Herzensbildung statt Leistungsdruck – Weil Kinder schöpferische Selbstbildung brauchen

Inklusion leben: Gemeinsam Potenziale entfalten, Vielfalt wertschätzen und miteinander wachsen

In unserer Gesellschaft dominiert zunehmend ein technokratisch-ökonomisches Menschenbild. Im Fokus steht, was für das spätere „Weiterkommen“ nützlich ist und als Kompetenzförderung gilt. Lebendige Beziehungszusammenhänge werden dabei auf messbare Fakten reduziert, analysiert und kategorisiert. Der subjektive Sinn des Handelns gerät in den Hintergrund, ebenso wie Gefühl und Wille des einzelnen Menschen.

Diese Haltung führt zu einer Kultur der Eile – und zu einem Mangel an feinfühliger Herzensbildung, die gerade in unserer Zeit dringend gebraucht wird. Besonders Kinder benötigen ein ganzheitliches Wissen und Können, ein Denken, Fühlen und Wollen, das ihnen hilft, sich zu orientieren, zufrieden und glücklich zu sein. Doch wie lässt sich diese schöpferische Selbstbildung ermöglichen?

Impulse von Gerald Hüther: Potenzialentfaltung als Lebensprinzip

Der renommierte Neurobiologe Gerald Hüther, Gründer der Akademie für Potenzialentfaltung, betont: Menschen sollten von Beginn ihres Lebens bis ins hohe Alter die Gelegenheit haben, ihre Entwicklungsmöglichkeiten selbst zu entfalten.

Die Akademie geht von der Überzeugung aus, dass Potenzialentfaltung nur gelingen kann, wenn Menschen einander als Subjekte begegnen – statt sich gegenseitig zu Objekten von Bewertungen, Erwartungen oder Maßnahmen zu machen.

Im gesamten deutschsprachigen Raum entstehen heute in kleinen und großen Lebensgemeinschaften Orte, an denen ein friedliches Miteinander gepflegt wird. Die Forschungsergebnisse des Teams zeigen:

  • Alle Menschen möchten ihr Leben so gestalten, dass sie glücklich sind.
  • Leben ist ein Entwicklungsprozess – Stillstand verhindert Glück.
  • Das in jedem Menschen angelegte Entwicklungspotenzial ist weitaus größer als bisher genutzte Fähigkeiten.
  • Potenziale entfalten sich nur im Miteinander mit anderen Menschen.
  • Gemeinschaften können ihre Strukturen jederzeit so verändern, dass Entwicklung nicht länger unterdrückt wird.
  • Kreative und innovative Höchstleistungen entstehen nur in unterstützenden, inspirierenden Lebens- und Arbeitsgemeinschaften.

Gegen den Geist des „Survival of the Fittest“

Die Akademie für Potenzialentfaltung stellt sich bewusst gegen das heute verbreitete Konkurrenzdenken und orientiert sich an den Werten unserer Eltern und Großeltern: Menschlichkeit, Verantwortungsbewusstsein, Achtsamkeit, Weitsicht und vor allem Liebe im Umgang miteinander.

Nach Hüther bleibt die im Gehirn angelegte Freude am Entdecken und gemeinsamen Gestalten ein Leben lang erhalten. Menschen, die aus Freude schöpferisch tätig sind, suchen keine höheren Karrierestufen – sie wollen Sinn stiften.

Zurück zu den schöpferischen Wurzeln

Gefordert ist ein Umdenken: weg von reinem Leistungsdenken, hin zu einer Kultur des Erinnerns und des gemeinsamen Gestaltens. Kinder und Erwachsene sollten zusammen wachsen, spielen und lernen können – in einer Atmosphäre, die Mut macht und Hoffnung schenkt.

Ein Beispiel dafür ist das Kultur- und Begegnungsfest in Kesmark: Hier gestalten Kinder und Erwachsene gemeinsam ein fröhliches Miteinander, das Zukunft verheißt und dem Negativen aus eigener Kraft entgegentritt.

Kinder als Lehrmeister der Herzensbildung

Sind nicht gerade Kinder, die aus ihren tief veranlagten rhythmisch-musikalischen Kräften heraus eine Welt des fröhlichen Miteinanders schaffen wollen, wahre Lehrmeister für ältere Menschen?

Wer das verneint, will oft durch die Macht des Wortes andere beherrschen. Doch wirkliche Stärke liegt darin, Menschen über alle Grenzen hinweg zu verbinden – mit Herzenskraft und sozialer Kompetenz.

Fazit mit Weitblick

Herzensbildung ist mehr als Wissen. Sie ist die Fähigkeit, sich im Herzen miteinander zu finden, jenseits aller äußeren Unterschiede. Wenn wir diese Kultur pflegen, verbinden wir Menschen über Generationen hinweg – und schaffen eine Welt voller Freude, Hoffnung und Zuversicht.

Prof. Dr. Ferdinand Klein

„Erziehung aus der Begegnung heraus gestalten“ von Prof. Dr. Ferdinand Klein macht das Vermächtnis von Janusz Korczak lebendig: Achtung vor der Würde jedes Kindes, gelebte Empathie und praxisnahe Tipps für den Alltag. Seine Darstellungen sind leicht verständlich und direkt in die pädagogische Praxis übertragbar. Ein inspirierendes Buch für alle, die Kindern auf Augenhöhe begegnen und ihre eigene pädagogische Haltung stärken wollen.

Prof. Ferdinand Klein
Erziehung aus der Begegnung heraus gestalten
Mit Janusz Korczak über inklusionspädagogische Grundfragen nachdenken

Softcover, DIN A5, 184 Seiten
ISBN: 978-3-96304-618-6
22 €

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Werte- und sinnorientierte Pädagogik in der Kita

Klingler, Daniela: Werte- und sinnorientierte Pädagogik in der Kita. Kinder stärken und begleiten

Die Autorin, die Erziehungs- und Bildungswissenschaft studiert hat und unter anderem als Dozentin an der Pädagogischen Hochschule in Tirol arbeitet, hat in ihrem Buch ein Thema aufgegriffen, das nicht nur zurzeit einen vielbeachteten Bedeutungswert sowohl für die Individualentwicklung des Menschen als auch für eine humane Sozial- und Weltgestaltung besitzt. So weisen uns die bedrohlichen Weltgeschehnisse als auch die vielfach destruktiven Umgangsformen in unserem eigenen Umfeld darauf hin, wie es um den Verlust umgangskultureller, sozialverantwortlicher Werte im Umgang miteinander, im Umgang mit der Natur und ihren Lebewesen sowie in Konfliktsituationen steht.

WERTE können nicht „auf kaltem Wege“ vermittelt werden

Das heißt, dass nachhaltig bedeutsame Werte nicht durch kognitive Erläuterungen, Anordnungen, Überredungen oder direktive Hinweise aufgebaut/ intrinsisch verankert werden können! Werte wollen vorgelebt, erfahren, gespürt und als wertvoll entdeckt werden. Häufig werden sogar ‚Werte‘ und ‚Normen‘ gleichgesetzt, obgleich es zwei völlig unterschiedliche/ gegensätzliche Begriffe sind, denen auch eine vollkommen andere HALTUNG zugrunde liegt.

Der Inhalt des Buches ist so aufgebaut, dass unter der pädagogischen Zielmaxime >Kinder in der Art und Weise zu begleiten sind, dass sie ein selbstbestimmtes, psychisch und physisch gesundes und gelingendes Leben führen können< dafür gesorgt werden muss, dass sie vor allem eine authentische Beziehungsfähigkeit, ein nachhaltiges Selbstwertgefühl, eine gefestigte Selbstwirksamkeit, ein Lebensinn- und Werteverständnis sowie ein verantwortungsvolles Freiheits- und Partizipationsempfinden besitzen.

  • So wird im ersten Kapitel auf den Begriff und Bedeutungswert von ‚Werten‘ eingegangen.
  • Im zweiten Kapitel dreht sich alles um die Merkmale einer sinn- und werteorientierten Pädagogik.
  • Das dritte Kapitel behandelt Gedanken, Ideen und Handlungs-/ Spielimpulse für ein praktiziertes Werteerleben.
  • Im vierten Kapitel finden Leser*innen Hinweise zum Umgang mit Alltagsherausforderungen, zum Konfliktmanagement und zur Klärung von Streitsituationen, Wiedergutmachung und eine notwendige Fehlerkultur, weil Kinder ein Recht darauf haben, Fehler machen zu dürfen und um daraus lernen zu können.
  • Im fünften Kapitel geht die Autorin auf die Schwerpunkte ‚Resilienz‘ und ‚Salutogenese‘ ein, verbunden mit sehr konkreten Hilfestellungen zur Stärkung des Selbstwertes, der Selbstwirksamkeit und des Selbstvertrauens.
  • Und bei aller Konzentration auf das Kind dürfen die zwei Personalkompetenzen ‚Gelassenheit und Glück‘, die zu den wichtigsten Kompetenzen einer pädagogischen Fachkraft gehören, nicht vergessen werden: dazu werden im sechsten Kapitel Hinweise gegeben.

An diesem Buch gefällt rundherum alles:

  • So werden zu allen Ausführungen Reflexionsfragen zur Verfügung gestellt,
  • Beispiele aus der Alltagspraxis erwähnt,
  • Kernaussagen auf den Punkt gebracht,
  • Spielvorschläge unterbreitet,
  • besonders hilfreiche Buchempfehlungen benannt,
  • bis hin zur Problematisierung pädagogisch vielgenutzten Mechanismen, die aber hinterfragt werden und neu bewertet werden müssen. Z.B. Nachteile des Lobens oder die entwicklungspädagogische Bedeutung einer zeitweiligen Langeweile.

Es bietet sich ohne Frage an, diese wunderbare Veröffentlichung zu bearbeiten und im Kollegium zu besprechen, um immer wieder eine Bestandsaufnahme vorzunehmen und dort, wo es angezeigt ist, Veränderungen in Gang zu setzen.

Armin Krenz

Klingler, Daniela: Werte- und sinnorientierte Pädagogik in der Kita. Kinder stärken und begleiten.

Cornelsen/ Verlag an der Ruhr, Mülheim 2021. ISBN: 978-3-8346-5278-2. 127 Seiten, 19,99 €