Kunststoff-Trinkflaschen für Kinder enthalten oft schädliche Weichmacher

Allgegenwärtige Chemikalien stecken auch in Plastikspielzeug, Kleidung und Teppichen

„Viele Kinder gehen jeden Tag mit einer Trinkflasche aus Plastik in die Schule. Wir wissen, dass Kunststoffe Chemikalien enthalten. Aber wir wollten untersuchen, ob diese Chemikalien auch freigesetzt werden, damit wir wissen, was die Kinder tatsächlich aufnehmen“, sagt Annelies den Boer, Direktorin der niederländischen Stiftung Tegengif, die die Studei in Auftrag gegeben hatte. „Deshalb haben wir nicht die Plastikflasche selbst untersucht, sondern die Flüssigkeit in der Flasche. Und weil viele Menschen ihre Plastikflaschen in die Spülmaschine stellen, haben wir auch die Flüssigkeit nach mehreren Spülgängen in der Spülmaschine untersuchen lassen. Bei mehr als der Hälfte der Flaschen wurde festgestellt, dass Di-Isobutylphthalat (DIBP) unmittelbar nach dem Geschirrspülen freigesetzt wurde. Vor dem Geschirrspülen war diese Chemikalie nur aus einer Flasche ausgetreten. Die Studie zeigte auch, dass die DIBP-Konzentration anstieg, je länger die Flüssigkeit in der Flasche war.“

Gesundheitsrisiken für Kinder

Die Verwendung von DIBP wurde in der Europäischen Union (EU) eingeschränkt, weil die Substanz reproduktionstoxisch, d.h. schädlich für die Fortpflanzung und die Entwicklung des ungeborenen Fötus, und endokrinschädlich ist. „Die in der Flüssigkeit gefundene Menge an DIBP lag unter dem europäischen Grenzwert“, sagte den Boer. „Die Unternehmen halten sich also an die gesetzlichen Normen. Dennoch beunruhigt uns das Vorhandensein dieser Substanz. Denn Kinder kommen nicht nur über wiederverwendbare Trinkwasserflaschen mit Weichmachern in Kontakt, sondern beispielsweise auch über Plastikspielzeug, Kleidung und Teppiche. Aus diesem Grund werden Weichmacher auch als „allgegenwärtige Chemikalien“ bezeichnet. Gerade diese Allgegenwärtigkeit erhöht das Gesundheitsrisiko“. Weichmacher werden in ganz Europa im Urin von Kindern gefunden.

Gesetzlicher Standard muss auf 0 gehen

Wegen der Schädlichkeit von DIBP ist es offiziell nicht erlaubt, diesen Weichmacher Kunststoffen zuzusetzen, die mit Lebensmitteln und Getränken in Berührung kommen. Da DIBP jedoch bei der Herstellung von Kunststoffen so weit verbreitet ist, hat die EU seine Anwesenheit in Kunststoffen dennoch akzeptiert. Außerdem darf es bis zu einer bestimmten Konzentration aus Kunststoffen in Lebensmitteln freigesetzt werden. Den Boer: „Wir halten dies für eine unerwünschte Situation und fordern die EU auf, die Rechtsvorschriften zu verschärfen, damit DIBP überhaupt nicht mehr in Kunststoffen verwendet werden kann. Das wird die Unternehmen dazu ermutigen, Kunststoffe ohne diesen schädlichen Weichmacher zu produzieren.“

Bevorzugen Sie rostfreien Stahl oder Glas

Ein zweites wichtiges Ergebnis der Studie war, dass nur ein Bruchteil der Hunderte von Chemikalien in der Flüssigkeit identifiziert werden konnte. Den Boer: „Wir wissen also nicht, um welche Stoffe es sich handelt und was sie bewirken. Das macht Kunststoffe eigentlich zu einer Black Box; man weiß nicht genau, was in ihnen steckt.“

Jeder sollte deshalb vorsichtig im Umgang mit Plastik sein, vor allem wenn es mit Lebensmitteln in Berührung kommt. Wiederverwendbare Trinkflaschen aus Kunststoff sind zwar besser als Einwegflaschen. Beim Neukauf ist jedoch eine Flasche aus Edelstahl oder Glas zu empfehlen. Werden die Plastikflaschen vorerst weiter genutzt, sollte das Wasser in der Flasche regelmäßig ausgewechselt werden und die Flasche mit der Hand und nicht in der Spülmaschine gereinigt werden. Auf diese Weise nimmt das Kind weniger schädliche Stoffe zu sich.

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Quelle: Tegengif Foundation




Schadstoffbelastungen bei Kindern in NRW festgestellt

Aktuelle Untersuchungsergebnisse zu Belastungen von Kindern in nordrhein-westfälischen Kitas mit Weichmachern vorgelegt

Bei der Langzeituntersuchung von Kindergarten-Kindern sind erneut umstrittene Weichmacher oberhalb der Schwelle gefunden worden, bei der gesundheitliche Wirkungen nicht mehr ausgeschlossen werden können. Dies betraf acht von 250 untersuchten Kindern. Insgesamt ist die Belastung über die letzten zehn Jahre in Nordrhein-Westfalen aber sichtbar weiter gesunken und verdeutlicht den Erfolg der verschärften regulatorischen Maßnahmen in der Vergangenheit. Bei der weit überwiegenden Anzahl der Kinder wurden gesundheitlich unbedenkliche Weichmacher-Belastungen gemessen. Dies belegen die aktuellen Untersuchungsergebnisse des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (LANUV) im Rahmen der „Kita-Studie NRW“. Die insgesamt beobachtete Abnahme der Belastungen gilt insbesondere für die als gesundheitlich besonders bedenklich bewerteten Phthalat-Weichmacher.

Schadstoffbelastung weiter reduzieren

„Unsere Kinder sind täglich über Alltagsprodukte und Spielsachen unterschiedlichsten chemischen Stoffen ausgesetzt“, sagt Umweltminister Oliver Krischer. Gerade bei Kindern sei es deshalb wichtig, diese Schadstoff-Belastung zu reduzieren. Denn bestimmte Weichmacher wirken sich negativ auf das Hormonsystem des Körpers aus und es gibt Hinweise, dass sie die Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen können. „Die Kita-Studie NRW ist ein wichtiges Frühwarnsystem für mögliche Belastungen von Kindern mit Stoffen aus Verbraucherprodukten.“ Das Umweltministerium unterstützt daher auch die EU-Initiative für nachhaltige Produktpolitik im Rahmen des EU-Aktionsplans „Schadstofffreiheit von Luft, Wasser und Boden“.

Von Ende August 2020 bis Anfang Juli 2021 hat das LANUV zum vierten Mal seit Beginn der Kita-Studie im Jahr 2010 den Urin von 250 Kindern im Alter von drei bis sechs Jahren auf Weichmacher untersucht. Es war nach 2011/12, 2014/15 und 2017/18 der vierte Untersuchungszeitraum. Analysiert wurden unter anderem verschiedene Weichmacher, neben den Phthalaten auch die sogenannten „alternativen“ Weichmacher DINCH und Terephthalate.

Weichmacher in vielen Alltagsprodukten

„Die Belastung mit Schadstoffen vor allem bei Kindern muss jederzeit so gering wie möglich gehalten werden“, betonte Dr. Sibylle Pawlowski, Präsidentin des LANUV. „Unsere Daten und Zeitreihen aus der Kita-Studie belegen, dass klare gesetzliche Regelungen wirken und Belastungen dadurch wirksam gesenkt werden können. Seit über zehn Jahren führen wir diese Untersuchungen bereits durch. Die Ergebnisse zeigen, dass unser Ansatz der richtige war, die Belastungen an Kindern konkret nachvollziehbar zu machen.“

Weichmacher finden sich in vielen Alltagsprodukten, mit denen Kinder in Kontakt kommen. Sie werden Kunststoffen zugesetzt, um sie dehnbar und formbar zu machen. Mit der Zeit jedoch entweichen die Weichmacher aus den Produkten und können so von Kindern aufgenommen werden. Aufgrund ihrer breiten Verwendung werden die gesundheitlichen Auswirkungen von Phthalaten auf den Menschen intensiv untersucht. So gibt es Hinweise, dass bestimmte Phthalate störend auf das Hormonsystem des Körpers wirken und zum Beispiel die Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen können. Daher wurde der Einsatz verschiedener Phthalate durch gesetzliche Regelungen stark eingeschränkt. Die EU hat die Verwendung von Phthalaten in allen Spielzeugen und Babyartikeln stark eingeschränkt oder sogar verboten.

Umweltmedizinische Beratung

Die Belastung mit dem alternativen Weichmacher DINCH reduzierte sich im vierten Untersuchungszeitraum ebenfalls im Vergleich zu den vorherigen Untersuchungsquerschnitten, während die Belastung mit dem Terephthalat DEHTP unverändert ist. Die Überschreitungen der in der Kita-Studie angesetzten gesundheitlichen Kriterien betreffen vor allem die beiden Phthalate DiBP und DnBP. Seit 2020 gelten nunmehr für diese Phthalate erweiterte Beschränkungen: sie dürfen in Verbraucherprodukten nicht mehr eingesetzt werden. In den nächsten Untersuchungszeiträumen der „Kita Studie NRW“ soll daher verfolgt werden, ob dies zu einem Rückgang der Überschreitungen führen wird.

Das LANUV bietet den Eltern dieser Kinder umweltmedizinische Beratung an, auch dazu, wie eine Belastung mit Phthalaten minimiert werden kann.

DnBP, DiBP, DINCH und DEHTP sind Abkürzungen für Phthalate, die alle das gleiche Molekül-Grundgerüst besitzen, sich aber chemisch leicht unterscheiden. Ihre variablen chemischen Eigenschaften finden in unterschiedlichen Materialien Anwendung.

Masterplan Umwelt und Gesundheit

Mit dem 2016 verabschiedeten Masterplan Umwelt und Gesundheit verfolgt die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen das Ziel, die umweltbedingten Gesundheitsrisiken für die Menschen mit einem breit angelegten und integrierten Handlungskonzept zu reduzieren. Ein Schwerpunkt des Masterplans ist das frühzeitige Erkennen der Belastung von Kindern mit Schadstoffen. Das Umweltministerium hat das Landesumweltamt (LANUV) mit Untersuchungen beauftragt, in denen in regelmäßigen zeitlichen Abständen von drei bis vier Jahren die Belastung von Kindern im Alter zwischen zwei und sechs Jahren auf ausgewählte Schadstoffe und deren Abbauprodukte im Urin ermittelt wird. Durch diese regelmäßigen Untersuchungen ist es möglich, die Belastung von Kindern dieser Altersgruppe mit alten und neuen Schadstoffen zu verfolgen (Human-Biomonitoring).

Weiterführende Informationen:

Der erste neue Bericht mit den aktuellen Ergebnissen des letzten Untersuchungsdurchgangs: https://url.nrw/KitaStudieNRW. Weitere Berichte zu anderen untersuchten Schadstoffen folgen.

Quelle: Pressemitteilung Umweltministerium NRW