IQB-Bildungstrend: Kompetenzrückgänge in Deutsch, Fortschritte in Englisch

Besorgniserregende Entwicklung im Lesen, Zuhören und in der Orthographie im Fach Deutsch

Zum dritten Mal hat das Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) für die Kultusministerkonferenz (KMK) untersucht, inwieweit Jugendliche in Deutschland die bundesweit geltenden Bildungsstandards der KMK in den sprachlichen Fächern am Ende der Sekundarstufe I erreicht haben. Die Erhebung erfolgte zwischen April und Juli 2022 und bildet damit die Lernleistung gegen Ende der Corona-Pandemie ab.

Gegenüber dem Vergleichsjahr 2015 ist der Anteil der Jugendlichen, die im Jahr 2022 – und damit nach den beiden großen Zuwanderungs- und Flüchtlingswellen ab 2015  – im Fach Deutsch im Lesen, Zuhören und in der Orthografie jeweils den Mindeststandard für den Ersten Schulabschluss (ESA) bzw. den Mittleren Schulabschluss (MSA) verfehlen, gestiegen. Insbesondere im Verstehen der gesprochenen Sprache Deutsch ist das Kompetenzniveau deutlich zurückgegangen. Dies betrifft alle Schülerinnen und Schüler der 9. Jahrgangsstufe, aber im Besonderen Jugendliche aus sozioökonomisch schwächeren Familien und Jugendliche mit Zuwanderungshintergrund. Das Institut nennt diese Entwicklung „besorniserregend“.

Umgekehrt sind die Leistungen in Englisch erheblich besser geworden. Für das Fach Englisch waren im Zeitraum zwischen 2009 und 2015 bereits positive Entwicklungen zu verzeichnen. Dieser Trend hat sich zwischen 2015 und 2022 in Deutschland insgesamt sowie in fast allen Ländern fortgesetzt und teilweise weiter verstärkt. Zwischen 2015 und 2022 haben sich insbesondere die Ergebnisse im mittleren und oberen Leistungsbereich deutlich verbessert. Und sie sind im unteren Leistungsbereich weitgehend unverändert geblieben.

GEW sieht Fehler im System

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) stellt mit Blick auf die Befunde des IQB fest: „Das ist kein Unfall, sondern ein Fehler im System.“ Um den Abwärtstrend der Schülerleistungen zu stoppen, schlug die Bildungsgewerkschaft höhere Finanz- und Personalressourcen, aber auch eine Abkehr von der frühen Aufteilung der Schülerinnen und Schüler in unterschiedliche Schulformen vor. „Die Leistungsergebnisse und die immer weiter auseinanderklaffende soziale Schere in der Sekundarstufe I der Schulen sind ernüchternd und besorgniserregend“, sagt Anja Bensinger-Stolze von der GEW.

„Die Kultusministerkonferenz (KMK) hat – als Reaktion auf die erste PISA-Studie in 2001 – zu sehr auf das Thema Qualitätsentwicklung und Standardisierung fokussiert. Sie hat zu wenig auf andere – nach PISA von der KMK beschlossene – Handlungsfelder wie Leseförderung und Ganztagsschulentwicklung gesetzt“, erläutert Bensinger-Stolze. „Wir brauchen eine durchgängige Lese- und Sprachförderung, die weder nach der Grundschule noch vor dem Schultor aufhört. Und wir brauchen Mindeststandards, die ein Recht auf Bildung für alle begründen und nicht Hürden darstellen, an denen Kinder scheitern,“

Zentrale Ergebnisse der Studie

Ergebnisse im Fach Deutsch

  • Im Fach Deutsch erreichen oder übertreffen 49 Prozent der Neuntklässlerinnen und Neuntklässler, die den Mittleren Schulabschluss (MSA) anstreben, den Regelstandard im Lesen für diesen Schulabschluss. Im Zuhören sind es 53 Prozent und in Orthografie 65 Prozent. Das bedeutet gegenüber dem Vergleichsjahr 2015 im Lesen einen signifikanten Rückgang um 9 Prozentpunkte, im Zuhören um 19 Prozentpunkte und in Orthografie um 12 Prozentpunkte.
  • Betrachtet man die Gesamtgruppe aller Neuntklässlerinnen und Neuntklässler, so ergibt sich für das Fach Deutsch mit Blick auf die Mindeststandards für den Ersten Schulabschluss (ESA) folgendes Bild: Im Fach Deutsch verfehlen etwa 15 Prozent der Neuntklässlerinnen und Neuntklässler die Mindeststandards für den ESA im Bereich Lesen, fast 18 Prozent im Bereich Zuhören und rund 8 Prozent im Bereich Orthografie. Im Lesen bedeutet das gegenüber dem Vergleichsjahr 2015 einen signifikanten Anstieg von 6 Prozentpunkten, im Zuhören von 10 Prozentpunkten und in Orthografie von 4 Prozentpunkten.
  • Die Mindeststandards für den MSA werden in der Gesamtgruppe aller Neuntklässlerinnen und Neuntklässler im Fach Deutsch im Lesen von 33 Prozent der Jugendlichen noch nicht erreicht. Im Zuhören sind es 34 Prozent, in Orthografie sind es 22 Prozent. Im Lesen ergibt sich damit gegenüber dem Vergleichsjahr 2015 ein signifikanter Anstieg von 9 Prozentpunkten, im Zuhören von 16 Prozentpunkten und in Orthografie wiederum von 9 Prozentpunkten. Allerdings muss berücksichtigt werden, dass die Schülerinnen und Schüler in der neunten Klasse mehr als ein Jahr vor dem MSA-Abschluss getestet wurden und insofern diese Leistungen zum Testzeitpunkt auch noch nicht erbringen konnten.
  • Setzt man die Kompetenzwerte des Vergleichsjahres 2015 jeweils auf einen Mittelwert von 500 Punkten und eine Streuung (Standardabweichung) von 100 Punkten, verlieren die Neuntklässlerinnen und Neuntklässler im Jahr 2022 gegenüber dem Vergleichsjahr 2015 bundesweit betrachtet im Fach Deutsch im Lesen im Schnitt 25 Kompetenzpunkte, im Zuhören 44 Punkte und in Orthografie 31 Punkte. Dies sind statistisch signifikante und im Umfang erhebliche Kompetenzrückgänge im Fach Deutsch.
  • Die jeweiligen Ergebnisse im Fach Deutsch variieren zwischen den Ländern teilweise erheblich. So liegt beispielsweise der Anteil der Neuntklässlerinnen und Neuntklässler, die im Fach Deutsch im Lesen den Mindeststandard für den ESA verfehlen, je nach Land bei 8 bis 24 Prozent.

Ergebnisse im Fach Englisch

  • Im Fach Englisch erreichen oder übertreffen 60 Prozent der Neuntklässlerinnen und Neuntklässler, die den MSA anstreben, die Regelstandards im Bereich Leseverstehen. Das sind 11 Prozentpunkte mehr als im Vergleichsjahr 2015. Beim Hörverstehen sind es sogar 63 Prozent der genannten Gruppe und damit 10 Prozentpunkte mehr als im Vergleichsjahr 2015.
  • In der Gesamtgruppe aller Neuntklässlerinnen und Neuntklässler bleiben im Leseverstehen knapp 9 Prozent der Jugendlichen unter dem Mindeststandard für den ESA (1 Prozentpunkt mehr als 2015). Nicht einmal 2 Prozent verfehlen den Mindeststandard für den ESA im Hörverstehen (unverändert gegenüber 2015).
  • In Englisch erreichen beim Leseverstehen 24 Prozent aller Neuntklässlerinnen und Neuntklässler noch nicht den Mindeststandard für den MSA. Beim Hörverstehen sind es 14 Prozent der Jugendlichen. Das ist ein Rückgang von jeweils 3 Prozentpunkten gegenüber 2015.
  • Betrachtet man die Kompetenzmittelwerte in Englisch, konnten bundesweit im Mittel 22 Kompetenzpunkte im Leseverstehen und 23 Punkte im Hörverstehen dazugewonnen werden. Dies sind statistisch signifikante und deutliche Kompetenzsteigerungen im Fach Englisch.

Soziale Disparitäten

  • Die Kopplung zwischen sozialer Herkunft und erreichtem Kompetenzniveau hat sich weiter verstärkt.
  • Von den Kompetenzrückgängen im Fach Deutsch sind besonders Jugendliche aus sozioökonomisch weniger gut gestellten und bildungsferneren Familien betroffen. Während sich die Kompetenzwerte von Schülerinnen und Schülern, in deren Haushalt es weniger als 100 Bücher gibt, in Deutsch im Lesen in allen Bundesländern erheblich verschlechtert haben, sind die Kompetenzwerte von Heranwachsenden aus Haushalten mit mehr als 100 Büchern in den meisten Ländern nur leicht gesunken.
  • Der positive Trend zwischen 2015 und 2022 in den erreichten Kompetenzen im Fach Englisch ist in der Gruppe der Jugendlichen aus bildungsferneren Familien deutlich geringer ausgeprägt.

Zuwanderungsbezogene Disparitäten

  • Im Jahr 2022 weisen insgesamt 38 Prozent der Neuntklässlerinnen und Neuntklässler in Deutschland einen Zuwanderungshintergrund auf, wobei dieser Anteil deutlich zwischen den einzelnen Ländern schwankt (von rund 12 Prozent bis über 57 Prozent). Deutschlandweit hat sich der Anteil von Jugendlichen mit Zuwanderungshintergrund seit dem Jahr 2015 um fast 9 Prozentpunkte und seit dem Jahr 2009 um gut 11 Prozentpunkte erhöht.
  • Insbesondere der Anteil der Schülerinnen und Schüler, die nicht in Deutschland geboren wurden (erste Generation), ist deutlich gestiegen. Nahezu ein Zehntel der Neuntklässlerinnen und Neuntklässler des Jahres 2022 sind selbst nach Deutschland zugewandert (9 Prozent). Das ist ein Zuwachs gegenüber dem Jahr 2015 von gut 5 Prozentpunkten.
  • Der Anteil der Familien, in denen nie oder nur manchmal Deutsch gesprochen wird, ist deutlich gestiegen auf 32 Prozent im Jahr 2022. Diese Entwicklung hat sich stark beschleunigt; während der Anteil zwischen 2009 und 2015 nur um einen Prozentpunkt gewachsen war, nahm er zwischen 2015 und 2022 um 11 Prozentpunkte zu.
  • Sowohl im Fach Deutsch als auch im Fach Englisch zeigen sich für Jugendliche mit Zuwanderungshintergrund signifikante Kompetenzrückstände. Diese fallen im Fach Deutsch im Zuhören und im Lesen am stärksten aus. Die Ausprägung dieses Negativtrends unterscheidet sich zwischen den einzelnen Ländern erheblich.
  • Insbesondere unter den selbst zugewanderten Jugendlichen (erste Generation) sind die Kompetenzstände im Fach Deutsch in allen drei Kompetenzbereichen gegenüber dem Vergleichsjahr 2015 deutlich zurückgegangen
  • (-46 Kompetenzpunkte im Lesen, -62 Punkte im Zuhören, -53 Punkte in Orthografie).
  • Während die Schülerinnen und Schüler der 2. Zuwanderungsgeneration (beide Elternteile im Ausland geboren, selbst in Deutschland geboren) gegenüber dem Jahr 2015 in Englisch ihr Kompetenzniveau signifikant steigern konnten (32 Punkte im Leseverstehen, 35 Punkte im Hörverstehen), gilt dies nicht für die Schülerinnen und Schüler der 1. Generation.
  • Für die zuwanderungsbezogenen Kompetenzunterschiede in den Bereichen Lesen und Zuhören im Fach Deutsch spielt die in der Familie gesprochene Sprache eine besondere Rolle. Jugendliche, die in ihren Familien nur manchmal oder nie Deutsch sprechen, zeigen im Schnitt ein geringeres Kompetenzniveau im Lesen und Zuhören als Jugendliche, die in ihren Familien immer Deutsch sprechen. Damit kommt der Sprachförderung in der Schule eine zunehmend wichtige Rolle zu, um herkunftsbedingte Bildungsbenachteiligungen auszugleichen.

Weitere Ergebnisse

  • Die Neuntklässlerinnen und Neuntklässler sind überwiegend sehr zufrieden mit ihrer Schule und fühlen sich mehrheitlich gut in ihrer Klasse integriert. Dies zeigt sich weitgehend unabhängig vom Zuwanderungshintergrund.
  • Das fachliche Interesse für das Fach Deutsch hat sich etwas verringert und ist deutlich geringer ausgeprägt als für das Fach Englisch. Allerdings geht die von den Schülerinnen und Schülern in ihrem Unterricht wahrgenommene konstruktive Unterstützung mit einem stärker ausgeprägten Interesse am Fach Deutsch einher.
  • Die befragten Deutsch- und Englischlehrkräfte berichten positive Einstellungen zu ihrer Tätigkeit. Ein Großteil der Lehrkräfte ist sehr zufrieden mit ihrer Berufswahl, unterrichten mit hoher Begeisterung und investieren große Anstrengungen in ihren Beruf. Das gilt auch für nicht traditionell ausgebildete Lehrkräfte (Quer- und Seiteneinstiege).
  • Die Befundmuster legen nahe, nahe, dass die negativen Trends im Fach Deutsch zu einem gewissen Teil auf die pandemiebedingten Einschränkungen zurückzuführen sind.

Hintergrundinformationen zur Studie

Am IQB-Bildungstrend 2022 haben sich im Fach Deutsch 32.990 Schülerinnen und Schüler aus 1.610 Schulen aus allen 16 Ländern beteiligt. Im Fach Englisch umfasst die Stichprobe 31.159 Schülerinnen und Schüler aus 1.542 Schulen. In den Ländern Baden-Württemberg, Berlin, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz sowie dem Saarland wurden darüber hinaus die Kompetenzen im Fach Französisch von insgesamt 2.489 Schülerinnen und Schülern aus 142 Schulen getestet.
Im Fach Deutsch wurden die Kompetenzbereiche Lesen, Zuhören und Orthografie überprüft, im Fach Englisch und Französisch die Kompetenzbereiche Leseverstehen und Hörverstehen.
In den IQB-Bildungstrends der Sekundarstufe I wird am Ende der 9. Jahrgangsstufe das Erreichen der Bildungsstandards sowohl für den Ersten Schulabschluss (ESA) als auch für den Mittleren Schulabschluss (MSA) überprüft. Mit den Bildungsstandards für den MSA werden somit Kompetenzerwartungen überprüft, die erst ein Jahr nach der Testung (am Ende der 10. Jahrgangsstufe) von denjenigen, die den MSA anstreben, erreicht werden sollen.
Die wissenschaftliche Gesamtverantwortung für den IQB-Bildungstrend 2022 liegt beim Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) unter der wissenschaftlichen Leitung von Prof. Dr. Petra Stanat.

Den Bericht und eine Zusammenfassung der Ergebnisse/Pressemappe sowie weitere Informationen zum IQB-Bildungstrend 2022 finden Sie unter https://www.iqb.hu-berlin.de/bt/BT2022/Bericht.

Pressemitteilungen: IQB und GEW. IQB-Studie




KI in der Schule: thematisieren, Kompetenz vermitteln und Chancen nutzen

Die kritische Betrachtung von Künstlicher Intelligenz sollte einer verantwortungsvollen Nutzung nicht entgegen stehen

Bedenken von Eltern im Hinblick auf den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) im Unterricht sollten ernst genommen werden, sagt Prof. Dr. Nadine Anskeit von der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe. Die Wissenschaftlerin plädiert aber auch dafür, die Chancen der Tools zu nutzen. Es gebe eine große Vielfalt jenseits von ChatGPT. Schüler:innen sollten die Chance bekommen, den reflektierten und kompetenten Umgang mit KI zu erlernen.

Die Mehrheit der Eltern sieht in der Nutzung von Künstlicher Intelligenz (KI) im Schulunterricht zurzeit eher eine Gefahr als eine Chance. Das hat eine im April veröffentliche Umfrage der Vodafone Stiftung ergeben. „Diese Bedenken der Eltern muss man ernst nehmen, nicht zuletzt auch deshalb, um die persönlichen Daten von Kindern und Jugendlichen zu schützen“, sagt Nadine Anskeit, Professorin für deutsche Sprache und ihre Didaktik (Schwerpunkt Grundschule) an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe (PHKA). Aber sie plädiert auch dafür, KI mit all ihren Vor- und Nachteilen im Unterricht zu thematisieren und sich bietende Chancen zu nutzen.

„Schüler:innen sollten den reflektierten und kompetenten Umgang mit KI erlernen können“, so die Wissenschaftlerin. Allerdings fehle es bislang an der systematischen Einbindung von digitalen Medien in die Lehrpläne, an forschungsbasierten Qualifizierungsangeboten für Lehrkräfte sowie – an vielen Schulen – immer noch an digitalen Endgeräten. Obwohl die Kultusministerkonferenz bereits 2016 in einem Strategiepapier darauf hingewiesen habe, das Lernen mit und über digitale Medien und Werkzeuge schon in der Grundschule beginnen sollte.

Angehenden Lehrkräften Kompetenzen im Umgang mit KI vermitteln

„KI ist so viel mehr als ChatGPT“, sagt Anskeit, die unter anderem zum Einsatz digitaler Medien im Deutschunterricht forscht. Es gebe viele andere KI-Tools, die Chancen für den Unterricht böten. Mindverse beispielsweise liefere Ideen für die Planung von Texten, ChatPDF verschaffe schnell einen Überblick über den Inhalt von pdf-Dateien – auch Fragen zum Text seien möglich – und ResearchRabbit unterstütze beim Thema Literaturrecherche. Einen guten Überblick über KI-Techniken und -Tools für das Thema Schreiben in Bildung und Wissenschaft biete das „Virtuelle Kompetenzzentrum – Schreiben lehren und lernen mit Künstlicher Intelligenz“ auf www.vkkiwa.de.

Außerdem, so Anskeit, könne KI Lehrkräfte entlasten, beispielsweise beim Feedbackgeben auf von Schüler:innen erstellte Texte. So könne KI Lehrkräften Vorschläge für Aufgabenstellungen machen und Schüler:innen könnten sich von KI als „Personal Coach“ Feedback geben lassen, um ihre Texte zu verbessern. Beispielsweise im Hinblick auf Gliederung oder Formulierungen.

„An der PHKA beschäftigen wir uns im Hinblick auf die Professionalisierung von zukünftigen Lehrkräften schon lange mit dem Thema Digitalisierung. Beispielsweise im Rahmen des Hochschulentwicklungsprojekts „Nachhaltige Integration von fachdidaktischen digitalen Lehr-Lern-Konzepten“ (InDiKo), erklärt Anskeit.

Erst kürzlich haben sich darüber hinaus PHKA-Lehrende bei einem hochschulinternen Forum Digitale Bildung zum Thema ChatGPT ausgetauscht. Bereits im aktuellen Sommersemester integriert die PHKA KI-Tools wie ChatGPT oder ChatPDF in die Lehre, um angehenden Lehrkräften Kompetenzen im Umgang mit diesen Tools zu vermitteln. Die Dozentinnen und Dozenten schauen sich an, wie die Studierenden Chatbots einsetzen, und prüfen, ob neue Regeln für den Einsatz von KI in Prüfungen aufgestellt werden müssen.

Über die Pädagogische Hochschule Karlsruhe

Als bildungswissenschaftliche Hochschule mit Promotions- und Habilitationsrecht forscht und lehrt die Pädagogische Hochschule Karlsruhe (PHKA) zu schulischen und außerschulischen Bildungsprozessen. Ihr unverwechselbares Profil prägen der Fokus auf Bildung in der demokratischen Gesellschaft, Bildungsprozesse in der digitalen Welt sowie MINT in einer Kultur der Nachhaltigkeit. Rund 220 in der Wissenschaft Tätige betreuen rund 3.700 Studierende. Das Studienangebot umfasst Lehramtsstudiengänge für die Primarstufe und die Sekundarstufe I sowie Bachelor- und Masterstudiengänge für andere Bildungsfelder. Die berufsbegleitenden Weiterbildungsangebote zeichnen sich durch ihre besondere Nähe zu Forschung und Praxis aus. https://www.ph-karlsruhe.de.

Regina Thelen, Pädagogische Hochschule Karlsruhe




Wie der Unterricht von morgen aussehen könnte

Zukunft

Die Universitätsschule der TU Dresden entwickelt neue Lehrmethoden und Lernformen

Veraltete Unterrichtskonzepte, schleppende Digitalisierung, zu wenig individuelle Förderung: Die Kritik am Schulsystem in Deutschland ist groß. Wie es besser gehen könnte, daran forschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an der TU Dresden. Die Universitätsschule entwickelt neue Lernformen, am Exzellenzcluster CeTI untersucht man den Einsatz digitaler Lernmittel und die Psychologie des Lehrens und Lernens geht der Frage nach, wie Schülerinnen und Schüler stärker motiviert werden können.

Ausbildung auf dem Prüfstand

Auch die Ausbildung der angehenden Lehrkräfte steht auf dem Prüfstand. „Wir stehen vor der Herausforderung, Lehrkräfte auszubilden, die ihre Schülerinnen und Schüler auf das nächste Jahrhundert vorbereiten“, weiß Professor Rolf Koerber vom Institut für Berufspädagogik und Berufliche Didaktiken. Lehrkräfte von heute werden Schülerinnen und Schüler unterrichten, die noch weit über das Jahr 2100 hinaus leben werden. Ziel des Lehramtsstudium sei es deshalb, die Studierenden dafür zu sensibilisieren, sich und ihre Methoden regelmäßig selbst zu reflektieren und immer weiterentwickeln zu wollen. Projektarbeit, gut und professionell gemacht, aber auch das Classroom Management sind Aspekte der Didaktik, die heute einen viel höheren Stellenwert im Lehramtsstudium genießen als früher.

Die Universitätsschule ist eine Gemeinschaftsschule

An der Universitätsschule Dresden gehört das längt zum Alltag. Der gemeinsame Schulversuch der Landeshauptstadt Dresden und der TU Dresden wurde als öffentliche Schule in kommunaler Trägerschaft im Schuljahr 2019/20 gestartet. Aktuell ist eine Gemeinschaftsschule vom ersten bis zum zwölften Jahrgang im Aufbau. Professorin Anke Langner hat das Forschungsprojekt Universitätsschule maßgeblich konzipiert und kann erklären, worin sie sich von anderen Schulen unterscheidet. „Der Unterricht erfolgt projektbezogen. Das heißt, die Kinder gehen einer Forschungsfrage nach und lernen in diesem Prozess, sich zu strukturieren und Methoden der Wissensaneignung zu verinnerlichen“, erklärt die Bildungswissenschaftlerin. Während Schülerinnen und Schüler sich mit dem Thema weitgehend selbstständig, aber unterstützt durch Lernbegleiterinnen beschäftigen, eignen sie sich Fachwissen an.

Wo Schüler Urlaub nehmen

Daneben unterscheidet sich die Universitätsschule in weiteren Aspekten von anderen Schulen. So haben die Schülerinnen und Schüler hier keine Ferien zu festen Zeiten, sondern können flexibel Urlaub nehmen. Es gibt über den gesamten Tag Lernangebote, um den Lernprozess zu entschleunigen. Auch auf eine Benotung wird verzichtet. „Was aber nicht bedeutet, dass es kein Feedback gibt“, fügt Anke Langner hinzu. Auch an der Universitätsschule wird genau beobachtet, auf welchem Stand sich ein Schüler oder eine Schülerin gerade befindet. „Wenn zu wenig transparent gemacht wird, wie die Noten zustande kommen, kann das dem Lerneffekt schaden“, weiß auch Professorin Susanne Narciss. Die Psychologin plädiert daher für klare Leistungskriterien und Feedback, aus dem die Schülerinnen und Schüler Rückschlüsse ziehen können, wie sie sich verbessern können.

Digitale Wissensvermittlung als vierte Kulturtechnik

Einen großen Stellenwert legt die Universitätsschule auf digitale Wissensvermittlung. Das Digitale wird neben Schreiben, Rechnen und Lesen als vierte Kulturtechnik in den Lernprozess eingebunden. Wie das funktionieren kann, weiß Katharina Porepp vom Exzellenzcluster CeTI. Ihrer Meinung nach hängt Schule in Deutschland hinsichtlich der Digitalisierung gut 20 Jahre hinterher. Sie ist sich dennoch sicher, dass im Klassenraum der Zukunft verstärkt digitale Medien zum Einsatz kommen. Mithilfe von Tablets mit Eingabestiften oder VR-Brillen lasse sich Unterricht viel interaktiver gestalten. „Man behält nur 10 Prozent von dem, was man liest, aber 90 Prozent von dem, was man tatsächlich erlebt“, erklärt Katharina Porepp. Mithilfe von VR-Brillen werden immersive Lernerlebnisse erzeugt. Die Größenverhältnisse im Universum, mathematische Ebenenberechnungen oder andere abstrakte Unterrichtsinhalte werden so anschaulicher und damit verständlicher.

Fehler als Lerngelegenheiten

„Der zentrale Motor für Lernen aber ist“, macht die Psychologin Susanne Narciss deutlich, „dass wir feststellen, dass wir etwas dazulernen.“ Wenn Lehrkräfte Fehler als Lerngelegenheiten und nicht als Misserfolge vermitteln, kann dies zur Steigerung der Lernbereitschaft bei Schülerinnen und Schüler beitragen. Während „One-size-fits-all“-Strategien und klassischer Frontalunterricht die Motivation zum Lernen zerstören können, führen neue didaktische Ansätze, innovative Unterrichtskonzepte sowie mehr digitale Lernunterstützung zu einer Steigerung des Lernanreizes.

Claudia Kallmeier, Technische Universität Dresden




Das Thema „Krieg“ im Unterricht und in der Schule

Zahlreiche Webangebote bieten konkrete Hilfen für Lehrkräfte und damit für Schülerinnen und Schüler

Konkrete Antworten sind jetzt gefragt. Wir haben hier ein paar Webangebote, die helfen können, das Thema im Unterricht anzugehen.

Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung (ZSL) Baden-Württemberg

Das Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung hat verschiedene Informationen, Materialien und Angebote zusammengestellt, die es Lehrkräften erleichtern sollen, den Ukraine-Krieg zu thematisieren beziehungsweise mit den Reaktionen und Ängsten junger Menschen umzugehen. Das Angebot wird stetig aktualisiert.

Das Deutsche Schulportal

Welche aktuellen Reaktionen auf die aktuelle Lage sind „normal“? Wie können Lehrkräfte mit der Situation umgehen, wenn sie sich selbst überfordert, wütend oder ängstlich fühlen? Sollen Lehrkräfte das Thema Ukraine-Krieg aktiv ansprechen? Wir können Lehrkräfte Schülerinnen und Schülern mit russischem oder ukrainischem Hintergrund gerecht werden? Wie können sie mit Konflikten zwischen diesen Gruppen umgehen? Auf diese und viele weitere Fragen bietet das Deutsche Schulportal Antworten. Mit dabei ist auch ein Video zum Thema:

Landesmedienzentrum Baden-Württemberg

Den Krieg in der Ukraine kann man, je nach Fach und Intention, unter ganz unterschiedlichen Aspekten beleuchten. Deshalb hat das Landesmedienzentrum in der Medienliste „Aktuelles“ Unterrichtsmaterialien zu verschiedenen Unterthemen zusammengestellt. Hier finden Sie unter anderem folgende Themenbereiche: Krieg in der Ukraine – Schwerpunkt Geschichte; UNO, NATO und EU; Flucht und Asyl; Demokratie und Wahlen; Fake News.

Björns Woche im #twlz: Der Krieg in der Ukraine im Unterricht

Auch diese Website beschäftigt sich mit dem Thema Krieg in der Ukraine und bietet Informationen und Tipps zum Thema. Hier können Lehrkräfte auch ihre eigenen Fragen und Anregungen einbringen.

Die Frau mit dem Dromedar

Der Blog bietet ebenfalls eine umfangreiche Handreichung zum Ukraine Krieg. Die Materialien sind modular aufgebaut. Sie lassen sich als PDF oder Powerpoint-Datei kostenlos herunterladen.

Natürlich gibt es noch viele weitere Angebote. Aber mit unserer kleinen Zusammenstellung lässt sich doch schon einiges anfangen.




Angeleitetes Spiel fördert Kinder besser als konventioneller Unterricht

Wissenschaftler der University of Cambridge analysiern das Verhalten von 3800 Kindern

Leider haben viele Menschen noch immer ein seltsames Verständnis von Lernprozessen. Das führt gelegentlich dazu, dass viele Kinder in der Grundschule unnötig „diszipliniert“ und mit den falschen Unterrichtsmethoden konfrontiert werden. Schließlich fällt es gerade den jüngeren Kindern schwer, still zu sitzen und sich auf den Unterricht zu konfrontieren.

Angeleitetes Spiel immer besser

Wie unnötig diese Quälerei sein kann, zeigt nun das Ergebnis einer Analyse, die Wissenschaftler der University of Cambridge in Großbritannien durchgeführt haben. Sie wollten wissen, ob denn nun der konventionelle Unterricht mit klarer Aufgabenstellung oder angeleitetes Spiel zu besseren Lernerfolgen führt. Dazu haben sie Studien mit rund 3800 Kindern im Alter von drei bis sechs Jahren unter die Lupe genommen. Die Ergebnisse der Studie, die vor ein paar Tagen im Fachmagazin „Child Development“ (https://srcd.onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1111/cdev.13730) publiziert wurden, sind wenig überraschend. Sie lassen sich in etwa so zusammenfassen: Unterricht mit „angeleitetem Spiel“ fördert Kinder im Alter bis acht Jahren besser als der konventionelle Unterricht. Beim Lesen und Schreiben ist der Unterschied dabei nur gering. Beim Rechnen sind Lernerfolge erheblich größer.

Insofern wäre angeleitetes Spiel, wie es etwa der Grundschulverband (https://grundschulverband.de/) seit vielen Jahren fordert, der bessere Weg zum Lernen in der Schule.

Angeleitet und nicht frei?

Und warum muss das Spiel nun angeleitet und nicht frei sein? „Schule“, wie wir sie kennen, hat nun einmal meist etwas mit Lernzielen zu tun. Um diese zu erreichen, muss die Lehrkraft das Lernziel zumindest im Kopf haben. Das heißt jedoch nicht, dass diese auch die verschiedenen Schritte Stück für Stück vorgeben sollte. Im Gegenteil: Die Kinder sollten den Weg selbst wählen und auch ihre eigenen Schlüsse ziehen. Dass es dabei für die Lehrkräfte auch mal schwierig werden kann, wenn einige Kinder partout die falschen Schlüsse ziehen, versteht sich. Andererseits müssen sie dabei nichts anderes tun, als die Kinder erneut auf den Weg zu schicken. Entscheidend ist es, möglichst mit den Kindern fantasievolle Spiele zu entwickeln, die diese zum Lesen, Schreiben oder Rechnen auffordern.

Frühpädagogen kennen diese Prozesse schon lange. Für die Schule sei darauf hingewiesen, dass sich gerade das Theaterspiel in allen Altersstufen dazu eignet, all diese und weitere Fähigkeiten zu fördern, und dass der Mensch das Wesen ist, das sein ganzes Leben lang beim Spielen lernt.