Ein kleines Plädoyer für die Naturpädagogik

Einen besseren Entwicklungs- und Bildungsraum als die freie Natur gibt es nicht

Das Ziel der Natur- und Umweltpädagogik sei es, bei der Bevölkerung eine Grundlage für ökologisch sinnvolles Handeln, Verhalten und Entscheiden zu legen, heißt es in der Online-Enzyklopädie Wikipedia. Ähnliche Zielformulierungen finden sich an vielen anderen Orten im Internet wie in Fachbüchern und -beiträgen. Sie sagen im Kern alle nur eines aus: Wir haben uns so weit von der Natur entfernt, dass sie mittlerweile vor uns geschützt werden muss. Mit Hilfe gezielter Maßnahmen sollen wir deshalb wieder zu einem vernünftigen Verhalten gegenüber der Umwelt finden.

Wo hat das angefangen? Wann haben so viele die Wertschätzung gegenüber ihrer Umwelt verloren? In unserem Kindergarten hatten wir vor Jahrzehnten das Außengelände in einen naturnahen Raum nach den Gedanken von Hugo Kükelhaus umgebaut. Einige Zeit später verkaufte die Gemeinde einen Teil des Geländes an den lokalen Fernsehsender. Als sich Fachkräfte und Eltern gemeinsam dagegen auflehnten, erklärte einer der Stadträte, er schenke dem Kindergarten zwei Laubfrösche. Damit könnten sie dann zufrieden sein.

Dieser Form der Ignoranz begegnen wir tagtäglich in vielfältiger Weise. Dahinter steckt oft die Meinung, Naturräume seien etwas Selbstverständliches, das keiner besonderen Beachtung bedarf. Deshalb sei auch der Schutz der Natur so etwas wie das Sahnehäubchen oder die Kür, die eine Gesellschaft zu leisten hätte. An erster Stelle stehe die wirtschaftliche Leistung.

Auch wenn dieses Bild in den vergangenen Jahrzehnten immer mehr Risse aufweist, gleicht das gesellschaftliche Handeln oftmals noch immer dem der Ignoranten. Dabei sichern und Natur und Umwelt nicht „nur“ unser Überleben. Sie sind auch unsere besten Lehrmeister. Wer einmal mit Kindern ohne Zeitdruck einen Spaziergang gemacht hat, erlebt das unweigerlich.

Kinder lernen am besten über alle Sinne und die Natur hält dafür das perfekte Repertoire bereit.

  1. Sie bietet einen Überfluss an visuellen Reizen im Kleinen wie im Großen.
  2. Das Laub raschelt, die Vögel zwitschern, der Bach plätschert. Wer richtig hinhört, entdeckt die enorme Vielfalt auditiver Reize. Schließlich hat die Natur noch etwas zu bieten, was es ganz selten gibt: Stille.
  3. Es riecht nach Erde, Blättern, Gräsern und vielem mehr.
  4. Zahlreiche Früchte, aber auch Blätter und Gräser laden zum Schmecken ein.
  5. Und schließlich lässt sich fast alles betasten.

All das gibt es hier kostenlos und ohne zu überreizen. Das Gehirn kombiniert diese Reize und lernt daraus. In diesem Erfahrungsraum lässt sich wunderbar toben, forschen und entdecken. Die motorischen Fertigkeiten werden ebenso gut gefördert wie Konzentration, Analysefähigkeit, Kreativität und vieles mehr. Das sind die wesentlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten, die künftige Landschaftsgärtner ebenso benötigen wie High-Tech-Entwickler. Erst vor ein paar Wochen hat Armin Krenz in seinem Beitrag „Die Natur als Entwicklungsraum für Kinder“ gleich zu Anfang festgestellt: „Wer mit Kindern in der Natur unterwegs ist und dabei mit allen Sinnen wahrnimmt, welche selbstbestimmten Tätigkeiten Kinder genussvoll ausführen, wird kaum in der Lage sein, alle Beobachtungsmöglichkeiten zu registrieren und in einem Protokoll festhalten zu können.“

So bleibt die Frage, warum wir mit den Kindern so wenig rausgehen, wenn es doch eigentlich keinen besseren Erlebnis- und Lernraum gibt. Spielt die Natur im Leben der Kinder keine große Rolle mehr? Hat der Kindergarten nicht die Aufgabe, die grundlegende Naturerfahrungen zu vermitteln und einen altersgerechten Zugang zu vermitteln? Diese Fragen muss jeder für sich selbst beantworten. Mit digitalen Medien können wir diese sinnlichen Bildungsräume nicht ersetzen. Die Gefahr ist groß, dass viele Kinder den natürlichen Bezug zu ihrer Umwelt niemals erfahren.




Umweltstudie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen

umweltstudie

Alle Kinder und Jugendlichen in Deutschland sind mehrfach belastet

Die Deutsche Umweltstudie zur Gesundheit (GerES) ist die bundesweit einzige bevölkerungsrepräsentative Erhebung von Schadstoffbelastungen in der Bevölkerung. Mit ihr wird seit fast 40 Jahren die Schadstoff-Belastung im Körper der Menschen und in ihrem Wohnumfeld erfasst.

Zwischen 2014 und 2017 untersuchte das Umweltbundesamt, wie stark Kinder und Jugendliche in Deutschland durch Umwelteinflüsse belastet sind. Zur Studie eingeladen wurden nach statistischen Kriterien ausgewählte Familien. Es wurden 2.294 Kinder und Jugendliche im Alter von 3 bis 17 Jahren aus 167 Orten in ganz Deutschland untersucht.

Schwerpunkt des Untersuchungsprogramms bildete das Human-Biomonitoring (HBM) – die Untersuchung körpereigenen Materials. Es wurden Blut- und Urinproben der teilnehmenden Kinder und Jugendlichen auf 107 unterschiedliche Umweltschadstoffe untersucht. Außerdem wurden die Umweltbelastungen der Teilnehmenden aus ihrem Wohnumfeld erfasst. Dazu wurden Trinkwasser, Hausstaub und die Innenraumluft untersucht sowie der Schallpegel im Wohnbereich gemessen.

Fazit: Ein Großteil der teilnehmenden Kinder und Jugendlichen ist mit einer Vielzahl der untersuchten Schadstoffe belastet.

Diese Stoffe besitzen fast ausnahmslos toxikologisch bedenkliche Eigenschaften, daher ist die gleichzeitige Belastung mit mehreren Schadstoffen aufgrund möglicher Mischungseffekte besonders kritisch zu sehen. Die Effekte von Stoffen mit ähnlichen Wirkmechanismen können sich addieren, so dass in Summe eine kritische Belastung erreicht werden kann, auch wenn die Belastung mit den jeweiligen Einzelstoffen als unkritisch bewertet wird. Ein Beispiel hierfür sind die Phthalate BBzP, DnBP, DEHP und DiNP, die als Weichmacher in Kunststoffprodukten dienen. Sie sind als reproduktionstoxisch eingestuft und werden mit verschiedenen anderen gesundheitlichen Beeinträchtigungen in Verbindung gebracht. In nahezu allen Teilnehmenden wurden diese vier additiv wirkenden Phthalate gefunden. Darüber hinaus birgt auch die Belastung mit Schadstoffen mit unterschiedlichen Wirkmechanismen Risiken aufgrund von Mischungseffekten, die jedoch noch nicht ausreichend untersucht worden sind.

31 Stoffe wurden in (fast) allen Teilnehmenden gefunden: Darunter sind Acrylamid, Benzol, Bisphenol A (BPA), Butylhydroxytoluol (BHT), Chlorphenole: 2-Monochlorphenol, 4-Monochlorphenol, 2,4-Dichlorphenol, 2,5-Dichlorphenol, Lysmeral (Butylphenyl Methylpropional), Metalle und Halbmetalle: Arsen, Blei, Quecksilber, Selen und vieles mehr.

Quelle: Umweltbundesamt

Weitere Informationen finden Sie hier.

Die Studie gibt es hier zum kostenlosen Downoad.




Die Ökospielekartei für den Forscherdrang im Kind

Ökospiele77

Peter Thiesen: 77 Ökospiele und -projekte für Kita und Grundschule

Die Diskussionen zur Klima- und Umweltkrise sind nach wie vor heftig. Dennoch hat in den vergangenen Monaten die Bereitschaft, sich entsprechend zu engagieren, nachgelassen. Die Gründe sind in den aktuellen Sorgen der Menschen zum Krieg, zur Inflation und zur Energieversorgung zu finden. Schon nimmt der ein oder andere gerne Kompromisse zu den Klimazielen hin. Doch die Zukunft unserer Kinder ist mehr von der Klimakrise als von den aktuellen Engpässen im Energiebereich bedroht.

Ökospielekartei

Einfach, klar und schön

Eine gute Möglichkeit, sich mit aktuellen Themen rund um Umweltschutz auseinanderzusetzen, bieten die „77 Ökospiele und -projekte“, die der Diplom-Sozialpädagoge Peter Thiesen im Lambertus Verlag herausgebraucht hat. Schon auf den ersten Blick zeigt sich, dass das Projekt auf die direkte Umsetzbarkeit in der Praxis angelegt ist. In einem Päckchen befinden sich eine 20seitige Broschüre sowie 77 Kärtchen im Querformat DIN A 5. Von der Idee über die grundlegenden pädagogischen Gedanken bis hin zur praktischen Umsetzung erklärt Thiesen in der Broschüre sein Konzept kurz und allgemeinverständlich. Die Spiele- und Projekte stehen auf den kartonierten Kärtchen – selbstverständlich je eines pro Karte. Sie sind auf sieben Bereiche aufgeteilt: Wald und Wiese, Garten, Haushalt, Einkaufen, Ernährung, Gesundheit und Müll. Und so naheliegend diese Themen sind, so klar ist auch der Ansatz, den Thiesen verfolgt. Er setzt auf den natürlichen Forscherdrang der Kinder und will über das praktische Tun im Spiel Bewusstheit zu schaffen. Das scheint ihm gut zu gelingen. Die ästhetisch schön und übersichtlich gestalteten Kärtchen, aufgeteilt in Intention, Materialbedarf und Anleitung, laden zum Spiel ein. Fast wichtiger erscheint die Vielfalt. So gibt es Einzel- und Gruppenspiele, Experimente, Gespräche, Exkurse, Basteleien und viele mehr. Anmerkungen und Tipps runden das Angebot ab.

Vielfälige Einsatzmöglichkeiten

Thiesens Spielekartei unterstützt die Kinder dabei, ihre nahe Umwelt zu entdecken und zu erschließen. Da die fast alle Aktionen keine größere Vorbereitung benötigen, lassen sich die Spiele auch spontan, situations- bzw. alltagsbezogen einsetzen. Sie können auch eingebunden sein in umfassendere Projekte, eben nicht nur zum Thema Umwelt oder Öko, sondern auch in Natur-, Haushalts-, Ernährungs- oder etwa Gesundheitsthemen. Und so sind die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten ein weiterer Pluspunkt dafür, die „77 Ökospiele und -projekte“ für Kita und Grundschule zu empfehlen. Und letztlich sind solche Spiele auch immer eine guter Gesprächsanlass und damit ein wertvoller Beitrag zur Sprachförderung.

Gernot Körner

Ökospiele

Peter Thiesen
77 Ökospiele und -projekte – Für Kita und Grundschule
77 Themenkarten zu Wald und Wiese, Garten, Haushalt, Einkaufen, Ernährung, Gesundheit und Müll
Karton mit 20seitiger Broschüre und 77 Kärtchen im Format DIN A 5
Lambertus Verlag
ISBN 978-3-784132525
UVP: 29,90 €

Mehr dazu finden Sie auf der Website des Verlags




Schulen sollen Nachhaltigkeit stärker in Bildungspläne aufnehmen

Greenpeace-Analyse: Jungen Menschen fehlt Vertrauen in Politik für nachhaltige Zukunft

Die große Mehrheit der jungen Menschen in Deutschland misstraut der Politik hinsichtlich einer nachhaltigen Entwicklung. Von der Schule fühlen sie sich nicht ausreichend auf die Zukunft vorbereitet. Großes Vertrauen hat die Jugend in Wissenschaft und Nichtregierungsorganisationen. Das sind die zentralen Ergebnisse des Greenpeace-Nachhaltigkeitsbarometers 2021 (online https://act.gp/GPNachhaltigkeitsbarometer).

Im Juli befragte die Aris Umfrageforschung repräsentativ 1508 Menschen zwischen 15 und 24 Jahren im Auftrag von Greenpeace und der Leuphana Universität Lüneburg. „Die Ergebnisse des Barometers sind ein Weckruf für die Politik und verlangen Lösungen, wie eine nachhaltige Entwicklung in Deutschland zu erreichen ist“, sagt Greenpeace-Bildungsexperte Dietmar Kress. „Nachhaltigkeit muss zudem in den Lehrplänen über das rein textbasierte Lernen hinaus gegenwartsbezogen und praktisch vermittelt werden.“

71 Prozent fühlen sich von der Politik im Stich gelassen

In der Umfrage stimmten 71 Prozent der Befragten der Aussage zu: „Ich fühle mich von der Politik beim Thema Umgang mit der Umwelt im Stich gelassen“.

Laut Antworten auf die Frage „Wie sehr vertraust Du/Sie den jeweiligen Gruppen, dass sie etwas für eine nachhaltige zukünftige Entwicklung tun können?“ trauen sie dies hingegen NGOs wie Greenpeace (80 Prozent), Wissenschaft und Forschungseinrichtungen (79 Prozent) und Initiativen von Bürgerinnen und Bürger wie Fridays for Future (76 Prozent) zu.

Nachhaltigkeitsthemen in der Schulbildung Mangelware

Versäumnisse sehen die Befragten in der Vermittlung von Nachhaltigkeitsthemen in der Schulbildung. So antworteten 60 Prozent der befragen Schülerinnen und Schüler auf die Frage „Wie gut siehst du Dich/Sie sich durch Ihre schulische Bildung auf die Herausforderungen der Zukunft vorbereitet?“, dass diese sie nicht gut auf die Zukunft vorbereite.

Ausgeprägtes Nachhaltigkeitsbewusstsein, große Ängste

Laut Umfrage machen dem Großteil der Jugendlichen die Veränderungen in der Umwelt, Angst.  68 Prozent der Befragten stimmen der Aussage „Die Veränderungen in der Umwelt wie bspw. Klimawandel, Verlust der Artenvielfalt und neue durch Tiere übertragene Krankheiten machen mir große Angst“ sehr oder eher zu. 68 Prozent stimmen der Aussage „Ich habe das Gefühl wir jungen Menschen müssen die Fehler der Älteren im Umgang mit der Umwelt ausbaden“ eher und sehr zu. Der Aussage „Der Schutz von Ökosystemen muss Vorrang vor menschlicher Nutzung haben“ stimmen 71 Prozent stark bis sehr stark zu. 80 Prozent unter ihnen stimmen zu, dass unser heutiges Verhalten auch nachfolgenden Generationen Chancen und Ressourcen lassen muss.

Greenpeace sieht die Bildungspolitik in der Pflicht

Greenpeace sieht die Bildungspolitik in der Pflicht, den Ängsten der Schülerinnen und Schülern Lösungsansätze entgegenzusetzen. „Alleine das Wissen um die Probleme der Umwelt ohne Auswege führt zu Resignation. Was wir jetzt brauchen sind positive Szenarien für eine nachhaltige Zukunft, die breit an Schulen und in Betrieben entwickelt und eingeübt werden“, so Kress. Diese bietet Greenpeace im bundesweiten Projekt „Schools for Earth“ (online hier: Schools for Earth | Greenpeace) an.