des Statistischen Bundesamtes. 

Bremen löst NRW als Schlusslicht ab

Besonders schlecht ist die Lage derzeit in Bremen: Zwar ist die Betreuungslücke seit 2019 prozentual von 19,7 Prozent auf 16 Prozent gesunken, doch mit diesem Wert löst Bremen das bisherige Schlusslicht NRW ab. Im bevölkerungsreichsten Bundesland liegt die Betreuungslücke bei 13,9 Prozent – vor drei Jahren waren es noch sechs Prozentpunkte mehr. Spitzenreiter ist Sachsen mit 3,3 Prozent, dicht gefolgt von Hamburg mit 3,7 Prozent. Insgesamt konnten alle Bundesländer die Betreuungslücke etwas schließen. Das liegt an drei Gründen: Erstens haben die Städte und Gemeinden den Kitaausbau vorangetrieben, zweitens ist die Zahl der Kinder unter drei Jahren gesunken, ebenso wie pandemiebedingt der Anteil der Eltern, die überhaupt einen Betreuungsplatz gesucht haben. 

Trend vermutlich nicht von Dauer

Sind die Ergebnisse nun ein Grund zur Entwarnung? „Nein“, meint IW-Studienautor Wido Geis-Thöne. „Aufgrund der Coronapandemie wurden weniger Betreuungsplätze benötigt. Außerdem suchen seit einigen Monaten viele Menschen aus der Ukraine Schutz vor dem russischen Angriffskrieg – auch Eltern mit ihren Kleinkindern.“ Wie sich die Bedarfssituation in den kommenden Jahren entwickeln werde, lasse sich daher nur schwer abschätzen. Es könne aber dazu kommen, dass sich die Lage wieder verschärfe. 

Geis-Thöne, Wido, 2022, Die Kitalücke schließt sich langsam, IW-Kurzbericht, Nr. 97, Köln




Häufige externe Kleinkindbetreuung kann das kindliche Verhalten beeinflussen

Studie: Je mehr Zeit Kleinkinder in der Tagesbetreuung verbringen, desto eher zeigen sie auffällige Verhaltensweisen

Wie wirkt sich die außerfamiliäre Betreuung auf die Entwicklung vom Kindes- bis ins Jugendalter aus? Forschende der Universität Zürich befragten dazu rund 1.300 Zürcher Schulkinder, ihre Eltern und Lehrpersonen. Das Ergebnis: Je mehr Zeit in Krippen oder bei Tagesmüttern verbracht wurde, desto eher zeigten sich auffallende Verhaltensweisen, die nach dem Primarschulalter allerdings wieder verschwanden.

Das Jacobs Center for Productive Youth Development der Universität Zürich hat untersucht, wie die externe Kinderbetreuung die Entwicklung des Kindes bis ins Erwachsenenalter beeinflusst. Die analysierten Daten wurden im Rahmen des Zürcher Projektes zur sozialen Entwicklung von der Kindheit ins Erwachsenenalter (z-proso) erhoben und umfassen rund 1.300 Stadtzürcher Schulkinder von sieben Jahren bis zum Alter von 20 Jahren.

Auswirkungen im Primarschulalter

Rund 67 Prozent dieser Kinder wurden vor dem Kindergartenalter fremd betreut. Davon besuchten 32 Prozent eine Kindertagesstätte, 22 Prozent eine Spielgruppe. Weitere 22 Prozent waren zeitweise bei Familienmitgliedern, drei Prozent bei Bekannten oder Nachbarn, zwölf Prozent bei Tagesmüttern. Die Forschenden befragten die Kinder wie auch die Eltern und Lehrpersonen zu auffallend extrovertiertem oder introvertiertem Verhalten, zu Straffälligkeit und Drogenkonsum. Dabei zeigte sich, dass sich die im Primarschulalter beobachteten Verhaltensweisen je nach Auskunftspersonen und je nach besuchter externer Betreuung unterschieden.

Nach Einschätzung der Eltern zeigten die Primarschülerinnen und Primarschüler mehr Aggressivität, ADHS-Symptome, aber auch Ängstlichkeit und Depressivität je mehr Zeit sie im Vorschulalter in einer Krippe verbrachte hatten. Die Angaben der Kinder selbst weisen teilweise in dieselbe Richtung.

Laut den Lehrpersonen sind Hyperaktivität, Impulsivität, Aufmerksamkeitsprobleme oder aggressives Verhalten eher bei denjenigen Schülerinnen und Schülern zu beobachten, die mehr als zwei Tage pro Woche bei einer Tagesmutter verbracht oder an mindestens drei Tagen pro Woche eine Spielgruppe besucht hatten.

Auffallende Verhaltensweisen verschwinden meist wieder

Wie lassen sich diese Befunde erklären? „Einerseits ist es möglich, dass eine externe Kinderbetreuung zu einer weniger sicheren Bindung und Interaktion zwischen Eltern und Kindern führen kann“, sagt Erstautorin Margit Averdijk. Andererseits könnten Kinder in Krippen und Spielgruppen das Problemverhalten von Gleichaltrigen nachahmen und es teilweise auch einsetzen, um von den Betreuungspersonen Aufmerksamkeit zu erhalten.

„Obwohl wir nicht direkt prüfen konnten, welche dieser Mechanismen unsere Ergebnisse am wahrscheinlichsten erklären, unterstützen beide unsere Ergebnisse“, erklärt die Forscherin. Die gute Nachricht: Die in der Primarschule beobachteten Verhaltensauffälligkeiten nehmen mit der Zeit ab und verschwinden ab dem 13. Altersjahr weitgehend. Nur die Symptome von ADHS halten sich etwas hartnäckiger.

Kein genereller Zusammenhang mit Substanzkonsum im Jugendalter

Die Forschenden fanden auch keine Hinweise darauf, dass externe Kinderbetreuung generell mit Delinquenz und Substanzkonsum im Jugendalter zusammenhängt. Einzig bei Kindern aus prekären Verhältnissen geht eine häufige Krippenbetreuung im Vorschulalter mit mehr Substanzkonsum im Jugendalter einher. „Es scheint, dass solche Kinder mit zunehmendem Alter auch eher zu Ängsten oder depressiven Symptomen neigen. Diese können sich aufgrund der Abwesenheit ihrer Eltern weiter verstärken“, erklärt Averdijk.

Vorsicht bei der Interpretation

„Unsere Studie beleuchtet mögliche ungünstige Zusammenhänge zwischen externer Kinderbetreuung und der kindlichen und späteren Entwicklung“, fasst Letztautor Manuel Eisner zusammen. Der Soziologieprofessor warnt jedoch davor, voreilige Schlüsse zu ziehen. Zwar entspräche die Studie höchsten wissenschaftlichen Qualitätsstandards, basiere aber auf Beobachtungs- und Befragungsdaten, mit denen sich Rückschlüsse auf ursächliche Zusammenhänge nicht immer klar ziehen ließen. Auch konnte die Qualität der außerfamiliären Betreuung in der Studie nicht berücksichtigt werden.

Literatur:

Margit Averdijk, Denis Ribeaud, and Manuel Eisner. External childcare and socio-behavioral development in Switzerland: Long-term relations from childhood into young adulthood. PLOS ONE, 9 March. DOI: 10.1371/journal.pone.0263571

Hier der Link: https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0263571

Quelle: Mitteilung der Universität Zürich




Jedes dritte Kind unter sechs Jahren ganztags betreut

Ganztagsbetreuungsquote stieg binnen zehn Jahren von 22 auf 34 Prozent im Jahr 2020

Mit dem Start des neuen Kita-Jahres verbindet sich für viele berufstätige Eltern die Hoffnung, Job und Familie nach den teilweise starken Einschränkungen während der Corona-Pandemie wieder besser zu vereinbaren. Vor Beginn der Corona-bedingten Schließungen von Betreuungseinrichtungen wurden Kinder unter sechs Jahren immer häufiger ganztags betreut. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt, wurden zum Stichtag 1. März 2020 knapp 1,6 Millionen Kinder zwischen null und unter sechs Jahren mehr als sieben Stunden durchgehend täglich in einer Kindertageseinrichtung oder in öffentlich geförderter Kindertagespflege betreut. Die Ganztagsbetreuungsquote, also die ganztags betreuten Kinder anteilig an allen Kindern dieser Altersgruppe, lag damit bei 34 Prozent. Das war ein deutlicher Anstieg gegenüber 2010, als noch gut jedes fünfte Kind (22 Prozent) ganztags betreut wurde.

Jedes fünfte Kind unter drei Jahren wurde 2020 ganztätig betreut

Bei der Ganztagsbetreuungsquote von Kindern zeigen sich jedoch große Unterschiede mit Blick auf die beiden einzelnen Altersgruppen: Während Kleinkinder seltener ganztätig betreut werden – zuletzt traf dies auf 20 Prozent der unter dreijährigen Kinder zu – lag die Ganztagsbetreuungsquote bei den Drei bis unter Sechsjährigen bei 48 Prozent.

Innerhalb der letzten zehn Jahre hat die Ganztagsbetreuung über alle Altersgruppen hinweg zugenommen: 2010 wurden noch zwölf Prozent der unter Dreijährigen sowie 32 Prozent der Drei- bis unter Sechsjährigen ganztätig betreut.

Ganztagsbetreuungsquote in Thüringen mehr als doppelt so hoch wie bundesweit

Der Umfang der Kinderbetreuung in Deutschland gestaltet sich nach wie vor heterogen – dies wird besonders mit Blick auf die Unterschiede zwischen ost- und westdeutschen Bundesländern deutlich. So hat Thüringen mit 73 Prozent die bundesweit höchste Ganztagsbetreuungsquote bei der Betreuung von Kindern unter sechs Jahren. In Sachsen-Anhalt lag die Quote bei 66 Prozent, in Sachsen bei 65 Prozent. Auch bei der Betreuung der unter Dreijährigen liegt Thüringen mit einer Ganztagsbetreuungsquote von 52 Prozent an der Spitze, gefolgt von Sachsen-Anhalt (49 Prozent) und Mecklenburg-Vorpommern (46 Prozent).

Zum Vergleich: In Baden-Württemberg und in Bayern wurden im Jahr 2020 lediglich elf Prozent der unter Dreijährigen ganztags betreut. Auch bei den Kindern unter sechs Jahren war die Ganztagsbetreuungsquote in Baden-Württemberg (18 Prozent) und Bayern (24 Prozent) am niedrigsten, gefolgt von Niedersachsen (26 Prozent). Ein Grund für die regionalen Unterschiede könnte unter anderem darin liegen, dass die Kosten für Kindertagesbetreuung in den einzelnen Bundesländern und Kommunen unterschiedlich ausfallen.

Einen Überblick über Ganztagsbetreuung auf regionaler Ebene liefert die interaktive Karte.

Methodischer Hinweis:

Bei den Ergebnissen zur Ganztagsbetreuungsquote handelt es sich um Kinder in Kindertageseinrichtungen sowie in Kindertagespflege, soweit sie nicht zusätzlich eine Kindertageseinrichtung oder eine Ganztagsschule besuchen (keine Doppelzählung).

Weitere Informationen:

Neue Daten zur Kindertagesbetreuung für den Stichtag 1. März 2021 werden voraussichtlich Ende September 2021 veröffentlicht.