Der perfekte Wickeltisch

wickeltisch

Sicherheit, Beziehung, Hygiene und – sogar – Bildung

Der Wickeltisch hat nicht nur für die Hygiene von Kindern unter drei Jahren zentrale Bedeutung. Eine gute Wickellandschaft muss eine abgestimmte Einheit von Sicherheit, Beziehung, Hygiene – und sogar Bildung sein. Sicherheit steht an erster Stelle. Bei allen Bauten und Einrichtungsgegenständen, die für Kinder gedacht sind und die von Kindern bespielt werden. Das sollte zuhause so sein, in der Kita und der Krippe ist es ein unumgängliches Gebot. Es gilt selbstverständlich auch für den Wickeltisch.

Den hier vorgestellten Tisch hat das Team der Krippe des Jona-Kindergartens in Elisabethfehn zusammen mit der Krippenexpertin Annette Drüner entworfen. Eingebaut und an die vorhandenen Maße angepasst hat ihn ein örtlicher Schreiner. Was sofort die Frage nach den Kosten aufwirft. Laut Leiterin Heike Pieper war er nur unwesentlich teurer als ein Modell eines klassischen Anbieters für Kindergartenbedarf. Dafür passt er genau und zeigt auch nach mehreren Betriebsjahren noch keine Abnutzungserscheinungen!

Aber dieser Wickeltisch bietet noch eine ganze Menge mehr: Er ermöglicht es den Kleinkindern unter anderem, so selbstbestimmt wie auch immer möglich den Windelwechsel zu gestalten. Dabei können sie eine ganze Reihe verschiedener körperbezogener und sozialer Lernerfahrungen machen – alles auf Grundlage einer verlässlichen Beziehung zum/r ErzieherIn die Geborgenheit bietet.

tür und treppe

Tür und Treppe

Auf – zu, auf – zu! Marieke juchzt und kann sich von der Tür gar nicht losreißen. Die Eineinhalbjährige hat eine wichtige Lernerfahrung gemacht: Sie kann selbst die Tür öffnen und schließen. Dabei ist es nicht nur die Bewegung, die sie so freut: es ist auch die Selbstwirksamkeitserfahrung! Und: Sie kann selbst bestimmen, ob jemand mit ihr oder nach ihr die Treppe hinaufsteigt. Sie kann ihren eigenen Raum schützen und fordert damit auch von den ErzieherInnen und den anderen Kindern, ihre Intimsphäre zu achten.

Das ist ein wesentlicher Moment, macht er doch dem Kind selbst, den anderen Kindern und den ErzieherInnen deutlich: Mein Körper gehört mir! Für Erwachsene ist das im Alltag selbstverständlich, die gehen auf die Toilette und schließen die Tür, manchmal drehen sie sogar den Schlüssel um. Und was für die Großen völlig normal ist, sollten sie Kleinsten erst recht gönnen. Marieke macht es ganz deutlich: Sie schiebt den Riegel vor. Natürlich auch ein paar Mal. Und rüttelt an der Tür, ja, die bleibt zu.

Dann dreht sie sich um und geht die Treppe hinauf. Dabei kann sie sich sehr gut an den Stangen auf der rechten Seite festhalten. Die stehen bewusst senkrecht; Kinder jeder Größe können sie gut mit ihren Händen greifen. Marieke schaut durch die Öffnungen, ja, die Erzieherin ist noch da. Dabei legt sie ihr Gesicht ganz nah ans Holz. Selbstverständlich sind die Rundungen gut geglättet, sie kann sich keinen Splitter oder Span einreißen. Und natürlich ist das Holz mit ungiftigen und gut haut­verträglichen Materialien behandelt.

Marieke ist schon sehr sicher auf ihren kleinen Beinchen. Aber anfangs war es schon gut, dass die Rutschsicherungen in die Stufen eingelassen waren – da krabbelte sie noch lieber die Treppe hinauf. Der Handlauf, das Tau an der linken Seite, ist für die größeren Kinder. Der „wackelige Halt“ fördert das Ausbalancieren des Gleichgewichts und die Achtsamkeit für die eigene Bewegung.

Der Treppenabsatz

Der Treppenabsatz

Nach der ersten Anstrengung des Treppensteigens braucht sie eine kleine Pause auf dem Treppenabsatz. Runter­springen? Nein, das ist viel zu hoch. Aber, wenn sie will, kann Marieke sich hier im Stehen wickeln lassen. Denn mit zunehmendem Alter finden viele Kinder das deutlich bequemer. Es geht schneller für sie und sie müssen nicht so viel ausziehen. Ganz wichtig ist die Höhe: hoch genug für den Rücken der ErzieherIn! Sie kann gerade stehen und muss sich nicht immer krumm machen.

Der Handlauf führt selbstverständlich den ganzen Weg am Podest entlang und auch die nächsten beiden Stufen hinauf. Das Gitter kann erst nach dem Treppenabsatz wieder beginnen, sonst könnte die Erzieherin hier ja nicht wickeln. Die Stangen sind hier auch nicht nötig, auf der „geraden Strecke“ können auch kleine Kinder ohne Hilfe gehen.

Die Fächer

Die Fächer

Unter dem Podest und unter dem eigentlichen Wickeltisch sind große Fächer angebracht. Die Schubladen sind aus Metall, sehr geräumig, gut zu reinigen und vor allem: haltbar! Nach Heike Piepers Erfahrung mussten die Vorgängermodelle „von der Stange“ manchmal bereits nach wenigen Monaten ausgetauscht werden. Qualität lohnt sich in der Krippe also! Die Schubladen sind leichtgängig, die Kinder können sie selbst öffnen und schließen. Jedes Fach ist mit dem Foto eines Kindes versehen. Marieke weiß natürlich sofort, welches ihres ist. Dort hat sie sich eine Windel herausgeholt und mit auf den Weg genommen.

Diese Nähe der Fächer zum Wickeltisch ist nicht nur funktional. Sie ist auch aus Gründen der Sicherheit notwendig!
Denn manchmal muss die Erzieherin beim Wickeln noch etwas aus dem Fach holen, etwa weil die Unterhose nass geworden ist. Dann kann sie die eine Hand zum Sichern und zur Beziehungsbestätigung am Kind lassen, während sie die Schublade hervorzieht.

Der Wickeltisch

Der Wickeltisch

Die „Arbeitsfläche“ des Wickeltischs ist richtig groß. Und hoch. Auch hier kann sich das Kind im Stehen wickeln lassen. Und es ist egal, ob es sich lieber längs oder quer hinlegt – beides ist möglich. Dabei hängen auch nicht die Beinchen mit heruntergelassener Hose über den Rand hinaus.

Leider sind Wickeltische, die nur diese Haltung ermöglichen, immer noch häufig zu finden. Aber eine solche Haltung ist für das Kind nicht nur unbequem, sie ist auch entwürdigend! Auf diesem Tisch kann das Kind selbst bestimmen, auf welche Weise es Po und Genitalien den Erzieherinnen zur Reinigung darbietet.

Auch für die Erzieherin ist der Tisch hoch genug, rückenfreundlich eben. Die Wickelauflage wurde inzwischen übrigens entfernt. Krippenexpertin Drüner nennt die Gründe: „Zum einen sammelt sich oft unter der Wickelauflage jede Menge Schmutz, das ist schlicht unhygienisch. Zum anderen sind auch harte Auflagen für die Kinder meist zu weich, sie können dort nicht sicher gehen und sich hinlegen.“

Und ein paar Schritte müssen sie auf dem Tisch ja auch machen. Aber ist das Holz als einzige Unterlage nicht zu hart für den zarten Kinderpo? „Nein“, so Drüner, „die Kinder lieben es, weil sie sich so sicher bewegen können.“ Und gut zu reinigen ist das Holz sowieso.

Das Waschbecken

Das Waschbecken

Ein Waschbecken ist Vorschrift. Weil sich die/der ErzieherIn nach der Reinigungsprozedur am Kind auch selbst die Hände waschen muss. Hier ist es ganz nah am Wickeltisch, so muss sie/er nicht mit verschmutzten Händen vielleicht noch einen Türgriff anfassen. Und es ist groß. Groß genug, um auch ein Kind hineinzusetzen. Manchmal ist das wichtig – und vor allem gelingt die Reinigung mit dem Duschstrahl viel leichter, wenn das Kind sich stark eingekotet hat.

Auch die Kinder finden es toll. Marieke will sofort auch die Hände waschen. Und natürlich ein bisschen herumplanschen. Wieder was gelernt: dass zum Windelwechsel und später dem Toilettengang das Händewaschen gehört. Geübt wurde es gleich mit. Außerdem hat es Spaß gemacht. Stolz und zufrieden klettert Marieke den Weg wieder zurück, schiebt den Riegel von der Tür und schwingt sich hinaus. „So, Finn, jetzt bist du dran“, sagt sie zu dem schon wartenden Jungen.

Auch dieser hier vorgestellte Wickeltisch ist natürlich nicht perfekt. Haben Sie gesehen, was fehlt? Auf Bild 4 zeigt es sich: Der Übergang von der Treppe zum Wickeltisch und der Tisch selbst sind für das Kind nicht optimal gesichert. Inzwischen ist ein durchgängiger Haltegriff angebracht. Der erleichtert den Kindern die selbstständigen Schritte auf dem Wickeltisch. Woran deutlich wird: Auch, was im eigenen Entwurf perfekt aussieht, kann durch die Erfahrung noch verbessert werden!

Ralph Ruhl