Fruchtriegel für Kinder: Fast so viel Zucker wie in Schokoriegeln

Öko-Test hat in zwölf gestesteten Riegeln durchschnittlich 42,6 Gramm Zucker pro 100 Gramm festgestellt

Öko-Test hat zwölf Fruchtriegel für Kinder getestet. Aus Sicht der Verbraucherschützer enthalten alle getesteten Produkte zu viel Zucker. Viele Anbieter werben trotzdem mit Aussagen, die laut Öko-Test suggerieren, dass die Fruchtriegel gut für Kinder seien. In den Testprodukten sind durchschnittlich 42,6 Gramm Zucker pro 100 Gramm deklariert. Zum Vergleich: In 100 Gramm Schokoriegeln stecken im Schnitt 50 Gramm Zucker. „Von einem idealen Snack kann hier nicht die Rede sein, eher von kleinen Zuckerbomben. Da helfen auch bunte Tiergesichter und Obstbilder auf den Verpackungen nicht – und Slogans wie ‚idealer Snack für zwischendurch‘ sind aus unserer Sicht verwirrend“, sagt Lebensmittelchemikerin und Öko-Test-Projektleiterin Lisa-Marie Karl.

Deutlich mehr Zucker als von der WHO empfohlen

Öko-Test hat bereits im vergangenen Jahr in einem Test die Zuckergehalte in verschiedenen Kinderlebensmitteln unter die Lupe genommen – darunter Quetschies, Cerealien und Babykekse. Die Verbraucherschützer bemängeln Auslobungen wie „ohne Zuckerzusatz“ oder „Süße nur aus Früchten“, die sich auch bei einigen Fruchtriegeln im aktuellen Test wiederfinden. Auch wenn dem Riegel kein Zucker zugesetzt wird, sind beispielsweise die Zutaten Apfelsaftkonzentrat oder getrocknete Bananen für hohe Zuckergehalte verantwortlich. Das Problem laut der Verbraucherschützer: Zucker bleibt Zucker, auch wenn es sich um Fruchtzucker handelt. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) rät, dass die tägliche Menge für ein- bis dreijährige Kinder mit einem angenommenen Energiebedarf von 1200 Kilokalorien täglich 30, besser noch 15 Gramm Zucker, nicht übersteigen sollte. Die Fruchtriegel im Test schöpfen das mit durchschnittlich zehn Gramm schon zu mehr als der Hälfte aus.

Zum Teil auch Schimmelpilzgifte und Schwermetalle

Punktabzug gibt es nicht nur für Zucker in den Testprodukten: Bei einigen Fruchtriegeln wies das beauftragte Labor auch Schimmelpilzgifte oder Schwermetalle nach. Der Bebivita Fruchtriegel Apfel-Banane fällt mit „ungenügend“ durch – unter anderem wegen einer aus Öko-Test-Sicht erhöhten Menge an potenziell nervenschädlichem Blei und zugesetztem Eisen. Am zweitschlechtesten schneidet mit „mangelhaft“ der Genuss Plus Kids Apfel Mango von Rossmann ab. Das beauftragte Labor hat darin die Schimmelpilzgifte T-2/HT-2 in aus Öko-Test-Sicht erhöhter Konzentration nachgewiesen.

Weitere Informationen und den aktuellen Test finden Sie in der Maiausgabe des Öko-Test-Magazins oder unter: oekotest.de/14575 

Quelle: Pressemitteilung Öko-Test




Zugesetzter Zucker mitverantwortlich für Nierensteine

Mehr als 25 Prozent der Energiezufuhr erhöhen Risiko laut chinesischer Studie um 88 Prozent

Der erhöhte Konsum von zugesetztem Zucker, Fettleibigkeit und das männliche Geschlecht sollten in die Liste der bekannten Risikofaktoren für Nierensteine hinzugefügt werden. Das fordern chinesische Forscher des Affiliated Hospital of North Sichuan Medical College in ihrer aktuellen Studie. Zwischen sieben und 15 Prozent der Menschen in Nordamerika, zwischen fünf und neun Prozent der Menschen in Europa und zwischen einem und fünf Prozent der Bürger in Asien leiden an Nierensteinen. Diese wirken sich jedoch nicht nur negative auf die Lebensqualität aus. Sie können langfristig auch zu Infektionen, einem Anschwellen der Nieren und sogar einer Niereninsuffizienz führen.

Verarbeitete Lebensmittel

Zugesetzte Zucker sind in vielen verarbeiteten Lebensmitteln enthalten. Besonders reichlich finden sie sich jedoch in gesüßten Limonaden, Fruchtgetränken, Süßigkeiten, Eis, Kuchen und Keksen. Die Erhebung unter der Leitung von Shan Yin kommt zu dem Schluss, dass ein Einschränken der Aufnahme von Zucker dabei helfen könnte, die Entstehung von Nierensteinen zu verhindern.

Für die aktuelle Studie haben die Forscher die epidemiologischen Daten von 28.303 erwachsenen Frauen und Männern analysiert. Sie wurden zwischen 2007 und 2018 im Rahmen der US National Health and Nutrition Examination Survey gesammelt. Dabei machten die Teilnehmer auch Angaben dazu, ob sie bereits eine Vorgeschichte mit Nierensteinen hatten. Bei jeder Person wurde die tägliche Aufnahme von zugesetztem Zucker entsprechend ihrer Erinnerung der am kürzesten zurückliegenden Aufnahme geschätzt.

Diese Infos sammelten die Experten zum einen mittels persönlichen Interviews und zwischen drei und zehn Tagen später mittels eines Telefon-Interviews. Gefragt wurde unter anderem danach, ob Sirup, Honig, Dextrose, Fruktose oder reiner Zucker in den vergangenen 24 Stunden konsumiert worden war. Jeder Teilnehmer erhielt auch einen sogenannten „Healthy Eating Index Score“ (HEI-2015). Dieser bewertet ihre Ernährung in Hinblick auf die ausreichende Aufnahme von vorteilhaften Bestandteilen wie Obst, Gemüse und Vollkorn sowie die Mäßigung bei möglicherweise schädlichen Lebensmitteln wie raffiniertem Getreide, Natrium und gesättigten Fetten.

Zuckermenge steuert Risiko

Zu Beginn der Studie traten bei Teilnehmern, die mehr zusätzlichen Zucker zu sich nahmen, häufiger Nierensteine auf. Ihr HEI-Wert war niedriger und auch ihr Bildungsgrad. Insgesamt lag die mittlere Aufnahme von zusätzlichen Zuckern bei 272,1 Kalorien pro Tag. Das entspricht 13,2 Prozent der gesamten täglichen Energiezufuhr. In der Folge konnten die Forscher einen eindeutigen und konsistenten Zusammenhang zwischen dem Konsum von zusätzlichem Zucker und Nierensteinen nachweisen.

Bei Teilnehmern, deren Aufnahme von zusätzlichem Zucker zu den 25 höchsten Prozenten der Bevölkerung gehörte, war während der Laufzeit der Studie die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Nierensteinen um 39 Prozent höher. Teilnehmer, die mehr als 25 Prozent ihrer gesamten Energiezufuhr über zugesetzten Zucker abdeckten, hatten eine um 88 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit einer Erkrankung als jene Personen, bei denen dieser Wert nur bei fünf Prozent lag. Details wurden in „Frontiers in Nutrition“ veröffentlicht.

Quelle: Moritz Bergmann/pressetext.redaktion




Zu viel Zucker, Fett und Salz in Kinderprodukten

Bundesernährungsminister Cem Özdemir stellt wissenschaftliches Produktmonitoring vor

In Fertigprodukten stecken noch immer zu viel Zucker, Fette und Salz. Dies gilt auch für Produkte mit Kinderoptik, die teilweise sogar mehr Zucker oder Fett enthalten als vergleichbare Produkte ohne Kinderoptik. Das ist das Ergebnis eines Sonderberichts zu Produkten mit Kinderoptik auf Grundlage der unabhängigen, wissenschaftlichen Untersuchungen des Max-Rubner-Instituts (MRI) der letzten Jahre sowie des Produktmonitorings 2022 für das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), für das rund 7.000 Produkte untersucht wurden.

Wie das Produktmonitoring aus dem Herbst 2022 zeigt, sind die Zuckergehalte trotz Reduktionen bei bestimmten Lebensmitteln in gesüßten Milchprodukten, Frühstückscerealien und Erfrischungsgetränken sowie die Salz- und Fettgehalte in Suppen, Eintöpfen und Instantgerichten weiterhin hoch. Mit einem wissenschaftlichen Produktmonitoring dokumentiert das MRI regelmäßig die Veränderungen der Energie- und Nährstoffgehalte in den relevanten Lebensmittelgruppen und überprüft damit die Reduktionsbemühungen der Lebensmittelwirtschaft.

Zuckergehalt hat sich in den vergangenen fünf Jahren kaum verändert

Wie die vertiefte Auswertung des Zuckergehalts von gesüßten Erfrischungsgetränken mit Kinderoptik zeigt, hat sich in den vergangenen fünf Jahren kaum etwas verändert. Im Gegenteil: Die besonders zuckerhaltigen Kindergetränke sind sogar noch zuckriger geworden. Seit 2019 ist das obere Viertel der Zuckergehalte von 7,4 g/100ml auf 8,4 g/100ml gestiegen. Das entspricht umgerechnet fast sechs Zuckerwürfeln in einem üblichen 200ml-Trinkglas.

Frühstückscerealien für Kinder enthalten mit 17 g Zucker pro 100 g im Durchschnitt sogar mehr Zucker als der Durchschnitt aller Frühstückscerealien (14,7g/100g). So entspricht der durchschnittliche Zuckergehalt von Flakes mit Kinderoptik beispielsweise mehr als vier Zuckerwürfeln in 100 g. Die Daten des Max Rubner-Instituts zeigen darüber hinaus, dass deutlich weniger als die Hälfte der einbezogenen Produkte mit Kinderoptik die Kriterien des aktuellen Nährwertprofil-Modells der Weltgesundheitsorganisation erfüllen.

„Jedes Kind in Deutschland soll die Chance haben, gesund aufzuwachsen“

Dazu sagt Bundesernährungsminister Cem Özdemir: „Egal ob gesüßte Erfrischungsgetränke oder Frühstücksflocken: Der Zuckergehalt in Lebensmitteln für Kinder ist immer noch zu hoch. Bei den Getränken ist er sogar teilweise gestiegen. Gerade in den Flakes mit lustiger und bunter Kinderoptik steckt oft mehr Zucker als in vergleichbaren Produkten für Erwachsene. Und leider ist es auch so, dass die Produkte, die besonders viel Zucker, Fette und Salz enthalten, uns oftmals besonders gut schmecken – und auch dazu verleiten, mehr davon zu essen, als es gut für uns ist. Jedes Kind in Deutschland soll die Chance haben, gesund aufzuwachsen – und zwar unabhängig von dem Einkommen der Eltern, der Bildung oder der Herkunft. Deshalb kämpfe ich für einen besseren Kinderschutz und gute Ernährung. Gerade im Kindesalter wird das Ernährungsverhalten entscheidend für das weitere Leben geprägt.“

Prof. Pablo Steinberg, Präsident des Max Rubner-Instituts, ergänzt: „Von Beginn an stehen beim Produktmonitoring die Lebensmittel mit Kinderoptik im Fokus. Dies ist uns deshalb so wichtig, weil schon bei den Jüngsten durch ungünstige Ernährung die Grundlage für spätere ernährungsmitbedingte Erkrankungen gelegt wird.“

Sogar mehr Energie, Zucker oder Fett als in vergleichbaren Produkte

Für eine breite Datengrundlage zu an Kinder gerichteten Produkten wurden für eine Sonderauswertung auch frühere Erhebungen des Monitorings anderer Produktgruppen mit Kinderoptik erfasst. Hier zeigt sich, dass die erzielten Veränderungen bei den Energie- und Nährstoffgehalten bisher noch nicht ausreichen, um zu einer deutlichen Reduktion der durchschnittlichen Zucker-, Fett-, Salz- und Energieaufnahme bei Kindern beizutragen. In folgenden Fällen enthielten Produkte mit Kinderoptik sogar mehr Energie, Zucker oder Fett als vergleichbare Produkte ohne Kinderoptik bzw. die Gesamtstichprobe:

  • Kinder-Frühstückscerealien: Höherer medianer Zuckergehalt bei bestimmten Flakes und Knuspererzeugnissen (2022)
  • Kinder-Waffelgebäck: höchster medianer Fettgehalt (2021)
  • Müsliriegel für Kinder: Höherer medianer Zuckergehalt als bei allen anderen Müsliriegeln (2020)
  • Nudelsoßen für Kinder: höchster medianer Zuckergehalt unter den Nudelsoßen (2021)
  • panierte, vorgegarte Geflügelprodukte mit Kinderoptik: höherer medianer Energie- und Fettgehalt als bei den meisten vergleichbaren Produkten (2020)
  • Kinder-Salami: höherer medianer Energie- und Fettgehalt als bei allen anderen (außer Snack-Salami) (2020)
  • Reguläre Erfrischungsgetränke mit Kinderoptik: Höherer medianer Zuckergehalt als bei vergleichbaren Produkten (2022)

BundesernährungsministerCem Özdemir: „Fertigprodukte für Kinder und Erwachsene müssen gesünder werden. Wer viel davon isst, erhöht sein Risiko für schwerwiegende Folgen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes Typ 2 oder Adipositas. Die Unternehmen haben es selbst in der Hand, Rezepturen zu verbessern. Mir ist wichtig, dass nun zügig wissenschaftlich fundierte Reduktionziele entwickelt werden.“

Wie hoch die Reduktionsziele in den einzelnen Lebensmittelgruppen ausfallen können, soll auf der Grundlage eines vom Max Rubner-Institut koordinierten Beteiligungsprozesses ermittelt werden. Hier soll zunächst mit Expertinnen und Experten aus der Wissenschaft eine Methodik zur Ableitung von wissenschaftlich fundierten und auf Zielgruppen abgestimmten Reduktionszielen entwickelt werden. Anschließend werden möglichst konkrete Reduktionsziele erarbeitet.

Die Zusammenfassung des Sonderberichts zu Produkten mit Kinderoptik sowie Informationen zur Nationalen Reduktions- und Innovationsstrategie für Zucker, Fette und Salz in Fertigprodukten finden Sie hier.

Alle Ergebnisse des Produktmonitorings finden Sie detailliert unter diesem Link.




Zucker in Kinderlebensmitteln

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ÖKO-Test: Dreiste Werbung auf viel zu süßen Kinderlebensmitteln

ÖKO-TEST hat 40 Kinderlebensmittel unter die Lupe genommen und hat Anlass zu scharfer Kritik: Viele Babybreie, Cerealien oder Milchprodukte werben mit bunten Comicfiguren und machen auf gesund. Dabei enthalten die meisten Produkte viel zu viel Zucker. Negativer Spitzenreiter im Test: die Kellogg’s Frosties mit 37 Prozent Zucker.

Immer mehr Kinder leiden an Übergewicht und Krankheiten wie Typ-2-Diabetes.

Das nimmt ÖKO-TEST zum Anlass, den Zuckergehalt in Kinderlebensmitteln sowie die Werbung auf den Verpackungen zu bewerten. Im Test: Babybreie, Quetschies, Baby- und Kinderkekse, Cerealien, Ketchups und Tomatensaucen sowie Milchprodukte. Fast alle Produkte sind für Eltern und Kinder besonders ansprechend gestaltet und vermitteln den Eindruck, speziell auf die Bedürfnisse der Kleinen zugeschnitten zu sein. Das Ergebnis zeigt, dass die Aufmachung täuscht: In 29 von 40 Produkten ist der Zuckergehalt aus ÖKO-TEST-Sicht „zu hoch“. Auf insgesamt 33 Produkten bewertet ÖKO-TEST die Werbung als „problematisch“. 

Häufig tricksen die Hersteller auf Kosten der Kinder.

Aussagen wie „weniger Zucker“, „ohne Zuckerzusatz“, „Süße nur aus Früchten“ oder „mit viel guter Milch“ sind aus Sicht der Verbraucherschützer angesichts der hohen Zuckergehalte völlig unangebracht. „Viele der getesteten Produkte sind alles andere als gesund, auch wenn etwas anderes suggeriert wird. Dass die Industrie Kinder in der Werbung mit kindgerecht gestalteten Zuckerbomben ansprechen darf – damit muss endlich Schluss sein“, sagt ÖKO-TEST Chefredakteurin Kerstin Scheidecker.

Die Frankfurter Verbraucherschützer orientieren sich bei ihrer Bewertung am Nährwertprofil-Modell der WHO-Europa, das unter anderem Zucker-Höchstgehalte für verschiedene Lebensmittelgruppen vorsieht und Kindermarketing im Falle einer Überschreitung missbilligt. Für Frühstückscerealien liegt die WHO-Kinder-Werbegrenze bei 15 Milligramm pro 100 Gramm. 

Die Kellogg’s Frosties mit dem freundlichen Tiger enthalten mehr als das Doppelte und damit mehr Zucker als alle anderen Testprodukte: 37 Gramm Zucker pro 100 Gramm Cerealien. Mit einer 40-Gramm-Portion Frosties haben Kinder zwischen 1 und 3 Jahren bereits 99 Prozent der Zuckermenge zu sich genommen, die die WHO für den ganzen Tag toleriert. Es geht aber auch anders: Das Dm Bio Knuspermüsli für Kinder enthält 8,5 Gramm Zucker pro 100 Gramm, was pro Portion 23 Prozent der täglich tolerierten Zuckermenge entspricht – „in Ordnung“ lautet hier das ÖKO-TEST-Urteil.

Eltern unterschätzen den Zuckergehalt

 Eine Studie des Max-Planck-Instituts von 2018 zeigt, dass Eltern den Zuckergehalt in den Lebensmitteln ihrer Kinder massiv unterschätzen. Laut der DONALD-Studie des Forschungsinstituts für Kinderernährung (FKE) decken sechs- bis zehnjährige Kinder ihre Energiezufuhr zu mehr als 17 Prozent über zugesetzten Zucker – höchstens zehn Prozent sind eigentlich empfohlen. Bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist es sogar noch mehr. Die Folge: 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen in Deutschland gelten heute als übergewichtig, sechs Prozent sogar als fettleibig. 

Alle getesteten Kinderlebensmittel und weitere Informationen finden Sie in der Märzausgabe des ÖKO-TEST Magazins und auf der Website oekotest.de/13567




Die freiwillige Zuckerreduktion in Softdrinks gelingt offenbar kaum

Studie der Deutschen Allianz Nichtübertragbare Krankheiten zeigt ernüchternde Bilanz

Der durchschnittliche Zuckergehalt von Softdrinks in Deutschland ist in den Jahren 2015 bis 2021 lediglich um etwa zwei Prozent gesunken. Das zeigt eine Studie der Deutschen Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK) in Zusammenarbeit mit Wissenschaftler:innen der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) und der Technischen Universität München (TUM), die heute in der Fachzeitschrift „Annals of Nutrition and Metabolism“ erschienen ist. Der Studie zufolge ist die Getränkeindustrie nicht auf Kurs, die selbst gesteckten Ziele zur Zuckerreduktion zu erreichen. Im Rahmen der Nationalen Reduktionsstrategie des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) ist vereinbart, den Zuckergehalt von Softdrinks von 2015 bis 2025 auf freiwilliger Basis um 15 Prozent zu senken.

„Die freiwillige Zuckerreduktion bei Softdrinks kommt nicht voran. Wenn sich der Trend so fortsetzt, würde das Ziel ‚15 Prozent weniger Zucker‘ erst in Jahrzehnten erreicht“, resümiert Oliver Huizinga, Co-Autor der Studie und politischer Geschäftsführer der Deutschen Adipositas-Gesellschaft (DAG). „So viel Zeit haben wir nicht! Bundesernährungsminister Cem Özdemir ist gut beraten, die Strategie seiner Vorgängerin nicht fortzuführen“, so Huizinga.

Treiber für Adipositas und Diabetes

„Zuckergetränke gelten als wesentlicher Treiber für Adipositas und Diabetes“, sagt Barbara Bitzer, Sprecherin von DANK und Geschäftsführerin der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG). „Appelle an die Industrie reichen nicht aus. Die Regierung muss endlich effektive Maßnahmen ergreifen, damit der Zuckergehalt in Softdrinks deutlich zurückgeht“, fordert Bitzer.

„Unsere Daten zeigen nicht nur ein langsames Reduktionstempo in Deutschland – sie zeigen auch, wie es anders geht. In Großbritannien ist der Zuckergehalt im gleichen Zeitraum um knapp 30 Prozent gefallen, bei ähnlichen Ausgangswerten“, ergänzt Dr. Peter von Philipsborn, Hauptautor der Studie und Wissenschaftler am Lehrstuhl für Public Health und Versorgungsforschung der LMU. „Großbritannien hat 2018 eine Hersteller-Abgabe auf Softdrinks eingeführt, um die Hersteller zu einer Zuckerreduktion zu bewegen. Dieser Ansatz hat sich als sehr wirkungsvoll erwiesen“, sagt Philipsborn.

Nationale Reduktionsstrategie von Julia Klöckner

Die damalige Bundesernährungsministerin Julia Klöckner hatte im Jahr 2018 die „Nationale Reduktionsstrategie“ für Fertiglebensmittel ins Leben gerufen. In diesem Rahmen hat sich die Getränkeindustrie freiwillig dazu verpflichtet, den absatzgewichteten Zuckergehalt von Softdrinks im Zeitraum 2015 bis 2025 um 15 Prozent zu reduzieren. Die aktuelle Studie zeigt, dass die Industrie bislang deutlich hinter diesem Ziel zurückbleibt. Rechnerisch hätte von 2015 bis 2021 eine Reduktion um neun Prozent erfolgen müssen, um auf Kurs zu sein.

Der Studie zufolge lag der durchschnittliche absatzgewichtete Zuckergehalt von Softdrinks in Deutschland im Jahr 2015 bei 5,3 Gramm je 100 Milliliter und im Jahr 2021 bei 5,2 Gramm je 100 Milliliter. Zum Vergleich: In Großbritannien ist der Zuckergehalt im gleichen Zeitraum von ebenfalls 5,3 Gramm je 100 Milliliter auf 3,8 Gramm je 100 Milliliter gesunken. Die britische Regierung hatte 2018 eine Hersteller-Abgabe auf stark gezuckerte Getränke eingeführt, um den Zuckergehalt in Softdrinks zu senken.

Abgabe oder Steuer auf Zuckergetränke zeigen Erfolge im Ausland

Weltweit haben mittlerweile mehr als 50 Regierungen eine Abgabe oder Steuer auf Zuckergetränke eingeführt. Medizinisch-wissenschaftliche Fachgesellschaften, die Weltgesundheitsorganisation, Verbraucherschützer und auch Krankenkassen empfehlen seit Jahren die Einführung einer entsprechenden Regelung auch in Deutschland. Das Bundesernährungsministerium hatte im Mai 2022 gegenüber der Lebensmittelzeitung angegeben, auf neue Erkenntnisse aus der Forschung zu warten und diese in die „Positionierung bezüglich einer möglichen Einführung einer Zuckersteuer in Deutschland“ einzubeziehen.

Für die aktuelle Studie haben die Autor:innen Daten des Marktforschungsinstituts Euromonitor International ausgewertet, das als führend in der Marktforschung für Verbrauchermärkte gilt. In die Daten von Euromonitor fließen Unternehmensberichte, offizielle Statistiken, Markterhebungen und Schätzungen von Branchenexpert:innen ein.

Die Studie wurde finanziert aus Mitteln des Berufsverbands der Kinder und Jugendärzte (BVKJ), der Deutschen Adipositas Gesellschaft (DAG), der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG), der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM), der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ), der Deutschen Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention (DGSMP), der Deutschen Herzstiftung, der LMU und des Verbands der Diabetes-Beratungs- und Schulungsberufe in Deutschland (VDBD).

Originalpublikation

Direktlink zur aktuellen Studie in der Fachzeitschrift „Annals of Nutrition and Metabolism“ (abstract, Englisch – Volltext als PDF): https://www.karger.com/Article/Abstract/529592

Michaela Richter/Deutsche Allianz Nichtübertragbare Krankheiten




„Diese Werbung macht Kinder nachweisbar krank!“

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Die Stiftung Kindergesundheit warnt vor Reklame für süße, fette und salzige Lebensmittel für Kinder

Die meisten beworbenen Produkte für Kinder enthalten laut der Stiftung Kindergesundheit zu viel Zucker, Fett oder Salz und fördern dadurch langfristig Krankheiten wie Bluthochdruck, Schlaganfall, Herzinfarkt und Diabetes Typ 2.

„Für Kinder und Jugendliche ist eine ausgewogene Ernährung für Wachstum, Entwicklung, Leistungsfähigkeit und langfristige Gesundheit besonders wichtig“, unterstreicht Kinder- und Jugendarzt Professor Dr. Dr. Berthold Koletzko, Stoffwechselspezialist der Universitätskinderklinik München und Vorsitzender der Stiftung Kindergesundheit. „Gesund zu essen lernt man als Kind: In den jungen Jahren werden all die Gewohnheiten etabliert, die im späteren Alter die Vorlieben für die Auswahl von Speisen und Getränken prägen. Die von unterschiedlichen Medien tagtäglich auf die Kinder einprasselnden Werbebotschaften fallen leider auf fruchtbaren Boden: Sie nehmen nachweislich Einfluss auf die Ernährungsgewohnheiten und Produktvorlieben von Kindern und Jugendlichen und können so deren spätere Gesundheit nachteilig beeinträchtigen“.

Gimmicks und Comicfiguren ködern Kinder

Eines der Zauberworte, mit dem Eltern und Kinder zum Einkauf und Konsum der Produkte der Lebensmittelindustrie verführt werden, heißt „Kinderoptik“, berichtet die Stiftung Kindergesundheit. Eine „Kinderoptik“ haben Produkte, auf die mindestens eines der folgenden Kriterien zutrifft:

• Der Produktname „Kind“, „Kinder“ bzw. „Kids“ oder Kinder ansprechende Produktnamen wie „Schoko Bären“;
• eine die Kinder ansprechende optische Gestaltung der Verpackung, zum Beispiel mit der Darstellung von lachenden Tieren oder Comicfiguren;
• eine Kinder ansprechende optische Gestaltung des Produkts oder einzelner Zutaten, z. B. Cerealien in Form von Bären oder Buchstaben;
• an Kinder oder Eltern gerichtete Botschaften auf den Verpackungen wie z. B. „Für Ihre Kleinen“, Hinweise auf Spiele oder Lerneffekte oder „Gimmicks“ (Zugaben) in der Packung wie z. B. Sammelbilder oder Spielzeug.
• Bei jedem Gang durch einen Supermarkt stößt man unweigerlich auf mehr oder weniger aufdringliche „Kinderoptik“, berichtet die Stiftung Kindergesundheit: Sie findet sich auf fast jeder fünften Joghurtzubereitung, auf Getränken mit Früchten, Milch oder Schokolade, auf Müsli, Cornflakes oder Frühstücksbreien.

Ist „Kinderoptik“ eine Garantie für gesunde Inhalte? Weit gefehlt, zeigt der Blick ins Joghurtregal: Ausgerechnet die Joghurtzubereitungen mit Kinderoptik haben mit 14 Gramm Zucker pro 100 Gramm einen höheren medianen Zuckergehalt als die meisten vergleichbaren Erzeugnisse, ergab eine Untersuchung des Max Rubner-Instituts (Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel).

Harte Fakten statt süßer Verführung

Zur Dokumentation der negativen Folgen der Werbung für die Gesundheit der Kinder hat die Stiftung Kindergesundheit ein Faktenblatt über die aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse zusammengestellt und veröffentlicht. Hier eine kurze Auswahl der wichtigsten Fakten:

• Dass die an Kinder gerichtete Werbung tatsächlich wirkt, ist bereits seit langem gut belegt. Eine 2006 veröffentlichte Analyse der wissenschaftlichen Daten durch das US-amerikanische „Institute of Medicine“ ermittelte: Die Werbung für bestimmte Produkte führte nachweislich zu einer Erhöhung des Verzehrs dieser Produkte bei 2- bis 11-jährigen Kindern und ist mit gehäufter Adipositas bei 2- bis 18-jährigen Kindern und Jugendlichen assoziiert. Die Studie ergab zudem, dass Kinder bis zum Alter von etwa 4 Jahren nicht klar zwischen Programm und Werbung unterscheiden und bis etwa 8 Jahren dem verführenden Charakter von Werbung kaum widerstehen können.
• Der „Kindergesundheitsbericht 2022“ der Stiftung Kindergesundheit zeigt einen erheblichen Verbesserungsbedarf bei der Lebensmittel- und auch der Nährstoffzufuhr der Kinder und Jugendlichen. Heranwachsende verzehren zu wenig Obst, Gemüse und Getreideprodukte, aber hohe Mengen an Fleisch und Wurst, gesättigten Fetten und Salz. Besonders besorgniserregend ist ein weitaus zu hoher Zuckerverzehr aus Speisen und Getränken.
• Bei Kindern und Jugendlichen in den Industrieländern ist der Verzehr hochverarbeiteter Lebensmittel im Laufe der letzten zwei Jahrzehnte deutlich angestiegen, von 61,4 auf 67 Prozent der Energiezufuhr, mit einem besonders starken Anstieg des Konsums von Fertigmahlzeiten (von 2,2 auf 21,2 Prozent der Energiezufuhr). Solche hochverarbeiteten Lebensmittel haben im Mittel eine deutlich schlechtere Nährstoffzusammensetzung als nicht oder wenig verarbeitete Lebensmittel. So enthält eine Fertigpizza beispielsweise bis zu 14 Gramm Zucker (5 Würfelzucker), 20-30 Gramm ungünstige Fette, 2-4 Gramm Salz (empfohlen sind maximal 6 Gramm täglich) und insgesamt wesentlich mehr Kalorien als die selbstgemachte Variante.
• Die Europäische Union hat in ihrer Richtlinie zu Audiovisuellen Medien 2018 und in ihrem Plan zur Bekämpfung der Krebserkrankungen 2021 die Mitgliedsstaaten aufgefordert, Produktplatzierungen in Nachrichtensendungen, Sendungen zum aktuellen Zeitgeschehen, Verbraucherschutzsendungen, religiösen Sendungen und Kindersendungen zu unterbinden. Betont wird die Wichtigkeit des Verbotes von Produktplatzierung in Kindersendungen, weil Produktplatzierung und Werbung das Verhalten von Kindern beeinflussen können und Kinder oft nicht in der Lage sind, den kommerziellen Inhalt zu erkennen.
• Freiwillige Maßnahmen zur Begrenzung der an Kinder gerichteten Werbung, wie der sogenannte „EU Pledge“ einiger großer Lebensmittel- und Getränkehersteller, zeigen keine ausreichende Wirkung. So zeigte eine von Foodwatch und der Stiftung Kindergesundheit im Jahr 2021 vorgestellte Untersuchung, dass von 283 in deutschen Fernsehsendern an Kinder beworbenen Produkten 85,5% ungesunde Lebensmittel und Getränke waren. Entsprechend fordern ebenso wie die Stiftung Kindergesundheit auch führende medizinisch-wissenschaftliche Fachgesellschaften, die in der Deutschen Allianz Nichtübertragbare Krankheiten zusammenarbeiten, zum Schutz von Kindern ein Fernsehwerbeverbot für ungesunde Lebensmittel.
• Die Auswertung der Daten von 76 Untersuchungen belegte eindeutig die schädlichen Wirkungen der an Kinder und Jugendliche gerichteten Lebensmittelwerbung auf die Bevorzugung und den Verzehr der im Fernsehen oder auf der Verpackung für Kinder beworbener Produkte.

„Wir wissen, dass die von der Werbung beeinflussten Essgewohnheiten die Gesundheit von Kindern dauerhaft nachteilig prägen“, sagt Prof. Dr. Berthold Koletzko. „Deshalb fordern wir Kinder- und Jugendärztinnen und -ärzte schon seit langem, die an Kinder und Jugendliche gerichtete Werbung wirksam zu beschränken. Die allermeisten beworbenen Produkte sind unausgewogen und fördern langfristig ernährungsbedingte Krankheiten wie Bluthochdruck, Schlaganfall, Herzinfarkt, Diabetes Typ 2 und einige Arten von Krebs. Die Stiftung Kindergesundheit unterstützt daher die Bemühungen von Bundesminister Özdemir für eine konsequente Begrenzung der an Kinder und Jugendliche gerichteten Werbung für ungesunde Lebensmittel und Getränke. Denn die Datenlage zeigt glasklar: Diese Werbung macht Kinder krank!“

Giulia Roggenkamp/Stiftung Kindergesundheit