Zeit und Aufmerksamkeit für Papas Tochter

papa

Nari Hong: Sei nicht Traurig, Papa

Irgendwann entdeckt jedes Kind, dass Papa nicht Superman ist. Das wollen die meisten Väter auch gar nicht verkörpern. Aber zumindest ein guter Papa will eigentlich jeder sein.

Der Papa in Nari Hongs Geschichte hat es besonders schwer. Er kann von Geburt an nicht laufen. Deshalb kann er mit seiner Tochter auch nicht Radfahren, Schlittschuh laufen, im Meer schwimmen, durch Pfützen springen oder Fußball spielen. Das macht ihm manchmal große Sorgen; seiner Tochter dagegen überhaupt nicht. Denn ihr Papa kann viele richtig tolle Dinge und am schönsten findet sie es, mit ihm jeden Tag zusammen zu sein.

Die aus Korea stammende Künstlerin Nari Hong baut in ihrem Bilderbuch auf eigene Erfahrungen mit ihrem Vater auf, der im Rollstuhl saß. Dabei kann sie gleich zwei Dinge besonders gut: zeichnen und schreiben. Ihre Farbstiftzeichnungen sind liebevoll, freundlich und schlicht, indem sie sich auf das Wesentliche beschränken. Manche Zeichnungen taucht sie allerdings auch in ein fröhliches Farbenmeer. Auch ihr Text ist klar und leicht verständlich, dabei aber auch tiefgründig.

Der Leipziger Kinderbuchverlag, bei dem das Buch vor einigen Jahren erschienen ist, schreibt darüber: „Ein Buch über die Kraft der kindlichen Selbstverständlichkeit.“ Das stimmt! Schließlich interessiert sich die Tochter eigentlich nur für das, was ihr Papa wirklich kann. Und dieser erweist sich als ganz moderner Vater. Schließlich ist er achtsam, liebevoll und aufmerksam. Und er hat ein ganz großes Geschenk für sie: ZEIT!

Was für eine glückliche Beziehung, um die so mancher Vater und auch manche Mutter die beiden beneiden mag. Denn abgesehen von seiner starken körperlichen Einschränkung ist Papa ein genialer Vater.

So ist Hong eine sehr vielseitige Geschichte gelungen, die verschiedene Themen anreißt und zur Reflektion animiert: Während vordergründig das Handicap des Vaters ins Auge fällt, erscheinen beim Lesen die Fragen nach Beziehung und einer guten Vater- bzw. Elternschaft. Ein schönes Buch, besonders für Tochter, Vater und ruhige Stunden.

Gernot Körner

Nari Hong: Sei nicht Traurig, Papa

20 x 26 cm
36 Seiten, Hardcover
Alter ab: 4 Jahre
ISBN: 978-3-89603-481-6
LeiV (Verlag)
12,90 Euro




Väter wollen Kinder empathisch und verständnisvoll erziehen

Studie zum Selbstbild und Selbstverständnis von Vätern der TU Braunschweig und der FH Kiel

Die Rolle von Vätern ist in den vergangenen Jahren immer mehr in den gesellschaftlichen Fokus gerückt. Debatten wie #dazuhatpapanichtszusagen, Diskussionen um einen 14-tägigen Vaterschutz und nicht zuletzt die Erweiterung der Elternzeit um zwei Vätermonate spiegeln diese Entwicklung wider. „Trotz der vermehrten Diskussion um die Rolle von Vätern ist diese seit einigen Jahren nicht mehr umfassend wissenschaftlich untersucht worden. Diese Lücke wollten wir mit unserer Studie schließen“, erklärt Projektleiterin Dr. Kim Bräuer von der TU Braunschweig. Im Rahmen der VAPRO-Studie befragte das Team um Bräuer und Prof. Dr. Kai Marquardsen von der Fachhochschule Kiel 2.200 Väter online und führten 55 qualitative Interviews. Dabei berücksichtigten sie neben rechtlichen und biologischen Vätern auch Pflegeväter, Väter in Co-Parenting-Konstellationen und homosexuelle Väterpaare. Außerdem wurden nicht nur die Männer selbst befragt, sondern auch die (Eigen-)Darstellung von Vaterschaft in sozialen Medien analysiert.

Das Bild vom Vater, der mit seinem Einkommen die Familie ernährt und mit den Kindern höchstens am Wochenende spielt, ist passé. Tatsächlich ist es Vätern heute vor allem wichtig, ihre Kinder „empathisch und verständnisvoll“ zu erziehen. Das ist eines der zentralen Ergebnisse der VAPRO-Studie. Das Ideal des emotionalen Vaters ist weit verbreitet. So ist es fast 60 Prozent der Väter am wichtigsten, dass sie ihrem Kind bzw. ihren Kindern Zuneigung zeigen. Der Trend zu vermehrter aktiver Vaterschaft sei klar erkennbar, so die Wissenschaftler*innen. Dabei engagieren sich die Väter am häufigsten in der Kinderbetreuung, indem sie zum Beispiel mit den Kindern spielen. Deutlich seltener übernehmen die Väter aktive Erziehungsmaßnahmen.

Das Bild vom Vater als Ernährer dominiert nicht mehr

Ein Großteil der befragten Väter hat sich von dem Bild des Vaters als Ernährer gelöst. Nur rund 12 Prozent von ihnen halten es für ihre wichtigste Aufgabe, der Familie finanzielle Sicherheit zu bieten. „Die von uns befragten Väter haben angegeben, dass ihnen monetäre Werte nicht so wichtig seien, wie soziale oder emotionale Werte“, erklärt Prof. Dr. Kai Marquardsen. In diesem Zusammenhang kritisierten viele der Interviewten ihre eigenen Väter unter anderem als „zu bestimmend“, als „abwesend“ und „mit der Arbeit zu beschäftigt“. Sie nutzen ihre Väter als „negatives Vorbild“ und betonen, dass sie selbst als Vater bewusst anders handeln würden.

Dennoch sind fast 85 Prozent der Väter wöchentlich 40 Stunden oder mehr erwerbstätig, während fast drei Viertel der anderen Elternteile nicht oder maximal 30 Stunden in der Woche arbeiten. Trotzdem nimmt fast jeder zweite Vater an, dass er sich genauso viel um familiäre Angelegenheiten der Kinderbetreuung kümmert, wie der andere Elternteil. Lediglich jeder zehnte Vater übernimmt die meisten Aufgaben der Familienarbeit. Dies sind vor allem Väter, die ihre Erwerbstätigkeit beendet oder deren Umfang reduziert haben, um mehr Zeit für ihre Familie und die Versorgung der Kinder zu haben.

Viele Väter, auch das ist eine Erkenntnis der Studie, geben an, ihren eigenen Vorstellungen guter Vaterschaft nicht gerecht zu werden. „Hier zeigen sich Parallelen zur Mutter als Allrounderin, die im Job erfolgreich sein muss und gleichzeitig liebevoll die Kinder und ihre Verwandten umsorgt“, erklärt Kim Bräuer. „Der Trend geht also weg von der ‚klassischen‘ Rollentrennung hin zu einem ‚Alle-erfüllen-alle-Rollen‘ und dieses möglichst perfekt. Dabei erleben die Väter nicht nur einen Work-Family-Konflikt. Es scheint auch darum zu gehen, sich in ihrem Freundeskreis, in Vereinen oder bei der Versorgung der Eltern einzubringen und ihren Kindern auf diese Weise soziale Werte vorzuleben,“ so Bräuer.

Väter bloggen nicht über Armut

Im Rahmen ihrer Studie haben die Sozialwissenschaftler*innen die Instagram-Accounts von sieben sehr populären Väterbloggern und deren Bild von Vaterschaft analysiert. Hier herrscht das Ideal des zumeist weißen, aktiven Vaters. Vaterschaft in Armut oder Vatersein mit Migrationserfahrung würden hingegen kaum thematisiert, erklärt Prof. Marquardsen. „Das lässt sich damit erklären, dass Armut mit Scham behaftet ist und Väter in Armutslagen sich – auch virtuell – nicht offenbaren wollen. Väter, deren Leben von einem geringen Einkommen geprägt ist oder die auf Leistungen vom Staat angewiesen sind, finden unter Väterbloggern also niemanden in ähnlicher Lebenslage.“ Auch unter #ichbinarmutsbetroffen fanden die Wissenschaftler*innen nur wenige Berichte von Vätern in Armutslagen.

Es sei schwierig gewesen, für Interviews Kontakt zu Betroffenen herzustellen, da diese in besonderer Weise unter dem Druck gesellschaftlicher Normalitätsvorstellungen stünden, erklärt der Kieler Sozialwissenschaftler: „Selbstverständlich finden wir auch unter Vätern in Armutslagen eine Vielfalt im Erleben von Vaterschaft. Aber im Unterschied zu anderen Vätern ist für sie vor allem die materielle Versorgung der Familie wichtigeres Thema. In unseren Interviews wurde deutlich, dass für sie insbesondere Herausforderungen auf materieller Ebene eine Rolle spielen, die bei Vätern in gesicherten Verhältnissen kein Thema waren “, so Marquardsen. „Insgesamt besteht bezüglich des Erlebens von Vaterschaft von Vätern in Armut aber weiter dringender Forschungsbedarf. Nicht zuletzt wissen wir noch zu wenig darüber, welche kurz- und längerfristigen Einflüsse gesellschaftliche Krisenereignisse wie Corona oder eine steigende Inflation auf die Praxis gelebter Vaterschaft in verschiedenen Milieus haben.“

Handlungsempfehlungen für die Praxis

Ziel des Projekts war es auch, Handlungsempfehlungen für Arbeitgeber*innen, Koordinator*innen von Väternetzwerken und politische Akteur*innen zu entwickeln, um die Lebenslagen von Vätern sichtbarer zu machen und ihre Situation und die ihrer Familien nachhaltig zu verbessern. Väterarbeit, so die Empfehlung der Forschenden, solle sich verstärkt auf deren alltägliches Handeln beziehen. Es gehe weniger darum, ein neues Bild von Vaterschaft zu vermitteln, als die Väter stärker in alltägliche Aufgaben einzubinden, erklärt Bräuer: „Es wäre denkbar, Väter aktiv als Elternsprecher anzufragen, Väterschwimmkurse anzubieten oder sie aktiv zum Beispiel in Elternchats anzusprechen.“ Unterstützung wünschen sich die Wissenschaftler*innen außerdem durch entsprechende familienpolitische Reformen. „Das würde es vielen Vätern leichter machen, spezielle Angebote der Arbeitgeber*innen auch tatsächlich anzunehmen.“

Zur Studie

Die VAPRO Studie hatte eine Laufzeit von zweieinhalb Jahren und wurde von der Stabstelle für Chancengleichheit der TU Braunschweig und dem Braunschweiger Zentrum für Gender Studies finanziert. Die Forscher*innen wählten einen Methoden-Mix und werteten 55 qualitative Interviews, eine Online-Umfrage mit bundesweit 2.200 Teilnehmern und sieben Instagram-Accounts von Väterbloggern aus.

Weitere Informationen

Abschlussbericht: https://leopard.tu-braunschweig.de/content/index.xml

Projekthomepage: https://www.tu-braunschweig.de/chancengleichheit/familienbuero/vaeter

VAPRO-Instagram-Account: https://www.instagram.com/dadsaredads/

Bianca Loschinsky, Technische Universität Braunschweig




Wenn Kinder das Gras wachsen hören

minu

Andrea Karimé (Text), Renate Habinger (Ill.): Minu und der Geheimnismann

Papa arbeitet im Home-Office. Klingt ziemlich familienfreundlich. Und bedeutet, dass er im Garten am Tisch vor dem Laptop sitzt. Dabei passt er auf Tochter Minu auf. Die liegt im Gras und hört ihm beim Wachsen zu. Also dem Gras natürlich. Das klingt wie ihr Badeschaum in der Wanne, knistert und flüstert, meint sie. Und erzählt es Papa, aber der kann es nicht hören. Beschäftigt sich viel mehr mit seiner Erwerbsarbeit. Auch den blauen Vogel sieht er nicht. Denn der existiert nur in Minus Fantasie. Ist aber ihr bester Freund. Papa hat nichts dagegen, versteht aber nicht, warum sie einen Vogel braucht, den es real gar nicht gibt.

Oma würde das verstehen, aber die lebt im Sommerland, in Kalif Horni. Ist also eine Weit-weg-Frau. Und Minu hat ganz viel Sehnsucht nach ihr. Eines Tages sieht sie den Geheimnismann. Der ist ziemlich klein, ziemlich alt, hat einen langen Bart und einen komischen Hut auf dem Kopf. Und tagsüber wächst in seinem Haus eine große blaue Blume – bis über das Dach. Das Besondere: Papa sieht sie auch! Schließlich trägt er seine Tochter auf den Schultern, abends, bevor es ins Bett geht.

Dann findet Minu die Tasche des alten Mannes. Die zuckt merkwürdig und riecht nach ganz vielen Gewürzen. Ziemlich geheimnisvoll, das Ganze. Auf Papas Wunsch hin bringt sie ihm die Tasche zurück – und erlebt endlich jemanden, der in einer eigenen Geheimnis-Welt lebt und daher ihre Welt versteht. Eine Welt voller Flüsterblumen, Feen und Luftschlösser, die sie jetzt miteinander teilen. Und von Wünschen, die in Erfüllung gehen. Aber welcher das ist, verrate ich hier nicht.

Die Fantasie und das richtige Leben

Ja, Andrea Karimé und Renate Habinger ist ein märchenhaftes Buch gelungen. Ein sehr liebevolles und positives Märchen. In dem die Fantasie ernst genommen wird und mehr Raum beansprucht als die Realität. Denn die Fantasie ist hier die Realität der Kinder und der alten Menschen. Das ist so märchenhaft illustriert, dass die Erwachsenenwelt hinter der Kinderwelt zurücktritt, die Menschen klein erscheinen in der fantastischen Welt, die sie sich erschaffen haben und die in allen Farben und den unwahrscheinlichsten Größenverhältnissen schillert.

Ganz klassisch ist es der Vater, der das Realitätsprinzip verkörpert. Das der Erwachsenen, das der Arbeitswelt. Dem die Fantasiewelt der Tochter weitestgehend verschlossen bleibt. Schade, denn es ist nicht naturgegeben, dass Frauen ihre Kinder besser verstehen und sich besser in ihre Welt hineinversetzen können. Womit Rollenbilder verstetigt werden. Die Mutter wird in diesem Bilderbuch übrigens an keiner Stelle erwähnt. Offenbar eine echte Leerstelle. Denn so sucht sich das Kind eine Oma und einen Opa, die seine Welt verstehen und mit ihm gemeinsam die nächsten Entwicklungsschritte angehen, während Papa im Hintergrund sichernd und wohlwollend zuschaut. Und das geschieht ganz oft. Nicht nur im Märchen, auch im richtigen Leben.

Bibliographie

Andrea Karimé (Text), Renate Habinger (Ill.)
Minu und der Geheimnismann
Edition Nilpferd 2023
www.ggverlag.at
ab 4 Jahre, 32 Seiten
ISBN: 978-3-7074-5289-1
16 Euro

Ralf Ruhl




Väterreport: zwischen Wunsch und Wirklichkeit

Das Bundesfamilienministerium (BMFSFJ) hat den Väterreport  2021 veröffentlicht – Hier zum Download

Der Väterreport beschreibt regelmäßig auf Basis amtlicher Statistiken, wissenschaftlicher Studien und repräsentativer Bevölkerungsbefragungen die Lebenslagen von Vätern in Deutschland. Neben ihren Werten und Einstellungen nimmt der Report das Familienleben der Väter und ihre berufliche Situation in den Blick. Zum zweiten Mal stellt der Report auch die Situation von Vätern, die in Trennung leben, dar. Ein eigenständiges Kapitel thematisiert die Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie auf Beruf und Familie.

Immer mehr Väter wollen Aufgaben partnerschaftlich teilen

Der Väterreport zeigt: Immer mehr Väter wollen heute die Familienaufgaben und die Verantwortung für das Familieneinkommen partnerschaftlich teilen, anders als die Generation zuvor. Väter wollen mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen. Sie wollen gemeinsam mit der Mutter für die Kinder verantwortlich sein.

Auch nach einer Trennung wollen sich viele Väter aktiv an Kinderziehung und -betreuung beteiligen. Getrennt lebende Väter geben zu großen Anteilen (48 %) an, dass sie sich gerne mehr um Erziehung und Betreuung ihrer Kinder kümmern möchten.

Elterngeld und Elternzeit sind wirksame Mittel

Elterngeld und Elternzeit sind wirksame Instrumente, die immer mehr Väter dabei unterstützen, zumindest zeitweise im Beruf kürzer zu treten und sich stärker familiär zu engagieren. Mittlerweile nehmen über 42 % der Väter Elternzeit, beziehen dabei Elterngeld und nehmen sich damit Zeit für ihre Kinder. Die „Väterzeit“ ist von einer Ausnahme zum in Wirtschaft und Gesellschaft weithin akzeptierten und gelebten Modell geworden. Zusätzlich unterstützen Unternehmen die Väter und passen ihr Angebot familienbewusster Personalmaßnahmen auf ihre Bedürfnisse an.

Erwerbstätigkeit von Vätern ist gleich geblieben

Weder die sich wandelnden Einstellungen noch die stärkere Teilhabe am Familienleben durch das Elterngeld haben jedoch nachhaltig die Erwerbstätigkeit von Vätern verändert. Väter sind nach der Elternzeit immer noch überwiegend in Vollzeit erwerbstätig. 68 % der Mütter von minderjährigen Kindern arbeiten in Teilzeit, aber nur 7 % der Männer. Hier zeigen sich Wunsch und Wirklichkeit: Nur 17 % der Eltern übernehmen etwa gleiche Teile bei der Kinderbetreuung, während sich 45 % eine partnerschaftliche Aufteilung wünschen. 52 % der Väter würden gerne weniger arbeiten. 42 % der Mütter wollen dagegen gerne ihre Erwerbstätigkeit wieder aufnehmen oder ausweiten.

Elternzeit und Elterngeld deutlich verlängern!

Der Report empfiehlt daher, die positiven Effekte von Elternzeit und Elterngeld deutlich zu verlängern und über eine Familienarbeitszeit zu einer existenzsichernden und vollzeitnahen Erwerbstätigkeit sowohl von Müttern, als auch von Vätern beizutragen.

Der Väterreport zeigt erhebliche Auswirkungen der Corona-Pandemie. Während viele Väter in Kurzarbeit oder im Homeoffice tätig waren, engagierten sie sich stärker in der Familienarbeit. Die tägliche Kinderbetreuungszeit von Vätern aus Paarfamilien stieg auf durchschnittlich 5,3 statt 2,8 Stunden täglich (+ 89 %). Mütter übernahmen dennoch weiter den deutlich größeren Teil der Familienarbeit: während der Lockdowns durchschnittlich 9,6 statt bisher 6,7 Stunden Kinderbetreuungszeit pro Tag (+ 43 %). Der Väterreport wertet diese Pandemie-Erfahrungen als Chance, die Familienarbeit nachhaltiger partnerschaftlich aufzuteilen.

Eltern im „täglichen Spagat“

Bundesfamilienministerin Christine Lambrecht: „Die meisten Eltern wünschen sich eine partnerschaftliche Vereinbarkeit von Familie und Beruf und mehr Zeit für ihre Kinder. Doch dies zu erreichen ist ein täglicher Spagat. Dabei brauchen Familien die bestmögliche Unterstützung: durch moderne Familienleistungen, die Partnerschaftlichkeit fördern, und durch gute Kitas und Ganztagsschulen.

Heute teilen sich in jeder sechsten Familie beide Eltern die Kinderbetreuung gleichermaßen auf. Trotzdem klaffen in den meisten Familien Wunsch und Wirklichkeit noch auseinander. Der Väterreport zeigt, dass viele Väter sich gerne deutlich mehr an der Betreuung ihrer Kinder beteiligen würden. Corona hat trotz aller Belastungen gezeigt, dass eine partnerschaftlichere Aufgabenteilung möglich ist, auch dank einer veränderten Arbeitswelt. Viele Väter haben sich in dieser Zeit mehr als je zuvor um die Bildung und Betreuung ihrer Kinder gekümmert. Das sind Erfahrungen, an die Familien, aber auch wir als gesamte Gesellschaft, anknüpfen können.

Die positiven Effekte, die Elternzeit und Elterngeld für die Partnerschaftlichkeit haben, müssen wir stärken. Gerade erst haben wir das Elterngeld flexibler und partnerschaftlicher gemacht, vor allem durch mehr Teilzeitmöglichkeiten. Jetzt geht es darum, Mütter und Väter über längere Zeit als bisher dabei zu unterstützen, sich die Verantwortung für Job und Familie partnerschaftlich zu teilen.“

Der Väterreport stützt sich unter anderem auf Erkenntnisse einer aktuellen Befragung des Instituts für Demoskopie Allensbach zu „Elternzeit, Elterngeld und Partnerschaftlichkeit“.

Den Väterreport. Update 2021 finden Sie hier:
www.bmfsfj.de/vaeterreport




Väter und Kinder beim Spielen auf gleicher Wellenlänge

Kinder erwerben wichtige soziale Kompetenzen durch Interaktionen mit ihren Eltern:

Die Entwicklungspsychologinnen Trinh Nguyen und Stefanie Höhl von der Universität Wien erforschen, was beim Spielen mit den Eltern im Gehirn passiert. Erst kürzlich zeigten sie, dass sich während sozialer Interaktion die rhythmische Gehirnaktivität von Müttern und Kindern gegenseitig anpasst. In einer aktuellen Studie gingen sie nun der Frage nach, ob dieser Effekt auch zwischen Vätern und Kindern eintritt. Die Studie erscheint aktuell im Fachjournal „Child Development“.

Was passiert im Gehirn?

In der neuen Studie haben fünf bis sechs Jahre alte Kinder mit ihren Vätern gemeinsam oder getrennt Puzzles gelöst, so wie sie das zu Hause auch machen würden. Während des Spiels wurde durch funktionelle Nah-Infrarotspektroskopie (fNIRS) gleichzeitig die Gehirnaktivität von Vater und Kind abgeleitet. Bei dieser Methode werden Änderungen der Sauerstoffsättigung in der äußersten Schicht des Gehirns erfasst – hier insbesondere im Schläfenlappen und Frontalhirn. Eine Aktivierung in diesen Regionen steht im Zusammenhang mit dem Fassen gemeinsamer Absichten, gegenseitiger Perspektivenübernahme sowie Selbstregulation. Diese Prozesse sind besonders relevant für soziale Interaktionen und entwickeln sich im Vorschulalter.

Anpassung der Gehirnaktivität

„Wir konnten beobachten, dass eine wechselseitige Anpassung der Gehirnaktivität von Vater und Kind nur dann stattfand, wenn beide miteinander das Puzzle lösten. Zudem war die Anpassung der Gehirnaktivität höher bei jenen Vater-Kind-Paaren, in welchen sich der Vater stärker mit seiner Rolle als fürsorglicher und involvierter Vater identifizierte“, erklärt Nguyen. Die neue Studie belegt daher, dass nicht nur die Anpassung der Gehirnaktivität zwischen Müttern und Kindern, sondern auch zwischen Vätern und Kindern eine grundlegende Rolle in sozialen Interaktionen spielt.

Anpassung der Gehirnaktivität anders als bei Müttern

Interessanterweise waren die beobachteten Verhaltensmuster bei den Vater-Kind-Paaren trotz der wechselseitigen Anpassung der Gehirnaktivität anders als in den Mutter-Kind-Paaren aus der letzten Studie. Während die Anpassung der Gehirnaktivität bei den Vater-Kind-Paaren von der Identifikation des Vaters mit der Vaterrolle abhing, war bei den Mutter-Kind-Paaren entscheidend, ob beide in der Spielsituation aufeinander eingingen. Was genau diese Unterschiede bedeuten und wie sich diese möglicherweise auf die Eltern-Kind-Beziehung auswirken, wollen die ForscherInnen in zukünftigen Studien weiterführend untersuchen.

Publikation in „Child Development“:
Interpersonal Neural Synchrony During Father–Child Problem Solving: An fNIRS Hyperscanning Study. Trinh Nguyen, Hanna Schleihauf, Melanie Kungl, Ezgi Kayhan, Stefanie Höhl, Pascal Vrticka. Child Development (2021). DOI: 10.1111/cdev.13510