Wie Kinder die Welt entdecken

Kinder eignen sich die Welt im Spiel an… und dafür brauchen sie Zeit

Das Kind will sich schon vor der Geburt und dann vom ersten Lebenstag an durch Bewegungen ausdrücken und bald will es alles, was es sieht und was von Interesse ist, wie ein Forscher neugierig mit den Händen und Sinnen

  • wahrnehmen und erkunden,
  • ergreifen und begreifen,
  • erfassen und erkennen.

All das will es in seiner Lebensform oder in seinem Lebensmittelpunkt SPIEL.

Neugierig forschen

Als heilpädagogisch orientierter Erziehungswissenschaftler habe ich in vielen Jahren gelernt, dass zu unserem Beruf vor allem die Neugier auf das noch Unbekannte, noch nicht Erklärbare gehört. Diesem neugierigen Forschen reicht ein Verständnis von Wissenschaft, das sich auf die Welt der Zahl und des Messbaren bezieht, nicht aus. Das wäre eine Einengung des Denkens und Erkennens auf Fakten, auf Feststell- und Beweisbarer. Doch über die gezählten und gemessenen Dinge hinaus gibt es etwas Lebendiges, das wahrzunehmen ist. Dieses Forschen, das wir bei Kindern beobachten, setzt eine kreative Lebenseinstellung und eine offene Erwartungshaltung voraus. Es überwindet die Welt der Quantität und wendet sich der Welt der Qualität zu. Diese Welt der Qualität zeigen Kinder den wissenschaftlichen Forschern.

Wie eignet sich das forschende Kind die Welt im Spiel an?

Malen ganz allgemein

Das Kind will sich aus eigener Kraft die Welt aneignen, zum Beispiel beim Malen mit körpereigenen Mitteln: Großflächiges Malen mit Fingern auf großem Papier (Packpapier) mit der Fingerfarbe Schultempera und Kleister (Kleister gleichmäßig verteilen und Farbe hinzufügen; Farbe direkt in den Kleister rühren oder mit den Fingern aufnehmen) erleben besonders Kinder mit körperlichen und kognitiven Beeinträchtigungen sowie Kinder mit Autismus: Sie sind fähig Spuren zu hinterlassen und Strukturen zu bilden und sehen sich als Gestalter ihrer Welt. Und sie lernen sich als Person zu erleben, die zur Welt und zu anderen Menschen einen eigenen Standpunkt beziehen kann.

Konkrete Malübungen

Bei diesen spielbetonten und rhythmischen Malübungen wird die Finger- und Handmotorik der Kinder weiter ausgebildet, die Bewegungsabläufe werden koordiniert und durch taktil- kinästhetische Erfahrungen wird ihre Sensibilität gefördert. Auch beim freien oder an Aufgaben gebundenen Gestalten mit Wachsmalkreiden werden feinmotorische Fähigkeiten (Finger- und Handfertigkeiten) geübt. Und beim Malen der eigenen Bewegungen (Kreis- und Drehbewegungen) lassen sich ausgeführte Bewegungen sichtbar machen. Kinder mit schwerer Behinderung können diese basalen Bewegungsmuster einüben. Und als rhythmische sprachbegleitende Übung kann die Bewegung der Finger, Hände und Arme in Farbspuren umgesetzt werden. Besonders Kinder mit starken Beugespasmen in den oberen Extremitäten werden durch Fingermalerei und Malen mit Wachsmalkreiden deutlich lockerer und entspannter.

Mit Papier üben

Für vielseitige Übungen der Finger- und Handfertigkeit (im Sinne feinmotorischer oder sensomotorischer Übungen und Übungen der Augen-Hand-Koordination) bietet sich vor allem Papier in verschiedenen Größen, Farben und Stärken an:

  • Papier reißen,
  • Papier schneiden (freier oder gebundener Schneiden/Ausschneiden), Papier falten,
  • Papier kleben (bunter Papier frei oder in Vorlagen/Rahmen zu einem Bild kleben) oder
  • Papier zuordnen (nach Farbe, Form und Größe).

Plastisches Gestalten

Auch das plastische Gestalten mit Knetmasse, Ton, Tonschlamm oder Tonklumpen ermöglicht viele Übungen: Vom Klumpen Teile abzupfen und sie zu einem Gegenstand (Haus, Baum, Schneemann) umwandeln. Durch Greifen, Festhalten und Loslassen (Verarbeiten zu einem Bau- oder Kunstwerk) werden nicht nur Feinmotorik und Augen-Hand-Koordination weiterentwickelt. Auch das Wollen, Denken und Fühlen, die Vorstellung, das Sprechen/die Sprache, das Gedächtnis, die Fantasie und Kreativität sowie die sozialen Kompetenzen werden in Sinnzusammenhängen geübt. Das Kind setzt sich bei diesen Aktivitäten mit der Wirklichkeit auseinander, kurz: es gestaltet seine Welt.

Besonders das Kind mit einer Wahrnehmungsstörung oder Beeinträchtigung seines Sehens (hochgradig sehbehindert oder blind) spürt den Widerstand des Gegenstandes, zum Beispiel des Tonklumpens in seinen Fingern und Händen. Mit ihm kann es, auch mit Führungshilfe, etwas formen und gestalten. Durch diese Aktivitäten wird ihm der Gegenstand zunehmend vertrauter: Es übt seine Finger- und Handmotorik und seine Sinnestätigkeit, es erkennt das Gespürte und erlebt sich als Person, die mit „Herz, Hand und Kopf“ (Pestalozzi) in der Wirklichkeit selbst etwas bewirken, verändern und gestalten kann (Krenz/Klein 2013, 182 ff.).

Diese Aneignung der Welt geschieht im Spiel.

Auf das Spiel als Lebensform der Kinder achten

Spiel ist keine Spielerei

Das Spiel wird häufig als überflüssiger und zu vernachlässigender Zeitvertreib, als Spielerei gesehen. Immer seltener sind sich Eltern – und auch vermehrt Fachkräfte – der Tatsache bewusst, dass Kinder in bindungsstarken Spielsituationen alle Fähigkeiten für ihr Leben aufbauen (könnten), die sie später einmal für eine aktive, kreative und selbstbewusste Lebensgestaltung brauchen.

Spiel dient der Persönlichkeitsentwicklung

Forschungsergebnisse aus den letzten drei Jahrzehnten zeigen übereinstimmend, dass das Spiel als Vorstufe und Nährboden für einen darauf aufbauenden Erwerb schulischer und beruflicher Fähigkeiten zu gelten hat und von entscheidender Bedeutung für die Persönlichkeitsentwicklung eines Kindes ist. Neurobiologen haben gezeigt, dass durch Spielen viele unterschiedliche Regionen der menschlichen Gehirns aktiviert werden, weil Kinder ihre ganze Aufmerksamkeit auf die Erlebnisse des Schauens und Betrachtens, des Hörens, Fühlens und Begreifens ausrichten und dabei ihre Fantasie nutzen, um sich Ereignisse selbst zu verdeutlichen, diese mit einer bunten Gedankenvielfalt ausschmücken, Ziele definieren und Strategien für eine Spielhandlung entwickeln.

Neugieriges Handeln von Beginn an

Kinder bringen ein außergewöhnlich großes Interesse für ihr Umfeld und ein hohes Neugierverhalten mit auf die Welt. Durch die alltäglichen Sinnesreize werden Interesse und Aufmerksamkeit für die „Welteindrücke“ aktiviert. Interessant sind alle Dinge, die sich bewegen, die Töne erzeugen, die sich anfassen lassen, die intensiv riechen oder zu schmecken sind. Dabei merken Kinder, dass man mit diesen Dingen etwas tun kann. Aus dieser neugierigen Handlung (Was geschieht dort? Wozu ist das da? Was kann ich damit anfangen?) entwickelt sich nach und nach eine aktiv gestaltete Spielhandlung, die sich aus unendlich vielen Einzeltätigkeiten im Dialog mit sich selbst, mit dem Anderen und dem Bildungsgegentand zusammensetzt.

Spielen entsteht also aus eng miteinander vernetzten Erfahrungshandlungen mit den eigenen Körperteilen, mit Gegenständen unterschiedlichster Art und vor allem in einer angenehm erlebten Beziehungsatmosphäre. Im Spiel eignen sich Kinder ganz nebenbei – je nach Spielform, Spielart, Spielinteresse und Spielverlauf – ein lebendiges, räumliches, kreatives, physikalisches, naturwissenschaftliches und mathematisches Wissen an (Klein 2018, 141 ff.).

Spiel darf nicht funktionalisiert werden!

Echtes Spielinteresse zeigen

Die Frage, wie Erwachsene Kinder zum Spiel(en) motivieren können, ist ganz einfach zu beantworten. Zunächst sollten Erwachsene von Anfang an ein authentisches Interesse an den Tätigkeiten der Kinder empfinden und ihnen helfen in Spielsituationen hineinzufinden, sie als aktiver Spielpartner anschließend viel spielen zu lassen, weil das Spiel dann besonders interessant wird! Dabei ist noch eines wichtig: Im Vordergrund des Spiels darf nie ein Förder- oder Schulungsgedanke stehen. Damit würde jedes Spiel funktionalisiert werden – eine Tatsache, die leider in vielen Kitas in immer stärkerem Maße zu beobachten ist. Der Zweck des Spiels liegt in

  • der Spannung,
  • der Freude,
  • der Aufregung,
  • den vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten

und nicht in einer „Konzentrationsübung“, in der „Schulung der Grobmotorik“ oder im Aufbau „sozialer Kompetenzen“.

Weniger ist mehr

Die pädagogische Fachkraft kann Bedingungen für das Spiel(en) schaffen: Manche Kinder haben schon soviel Spielmittel bzw. Spiel„zeug“, dass ihr Kinderzimmer einem vollgestopften Warenlager gleichkommt. Dasselbe ist in manchen Kitas zu beobachten. Zu viele Spielmittel hemmen das Kind in sein individuelles Spielverhalten einzusteigen. Von Zeit zu Zeit sollte daher in den Gruppenräumen ebenso wie im Kinderzimmer das Spielmittelangebot überprüft werden.

Bewährte Spielmittel sollten eher ergänzt werden als immer neuartige Spielmittel hinzuzufügen, damit Kinder bei einer Spielgeschichte bleiben können! Statt neuer Spielmittelkäufe eignen sich mitunter unterschiedlichste Gegenstände der Erwachsenenwelt, von stabilen Kartons über Rohre, Stoffe und alte Geräte bis hin zu Brettern und Dosen und Utensilien zum Verkleiden. Je intensiver solche Alltagsgegenstände ins Spiel mit einbezogen werden, desto weniger sind Kinder auf ständig neuer Spielzeug fixiert.

Kinder wollen und müssen spielen (dürfen)

Viele Spielmittel haben sich im Laufe der letzten Jahre verändert. Doch Kartenspiele, Quartetts und Sammelkarten gab er ebenso wie heute und Ritterburgen von damals haben sich heute zu hochgerüsteten galaktischen Weltraumstationen gewandelt. Auch Barbie gab er schon – nur nicht in dieser Auswahl und Vielfalt. Rollenspiele und Kartenspiele wurden damals ebenso gespielt wie Konstruktionsspiele – was damals als „Stabilbaukasten“ zur Verfügung stand wird heute mit unendlich vielen Stecksteinaufbausätzen ermöglicht. Auch damals wurden Aggressionsspiele zum Austoben, Fußballspiele oder andere Bewegungsspiele von Kindern mit Vorliebe genutzt. Allerdings sind einige Spielformen (Märchenspiele, Theaterspiele, Sozialregelspiele, musisch-rhythmische und Handpuppenspiele) in vielen Kindergärten leider immer seltener anzutreffen, was der emotional-sozialen und intellektuellen Entwicklung von Kindern schadet. Schließlich ist bekannt, dass gerade die Bereiche Spiel- und Schulfähigkeit eng zusammenhängen. Stattdessen werden viele Tagesabläufe der Kinder mit teilleistungsorientierten Anleitungstrainings und vor allem kognitiven Übungen sowie anderen Tätigkeiten voll ausgeplant – dabei muss das Spiel auf der Strecke bleiben.

Fazit

Je mehr Kinder die unterschiedlichen Spielformen (von Entdeckungs- über Wahrnehmungsspielen, von Schatten- über Rollenspielen, von vielen Bewegungs- und Musikspielen bis zu lebendigen Märchen- und Szenenspielen) kennenlernen, desto größer ist ihr Spiel- und damit auch ihr Lernpotenzial. Dabei sorgen die bei jedem Kind vorhandene Neugierde, die mit Spannung ausgefüllte Entdeckerfreude und die damit verbundenen Glückserlebnisse im Spiel zur nachhaltigen Aktivierung der Lernfreude.

Literatur

Klein, Ferdinand: Inklusive Erziehung in Krippe, Kita und Grundschule. Heilpädagogische Grundlagen und praktische Tipps im Geiste Janusz Korczaks. BurckhardtHaus 2018

Klein, Ferdinand: Inklusive Erziehungs- und Bildungsarbeit in der Kita. Heilpädagogische Grundlagen und Praxishilfen. 3. Auflage. Bildungsverlag EINS, 2019

Krenz, Armin/Klein Ferdinand: Bildung durch Bindung. Frühpädagogik: inklusiv und beziehungsorientiert. 2. Auflage. Vandenhoeck & Ruprecht, 2013




Verschiedene Senfsorten im Test

Die Öko-Test Redaktion hat verschiedene Senfsorten untersuchen lassen:

Senf ist gesund. Er hilft bei der Linderung von Erkältungskrankheiten, fördert die Verdauung oder kann sogar zur Senkung des Krebsrisikos beitragen. Dabei sind es vor allem die Senföle, die antibakteriell wirken und das Wachstum von verschiedenen Bakterien, Viren und Pilzen hemmen.

In ihrer aktuellen Aufgabe hat nun die Redaktion von Öko-Test Senf unter die Lupe genommen. Acht Senfe hat sie mit „sehr gut“ bewertet. Gleichzeitig enthalten aber auch viele Rückstände von Glyphosat. Es dann doch fraglich, ob der Senf dann tatsächlich immer noch so gesund ist.

Senf in der Natur

Zusammenfassend lässt sich sagen:

  1. Alle getesteten Bio-Senf-Marken sind frei von Glyphosat
  2. In allen Senfen ist Bisphenol F enthalten. Erste Hinweise deuten laut Öko-Test darauf hin, dass dieser Stoff auf das Hormonsystem wirkt. Er entsteht wohl im Herstellungsprozess. Die Menge war in den meisten Produkten jedoch unproblematisch.
  3. Auffällig: Der Senfanteil von zwei getesteten Produkten liegt unter den Vorgaben der Branchenrichtlinie.

Leider hat die Öko-Test Redaktion keine scharfen Senfe getestet. Der gesamte Test ist kostenlos hier zu lesen.




Kinderkommission zum „Weltspieltag“

UN-Kinderrechtskonvention sagt Kindern ein Recht auf Ruhe und Spiel zu

Schon seit über 20 Jahren gilt der 28. Mai als „Weltspieltag“. Und das hat einen ganz besonderen Grund: Der Aktionstag soll daran erinnern, dass die UN-Kinderrechtskonvention Kindern ein Recht auf Ruhe und Freizeit sowie auf Spiel und altersgemäße aktive Erholung zusagt.

Bewegungs- und Sportaktion des DKHW und der Sportjugend

In diesem Jahr rufen das Deutsche Kinderhilfswerk und die Deutsche Sportjugend anlässlich des „Weltspieltags“ Familien und Vereine zu einer großen Bewegungs- und Sportaktion auf. Dabei sollen in den sozialen Medien unter den Hashtags #Weltspieltag und #lasstunswasbewegen Fotos oder Videos gepostet werden, die Menschen entweder bei ihrer geliebten Sportart, beim Sport an ungewöhnlichen Orten oder bei einer für sie unbekannten Sportart zeigen. Damit soll auf die Bedeutung von Bewegung, Spiel und Sport für ein gesundes Aufwachsen von Kindern aufmerksam gemacht werden. Die Kinderkommission des Deutschen Bundestages hat auch in diesem Jahr wieder die Schirmherrschaft für die Aktion übernommen.

Kinder entdecken ihre Welt im Spiel

Die Vorsitzende der Kinderkommission, Charlotte Schneidewind-Hartnagel, MdB, erklärt hierzu: „Bewegung, Sport und Spiel liegen in der Natur von Kindern. Wer mit Kindern zu tun hat, kennt ihr Verlagen und ihre Freude, nach draußen zu gehen, zu klettern, zu laufen, aktiv zu sein. Kinder entdecken ihre Welt, ihre eigenen Stärken und Grenzen in Bewegung, Sport und Spiel. Auch soziales Miteinander, Teamgeist und ein gesunder Sinn dafür, seine Fähigkeiten mit anderen zu messen, können dabei gelernt und geübt werden. Kurzum: Bewegung gibt Kindern Kraft. Deshalb freue ich mich, dass das Deutsche Kinderhilfswerk und die Deutsche Sportjugend zur Bewegungs- und Sportaktion am Weltspieltag aufrufen. Gerade in der Corona-Pandemie, wo Vereinsangebote, Sport in Gruppen und Möglichkeiten, sich mit Gleichaltrigen zu treffen vielerorts eingeschränkt waren und sind, ist es wichtig, auf dieses Thema aufmerksam zu machen.“




Kinder vermissen Bewegung und Sport in der Corona-Pandemie

bewegung

Repräsentative Umfrage zum Weltspieltag am 28. Mai 2021

90 Prozent der Kinder in Deutschland haben während der Corona-Pandemie die Bewegung und den Sport vermisst. Einer großen Mehrheit (83 Prozent) der Kinder gefällt an Sport und Bewegung besonders, dabei mit anderen Kindern zusammen zu sein und Spaß zu haben. Fast zwei Drittel der Kinder (62 Prozent) mögen es besonders, bei Sport und Bewegung an der frischen Luft zu sein. Wenn nach der Corona-Pandemie jedes Kind ein Jahr lang kostenlos in einem Sportverein mitmachen könnte, würden 86 Prozent der Kinder dieses Angebot auf jeden Fall oder wahrscheinlich wahrnehmen. Vor diesem Hintergrund befürworten 86 Prozent der Erwachsenen die Forderung, dass die Bundesregierung nach der Corona-Pandemie deutlich mehr in den Kinder- und Jugendsport investieren und dafür unter anderem jedem Kind ein Jahr lang den kostenfreien Zugang zu einem Sportverein ermöglichen sollte.

Repräsentative Umfrageergebnisse

Zu diesen Ergebnissen kommt eine aktuelle repräsentative Umfrage des Politik- und Sozialforschungsinstituts Forsa unter Kindern im Alter von sechs bis 14 Jahren und Erwachsenen im Auftrag des Deutschen Kinderhilfswerkes und der Deutschen Sportjugend anlässlich des Weltspieltages am 28. Mai. Der Weltspieltag steht in diesem Jahr unter dem Motto „Lasst uns (was) bewegen!“.

„Die Ergebnisse der Umfrage zeigen sehr deutlich, wie wichtig Sport und bewegtes Spiel für ein gesundes Aufwachsen der Kinder sind und von welchen massiven Einschränkungen diese in den letzten Monaten betroffen waren. Damit sie nicht jahrelang unter den Folgen zu leiden haben, sind nun erhebliche Anstrengungen nötig. Die Bundesregierung muss jetzt deutlich mehr in den Kinder- und Jugendsport investieren. So sollte sie unter anderem jedem Kind ein Jahr lang den kostenfreien Zugang zu einem Sportverein ermöglichen“, betont Holger Hofmann, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerkes.

Gemeinsamkeit macht besonders Spaß

„Beim Sport geht es um einen Ausgleich vom Alltag, darum soziale Kontakte zu pflegen, Neues auszuprobieren und sich weiterzuentwickeln. Die vielfältigen Antworten der Kinder sind eindeutig. Sie zeigen uns mehr als deutlich, dass Sport weit mehr ist als nur Bewegung und welchen hohen Stellenwert er im Leben der Kinder hat. Wir müssen das Sporttreiben für Kinder und Jugendliche endlich wieder in vollem Umfang ermöglichen, um den physischen, psychischen und sozialen Folgen des Bewegungsmangels entgegenzuwirken“, so der 1. Vorsitzende der Deutschen Sportjugend, Stefan Raid.

Was sich die Kinder wünschen

  • Der großen Mehrheit der befragten Kinder (83 Prozent) gefällt an Sport und Bewegung besonders, dabei mit anderen Kindern zusammen zu sein und Spaß zu haben. Fast zwei Drittel der Kinder (62 Prozent) mögen es besonders, bei Sport und Bewegung an der frischen Luft zu sein.
  • Neue Sachen zu lernen und immer besser zu werden, mögen 42 Prozent der Kinder besonders gern an Sport und Bewegung.
  • 30 Prozent gefällt besonders, einen Ausgleich zum Schulalltag zu haben.
  • Dass sie es an Sport und Bewegung besonders mögen, sich körperlich anzustrengen und aus der Puste zu kommen (24 Prozent) oder sich mit anderen Kindern zu messen und zu wetteifern (23 Prozent), gibt jeweils jedes vierte Kind an.
  • Mädchen sagen häufiger als Jungen (46 zu 38 Prozent), dass es ihnen besonders gut gefällt, beim Sport neue Sachen zu lernen und immer besser zu werden, Jungen sagen häufiger als Mädchen (29 zu 17 Prozent), dass es ihnen besonders gut gefällt, sich beim Sport mit anderen Kindern zu messen und zu wetteifern.
  • Die jüngeren Kinder von sechs bis neun Jahren haben noch häufiger als die älteren Kinder Freude daran, beim Sport mit anderen Kindern zusammen zu sein und Spaß zu haben (89 zu 79 Prozent) sowie draußen an der frischen Luft zu sein (67 zu 59 Prozent).
  • Ältere Kinder von zehn bis 14 Jahren schätzen hingegen häufiger den Ausgleich zum Schulalltag (37 zu 20 Prozent).
  • Insgesamt geben neun von zehn Kindern (90 Prozent) an, dass sie in den letzten Monaten während der Corona-Pandemie die Bewegung und den Sport vermisst haben. 59 Prozent hat die Bewegung in den letzten Monaten im Sportverein, 54 Prozent in der Freizeit mit Freunden und 51 Prozent in der Schule gefehlt. Dass sie Bewegung und Sport mit der Familie vermisst haben, geben 11 Prozent der Kinder an.
  • Nur wenige Kinder (zehn Prozent) haben Sport und Bewegung in den letzten Monaten nicht vermisst.
  • Wenn nach der Corona-Pandemie jedes Kind ein Jahr lang kostenlos bei einem Sportverein mitmachen könnte, würden 61 Prozent der Kinder dieses Angebot auf jeden Fall wahrnehmen. Weitere 25 Prozent würden dies wahrscheinlich tun.
  • Zwölf Prozent der Kinder geben an, dass sie ein solches Angebot eher nicht nutzen würden, zwei Prozent würden dies auf keinen Fall tun.

Was sich Erwachsene wünschen

  • 86 Prozent der Erwachsenen befürworten voll und ganz oder eher die Forderung, dass die Bundesregierung nach der Corona-Pandemie deutlich mehr in den Kinder- und Jugendsport investieren und dafür unter anderem jedem Kind ein Jahr lang den kostenfreien Zugang zu einem Sportverein ermöglichen sollte (57 Prozent „voll und ganz“, weitere 29 Prozent befürworten diese Forderung „eher“).
  • Nur eine Minderheit lehnt die Forderung nach einem kostenlosen Zugang zu Sportvereinen für Kinder und Jugendliche eher (zehn Prozent) oder voll und ganz (zwei Prozent) ab.
  • In allen Befragtengruppen findet die Forderung eine breite Unterstützung: Bei Frauen etwas stärker als bei Männern (90 zu 83 Prozent), bei Erwachsenen mit Kindern im Haushalt etwas mehr als bei denen ohne Kinder (90 zu 86 Prozent), und parteiübergreifend auch entlang der Parteilager (Grüne 91 Prozent, FDP und Linke 90 Prozent, AfD und SPD 89 Prozent, CDU/CSU 79 Prozent).

Zur Studie

Für die repräsentative Umfrage zum Weltspieltag 2021 wurden vom Politik- und Sozialforschungsinstitut Forsa im Auftrag des Deutschen Kinderhilfswerkes und der Deutschen Sportjugend in diesem Monat deutschlandweit 1.001 Kinder im Alter von 6 bis 14 Jahren und 1.006 Erwachsene befragt. Die statistische Fehlertoleranz liegt bei ± drei Prozentpunkten.




Zu jung für Politik? Von wegen!

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Politische Bildung im Kindesalter ist Thema des DJI-Magazins Impulse

Die Demokratie steht vor großen Herausforderungen: Krisen wie die aktuelle Corona-Pandemie oder der Klimawandel, aber auch Globalisierung, Migration und Digitalisierung verlangen der demokratischen Lebens- und Gesellschaftsform vieles ab. „In diesem Kontext bekommt die politische Bildung, die jahrzehntelang ein Schattendasein führte, neue Relevanz“, betont Prof. Dr. Thomas Rauschenbach, Direktor des Deutschen Jugendinstituts (DJI), anlässlich der neu erschienenen Ausgabe des Forschungsmagazins DJI Impulse.

Demokratisches Handeln und kritische Urteilskraft fördern

Unter dem Titel „Politische Bildung von Anfang an: Wie Kinder und Jugendliche Demokratie lernen und erfahren können“ analysieren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Herausforderungen in der politischen Bildung. Entscheidende Weichen für demokratisches Handeln und kritische Urteilskraft werden demnach in der Familie gestellt. Doch auch weil Kinder und Jugendliche immer mehr Zeit in schulischen und außerschulischen Bildungseinrichtungen verbringen, steigt deren Bedeutung in der politischen Bildung.

Der These des aktuellen 16. Kinder- und Jugendberichts folgend, dass politische Bildung auf ganz unterschiedliche Weise in der gesamten Kindheit und Jugend stattfindet, zeigen die Autorinnen und Autoren des Forschungsmagazins Potenziale auf, die in Kindertageseinrichtungen, Schulen und der außerschulischen Kinder- und Jugendarbeit bislang nicht ausreichend genutzt werden. So spielt die politische Bildung in Kitas und Grundschulen noch immer ein eher untergeordnetes Thema. Nachholbedarf identifizieren die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aber auch in weiterführenden Schulen und der Kinder- und Jugendarbeit.

bpb-Präsident Thomas Krüger im Interview über zeitgemäße politische Bildung

Durch den geplanten Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung im Grundschulalter sowie den generellen Ausbau der Ganztagsbetreuung in Kitas und Schulen entsteht nicht nur die Chance, sondern auch die Notwendigkeit politische Bildung in den Institutionen stärker zu verankern, lautet ein zentrales Fazit der Autorinnen und Autoren. Zudem fordert der Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb), Thomas Krüger, im Interview, politische Bildung zur „kritischen politischen Medienbildung“ weiterzuentwickeln, da demokratiegefährdende Inhalte durch soziale Medien früh auf Kinder zukommen.

Das Forschungsmagazin DJI Impulse berichtet allgemein verständlich über die wissenschaftliche Arbeit am DJI, einem der größten sozialwissenschaftlichen Forschungsinstitute in Deutschland. Regelmäßig informieren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler über relevante Themen aus den Bereichen Kindheit, Jugend, Familie und Bildung.

Aktuelle Ausgabe (1/2021) „Politische Bildung von Anfang an: Wie Kinder und Jugendliche Demokratie lernen und erfahren können“ (Download PDF)Mehr Angebote zum aktuellen Impulse-Schwerpunkt
Das Forschungsmagazin DJI Impulse kann kostenlos bestellt und heruntergeladen werden, auch ein Abonnement ist möglich: www.dji.de/impulse




Teams – Hemmschuh oder Segen?

Wie aus Gruppen gelungene Arbeitsgemeinschaften entstehen

Tim ist patschnass. Eigentlich sollte er nur seine Marmeladenfinger von der gröbsten Klebrigkeit befreien. Aber jetzt steht er bedröppelt da, weil sich das Nasse nicht so toll anfühlt. Und unglaublich stolz, weil er den Wasserhahn aufdrehen und mit dem Finger den Strahl lenken konnte. Eine große Leistung für einen Eineinhalbjährigen! Aber seine Erzieherin ist in Eile. Jetzt muss sie Tim auch noch völlig umziehen. Sie seufzt und dreht das Wasser zu. Tim dreht es wieder auf. Die Erzieherin wird etwas lauter.

Dennis Meiners, 35 Jahre, Erzieher in der Kreuz- und Quer-Kita in Göttingen, kommt hinzu. „Oh, ich sehe, ihr habt Stress. Soll ich euch mal ein bisschen entlasten und übernehmen?“ Die Erzieherin nickt dankbar und wendet sich den anderen Kindern zu. Meiners lobt Tim erst einmal für seine Leistung, hüpft ein bisschen herum, tut so, als würde er vor dem Wasser flüchten. So schafft er eine Beziehung zu dem Kleinen. In drei Minuten hat Tim nicht nur das Wasser abgedreht, sondern auch Pullover und Hose gewechselt.

Dieselbe Kollegin entlastet Meiners wiederum, wenn er seinerseits mit den Kindern in einer anderen Situation in Stress gerät.

Krippe und Kiga – der große Unterschied
Eine Krippe ist kein kleiner Kindergarten! Die meisten Krippen nehmen Kinder nach dem ersten Geburtstag auf. Die wenigsten können dann laufen, sprechen, ihre Bedürfnisse artikulieren oder gar sich selbst versorgen. Ihr Leben spielt sich auf dem Boden ab. Der sollte daher warm, sicher und optisch gut unterteilt sein. Alles, was außerhalb ihrer Reichweite ist, kann als bedrohlich wahrgenommen werden und ist eben unerreichbar. Klare Strukturen, auch optisch, helfen ihnen, sich sicher zu fühlen und sich zurecht zu finden. Wie dies praktisch aussehen kann, muss im Team geklärt werden.
Krippenerzieherinnen berichten, dass über 80 Prozent ihrer Tätigkeit in pflegerischen Aufgaben besteht: Füttern, An- und Ausziehen, Wickeln, Waschen, Schlafen. Immer wieder ist daher eine einzelne Pädagogin in direktem Kontakt mit einem Kind außerhalb des Gruppenraumes beschäftigt. Das muss im Team abgesprochen werden. Auch die Wertigkeit des Pflegens braucht Würdigung: In der Krippe ist Pflege Bildung! Damit sind nicht nur das mit Worten Begleiten und die Fingerspiele beim Wickeln gemeint. Es sind vor allem die liebevolle Zuwendung und die Anerkennung des Kleinkindes als gleichwertiges Gegenüber. Oder würden Sie, liebe Leserin, sich einfach so auf ein „komm mal her, anziehen“ die Arme in einen Mantel stopfen lassen?

Vorsicht Alphatiere!

Was sich hier so einfach anhört, ist es aber nicht. Viele so genannte Teams entwickeln sich zur Bühne für Alphatiere, die ihre Arbeitskollegen bloßstellen und sich hervortun. Sie stehen im Mittelpunkt. Das hat viele negative Effekte. So verhalten sich andere deutlich zurückhaltender, gehen in der Gruppe unter und handeln nur noch nach Aufforderung. Eigeninitiative Fehlanzeige. Statt effektiver Teamarbeit entsteht eine Gruppe, in der nur die Ideen der Alphatiere zählen. Das führt in schwierige Arbeitssituationen, unter der alle leiden. Solche falschen Teamprozesse führen dann eben auch zu Vorurteilen wie „dass Teams die einzelnen Mitglieder in ihrer Entwicklung unterdrücken“.

 „Es geht eben nicht darum zu zeigen, was für ein toller Erzieher man ist oder wo die Kollegin oder der Kollege jeweils Fehler machen“, sagt Meiners, „sondern darum, uns in Stresssituationen gegenseitig zu entlasten und vor allen Dingen das Kind in jeder Situation als lernenden Menschen zu sehen.“ „Wenn mehrere Kinder zu betreuen sind, entstehen leicht Überforderungssituationen, in denen Wahrnehmung und Unterstützung von Kollegen untereinander unglaublich hilfreich sein können. Solche Fehler sind nicht zu vermeiden“, meint Annette Drüner, Sozialpädagogin und Coach für Erzieherinnen. „Es ist wichtig, wie wir damit umgehen.“ Um Fehler als solche akzeptieren zu können, braucht es ein gutes Team – und das heißt Vertrauen zueinander haben. Das wächst natürlich nicht von heute auf morgen.

Praxistipp: Unser gemeinsames Boot

Als Einstieg in den Teamtag malt jede Erzieherin ein Bild, in dem das eigene Team dargestellt wird. Sehr gut eignet sich hier das Bild des Bootes, in dem bekanntlich alle gemeinsam sitzen. Auf die künstlerische Gestaltung kommt es nicht an, wichtig ist, dass alle MitarbeiterInnen abgebildet werden. Dabei werden auch die Rollen, die sie im Boot einnehmen, beschrieben: Wer ist der Kapitän, wer der Koch, wer schrubbt das Deck, wer hisst die Segel, wer sitzt am Funkgerät?

Dauer: ca. 30 Minuten
Material: Stifte, Papier, Pinnwände, Stecknadeln, Flipchart

Sind alle Bilder fertig, werden sie an den Pinnwänden aufgehängt. Anschließend schauen alle ErzieherInnen die Gemälde an, ohne Kommentare zu geben. In der Runde erhält jede/r die Gelegenheit, sein/ihr Bild vorzustellen. Wer ist wer? Wer hat welche Funktion? Wer steht nah bei wem, wer ist von wem am weitesten entfernt? Was fiel mir leicht zu gestalten, was fiel mir schwer? Welche Gefühle hatte ich beim Malen? Danach ist Zeit für die KollegInnen, ihre Sicht auf das Bild darzustellen. Durch die eigenen Gedanken und die der BetrachterInnen werden die Beziehungen, Stimmungen und Konflikte im Team deutlich. Gemeinsamkeiten und Unterschiede werden als Stichworte auf ein Flipchart für alle sichtbar aufgeschrieben. So ergibt sich eine gute Grundlage für die kommenden Gespräche.
„Grundsätzlich braucht es eine gemeinsame pädagogische Ausrichtung, auf die sich alle geeinigt haben und die sie auch alltäglich leben“, so Drüner. Zum Beispiel, dass Kinder immer lernen und dieser Aspekt jeweils anerkannt wird. Dann werden solche Situationen auch nicht als Konkurrenz, sondern als Bereicherung erlebt. „Entsprechend kann ich sehen, wie der andere mit solchen Situationen umgeht und mir etwas davon abschauen“, sagt Drüner, „und fühle mich nicht bewertet oder sogar niedergemacht.“ Für eine solche Ausrichtung sind intensive Prozesse notwendig. In vielen Einrichtungen hätte das Verhalten des kleinen Tim genügend Anlass dazu gegeben, ihm kurz und knapp klare Grenzen aufzuzeigen. In der Kreuz- und Quer-Kita hat sich das Personal für den schwierigeren, für Tim sicher besseren Weg, entschieden. Auch dafür sind funktionierende Teams eine wichtige Voraussetzung.

Keine Zeit für Einzelkämpfer

Einzelkämpfer haben es heute immer schwerer. Ansprüche und Arbeitsprozesse sind schwieriger und vielschichtiger geworden. Und weil niemand zu jeder Zeit alles perfekt machen kann und jeder unterschiedliche Stärken hat, liegt die Notwenigkeit zu guten Teams auf der Hand. Wer seine Stärken in einem Team optimal einbringt und seine Mitstreiter unterstützt, erreicht weitaus mehr.

Wie aber wird man so ein vertrautes Team? „Das fängt schon bei der Personalauswahl an“, erklärt Drüner, „die Leitung kann schon im ersten Gespräch die pädagogische Grundhaltung und damit das Menschenbild erfragen.“ In der heutigen Zeit weiß aber jeder, dass der Arbeitgeber von ihm Teamfähigkeit erwartet. Und wenn ein Bewerber die Arbeitsstelle in einer Einrichtung haben möchte, macht er fast alles – auch wenn er die Teamarbeit hasst.

Andrea Schreiber, Leiterin der Kita St. Nicolai in Coppenbrügge und seit 30 Jahren Erzieherin, hat genügend Erfahrung, um schnell zu erkennen, ob eine Bewerberin in ihr Krippenteam passen könnte: „Wenn sie in der Lage ist, sich wirklich auf den Dialog mit dem Kind einzulassen, sich zurückzunehmen, erst zu beobachten und nicht sofort einzugreifen, dann lade ich sie zu einem Probetag ein.“ Dann holt sie sich die Rückmeldung der Kolleginnen. „Haben die ein gutes Gefühl, sehen sie die Neue als Ergänzung, glauben sie, sich auf sie verlassen zu können, dann können wir den Vertrag unterschreiben.“ Während aber die einen Teams verabscheuen, weil sie darin ineffektive Zeitfresser sehen, überfrachten sie andere mit viel zu hohen Erwartungen. Das übergroße Harmoniebedürfnis einzelner und die Annahme, darin nur Freunde zu finden, hemmen die Zusammenarbeit ebenso. Dabei sind die wesentlichen Grundlagen nicht Freundschaft und Harmonie, sondern Wohlwollen, Respekt und Wertschätzung. Diese Eigenschaften liegen in vielen Menschen. Damit diese aber zum Vorschein kommen, gilt es, den Blick für die positiven Elemente von Teams zu öffnen. 

Teams brauchen Zeit und sparen Zeit

Dafür ist Zeit notwendig und professionelle Hilfe. Das kostet oftmals auch Geld. So mancher Träger scheut deshalb die Durchführung von Teamprozessen und die Teampflege mit oftmals fatalen Folgen.

In Andrea Schreibers Kita gibt es fünf Studientage im Jahr. „Wir haben erkannt, dass wir unseren Jahresplan entrümpeln mussten. Es gab von Weihnachten über Ostern bis Sommerfest viel zu viele Anlässe, die vorgeben, was zu tun ist.“ Das widerspricht dem Grundsatz, das Kind entscheiden zu lassen, womit es sich beschäftigen will. „Oberste Priorität hat das Kind, nicht das Angebot“, so Schreiber. Sie bringt das Beispiel der Kastanien und bunten Blätter im Herbst. Das ist tolles Spielmaterial, die Kinder fühlen, tasten, ordnen, benennen. „Und das reicht. Da muss man nicht noch Männchen bauen, Bilder kleben und ein Herbstfest organisieren, wenn die Kinder das gar nicht wollen.“ Da die Kinder das altersgemäß oft nicht sprachlich äußern können, sind Feinfühligkeit und Beobachtung gefragt.

Teamgespräche richtig vorbereiten
Grundsätzlich gibt es drei Arten von Teamgesprächen. Sie sollten getrennt geführt werden, denn sie verlangen eine unterschiedliche Art der Vorbereitung und Gesprächsführung.

1. ) Das Organisationsgespräch. Hier werden alle Termine festgelegt wie z.B. Elterngespräche. Es geht aber ebenso um die Vorbereitung des Sommerfestes, die Verteilung der Aufgaben, den Bericht über den Stand der Dinge. Auch Verabschiedungen gehören in diesen Bereich.

2. ) Das Kindergespräch. Die meisten Krippen arbeiten mit dem Bezugskindermodell. Hier werden die Entwicklungen und Fortschritte der einzelnen Kinder, Problemlagen, Beziehungen in der Gruppe, vorgestellt. Wichtig ist, vorab über das Kind, welches im Fokus stehen soll, zu informieren. So haben auch die anderen ErzieherInnen die Chance, genauer auf dieses Kind zu achten. So können sie qualifiziert Rückmeldung geben. Ein anderer Blick hilft, frische Impulse zur Weiterarbeit zu geben oder Ursachen für Probleme zu erkennen.

3. ) Das Konzeptgespräch. Ein pädagogisches Konzept ist nie fertig, das wissen wir alle. Aber die Grundlage, auf der die Krippe arbeitet, muss festgelegt sein und von allen getragen werden. So kann sie auch Eltern ausgehändigt werden und es kann sich bei Problemen darauf bezogen werden. Wenn viele „große“ Kinder gehen und viele „kleine“ hinzukommen, ändert sich der Alltag und damit auch das pädagogische Konzept. Nicht grundsätzlich, aber im Tagesablauf oder den Schwerpunkten. Die Leitung sollte hier grundsätzlich vorgeben und den KollegInnen rechtzeitig mitteilen, worum es in der entsprechenden Sitzung gehen soll.

Teamgespräche brauchen Zeit, die Vorbereitung ebenfalls. Außerdem kommen die besten Ideen bei Spaziergängen oder beim Kaffeetrinken mit Freundinnen, im Tür-und-Angel-Kontakt mit KollegInnen. Nehmen Sie also Stift und Papier mit, notieren Sie sich die Ideen. Bringen Sie sie in einer ruhigen Stunde vor dem Teamgespräch in eine Reihenfolge. Händigen Sie die Einladung den KollegInnen aus, fragen Sie, ob sie  Ergänzungen oder weitere Themen zu besprechen haben. Überlegen Sie, welches Thema etwa wie viel Zeit beanspruchen wird, achten Sie entsprechend auf die Gewichtung und Reihenfolge. Worüber es viel zu diskutieren gibt, sollte eher am Ende des Tagesplans stehen. Schließlich neigen Diskussionen zum Ausufern und es sollte jede einmal ihre Meinung gesagt haben. Erstellen Sie einen Protokollbogen, bestimmen Sie reihum Protokollantin und Gesprächsführerin. Eine gute Leitung muss schließlich nicht immer alles selber machen, sie bezieht die KollegInnen klug und ihren Qualitäten entsprechend ein.

Den Alltag entrümpelt, den Morgenkreis abgeschafft

„Es hat eine Weile gedauert, bis wir uns von diesen Vorgaben verabschiedet hatten, denn da hängen ja auch Traditionen und Elternbeteiligung dran“, so Schreiber. Aber jetzt hätten sie viel mehr Zeit für die Kinder – und vor allem nicht mehr andauernd im Kopf, was noch alles für das Herbstfest zu erledigen sei und ob sie das denn schaffen könnten. „Das kommt den Kindern zugute, wir sind freier im Kopf und können besser auf ihre Bedürfnisse eingehen.“

Ein weiteres Ergebnis eines Studientags: Was für andere ein zentrales Element ihres Alltags ist, hat das Team in Coppenbrügge abgeschafft – den Morgenkreis. „Nicht nur im Jahr, auch an jedem Tag hatten wir zu viel geplant“, sagt Schreiber. Das Team hat dann beobachtet, womit sie sich wann und wie lange beschäftigen – und was nicht möglich ist. Dabei fiel auf, dass das Zusammentrommeln der Kinder zum Morgenkreis für alle Stress bedeutet. Die einen waren noch am Essen, die anderen am Aufräumen, wieder andere hatten gerade ein Spiel begonnen. „So war der Morgenkreis ein Spielverhinderungskreis“, ereifert sich Schreiber. Also weg damit. Vermisst hat diese Runde niemand, weder die Kinder, noch die Erzieherinnen.

„Wir sind dadurch zusammengewachsen“, meint Schreiber. Denn alle haben sich, den Alltag, die Kinder und die anderen beobachtet, sich genau angeschaut, Stärken und Schwächen – eigene wie die der anderen – erkannt. Mit dem Ergebnis waren alle glücklich, denn so ergab sich wiederum mehr Zeit für die Beobachtung der Kinder und spontane Aktionen und Angebote.

Die Rolle der Leitung

„Ich versuche, meine Erzieherinnen nicht zu stressen“, lacht Andrea Schreiber, angesprochen auf die Rolle der Leitung bei der Teambildung. Wie im Umgang mit den Kindern versucht sie auch im Team ein hohes Maß an gemeinsamer Wertschätzung umzusetzen. „Die Erzieherinnen dürfen Fehler machen“, meint sie „ohne dafür böse Blicke zu ernten oder Getuschel oder eine Anmache in der Teambesprechung.“

Das klingt erst einmal ganz normal, ist es aber nicht. Annette kennt Teams, die in Teambesprechungen durch unterschwelligen Stress nicht offen, kritisch und konstruktiv miteinander können und sich dann bei nahezu jeder Frage nicht einig werden können. Das kostet viel Zeit und Kraft und führt zu „Hintenrumgesprächen“.

Dennis Meiners wünscht sich, dass „die Leitung auch mal Flagge zeigt“, so wie es in seiner Einrichtung gelebt wird. Denn die müsse vielen Ansprüchen gerecht werden: denen der Erzieherinnen der Krippe, des Kindergartens, des Trägers, der Eltern und der Kinder – das sei manchmal „wie zwischen den Stühlen sitzen“.

Erfolgreich Konfliktgespräche führen

Was nicht passieren darf: eine Eskalation und eine Frontenbildung. Denn dann ist eine Teamarbeit ohne ordnende Eingriffe von außen kaum mehr möglich. Also: Ruhe bewahren, sich Zeit lassen. Ein Konflikt bedeutet immer Ärger, negative Emotionen – auch bei der Leitung. Nehmen Sie sich also Zeit, sich über Ihre Gefühle in dieser Hinsicht klar zu werden. Sie dürfen sie auch äußern: schreien und schimpfen sind erlaubt! Allerdings vor dem Gespräch, im Wald oder auf einer freien Wiese. Nehmen Sie sich dann Zeit, sich gut auf das Gespräch vorzubereiten. Wer ist beteiligt? Wie sind die Beziehungen der Personen? Welche Rolle haben sie in der Krippe? Was ist genau vorgefallen? Wer hat bis jetzt was geäußert? Wer ist mit welchem Wunsch an Sie herangetreten?

Was ist ihr Ziel in dem Gespräch? Eine Lösung, klar, aber die steht nicht als Erstes auf dem Programm. Daher: Sorgen Sie für eine angenehme und störungsfreie Atmosphäre. Kein Telefon, keine hereinplatzenden Kolleginnen, kein Lärm von außen. Bieten Sie Wasser oder Tee an. Beginnen Sie das Gespräch mit dem, weswegen Sie diese Konferenz führen: „Frau M. ist an mich herangetreten, weil es in ihrem Team Abstimmungsprobleme gibt. Ist das richtig?“ Geben Sie jeder Person und Partei Gelegenheit, ihre Sicht der Dinge darzustellen. Auch, die dazugehörigen Emotionen zu benennen, z.B. „das hat mich geärgert, das hat mich gekränkt“. Was nicht geht: Schuldzuweisungen oder gar Beleidigungen. Achten Sie also auf die Tonalität und die Atmosphäre, greifen Sie nötigenfalls ein: „Ich verstehe Ihre Emotionen, aber das ist nicht der Ton, in dem wir unter Kolleginnen sprechen“.

Ihre Rolle ist nicht die einer Richterin und einer Mediatorin. Die KollegInnen müssen schließlich weiter im Team zusammenarbeiten, also sollten sie auch selbst auf eine Lösung kommen. Danach können Sie direkt fragen: „Wie stellen Sie sich die weitere Zusammenarbeit vor? Was soll geändert werden? Haben Sie Vorschläge?“ Sie können und sollten auch selbst Vorstellungen einbringen, aber nicht sofort. Gut ist ein Vorschlag zur konkreten Umsetzung der Ideen der KollegInnen. So nehmen Sie die KollegInnen ernst, zeigen aber auch, dass Sie die Leitung in der Hand haben und die ErzieherInnen sich auf Sie verlassen können.

Fragen Sie nach einer gewissen Zeit, etwa einer Woche, wie es jetzt läuft, wie die Vorschläge umgesetzt wurden. So werden Sie nicht als Kontrollinstanz, sondern als Unterstützung wahrgenommen.

Was denn nun, klare Kante zeigen oder jeden zu Wort kommen und mitentscheiden lassen? „Beides“, meint Drüner. Selbstverständlich sei es wichtig, dass jedes Mitglied des Teams sich gehört und verstanden fühle, „sonst steigt es innerlich aus“. Manchmal sei das eine Gratwanderung, sorge aber für gute Stimmung im Team. Klare Haltung sei nötig, wenn gemeinsam Themen und Probleme angegangen werden müssten. „Wir haben fast zwei Jahre lang bei den Teamtagen über unser Konzept gesprochen, das war auch notwendig im Rahmen der Qualitätssicherung“, berichtet Meiners. Dafür konnten dann andere gewünschte Fortbildungen nicht stattfinden. „Das hat der Träger durchgesetzt und das war gut, denn so sind alle auf dem gleichen Stand und konnten sich gleichermaßen einbringen.“ Und tragen nun das Konzept überzeugt mit.

Teamarbeit ist wichtig. Wer sich in einem guten Team befindet, ist produktiver, hat oft mehr Freude und ist oft ausgeglichener. So treten Motivationsprobleme seltener auf und sogar Freundschaften entstehen daraus. Echte Teamarbeit steigert damit auch die sozialen Kompetenzen. Es ist leicht, eine Gruppe zusammen zu stellen, Aufgaben zu verteilen und sie zur Zusammenarbeit zu zwingen. Auf diesem Weg entstehen jedoch keine Teams. Ein wirklich funktionierendes Team aufzubauen, gehört zu den schwierigsten Aufgaben überhaupt. Am besten sollte diese Aufgabe von erfahrenen Teamleitern übernommen und professionellen Coaches begleitet werden.

Ralf Ruhl

Die vier Team-Entwicklungsphasen

Jedes Team durchläuft vier typische Phasen. Nach Dauer, Inhalt und Intensität können sie sehr unterschiedlich sein.

Orientierung

Am Anfang steht die Unsicherheit. Schließlich kennt man sich noch nicht untereinander, weiß nicht, welche ausgesprochenen und unausgesprochenen Regeln gelten. Daher sind in dieser Phase gegensätzliche Gefühle gleichzeitig vorhanden:

  • Distanz suchen und Nähe aufbauen
  • Anonym bleiben und sich zeigen wollen
  • Autonomie beanspruchen und Anleitung brauchen
  • Besonders sein wollen und genauso sein wollen wie alle anderen

Klärung

Unsicherheit mag niemand. Daher wird bald der Wunsch nach klaren Regeln laut – und nach Sanktionen, wenn gegen diese verstoßen wird. Rivalitäten und unterschwellige Konflikte treten hervor, Rollen und Status innerhalb der Gruppe werden verfestigt. Alle haben das Bedürfnis, sich stärker zu profilieren, eigene Interessen und Bedürfnisse klarer auszudrücken. Diese Phase fühlt sich sehr mühsam an und ein Fortschritt ist kaum ersichtlich. Langsam werden widerstreitende Meinungen in höherem Maße zugelassen – übrigens auch gegenüber der Leitung. Erste Brücken zueinander werden gebaut und ausgetestet. Am Ende dieser Phase beginnt die Gruppe sich zu organisieren und als Team zu verstehen. Regeln werden geklärt, Rollen und Funktionen verteilt, Normen für das Miteinander werden festgelegt. Das Zusammengehörigkeitsgefühl wächst.

Produktiv-Phase

Die Beziehungen untereinander werden enger, das Team zeigt Geschlossenheit – nach innen und nach außen. Man lernt voneinander, will zusammen arbeiten, entdeckt, wie man sich ergänzen kann und will gemeinsame Ziele erreichen:

  • Unterschiede werden als Bereicherung erlebt
  • Jeder ist anerkannt, jeder weiß um seinen Beitrag
  • Aufgaben werden konstruktiv angegangen
  • Die Gruppe stellt sich selbst neue Aufgaben und ist offen für Ideen
  • Man hilft sich untereinander
  • Das Team ist auf die Aufgaben fokussiert

So wirkt das Team auch nach außen – als funktionierende Gruppe, geschlossen und energiereich. Dadurch kann es zu Änderungen in der Rolle des Teams in der Gesamtorganisation der Kita oder des Trägers kommen. Eine Klärung sollte beizeiten angegangen werden.

Abschied

Abschluss, Transfer und Abschied sind auch in Krippenteams ein wichtiges Thema – insbesondere beim Ausscheiden einzelner Mitglieder. Aber auch der Übergang vieler Kinder in den Kindergarten und damit nötige Umstrukturierungen sind in diesem Zusammenhang relevant.

  • Abschluss bedeutet, die Themen auf der Sachebene zu einem Ende zu bringen. Dabei muss die Psychodynamik des Teams im Auge behalten werden
  • Transfer heißt, dass sich das Team überlegen muss, wie Aufgaben umverteilt werden oder der Arbeitsalltag neu organisiert wird
  • Abschied von Personen bedeutet nicht nur Trauer. Es gibt auch die Gewissheit, dass etwas beendet ist, dass etwas zum Abschluss gebracht wurde. Dies gilt es wertzuschätzen – in der ganzen Gruppe

Angelehnt an die Team-Entwicklungsuhr von Bruce Tuckman




Elterngespräche in der Krippe führen

Typische Konfliktpunkte und praktische Lösungsansätze für eine gelungene Kommunikation

„Wann sind denn die nächsten Termine für Elterngespräche?“ fragt eine Mutter. Meike Hosbach, Leiterin der Kindertagessätte in Diemarden, zu der auch drei Krippengruppen gehören, ist überrascht. Erst vor zehn Minuten hat sie das Kalendarium mit den Sprechzeiten ausgehängt – und schon sind alle Termine belegt. „Die Eltern sind heute sehr stark an der Entwicklung ihrer Kinder interessiert. Sie wollen wissen: wie geht es meinem Kind, fühlt es sich wohl, ist es genau so weit wie alle anderen?“, meint Hosbach. Dahinter stecke die meist unausgesprochene Frage: „Muss ich mir Sorgen um mein Kind machen?“

Über jeden Schritt des Kindes informiert sein?

Verstehen kann das wohl jeder Vater und jede Mutter. Schließlich geben die Eltern ihr Liebstes an eine ihnen in der Regel unbekannte Person ab. Das ist ein riesiger Vertrauensvorschuss! Kein Wunder, dass sie möglichst laufend über jeden noch so kleinen Schritt ihres Kindes informiert sein wollen. Und das nicht nur zwischen Tür und Angel, sondern auch in ausführlichen Gesprächen. „In der Eingewöhnungszeit bieten wir monatlich Elterngespräche an, bei Bedarf selbstverständlich häufiger. Für die älteren Kinder pendelt sich die Frequenz bei ein- bis zweimal im Jahr ein“, so Hosbach. „Mehr schaffen wir in unserer Arbeitszeit nicht.“

Selbstverständlich versteht sie, dass manche Eltern einfach ein offenes Ohr brauchen, über ihren immer noch neuen und sich immer wieder verändernden Tagesablauf mit dem Kind reden wollen, dass sie sich im Gespräch über Entwicklung und Erziehung klar werden wollen. „Aber wir sind keine Erziehungs- oder gar Lebensberatungsstelle. Wir sind Fachpersonen für die Betreuung von Kleinkindern.“

Mit dem Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder bis drei Jahre sei natürlich auch die Nachfrage gewachsen, so der Diplom-Pädagoge und Diplom-Supervisor Hans-Joachim Rohnke aus Grebenhain bei Fulda. Seit vielen Jahren berät er Kita- und Krippenteams in ganz Deutschland. „Die gesellschaftliche Akzeptanz für die öffentliche Erziehung der ganz Kleinen ist inzwischen sehr hoch. In den Metropolen haben wir für Kinder bis drei Jahre eine Betreuungsquote von zum Teil über 60 Prozent.“

Bindung und Beziehung ermöglichen

Den Eltern sei vor allem die „personelle Betreuungskontinuität“ wichtig. Denn sie wissen: Bindung und Beziehung sind in den ersten Lebensjahren der Schlüssel zu einer gesunden Entwicklung. Beziehung kann aber nur sicher und dauerhaft aufgebaut werden, wenn in den Einrichtungen genügend nicht befristete Vollzeitkräfte für die Betreuung der Ganztagskinder vorhanden sind. „Nur so kann gewährleistet werden, dass die Kinder einen ständigen Ansprechpartner haben“, so Rohnke. Und den brauchen sie permanent, denn sie pendeln ständig zwischen dem Entdecken der Welt und der Sicherheit, die eine ihnen vertraute Person geben kann.

Daher arbeiten die meisten Krippen mit dem Bezugskindermodell. Diese Erzieherin ist auch die richtige Ansprechperson für ein Elterngespräch. Viele Einrichtungen sind inzwischen dazu übergegangen, Elterngespräche nur noch zu zweit zu führen. „Eine zweite Person kann die Sicht auf das Kind erweitern, kann Beobachtungen bestätigen, kann andere Aspekte einbringen“, so Hosbach. Wichtig sei aber auch: In einem Gespräch mit zwei Erzieherinnen eskaliert ein möglicher Konflikt nicht so schnell.

Konfliktpunkt: Eingewöhnung

Ein klassischer Konflikt ist laut Rohnke die Dauer der Eingewöhnung. Die meisten Krippen arbeiten nach dem Berliner Modell, das eine Phase von bis zu sechs Wochen vorsieht, bis das Kind allein in der Krippe bleibt. „Eltern sollten diese Zeit ihren Kindern schenken“, meint Rohnke, „schließlich handelt es sich um eine Schlüsselsituation für die Kleinen, in der sie zum ersten Mal in ihrem Leben von Mama, Papa oder andere Personen längere Zeit getrennt sind“. Immer wieder gebe es jedoch Eltern, die das nicht einsehen, oder die sich ihrem Arbeitgeber sehr stark verpflichtet fühlen. Doch gelinge die Eingewöhnung, gebe es viermal weniger Krankheitsfälle bei den Kindern und ebensoviel weniger Rückfälle wie ständiges Klammern, Weinen und Sich-nicht-beruhigen-lassen. „Das führt auch zu Fehlzeiten bei den Eltern und zu schlechteren Arbeitsergebnissen, da Väter und Mütter dann gedanklich nicht voll bei der Sache sind“, so Rohnke.

Das Modell der Eingewöhnung und wie es praktisch gehandhabt wird ist Teil des pädagogischen Konzeptes der Krippe. Das haben alle Eltern ausgehändigt bekommen, es wurde mit ihnen besprochen. Es ist die Grundlage des Betreuungsvertrages. „Das Prinzip ist die Erziehungspartnerschaft, nicht das Abgeben des Kindes“, sagt Rohnke. Und was Eingewöhnung für das Kind bedeutet, muss dann im Elterngespräch immer wieder erläutert werden: Eingewöhnung kann nur gelingen, wenn das Kind es will. Dazu braucht es die Sicherheit, dass Mama oder Papa da sind. Dass sie erst gehen, wenn das Kind dazu bereit ist. Dass die Eltern zeigen, dass sie Vertrauen zur Erzieherin haben. Dass sie ihr das Kind übergeben, es weder festhalten, noch wegstoßen. Auf Seiten der Einrichtung, dass es eine anregungsreiche Umgebung gibt, die dem Kind viele neue Erfahrungs- und Lernmöglichkeiten bietet: Materialien, Spielangebote, andere Kinder. Und das braucht eben Zeit! Sechs Wochen sind in manchen Fällen dafür nicht zu viel.

Das Konzept ist dazu da, dass Eltern sich damit auseinandersetzen und schauen können, ob es ihnen für die weitere Entwicklung ihres Kindes zusagt oder nicht. „Wenn es da grundsätzliche Differenzen gibt, müssen sie nötigenfalls eine andere Einrichtung wählen“, sagt Rohnke.

Konfliktpunkt: Bildungsverständnis

Ein weiterer grundsätzlicher Konfliktpunkt ist oft das Bildungsverständnis. Bildung – da denken die meisten Menschen an Schule. Bücher lesen. Kognitiv Wissen aufnehmen und wiedergeben. Etwas erklärt bekommen und daraufhin verstehen. Für Kinder bis Drei ist ein solches Bildungskonzept nicht hilfreich. „In diesem Alter ist es nicht kindgerecht,  mit von der Schule entlehnten Programmen zu arbeiten und Kulturtechniken einzuüben“, so Rohnke. Viel wichtiger ist das Vorbildverhalten der Erwachsenen und anderer Kinder.

Daran entzünden sich auch immer wiederkehrende Alltagskonflikte mit Eltern. „Warum braucht ihr denn so lange für das Wickeln und Händewaschen?“, werde sie oft gefragt, berichtet Hosbach. Die Antwort: Weil Pflege in diesem Alter Bildung ist. Ganzheitliche Bildung im besten Sinne. Sie bittet das Kind um sein Einverständnis, wenn sie es wickeln will. Das braucht Feinfühligkeit und ein gutes Beobachten kleiner Nuancen von Gesten, schließlich können sich die wenigsten Wickelkinder verbal klar äußern. Das Kind lernt dabei: ich werde respektiert. Ich bin etwas wert. Niemand darf einfach über mich bestimmen! Sie spricht mit dem Kind, beschreibt, was sie tut, geht dabei auf seine Äußerungen, Gesten und Bewegungen ein. Kälte, Wärme, die sensitive Wahrnehmung auf der Haut, erste selbstständige Drehbewegungen auf dem Wickeltisch als zielgerichtete Handlungen – das sind Bildungserfahrungen, die grundlegend wichtig sind und absolut altersentsprechend.

„Ein eineinhalbjähriges Kind erreicht es nicht, wenn ich ihm eintrichtern will, dass sein Strampler rosa und sein Mützchen blau ist“, sagt Hosbach. Das ist erst im Kindergarten angebracht. Genau das sei aber wichtig, den Eltern zu erklären. Schließlich kann niemand erwarten, dass Mütter und Väter Expertinnen in Sachen Entwicklungspsychologie sind. Solche Erklärungen zeigen, dass die Erzieherinnen kompetent sind, dass sie wissen, was sie mit den Kindern machen. Dass sie gut beobachten und nicht nur einfach herumsitzen und die Kinder sich selbst überlassen. Dass die Kinder gut bei ihnen aufgehoben sind. Und dass sie bereit sind, sich und ihre Pädagogik zu hinterfragen. „Das ist eine wesentliche Grundlage für ein gutes Elterngespräch“, meint Hosbach, „die eigene Kompetenz zeigen und die Eltern in ihren Fragen und Beobachtungen ernst nehmen.“ Und es muss deutlich werden: Die Erziehungs- und Bildungsarbeit in der Krippe kann durchaus anders sein als in der Familie. Sie ist nicht besser und nicht schlechter, aber genauso wertvoll.

Konfliktpunkt: Mein Kind und die Gruppe

„Lisa isst morgens um 8 Uhr und schläft um 11. Sonst ist sie mir abends zu lange wach.“ Solche Äußerungen von Eltern hört Meike Hosbach immer wieder. Gemeint sind sie als Aufforderung, diesen Vorgaben zu folgen. Klar ist: Die Erzieherin gehört nicht zum Hauspersonal der Familie. Sie empfängt keine mütterlichen Weisungen und führt sie aus. Sie ist Fachfrau für frühkindliche Pädagogik, ihr Arbeitgeber ist der Träger der Kita. Gebunden ist sie an das pädagogische Konzept, auf dessen Grundlage das Jugendamt die Betriebsgenehmigung erteilt hat. Und das ist die Basis für die Erziehungs- und Bildungspartnerschaft mit den Eltern.

Im Gespräch über Ess- und Schlafgewohnheiten wird deutlich, dass die Erzieherin Lisa sehr genau beobachtet. Dass sie die Anzeichen für Müdigkeit erkennt. „Wir gehen nach Möglichkeit auf die individuellen Bedürfnisse der Kinder ein“, sagt Hosbach. Allerdings sind die in der Gruppe sehr verschieden, was auch am unterschiedlichen Alter der Kinder liegt. „Dann kann sich nicht immer eine Erzieherin zehn Minuten Zeit nehmen, um ein Kind allein zum Schlafen zu bringen, insbesondere, wenn die anderen gerade ein großes Bewegungsbedürfnis haben oder raus gehen wollen.“ Selbstverständlich gibt es aber Ruhemöglichkeiten, die die Kinder selbstständig aufsuchen können. Dass Lisa in ihren Bedürfnissen gesehen wird, war der Mutter im Gespräch sehr wichtig. Dass eine Notwendigkeit besteht, sich den Rhythmen der Gruppe anzupassen, wollte sie nur schwer einsehen. „Aber auch das ist eine Entwicklungsaufgabe für Kinder“, meint Hosbach, „zu erkennen, wie eigene Bedürfnisse und Gruppenbedürfnisse ausgehandelt werden.“ Der respektvolle Umgang der Erzieherinnen mit den Kindern ist hierfür Basis und Modell.

Das gilt selbstverständlich auch für die Beziehung zwischen Eltern und Erzieherin. Sind sie in der Lage, Meinungsverschiedenheiten auszuhalten und Konflikte auszutragen, sind sie hierin ein Modell für die Kinder. Schwelen Konflikte längere Zeit, spüren die Kinder die Missstimmung und geraten schlimmstenfalls in Loyalitätsprobleme. Denn dass es allen Personen, die für sie wichtig sind, gut geht und dass alle miteinander auskommen – das wollen alle Kinder.

Ralf Ruhl

Nutzen Sie auch den Leitfaden für Elterngespräche. Diesen können Sie hier downloaden.




Erste-Hilfe-Kurse für die Rettung von Klein- und Kindergartenkindern

Johanniter bieten maßgeschneiderte Kurse für Bildungs- und Betreuungseinrichtungen an:

Bei einem Unfall ist schnelle und vor allem richtige Hilfe wichtig. Die Johanniter bieten maßgeschneiderte Erste-Hilfe-Kurse speziell für Bildungs- und Betreuungseinrichtungen für Kinder an. Dabei vermitteln sie nicht nur theoretische Kenntnisse, vor allem üben sie mit den Teilnehmerinnern und Teilnehmern intensiv und praxisnah.

Vorbeugen von Unfällen

Damit Unfälle möglichst gar nicht erst passieren, werden Ihnen im Kurs außerdem typische Gefahrenquellen aufgezeigt. „Gefahr erkannt – Gefahr gebannt“ lautet hier das Motto. Gerade bei bekannten Erkrankungen des Kindes sind vorbeugende Maßnahmen wichtig. Auch das Bereithalten wichtiger Notfallnummern kann im Ernstfall die Wartezeit auf den Rettungswagen verkürzen. 

Angebot für die Ersthelfer von morgen

Übrigens: Haben die Kinder ganz gespannt Ihren Erzählungen vom Erste-Hilfe-Kurs gelauscht? Die Johanniter bilden auch die (heute noch kleinen) Ersthelfer von morgen  aus. Im Alter von 4 bis 11 Jahren lernen die Kinder einfache Maßnahmen der Ersten Hilfe und wie sie Unfälle vermeiden können.

So schaffen Sie für die Kinder aber auch für sich selbst mehr Sicherheit im Krippe und Kita.

Weitere Informationen zu den Kursen in Ihrer Nähe finden Sie unter: http://www.johanniter.de/kurse/erste-hilfe-kurse/erste-hilfe-in-bildungs-und-betreuungseinrichtungen-fuer-kinder/