Elternbeiträge: Wo Kitas am teuersten sind

Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft offenbart enorme Differenzen bei den Gebühren

Je jünger, desto teurer: Besonders für Kinder unter drei Jahren ist die Kita-Betreuung teuer, zeigen neue IW-Auswertungen. Die höchsten Gebühren erheben Bergisch Gladbach und Mülheim an der Ruhr für die Betreuung von einjährigen Kindern. In Mülheim an der Ruhr zahlen Gutverdiener für eine wöchentliche Betreuungszeit von 45 Stunden 1009 Euro, Bergisch Gladbach berechnet für 45 Stunden pro Woche einen Beitrag von 1.220 Euro. Doch auch für Menschen mit mittleren Einkommen kann die Kita zur finanziellen Belastung werden. Besonders teuer ist es für sie in Mannheim: Dort werden für eine tägliche, achtstündige Betreuung bei einem Brutto-Einkommen von 50.000 Euro monatlich 399 Euro fällig. Hinzu kommen Kosten für die Verpflegung und weitere Leistungen.

Gebühren von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich

Ob und wie viel Eltern zahlen müssen, hängt vor allem vom Wohnort, dem Alter, der Anzahl der Kinder, dem Betreuungsumfang sowie dem Einkommen ab. Die Kriterien unterscheiden sich jedoch nicht nur von Bundesland zu Bundesland, sondern auch zwischen den Kommunen: So gibt es in den hessischen Großstädten keine Staffelung des Einkommens, in Reutlingen keine Differenzierung nach Alter, dafür unterscheiden einige Städte in Niedersachsen auch noch nach Art der Betreuungseinrichtung.

„Im Sinne einer Chancengleichheit wäre der Besuch von Kitas idealerweise bundesweit einheitlich geregelt und für alle Kinder in den letzten Jahren vor der Einschulung kostenlos. Dies ist aufgrund der aktuellen Haushaltslage der Länder und Kommunen aber nicht überall umsetzbar, da die Kostenfreiheit nicht zulasten der Qualität der Betreuung gehen darf“, erklärt Dr. Wido Geis-Thöne, Ökonom am Institut der deutschen Wirtschaft (IW). „Hohe Beiträge müssen aber vermieden werden, da sie die Vereinbarkeit von Beruf und Familie erschweren.“ Familienpolitische Maßnahmen sind schließlich eine Investition in die Zukunft – nur mit funktionierender Betreuung können Eltern früh wieder arbeiten gehen und nur mit guter Betreuung werden Kinder optimal gefördert.

82 Großstädte im Vergleich

Methodik: Die Berechnung der Kitagebühren ist komplex und variiert von Bundesland zu Bundesland. Die Vielfalt dieser unterschiedlichen Ansätze erschwert einen Vergleich der Betreuungskosten für Familien mit mehreren Kindern. Aus diesem Grund konzentrieren sich die Auswertungen ausschließlich auf Familienkonstellationen mit nur einem Kind. Insgesamt wurden Gebührenverordnungen von 82 Großstädten mit derzeit über 100.000 Einwohnern berücksichtigt.

Quelle: Institut der Deutschen Wirtschaft




Kompetenz und Karriere: Berufliche Chancen durch Fort-, Weiter- und Zusatzausbildungen

Der Beruf „ErzieherIn“ als Basis für Möglichkeiten der beruflichen Weiterentwicklung

Vorbemerkung der Redaktion

„Zwei Drittel der pädagogisch Tätigen verfügten 2022 über einen einschlägigen Fachschulabschluss. Der Anteil dieser Personengruppe hat im Vergleich zum Vorjahr um 0,7 und zwischen 2019 und 2022 um 2,3 Prozentpunkte abgenommen. Dies hängt jedoch nicht mit einem absoluten Rückgang der Anzahl dieser Personen im Feld zusammen. Vielmehr steigt die Anzahl von Personen mit Fachschulabschluss nach wie vor jedes Jahr an. Allerdings sind deren Zuwächse prozentual geringer als die der anderen Gruppen (u.a. Praktikantinnen und Praktikanten sowie Personen in Ausbildung)“, so steht es im aktuellen Monitoringbericht des Bundesfamilienministeriums.

Tatsächlich steigt die Zahl der Personen, die in einer Kindertageseinrichtung tätig sind stetig an. Im Frühjahr 2023 waren es laut Fachkräftebarometer 886.302 Personen. Das sind mehr als jemals zuvor. Allerdings steigt auch die Zahl der Kinder, die eine Tageseinrichtung besuchen. 2023 waren es 3.926.423; ebenfalls mehr als jemals zuvor. Dabei fehlen noch immer laut dem oben zitierten Monitoringbericht rund 430.000 Kita-Plätze.

Das sind nüchterne Zahlen, um eine schwierige Situation zu skizzieren, die allzu oft hochemotional behandelt wird. Doch alles Lamentieren hilft nicht viel. Trotz zahlreicher Bemühungen verbessert sich die Betreuungssituation nur sehr langsam. Und während sie an manchen Stellen und in einigen Regionen durchaus zufriedenstellend ist, offenbaren sich an anderen Stellen ungeheure Defizite.

Und es sind keine Propheten oder Zukunftsforscher notwendig, um zu prognostizieren, dass wir gemessen am aktuellen Bedarf niemals eine ausreichende Zahl an Betreuungskräften erreichen werden. Denn der Mangel an pädagogischen Fachkräften resultiert zu einem ordentlichen Anteil daraus, dass hierzulande in den vergangenen Jahrzehnten nicht genügend Menschen geboren wurden, die diese Aufgaben übernehmen könnten. Das lässt sich auch durch den Zuzug nicht auffangen.

Wenn aber schon nicht die Quantität erreicht werden kann, sollte zumindest die Qualität stimmen. Und angesichts dessen, dass immer mehr Arbeitskräfte als Seiten- und Quereinsteiger oder ganz ohne Ausbildung in der Betreuung tätig sind, sind Fort- und Weiterbildung notwendiger denn je. Doch auch für gestandene Fachkräfte sind Fort-, Weiter- und Zusatzausbildungen nicht weniger wichtig. Schon allein aus dem Grund, um der alltäglichen Tretmühle für einen Moment zu entkommen, Luft zu holen und den Blick wieder zu weiten.

Akuteller denn je, ist deshalb auch der folgende Artikel von Prof. Dr. Armin Krenz. Er beschreibt unter anderem, was Fortbildungen für Kompetenz und Karriere bedeuten:

„Beruf ErzieherIn“ – ein Klassiker im Arbeitsfeld des Kindergartens

Nicht selten stellen sich elementarpädagogische Fachkräfte durch erlebte Neuanforderungen, eine langjährige Berufstätigkeit oder eine zunehmende Berufsmüdigkeit die Frage, ob es für ErzieherInnen überhaupt berufliche Veränderungen oder gar Aufstiegschancen im Hinblick auf eine Karriere gibt. Viele sind der Meinung, diese Frage sei schon im Ansatz unberechtigt, überflüssig oder gar provokativ gestellt, erübrige sich die Antwort doch von selbst. Dennoch: bei einer sorgsamen, genaueren und intensiveren Betrachtung fällt die Antwort für manche Fachkraft vielleicht überraschend aus!

Ohne Frage stellen ErzieherIinnen die größte Berufsgruppe in Kindertageseinrichtungen dar – neben SozialassistentInnen, Kinderpfleger:innen und einigen (zunehmend mehr) Diplom-SozialpädagogInnen, Diplom-PädagogInnen und HeilpädagogInnen. Zwar gibt es auch Männer in dieser Frauendomäne – doch ist ihr Prozentsatz vergleichsweise verschwindend gering. Berichten beispielsweise ErzieherInnen von ihrem Berufsbild, wird ihnen von der Öffentlichkeit als erstes das Tätigkeitsfeld „Kindergarten“ oder „Vorschulpädagogin“ zugeordnet.

Auch wenn seit vielen Jahren das Berufsbild „ErzieherIn“ existiert, so wird auch heute noch häufig in der Öffentlichkeit synonym von „der Kindergärtnerin“ gesprochen – eine ebenso falsche und fachlich betrachtet ärgerliche wie unangemessene Berufsbezeichnung. Sie provoziert das Bild einer Tätigkeit, in der mit Kindern hauptsächlich am Tisch gebastelt wird, wo Papierfaltarbeiten auf der Tagesordnung stehen und vielleicht sogar noch gemeinsame Toilettengänge Praxis wären. Doch zeigt sich damit sehr deutlich die >gedankliche Verschmelzung< zwischen Beruf und Tätigkeit. Es darf an dieser Stelle kurz erwähnt werden, dass es dringend erforderlich ist, diesem Berufsklischee noch deutlicher und klarer durch Professionalität und offensiv gezeigte Kompetenzen im Rahmen einer qualitätsorientierten Öffentlichkeitsarbeit entgegen zu wirken. Dafür bieten einige der bekannten Qualitätsmanagementsysteme besonders gute Möglichkeiten an.


Viele kennen Prof. Dr. Armin Krenz als Begründer des „Situationsorientieren Ansatzes“; andere aus seinen zahlreichen Fortbildungen. Zu seinen Kernthemen gehören unter anderem die Förderung der Professionalität und der Kompetenzen frühpädagogischer Fachkräfte. Bei Burckhardthaus sind dazu spannende Bücher erschienen.


Erst Berufung, dann Beruf und schließlich Job

Viele elementarpädagogische Fachkräfte haben im Laufe ihrer Berufstätigkeit immer wieder Höhen und Tiefen erlebt – sei es im alltäglichen Umgang mit Kindern oder Eltern, im Kollegium oder mit dem Träger. Dieses „auf und ab“ ist ein fester Bestandteil und gehört sicherlich vom Kern betrachtet zum normalen Spannungsfeld dieser verantwortungsvollen Tätigkeit dazu. Doch sind es aber auch objektive Umstände, die dazu beitragen (können), dass ErzieherInnen ihren Berufsalltag als äußerst anstrengend erfahren müssen. Unbestritten werden die Arbeitsbedingungen – und dies nicht erst seit Ausbruch der Corona-Pandemie – immer komplizierter und schwieriger.

Die finanziellen Mittel werden Jahr für Jahr gekürzt, die Gruppengröße wird aufgestockt, so genannte Springkräfte werden nicht mehr finanziert, frei gewordene Stellen werden entweder nicht mehr oder erst nach längerer Zeit mit Fachpersonal besetzt und Arbeitszeiten werden je nach den vorhandenen Haushaltsmitteln gekürzt oder verlängert, so dass persönliche und berufliche Lebensziele durcheinander geraten können. Dazu kommen neue Aufgaben, die erfüllt werden müssen und die im Rahmen der europaweiten Qualitäts- und Bildungsoffensive sicherlich ihre Berechtigung haben.

Allerdings stellt sich die Frage, mit welchem Zeitbudget und zu welchem Zeitpunkt diese zusätzlichen Anforderungen im Rahmen der bisherigen Tätigkeit tatsächlich geleistet werden können bei gleichzeitiger Kürzung bzw. völligem Wegfall einer arbeitsnotwendigen Vor- und Nachbereitungszeit. Da ist es schon verwunderlich und beachtenswert, wenn elementarpädagogische Fachkräfte wie Felsen in einer Brandung stehen und ihre Aufgaben fachkompetent zu meistern versuchen, doch in keinem Maße auch nur annähernd angemessen entlohnt, von vielen Eltern mit höchsten Erwartungen überfrachtet oder auch bei arbeitsintensiven Aktionen nicht selten alleine gelassen, von den Grundschulen mit unangemessenen Forderungen unter Druck gesetzt und von den eigenen Erwartungen an sich selbst immer wieder aufs Neue gefordert.

So kann schnell aus einem ursprünglichen >Traumberuf< ein >beruflicher Alptraum< werden und manches Mal wird in einem schleichenden Prozess die innerlich gespürte Berufung zu einem Routinejob. Eine Erzieherin hat es einmal so formuliert: „Ich fühle mich wie auf einer Rutsche, die mit Schmierseife beschichtet ist. Jeder Versuch, sich festzuhalten oder nach oben zu klettern wird durch immer neue Anforderungen oder irritierende Entscheidungen von oben zunichte gemacht. Was bleibt ist eine Illusion von damals und was vorherrscht ist Stress, Rastlosigkeit und eine zunehmende Mutlosigkeit.“

Auswege – Wege aus dem Aus

Viele elementarpädagogische Fachkräfte fragen sich am Ende eines Tages oder in den unterschiedlichen Situationen:

  • Wie haben Kinder den heutigen Tag mit mir erlebt?
  • Habe ich Kinder in ihren unterschiedlichen Ausdrucksformen verstanden und sie in ihren vielfältigen Entwicklungsmöglichkeiten aktiv unterstützt?
  • Habe ich die Kinder ernst genommen, konnte ich ihre wirklichen Anliegen spüren und erkennen?
  • Ist es mir gelungen, das Selbstwertgefühl der Kinder zu stärken?
  • Habe ich alle Kinder beachtet oder habe ich vielleicht bestimmte Kinder übersehen?
  • Konnten die Kinder wirklich zeigen, welche Fähigkeiten in ihnen stecken? Und war ich ihnen hilfreich, diesen Tag –wie auch die anderen Tage – als ein Geschenk des Kindergartens zu erleben?
  • Konnten Kinder ihre Fülle an Fantasie und Kreativität zum Ausdruck bringen und wie konnte ich mich darauf einlassen? War ich den Kindern gegenüber gerecht?
  • Habe ich am heutigen Tage etwas Wesentliches übersehen?
  • Gab es etwas, was ich heute falsch gemacht habe und in Zukunft dringend anders machen will?
  • Waren meine Kompetenzen ausreichend, um gesetzte Ziele zu erreichen?
  • In welchem Bereich muss ich dringend etwas dazu lernen, damit ich besser werden kann?
  • Kann bzw. will ich überhaupt die vielfältigen Ziele erreichen?
  • Muss ich mich selbst ständig hinterfragen und immer wieder auf Veränderungen einlassen?
  • Ja, ist der Beruf eigentlich noch mein Wunschberuf?

Mit diesen und vielen weiteren Fragen beginnt der Prozess der Selbstauseinandersetzung und gleichzeitig die Konfrontation mit sich selbst. Ohne Frage bieten sich in diesem Zusammenhang sehr unterschiedliche Möglichkeiten an, Antworten zu finden: sei es durch kollegiale Gespräche, durch ein Personal-Coaching, durch regelmäßige Einzel-, Gruppen- und Teamsupervision oder durch den Besuch von Fort- und Weiterbildungsseminaren. Das Entscheidende ist dabei immer, dass (!) diese und alle anderen Fragen einer Beantwortung bedürfen, um aus dem Grübeln herauszukommen. Andernfalls wird ein permanent schlechtes Gewissen oder eine vor sich ständig her geschobene Frage den Blick für gegenwärtige Aufgaben u n d die neuen Herausforderungen vernebeln, vielleicht sogar verstellen. Wie heißt es doch so treffend im Krisenmanagement: >Es gibt keine Probleme – es gibt nur Aufgaben<.

Fort-, Weiter- und Zusatzausbildungen: Wege aus der Krise

So kann es sein, dass durch den Besuch von Fort-, Weiter- oder Zusatzausbildungen ein effektiver und nachhaltiger Weg aus der Krise gefunden wird. Wenn Bildungsmaßnahmen auf der einen Seite dazu beitragen, die Professionalität im Beruf zu verbessern und auf der anderen Seite dabei helfen, die eigene persönliche und berufliche Identität zu stärken, ist der Kern einer Entwicklung getroffen. (Anmerkung: die Erweiterung der Professionalität – gemeint ist der Fachaspekt- und die Stabilisierung der eigenen Identität – sollten immer gleichzeitig Ziel, Aufgabe und Weg einer Bildungsmaßnahme sein, weil das eine ohne das andere nicht funktioniert!).

Im Allgemeinen wird von Fortbildungsmaßnahmen gesprochen, wenn es sich um zeitlich kleinere Bildungseinheiten handelt (von einem Tag bis zu ca. 5 Tagen). Weiterbildungen umfassen ca. 100- 250 Stunden, also ca. 13- 30 Tage und Zusatzausbildungen beziehen sich auf den Erwerb zusätzlicher Berufsqualifikationen – ihr Zeitumfang beträgt häufig zwischen 31 und 150 Ausbildungstagen- und enden mit einer Abschlussprüfung und einem Zertifikat. Fort- und Weiterbildungen dienen in der Regel der Verbesserung der bisherigen Arbeit. Zusatzausbildungen hingegen, die in Vollzeit- o d e r berufsbegleitender Form angeboten und durchgeführt werden, bieten nicht nur eine Legitimation für eine neue, zusätzliche Schwerpunktlegung, sondern eröffnen den Absolventen auch neue Wege für ihre Berufs- und Karriereplanung. Das kann vor allem für die elementarpädagogischen Fachkräfte von Bedeutung sein, die sich von ihrem bisherigen Tätigkeitsbereich verabschieden möchten und neue, andere Herausforderungen suchen.

Dabei sind einige Fragen und Überlegungen im Vorhinein von besonders ausschlaggebender Bedeutung:

  • In welchem Bereich liegen meine besonderen Begabungen?
  • Welches Aufgabenfeld bzw. welcher Arbeitsbereich interessiert mich dabei in höchstem Maße?
  • Was gehört genau zu den möglichen Tätigkeiten?
  • Welche Qualitäten und Begabungen sind dafür real erforderlich und wie „passen“ sie zu meiner Persönlichkeit?
  • Welche Fachkompetenzen und Qualifikationsnachweise sind dafür notwendig?
  • Auf welche Weise können und müssen die Begabungen im Hinblick auf das ausgewählte Aufgabenfeld perfektioniert werden?
  • Wie umfangreich ist eine solche Zusatzausbildung in Vollzeit- oder berufsbegleitender Form?
  • Welche Anbieter kommen in Frage, wie ist die Zusatzausbildung strukturiert und welchen Ruf haben die entsprechenden Anbieter in der Fachwelt?
  • Wie (unterschiedlich) hoch sind die Kosten für die Zusatzausbildung? Welche staatliche bzw. berufspolitische Anerkennung haben die Zusatzausbildungen?
  • Wie hoch ist der Bedarf an diesem Beruf und wie sehen zum jetzigen Zeitpunkt die späteren Berufschancen aus?
  • Wo/ bei wem finde ich ausreichende Informationsmöglichkeiten?
  • Will ich meinen neuen, angedachten Weg alleine planen und durchführen oder suche ich mir einen Begleiter (i.S. eines beruflichen Coachings?)

Es gibt weitaus mehr Möglichkeiten als gedacht

Schaut man sich im „Markt der Möglichkeiten“ einmal genauer um, ist es für viele elementarpädagogische Fachkräfte völlig überraschend festzustellen, wie umfangreich und vielfältig die Angebote für qualitätsorientierte Zusatzausbildungen in Deutschland sind. So reichen diese von Zusatzausbildungen in (heilpädagogischer) Musiktherapie, in Psychodrama oder Trauerbegleitung, Märchentherapie oder Medienpädagogik, Pantomime oder Zauberpädagogik, Theaterpädagogik oder personzentrierter Gesprächsführung, Sozialmanagement oder analytischer Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie, Bioenergetik oder Gestaltpädagogik, Andragogik (Wissenschaft der Erwachsenenbildung) oder Sexualpädagogik und Sexualberatung, Motopädagogik oder Ergotherapeutik, Konfliktmanagement oder Coaching, Erziehungstherapeutik, Kinder- und Jugendtherapeutik, Kunsttherapie, Sprachtherapeutik oder Spielpädagogik.

Weiterhin gibt es Zusatzausbildungen in therapeutischem Puppenspiel, Tanztherapie, zur Spielleiterin von Theatergruppen, in Bibliodrama, sozialpädagogischer Familienhilfe, Konfliktmanagement, Trennungsberatung, Mediation, Familien-, Krisen- und Scheidungsberatung, pädagogischer und psychotherapeutischer Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, als Familien- und Systemtherapeutin, in systemischer Beratung und zur Supervisorin, in Themenzentrierter Interaktion, pädagogischer Psychotherapie, Tanz- und Ausdruckstherapie, rhythmisch-musikalischer Erziehung, klientenzentrierter Spielpädagogik, Psychodramagruppentherapie mit Kindern, Kulturarbeit, Museumspädagogik, Erziehungspsychologie, wissenschaftlicher Schriftpsychologie, Ausdrucksmalen, Zusatzausbildung zur Leitung sozialer Institutionen, in integrativer Gestaltpädagogik, zur staatlich zugelassenen Psychologischen Beraterin, in sensorischer Integrationstherapie, in Religionspädagogik, zur Sozialwirtin, zur Heilpraktik für Psychotherapie (HPG) oder zum „Bachelor of Arts“ / „Master“ (als Hochschulabschluss).

Darüber hinaus gibt es weitere Zusatzausbildungen, die aber an dieser Stelle nicht alle genannt werden können. Schon alleine diese Übersicht macht deutlich, dass der Grundberuf „ErzieherIn“ die Basis für unzählige Möglichkeiten der beruflichen und personalen Weiterentwicklung bildet. Wer heute noch behauptet, dass ErzieherInnen kaum oder keine Aufstiegschancen haben, ist entweder völlig uniformiert und hat ein Interesse daran, elementarpädagogische Fachkräfte in einer möglichen Unkenntnis zu belassen. Ebenso interessant dürfte es für Erzieher/innen sein, dass beispielsweise durch das immer noch gültige Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG 3C 34.90 8 OVG A 5/88 vom 21.01.1993) auch Erzieher/innen mit entsprechender Zusatzausbildung die Möglichkeit offen steht, im Rahmen des Heilpraktikergesetzes (mit staatlicher Anerkennung) ins Arbeitsfeld Psychotherapie einzusteigen, wenn auch nicht mit Kassenzulassung bzw. Kassenabrechnung, so aber doch mit privater Abrechnungspraxis!

Fazit:

Wichtig ist vor allem, dass sich Interessentinnen für bestimmte Zusatzausbildungen fachkompetent und umfassend bei den anbietenden Institutionen oder anderen Ansprechpartnern informieren, um bestehende Vorurteile abzubauen und neue Erfahrungen/ Erkenntnisse sorgsam be-/auswerten. Ebenso wichtig ist es, dass elementarpädagogische Fachkräfte ihre eigenen Kompetenzen realistisch einschätzen und gleichzeitig ihre Entwicklungsmöglichkeiten ausloten, nutzen und erweitern. Neue Wege und innovative Berufs-/Karriereplanungen sind immer mit Mut, Engagement, Neugierde, fundiertem Wissen und gleichzeitigem Abschied von alten, eingeschlagenen Wegen und entwicklungshemmenden Verhaltensmustern verbunden. Das macht eine lebendige Persönlichkeits- und Berufsentwicklung aus. Und schließlich geht es immer um die rechtzeitige Planung von Zusatzausbildungen, um diese dann für die eigene Karriereplanung zur Verfügung zu haben, wenn eine professionelle, fachlich fundierte Weiterbildung/ Zusatzausbildung im betreffenden Arbeitsfeld oder auch ein Ausstieg aus der klassischen Elementarpädagogik ansteht.

Prof. h.c. Dr. h.c. Armin Krenz, Honorarprofessor i.R., Wissenschaftsdozent für Elementarpädagogik und Entwicklungspsychologie armin.krenz@web.de

Einen weiteren Artikel von Prof. Krenz zum Thema „Fortbildung zur Unterstützung der Persönlichkeitsentwicklung“ finden Sie hier.




Kita-Besuch kann soziale Unterschiede angleichen

Herkunftsbezogene Unterschiede in den kognitiven Kompetenzen können verringert werden

Kompetenzen von Kindern entwickeln sich schon in jungen Jahren unterschiedlich – insbesondere, weil sich die Entwicklungs- und Lernmöglichkeiten in ihren Familien voneinander unterscheiden. Eine neue Studie mit Daten des Nationalen Bildungspanels zeigt, dass für Kinder aus sozial schwächeren Familien der Besuch einer Kindertagesstätte besonders bereichernd ist. Herkunftsbezogene Unterschiede in den kognitiven Kompetenzen können so verringert werden. Problematisch ist jedoch, dass gerade Kinder aus benachteiligten Elternhäusern wesentlich stärker von fehlenden Betreuungsplätzen betroffen sind, als solche von besser gestellten Eltern.

Kinder lernen anderes als zu Hause

Die häusliche Lernumgebung spielt für Kleinkinder eine zentrale Rolle bei ihrer kognitiven, sozialen und emotionalen Entwicklung. Wie viel die Kinder lernen, hängt dabei stark vom sozialen und wirtschaftlichen Hintergrund der Familie ab. Der Besuch einer Kindertagesstätte (Kita) hingegen kann für Kinder unabhängig von den Bedingungen im Elternhaus Vorteile bringen, weil sie dort andere Dinge lernen als zuhause, beispielsweise durch das Miteinander mit Gleichaltrigen oder durch den Kontakt mit pädagogischen Konzepten.

Kita-Besuch hängt vom sozialen Status ab

Die Studie, die auf Längsschnittdaten von 992 Kindern im Nationalen Bildungspanel (NEPS) basiert, konnte nun zeigen, welche Kinder in ihrer Entwicklung besonders stark von einer institutionellen Betreuung profitieren. Die Ergebnisse zeigen, dass Kinder aus besser gestellten Familien im Alter von zwei Jahren häufiger eine Betreuungseinrichtung besuchen als Kinder aus sozial benachteiligten Elternhäusern. Letztere ziehen aber die größeren Vorteile aus einem Besuch im Hinblick auf ihre kognitiven Kompetenzen, beispielsweise in Bereich Mathematik oder beim Wortschatz. Umgekehrt bringt der Besuch einer Kinderbetreuungseinrichtung Kindern aus Familien mit einem sehr hohen sozialen und wirtschaftlichen Status keine Vorteile in ihren kognitiven Kompetenzen. Auf ihre Mathematikkenntnisse wirkt er sich sogar tendenziell nachteilig aus. Unabhängig von ihrer Herkunft gilt für alle Kinder, dass der Kita-Besuch ihre sozial-emotionalen Kompetenzen stärkt.

Was wäre, wenn?

Die Forschenden konnten in ihrer Studie aufzeigen, dass der Besuch einer Kindertageseinrichtung das soziale Gefälle in den Kompetenzen von Kindern mindert und sozial ausgleichend wirken kann. Prof. Dr. Corinna Kleinert vom Leibniz-Institut für Bildungsverläufe sagt dazu: „Unsere Simulationen mit einem ‚Was wäre, wenn‘-Szenario zeigen: Würden alle Kinder eine Kita besuchen, würden die sozialen Ungleichheiten in den Kompetenzen geringer ausfallen als heute. Würden alle Kinder ausschließlich durch ihre Eltern betreut, würden sich die sozialen Ungleichheiten in der Entwicklung hingegen verstärken.“

Weiterer Kita-Ausbau kann helfen

Kritisch sehen die Forschenden die Zugangsmöglichkeiten zu institutioneller Kinderbetreuung in Deutschland. Obgleich die Vorteile gerade für schlechter gestellte Familien am höchsten sind, besuchen nur 35 % der Kinder aus diesen Familien im Alter von zwei Jahren eine Einrichtung. Bei besser gestellten Familien liegt die Wahrscheinlichkeit eines Kitabesuchs hingegen bei 60 %. Trotz eines bestehenden Rechtsanspruchs auf institutionelle Betreuung hängt die tatsächliche Inanspruchnahme stark vom sozialen und wirtschaftlichen Hintergrund der Eltern ab. Die Forschenden fordern deshalb nicht nur, die Anzahl an Betreuungsplätzen weiter auszubauen, sondern auch den Zugang für benachteiligte Kinder zu erleichtern. Beides sei eine langfristig lohnende staatliche Investition in den Abbau sozialer Ungleichheit und die allgemeine Förderung von Kompetenzen bei Kindern.

Eine Zusammenfassung der Studie ist als Transferbericht in der Reihe LIfBi Forschung kompakt unter dem Titel „Führt ein Kitabesuch zu einer Angleichung sozialer Unterschiede?“ erschienen: https://www.lifbi.de/Portals/2/Publikationen/Transferberichte/LIfBi%20Forschung%20kompakt/LIfBi-Forschung-kompakt_05_Kita.pdf?ver=KUN261kvmznx63QVcjcWtA%3d%3d

Iris Meyer, Leibniz-Institut für Bildungsverläufe




Monitoringbericht zur Situation der Kindertagesbetreuung in Deutschland

Mehr betreute Kinder, Personal-Kind-Schlüssel unverändert, aber mehr Personal

Insgesamt haben im Jahr 2022 mehr Kinder Kindertagesbetreuungsangebote in Anspruch genommen als im Jahr 2021 (67.343). Während sich bei den unter Dreijährigen mit einem Anteil von 35,5 Prozent eine Steigerung von 1,1 Prozent der Inanspruchnahme feststellen ließ, zeigt sich bei Kindern im Alter zwischen drei und sechs Jahren ein leichter Rückgang um 0,1 Prozentpunkte auf 92 Prozent. So steht es fast wörtlich im Monitoringbericht zum KiTa-Qualitäts- und -Teilhabeverbesserungsgesetz – KiQuTG 2023.

Zwischen der Inanspruchnahmequote und dem von den Eltern geäußerten Betreuungsbedarf für Kinder unter drei Jahren (2022: 49 Prozent) bestand im Bundesdurchschnitt eine Lücke von rund 14 Prozentpunkten. Bei den Kindern zwischen drei und unter sechs Jahren betrug die Lücke zwischen Inanspruchnahmequote und Betreuungsbedarf (2022: 96 Prozent) nur 4,0 Prozentpunkte.

Der Anteil der Kinder mit Migrationshintergrund an allen Kindern in Kindertagesbetreuung betrug 2022 29,1 Prozent. Unter den Kindern mit Migrationshintergrund besaßen zwei Drittel eine nicht deutsche Familiensprache (66,9 Prozent). Unter dreijährige Kinder mit Migrationshintergrund besuchten seltener eine Kindertagesbetreuung als unter dreijährige Kinder ohne Migrationshintergrund. Mit zunehmendem Bildungsgrad der Eltern und Haushaltseinkommen stieg auch die Inanspruchnahmequote an.

Personal-Kind-Schlüssel

Für Gruppen mit Kindern unter drei Jahren lag der Personal-Kind-Schlüssel 2022 wie im Vorjahr bundesweit bei 1 : 4,0. Im Vergleich zu 2019 zeigte sich dagegen eine Verbesserung um −0,3.

Zwischen den Ländern bestehen nach wie vor deutliche Unterschiede – die Spanne zwischen den Ländern beim Personal-Kind-Schlüssel reichte 2022 von 1 : 3,0 bis zu 1 : 5,8. Auf Länderebene zeigten sich im Vergleich zum Vorjahr nur leichte Veränderungen. Seit 2019 sind auf Länderebene jedoch deutliche Entwicklungen zu verzeichnen. Die größten Verbesserungen der Personal-Kind-Schlüssel in Gruppen mit Kindern unter drei Jahren waren dabei überwiegend in Ländern mit den ungünstigsten Personal-Kind-Schlüsseln zu beobachten.

In Gruppen mit Kindern im Alter von drei Jahren bis zum Schuleintritt war 2022 bundesweit im Mittel eine pädagogisch tätige Person für 7,8 Kinder verantwortlich. Die Spanne zwischen den Ländern reichte von 6,5 Kindern bis zu 11,9 Kinder pro pädagogisch tätiger Person. In diesen Gruppen konnten zwischen 2021 und 2022 in fast allen Ländern leichte Verbesserungen beobachtet werden.

Sehr deutlich fallen Verbesserungen im Vergleich zu 2019 aus. Bundesweit sank der Personal-Kind-Schlüssel in Gruppen für Kinder im Alter von drei Jahren bis zum Schuleintritt um 0,5. Trotz dieser Verbesserungen hat sich die Spanne der Personal-Kind-Schlüssel zwischen den Ländern seit 2019 nicht verkleinert.

In Gruppen mit einem Anteil von über 25 Prozent Kindern mit nicht deutscher Familiensprache sowie in Gruppen mit Kindern mit Eingliederungshilfe waren die Personal-Kind-Schlüssel im Jahr 2022 weiterhin jeweils günstiger als in der entsprechenden Vergleichsgruppe. Dies zeigt sich sowohl in Gruppen mit Kindern unter drei Jahren als auch in Gruppen mit Kindern im Alter von drei Jahren bis zum Schuleintritt. Die Entwicklungen im Vergleich zum Vorjahr entsprechen im Wesentlichen den Entwicklungen der allgemeinen Personal-Kind-Schlüssel.

Unzufriedenheit beim Personal wächst

Die Zufriedenheit mit der aktuellen (Betreuungs-) Situation fällt aus Sicht des pädagogischen Personals im Jahr 2022 niedriger aus als im Vergleichsjahr 2020. Insbesondere die subjektive Einschätzung der Personal-Kind-Relation durch das pädagogische Personal fällt trotz des Verbesserungstrends der Personal-Kind-Schlüssel deutlich schlechter aus. Dies kann neben der angespannten Personalsituation (Fachkräftemangel, Ausfallzeiten) im System der Kindertagesbetreuung auch mit gestiegenen Anforderungen an das pädagogische Personal infolge gestiegener Förderbedarfe von Kindern während der Corona-Pandemie zusammenhängen. Die Zufriedenheit der Eltern mit der Gruppengröße wie auch mit der Anzahl der Betreuungspersonen pro Gruppe liegt hingegen nach wie vor auf einem hohen Niveau.

Beschäftigtenzahl und Ausbildungskapazitäten wachsen

Die Beschäftigungszahlen und die Ausbildungskapazitäten in den Erziehungsberufen konnten in den letzten Jahren weiter ausgebaut werden. Zum Stichtag 1. März 2022 arbeiteten laut amtlicher Statistik bundesweit 683.111 pädagogisch Tätige in Kindertageseinrichtungen. Im Vergleich zum Vorjahr bedeutet dies einen Anstieg um 3,3 Prozent, im Vergleich zu 2019 ließ sich ein Zuwachs von 12 Prozent beobachten. Mit Blick auf die Länder zeigten sich unterschiedliche Ausbaudynamiken.

Die Gesamtzahl der Schülerinnen und Schüler im ersten Ausbildungsjahr im pädagogischen Bereich lag im Schuljahr 2021/2022 mit insgesamt 74.512 höher als im Vorjahr (Schuljahr 2020/2021: 73.220). Zuwächse zeigten sich auch bei den Schülerinnen und Schülern in Ausbildung zur Erzieherin bzw. zum Erzieher, insbesondere im Bereich der Praxisintegrierten Ausbildung (PiA). Die Zahl der Absolventinnen und Absolventen blieb im Schuljahr 2021/2022 im Vergleich zum Vorjahr auf ähnlichem Niveau. Insgesamt standen 54.602 Absolvierende dem Arbeitsmarkt der frühen Bildung potenziell zur Verfügung. Die Zahl der Absolvierenden stieg im Vergleich zum Berichtsjahr 2019 damit nur moderat (Schuljahr 2017/2018: 52.156).

Weiterhin hohes Qualifikationsniveau

Das Qualifikationsniveau des pädagogischen Personals ist bundesweit weiterhin hoch. Zwei Drittel der pädagogisch Tätigen verfügten 2022 über einen einschlägigen Fachschulabschluss. Der Anteil dieser Personengruppe hat im Vergleich zum Vorjahr um 0,7 und zwischen 2019 und 2022 um 2,3 Prozentpunkte abgenommen. Dies hängt jedoch nicht mit einem absoluten Rückgang der Anzahl dieser Personen im Feld zusammen. Vielmehr steigt die Anzahl von Personen mit Fachschulabschluss nach wie vor jedes Jahr an. Allerdings sind deren Zuwächse prozentual geringer als die der anderen Gruppen (u. a. Praktikantinnen und Praktikanten sowie Personen in Ausbildung). Auf Länderebene bestehen insbesondere Unterschiede hinsichtlich der Verbreitung des Fachschulabschlusses bzw. Berufsfachschulabschlusses unter den pädagogisch Tätigen. In den ostdeutschen Ländern haben die meisten pädagogisch Tätigen eine Fachschule (79,2 Prozent) absolviert und der Berufsfachschulabschluss (2,9 Prozent) hat dort kaum eine Bedeutung. In den westdeutschen Ländern hingegen ist der Anteil der pädagogisch Tätigen mit Fachschulabschluss (63,9 Prozent) im Vergleich zu den ostdeutschen Ländern geringer, dafür verfügen mehr pädagogisch Tätige über einen einschlägigen Berufsfachschulabschluss (16,4 Prozent).

Weitere Informationen finden Sie im Monitoringbericht: https://www.bmfsfj.de/resource/blob/235362/383e58705e64fb2df3321e7a54ee3c22/monitoringbericht-zum-kiqutg-2023-data.pdf

Quelle: Monitoringbericht zum KiTa-Qualitäts- und -Teilhabeverbesserungsgesetz – KiQuTG 2023




9 % des Kita-Personals fehlt eine entsprechende Ausbildung

Weniger Bildungsmöglichkeiten, mehr Betreuung durch Laien

Viele Eltern in Deutschland erleben gerade unmittelbar die Auswirkungen der fehlenden Fachkräfte: Immer mehr Kitas reduzieren die Betreuungszeiten oder bieten zeitweise nur eine Notbetreuung an. Vor dem Hintergrund fehlender pädagogischer Fachkräfte in Kitas werden die sogenannten Fachkräftekataloge in einigen Bundesländern deutlich erweitert. Diese setzen die Qualifikationsanforderungen für die pädagogische Arbeit fest. Ziel ist es, mehr personelle Ressourcen in die Kitas zu bringen.

In einigen Bundesländern dürfen nun beispielsweise auch Logopäden und Geburtshelfer ohne die spezifische, fachschulische Ausbildung für die Arbeit mit Kita-Kindern als pädagogische Fachkraft in einer Kita arbeiten. Der Indikator „Qualifikationsniveau des pädagogischen Personals in Kitas“ im Ländermonitor gibt Auskunft über das Ausbildungsniveau der Fachkräfte.

Die Aufweichung des Fachkräfteangebots steht dabei im Zusammenhang mit dem Personalmangel in Kitas und verhält sich doch konträr zum Anspruch, gute pädagogische Arbeit leisten zu wollen. Eine Studie, die ebenfalls in Kooperation zwischen Bertelsmann Stiftung und FernUni entstanden ist, zeigt die Auswirkungen des Personalmangels auf das pädagogische Handeln: Weniger Bildungsmöglichkeiten für die Kinder, mehr reine Betreuung – unter Aufsicht zunehmend pädagogischer Laien.

Abhängig von der Mitarbeit der Auszubildenden

Hatten 2012 noch 94,1 Prozent des pädagogischen Personals in Kitas (inklusive Horte) einen fachlichen Berufsabschluss (Ausbildung oder Studium), so sind dies zum 1. März 2022 nur noch 90,9 Prozent. Hingegen steigt im selben Zeitraum der Anteil der Beschäftigten ohne Ausbildung sowie von Personen, die sich aktuell noch in der Ausbildung befinden von 5,9 Prozent auf 9,1 Prozent. In Berlin ist dieser Anteil besonders stark von 6,5 Prozent (2012) auf 16,1 Prozent (2022) gestiegen. Die Anzahl der Personen in Kitas (inklusive Horten), die sich aktuell in Ausbildung befinden, hat sich in zehn Jahren verdoppelt. Waren 2012 noch 3,4 Prozent der Beschäftigten Auszubildende, sind es 2022 6,8 Prozent. Das pädagogische Berufsfeld der frühen Bildung ist damit zunehmend von der Mitarbeit und Unterstützung ihrer Auszubildenden abhängig.

Das Hauptmotiv, sich für den anspruchsvollen Beruf Erzieherin oder Erzieher zu entscheiden, ist noch immer in erster Linie die Freude an der Arbeit mit Kindern. „Damit diese Motivation in der praktischen Arbeit nicht auf der Strecke bleibt, braucht es gute Arbeitsbedingungen und verlässliche Strukturen. Dazu gehören auch Kolleginnen und Kollegen, die die gleichen Fachkompetenzen vorweisen, so dass nicht zusätzliche Belastungen durch die Anleitung der fachfremd Tätigen entstehen“, sagt Prof. Dr. Julia Schütz, Leiterin des Lehrgebiets Empirische Bildungsforschung. „Hierfür braucht es einerseits eine gute Fachberatung sowie andererseits unbedingt Fort- und Weiterbildungsangebote.“

Weitere Informationen: https://www.laendermonitor.de/de/startseite

Carolin Annemüller, FernUniversität in Hagen




Rund 430.000 Kita-Plätze fehlen und jede Menge Qualität dazu

Derzeit kann der Rechtsanspruch auf eine Kindertagesbetreuung für Hunderttausende nicht erfüllt werden

In den westdeutschen Bundesländern fehlen rund 385.900 Kita-Plätze, um den Betreuungsbedarf der Eltern zu erfüllen. In Ostdeutschland gibt es rund 44.700 Plätze zu wenig. Das geht aus neuen Berechnungen der Bertelsmann Stiftung für das aktuelle „Ländermonitoring Frühkindliche Bildungssysteme“ hervor. Zwar gab es in den zurückliegenden Jahren erkennbare Fortschritte beim Ausbau von Kita-Angeboten. Doch zugleich ist der Bedarf kontinuierlich gestiegen, denn immer mehr Eltern wünschen sich – insbesondere für ihre jüngeren Kinder – eine Betreuung. Derzeit kann aber der Rechtsanspruch auf eine Kindertagesbetreuung, der seit 2013 auch für Kinder unter drei Jahren gilt, für hunderttausende Kinder nicht erfüllt werden.

Deutlich ungünstigere Personalschlüssel im Osten

In Ostdeutschland ist der Anteil an Kindern, die eine Kita besuchen, wesentlich höher als im Westen. Allerdings sind die Personalschlüssel hier deutlich ungünstiger. Während eine vollzeitbeschäftigte Fachkraft in Westdeutschland rechnerisch für 3,4 Kinder in Krippengruppen und für 7,7 Kinder in Kindergartengruppen verantwortlich ist, kommen im Osten 5,4 bzw. 10,5 Kinder auf eine Fachkraft. Den wissenschaftlichen Empfehlungen der Bertelsmann Stiftung zufolge, müssten die Personalschlüssel bei 1 zu 3 sowie bei 1 zu 7,5 liegen. Gemessen daran, werden fast 90 Prozent der Kita-Kinder in Ostdeutschland in Gruppen betreut, deren Personalschlüssel nicht kindgerecht sind. Allerdings sind es auch im Westen noch rund 62 Prozent.

„Der Fachkräftemangel erschwert es zunehmend, die Rechtsansprüche zu erfüllen und in den Kitas den Bildungsauftrag umzusetzen. Die Situation ist für Kinder und Eltern wie auch für das vorhandene Personal untragbar geworden“, sagt Anette Stein, Expertin der Bertelsmann Stiftung für frühkindliche Bildung.

Fachkräfte-Radar zeigt mögliche Entwicklungen bis 2030 auf

Im aktuellen „Fachkräfte-Radar für KiTa und Grundschule“ hat die Bertelsmann Stiftung untersucht, wie sich das Angebot und der Bedarf an Fachkräften in den Bundesländern in den kommenden Jahren entwickeln und wie sich das auf die Kita-Situation auswirken könnte. Bis 2030 besteht für die ostdeutschen Bundesländer aufgrund der zurückgehenden Kinderzahlen die Chance, die Personalschlüssel an das Westniveau anzugleichen und die Elternbedarfe zu erfüllen. Brandenburg und Sachsen sowie – mit etwas mehr Anstrengung – Sachsen-Anhalt und Thüringen können bis 2030 sogar kindgerechte Personalschlüssel erreichen. Für alle Ost-Bundesländer gilt, dass das aktuell beschäftigte Kita-Personal nicht entlassen werden darf und sogar zusätzlich neue Fachkräfte gewonnen werden müssen.

Hamburg kann wohl bis 2030 die Elternbedarfe erfüllen

Für die westdeutschen Bundesländer ist insbesondere der hohe Bedarf an Kita-Plätzen eine enorme Herausforderung. Lediglich Hamburg kann laut Prognose bis 2030 sowohl die aktuellen Elternbedarfe als auch kindgerechte Personalschlüssel erfüllen. Auch für Niedersachsen wären beide Ziele realistisch, mit etwas mehr Anstrengungen ebenso für Schleswig-Holstein. Die meisten West-Bundesländer könnten bis 2030 die aktuellen Elternbedarfe decken und bei der Personalausstattung zumindest den West-Durchschnitt erreichen. Allerdings müssten dazu noch mehr Fachkräfte gewonnen werden, als der Prognose zufolge zur Verfügung stehen.

Ein Mix aus langfristig und kurzfristig wirkenden Maßnahmen

 Um die Ziele bis 2030 zu erreichen, müssen die Bundesländer jetzt die jeweils nötigen Schritte einleiten: Die ostdeutschen Länder müssen die rechtlichen Voraussetzungen dafür schaffen, dass die Kitas mehr Personal beschäftigen können. Solange die Personalausstattung ungünstiger ist als im Westen, gibt es keine bundesweite Chancengerechtigkeit in der frühkindlichen Bildung. Für die westdeutschen Länder gilt es, den Platzausbau voranzutreiben. Gleichzeitig braucht es in allen Bundesländern langfristige Strategien für die Gewinnung und Qualifizierung von neuen Fachkräften sowie attraktive Beschäftigungsbedingungen, damit das Personal im Berufsfeld bleibt. Dafür ist eine abgestimmte und verbindliche Kooperation von Bund, Ländern, Kommunen und Trägern nötig. Zudem sollte sich der Bund über die Leistungen des Kita-Qualitätsgesetzes hinaus an der Finanzierung der frühkindlichen Bildung verlässlich beteiligen. 

Kurzfristige Lösungen kaum möglich

An der aktuellen Notsituation – den fehlenden Plätzen sowie den nicht kindgerechten Personalschlüsseln – werden diese langfristig angelegten Maßnahmen allerdings kaum etwas ändern. Das zeigen die Prognosen des Fachkräfte-Radars für das Jahr 2025. Daher sind Sofortmaßnahmen auf unterschiedlichen Ebenen gefragt. So könnte das pädagogische Personal von Verwaltungs- und Hauswirtschaftsaufgaben entlastet werden. Auch Quereinsteiger:innen können die Lage entspannen. Aber: „Auf keiner Ebene darf es Abstriche an der pädagogischen Qualifizierung geben. Sonst leidet die Bildungsqualität darunter“, mahnt Anette Stein. Wie die Berechnungen ebenfalls zeigen, würde in einigen Bundesländern eine Reduzierung der Kita-Öffnungszeiten bis 2025 dazu beitragen, die Ziele schneller zu erreichen. „Das ist zweifellos eine einschneidende Maßnahme, die nur individuell und in enger Abstimmung zwischen Kommune, Träger und Eltern getroffen werden sollte“, betont Stein. „Aber die Kita-Krise ist so weit fortgeschritten, dass neue Antworten gefragt sind.“

Zusatzinformationen:

Für das „Ländermonitoring Frühkindliche Bildungssysteme“ und den „Fachkräfte-Radar für KiTa und Grundschule“ wurden Daten der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder aus der Kinder- und Jugendhilfestatistik (Stichtag 1. März 2022), des BMFSFJ („Kindertagesbetreuung Kompakt“, 2023), des DJI („Kinderbetreuungsreport 2022“, 2023) und weiteren amtlichen Statistiken ausgewertet. Die Berechnungen haben das LG Empirische Bildungsforschung der FernUniversität in Hagen, Economics & Data ED23 GmbH und die Bertelsmann Stiftung durchgeführt.

Alle Informationen zur Veröffentlichung finden Sie hier. Eine kompakte Darstellung der Ergebnisse bietet der Online-Artikel “KiTa-Personal braucht Priorität! Auch 2023”.  

Auf www.laendermonitor.de finden Sie zudem weitere aktuelle Daten und Fakten zur frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung in Deutschland. Dazu gibt es unter www.laendermonitor.de/laenderprofile Daten und Analysen zum Status quo des frühkindlichen Bildungssystems für jedes Bundesland. Darüber hinaus erscheint zu Beginn des nächsten Jahres die neunte Ausgabe des Länderreports Frühkindliche Bildungssysteme.  

Die Ergebnisse des Fachkräfte-Radars für KiTa und Grundschule finden Sie unter www.fachkraefte-radar-kita-grundschule-2023.de. Die gesamte Publikation steht hier zum Download bereit.  

Quelle: Bertelsmann Stiftung




Warum Kinder aus benachteiligten Familien seltener eine Kita besuchen

Kindergarten

Studie geht der Frage nach der Verteilung und den Gründen für ungedeckte Kita-Bedarfe auf unterschiedliche Gruppen nach

Eine neue Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB), die von der Friedrich-Ebert-Stiftung in Auftrag gegeben wurde, geht der Frage nach, wie sich die ungedeckten Kita-Bedarfe über unterschiedliche Gruppen von Familien verteilen und was die Gründe dafür sind, dass trotz Bedarf kein Platz genutzt wird. Wie aus der Studie hervorgeht,gibt es bei der Nutzung öffentlich finanzierter Bildungs- und Betreuungsangebote insbesondere für Kinder zwischen einem und unter drei Jahren stark ausgeprägte sozioökonomische Unterschiede.

Kinder aus armutsgefährdeten Familien unterrepräsentiert

Demnach sind Kinder aus Familien deutlich unterrepräsentiert, die armutsgefährdet sind, in denen überwiegend kein Deutsch gesprochen wird oder deren Eltern keinen akademischen Hintergrund besitzen. Insgesamt hat in Deutschland die Hälfte der Kinder in dieser Altersklasse einen Kita-Platz – unter Kindern aus armutsgefährdeten Haushalten ist es nur ein Viertel. Bei Familien, die überwiegend kein Deutsch zuhause sprechen, gehen drei von zehn Kindern in eine Kita, bei Familien ohne akademischen Hintergrund vier von zehn.

Vielfältige Gründe für mangelnde Bedarfsdeckung

Die Gründe für die fehlende Bedarfsdeckung sind vielfältig und liegen sowohl auf der Angebots- als auch auf der Nachfrageseite. Potenziell benachteiligte Familien berichten deutlich häufiger von Schwierigkeiten bei der Kita-Suche und bemängeln öfter fehlende wohnortnahe Bildungs- und Betreuungsmöglichkeiten sowie unpassende Öffnungszeiten. „Dies lässt auf mangelnde Informationen und ein nicht bedarfsgerechtes Angebot in Wohnortnähe dieser Familien schließen“, sagt Mitautorin Dr. Sophia Schmitz. Potenziell benachteiligte Familien vermuten zudem häufiger eine mangelnde Förderung ihrer Kinder.

Verschiedene Ansätze könnten Kita-Gaps reduzieren

Die vielen Barrieren, die Familien je nach sozioökonomischen und -demografischen Merkmalen den Zugang zu Kitas erschweren, erfordern einen breiten Ansatz, um bestehende Bedarfe zu decken. So könnten ein weiterer Ausbau sowie qualitativ hochwertige und wohnortnahe Einrichtungen Kita-Gaps reduzieren. Auf der Kostenseite könnte eine bundesweit festgelegte Staffelung von Gebühren nach Haushaltseinkommen Kindern aus Familien mit geringeren Einkommen den Besuch einer Kita erleichtern. Außerdem könnten bessere Informationen über den bestehenden Rechtsanspruch, das Bewerbungsverfahren und die Vorteile frühkindlicher Bildung und Betreuung dazu beitragen, Kita-Gaps zu verringern. Das umfasst auch Initiativen wie ein erleichtertes Anmeldeverfahren, um die Suche nach einer Einrichtung möglichst einfach zu halten.

Ungedeckte Kita-Bedarfe mit weitreichenden bildungs- und gleichstellungspolitischen Folgen

Nach Ansicht von Prof. Dr. C. Katharina Spieß, Direktorin des BiB und eine der Autorinnen der Studie, ist es falsch, die geringere Kita-Nutzung auf einen geringeren Bedarf der Familien zurückzuführen. Tatsache ist: „Die Kita-Bedarfe können für potenziell benachteiligte Familien seltener gedeckt werden. Dies betrifft vor allem das zweite und dritte Lebensjahr von Kindern, zeigt sich aber teilweise bis zum Schuleintritt.“ Insgesamt haben 21 Prozent aller Familien mit Kindern zwischen einem und unter drei Jahren trotz Betreuungswunsch keinen Kita-Platz. Bei armutsgefährdeten Familien sind es 33 Prozent, bei Familien ohne akademischen Hintergrund 25 Prozent und bei Familien, in denen überwiegend kein Deutsch gesprochen wird, 39 Prozent. „Die Befunde zeigen höhere ungedeckte Bedarfe vor allem bei denjenigen Gruppen, bei denen Kinder und Eltern besonders von einem Kita-Besuch profitieren könnten“, erklärt Dr. Mathias Huebener, Co-Autor der Studie. Demnach könnte ein früherer Besuch in einer qualitativ guten Kita Ungleichheiten in der Entwicklung von Kindern verringern, die sich bereits vor dem Schuleintritt teils deutlich ausprägen. Die Analysen der Studie zeigen weiterhin, dass in Familien, die ihren Kita-Bedarf nicht decken können, vielfach Mütter sind, die gern eine Erwerbstätigkeit aufnehmen würden. Eine Erfüllung der Betreuungswünsche kann die Erwerbsbeteiligung besonders für Mütter aus potenziell benachteiligten Familien deutlich steigern.

Hintergrund:

Die Untersuchung basiert auf Daten der Kinderbetreuungsstudie (KiBS) für die Jahre 2018 bis 2020 und wurde von der Friedrich-Ebert-Stiftung in Auftrag gegeben. Sie kann hier heruntergeladen werden: https://www.fes.de/cgi-bin/gbv.cgi?id=20728&ty=pdf

Originalpublikation:

https://www.fes.de/cgi-bin/gbv.cgi?id=20728&ty=pdf

Dr. Christian Fiedler, Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB)




Kinder brauchen ein Gegenüber, das zuhört und mit ihnen spricht

Die Leiterin der Kita Dietrich-Bonhoeffer in Bremen, Kirsten Vöge, im Interview zum Thema „Sprachförderung“

Die Kita Dietrich-Bonhoeffer liegt im Bremer Stadtteil Huchting. Ein „durchmischter“ Stadtteil am Stadtrand, in dem verschiedene soziale Milieus zusammenkommen. Die Kita begleitet mit Krippe und Kindergarten derzeit 128 Kinder. Gemeinsam mit einer Kollegin leitet Kirsten Vöge die Einrichtung. Da die Kita auch inklusiv ist, arbeitet hier mit insgesamt 53 Kolleginnen und Kollegen Fach- und Hilfskräfte unterschiedlicher Profession. Von den 128 Kindern haben 28 einen besonderen Förderbedarf.

Stärkere Untersützung für mehr Kinder

Auch in Huchting ist die Zahl der Kinder, die im Spracherwerb stärker unterstützt werden müssen, gestiegen. Die Kita ist auch deshalb eine Sprachkita. Zwei Fachkräfte kümmern sich speziell um diesen Bereich. Dass die Zahl der Kinder, die sprachliche Schwierigkeiten haben, auch in Huchting gewachsen ist, hat sich laut Kirsten Vöge in den Ergebnissen des sogenannten PRIMO-Tests gezeigt. Das ist ein Sprachtest, an dem alle Bremer Kinder ein Jahr vor der Einschulung teilnehmen. Waren es in den vergangenen Jahren immer zwischen 12 bis 15 von 40 Kindern die auffällig waren, zeigte sich im jüngsten Test, dass diesmal knapp 30 Kinder einen besonderen Förderbedarf hatten.

Auf der Suche nach den Ursachen

Daraufhin hätte das Team noch einmal genauer hingesehen, wie der Hintergrund der Betroffenen sei. Wie immer gebe es keine einfachen Antworten, so Vöge. Zunächst einmal betreffe das Kinder, die Deutsch nicht als Muttersprache sprechen würden und die relativ spät in die Kita kämen. Deren Anteil sei in den vergangenen Jahren gewachsen. Eine besondere Gruppe sind auch die Kinder aus der Ukraine, deren Familien vor der Frage stünden, ob es sich um eine Übergangssituation handelt oder ob sie sich auf das neue Land einlassen.

Sprache und Sprachfreude verstärken

Daneben wächst auch die Zahl der Kinder, die hierzulande geboren sind und dennoch einen erhöhten Sprachförderbedarf haben. Hier kann Kirsten Vöge nur Vermutungen anstellen. „Wir nehmen verstärkt zur Kenntnis, dass Kinder früh mit Medien Kontakt haben, also mit Medien, mit Smartphones, mit Tablets und dann natürlich gut beschäftigt sind“, sagt sie. Diese Kinder hätten kein Gegenüber, mit dem sie sprechen könnten, das ihnen Feedback gebe, das sie bestätige, in dem, was sie sagten. Und wenn niemand die Sprache und die Sprachfreude verstärke, dann sei das womöglich auch ein Hemmnis. Die Kinder müssten an das Kommunizieren herangeführt werden. Und da läge der Ball schon bei den Eltern, die auf ihr Kind eingehen sollten.

Zugang zu Büchern verstärken

Auch der Zugang zu Büchern sei ein großes Thema. Vöge fragt danach, ob sich jemand in den Familien mit einem ein Buch hinsetze und vorlese. „Ich müsste ja nicht mal die Geschichte vorlesen, die in diesem Buch steht, sondern einfach ins Gespräch kommen über Bilder, die wir gemeinsam betrachten.“

Um den Familien hier mehr Anregung zu geben, habe man nun eine Ausleihbücherei vor Ort. Neben dem Besuch in der Stadteilbücherei, könnten die Kinder nun auch hier wöchentlich Bücher ausleihen, um einfach überhaupt die Möglichkeit zu haben, zu Hause gemeinsam Bücher anzuschauen.

Sprache als Querschnittaufgabe

Viele Sachen, die in der Kita getan würden, sind lauf Vöge keine besonderen Sachen. Die Haltung in der Kita sei zunächst einmal, Sprache als Querschnittaufgabe zu sehen. Überall stecke Sprache drin und Sprache sei der Schlüssel zur Welt. Vieles stamme aus dem Bundesprojekt „Sprachkita“. Das sei das Fundament. „Wir nutzen jede Möglichkeit im Alltag, um ins Gespräch zu gehen oder dem Kind ein Feedback zu geben“. Dann gebe es eine feste Struktur. So etwa die festen Essenszeiten, zu denen jederzeit Tischgespräche geführt werden könnten. Die Kinder hätten immer eine relativ homogene Gruppe um sich, in der sie ihr Gegenüber kenne und vertrauen würden. So könnten sie sich jederzeit an einem Gespräch beteiligen. Vertrauen und Bindung seien nun mal die Grundlage, um lernen und sich einlassen zu können.

Brücken schaffen mit Metacom Karten

Bedingt durch den erhöhten Förderbedarf setze man auch Metacom Karten ein. Das seien Karten, die eine Situation in einem sehr leichten Bild oder einen Gegenstand zeigten, durch deren Nutzung Kinder die Möglichkeit haben, in einen Kontakt zu kommen. Das sei nun zunächst nicht sprachlich. Aber in jedem Fall habe das Kind die Möglichkeit, etwas auszudrücken. Zudem seien sprachbegleitende Gebärden von besonderer Bedeutung, die überall im Alltag eingesetzt würden. Kinder könnten diese Gebärden mit Worten, mit Lauten und Singen in Verbindung bringen. Damit könnte eine Brücke gebaut werden kann.
Das Wichtigste ist laut Vöge, dass sich jede Fachkraft jederzeit darüber bewusst ist, dass sie das Sprachvorbild für die Kinder darstellt. Zudem sollte jedem klar sein, was für eine Kompetenz oder sogar Macht er habe, Sprache anzuregen oder auch nicht, „durch mein eigenes Sprechen, durch meine Nutzung von gewissen Worten. Das sollten wir in jedem Moment, in dem wir im Kita-Alltag unterwegs sind, wissen.“

Kinder wirklich wahrnehmen

Eltern rät sie, mit ihren Kindern direkt im Kontakt zu sein, ihr Kind wirklich wahrzunehmen, zu hören, was es sagt, was es ausdrücken möchte und es darin zu unterstützen, indem sie natürlich immer positiv darauf reagieren und es verstärken. Das wäre die Grundvoraussetzung,

„Und dann würde ich sagen, das Handy mal in der Tasche lassen und Bücher oder Geschichten nutzen, um gemeinsame Welten auch zu erschaffen.“, ergänzt sie. Dabei gehe es nicht unbedingt darum, die Bücher zu lesen, sondern einfach nur gemeinsam anzuschauen. Gemeinsam Bilder anzusehen, etwas zusammen zu machen und das, was das Kind dort anbiete, zu verstärken, sei enorm wichtig nicht nur für den Spracherwerb.

Über gemeinsame Erlebnisse zur eigenen Familiensprache finden

Gemeinsame Erlebnisse würden Anregungen zu gemeinsamen Gesprächen schaffen, um Sprache in den Alltag zu integrieren. So entstünde eine Familiensprache, die das Fundament für jede weitere Sprache sei. Dabei sollten Eltern einfach die Sprache nutzen, in der sie selbst sicher seien. Denn mit dem Kind Deutsch zu sprechen, wenn man selbst unsicher in dieser Sprache sei, helfe der sprachlichen Entwicklung des Kindes nicht. „Wenn ich allerdings eine Sprache spreche, in der ich groß geworden bin, in der ich denke und träume, dann ist das eine gute Grundlage. Da kann man natürlich sehr schnell feststellen, spricht das Kind diese Sprache wirklich gut oder gibt es auch in der Familiensprache eigentlich Punkte, bei denen man denkt, oh, das könnten Hinweise auch auf eine verzögerte, eine Entwicklungsstörung sein und da gibt es Hilfebedarf.“ Und diese Hilfen stehen in der Kita in Huchting und in der Gemeinde zur Verfügung.

Gernot Körner