Wer verspielt ist und spielt, kann Probleme besser lösen
geschrieben von Redakteur | Februar 23, 2025
Resilienz und Wohlbefinden stellen sich laut Forschern der Oregon State University eher ein
Erwachsene mit einem hohen Grad an Verspieltheit verfügten während der COVID-19-Pandemie über eine größere Resilienz, wie Forscher*innen der Oregon State University herausgefunden haben. Forschungsleiterin Wissenschaftlerin Xiangyou (Sharon) Shen zufolge ist Verspieltheit gerade in schwierigen Zeiten eine entscheidende, aber unterschätzte Ressource für den Aufbau von Resilienz und die Aufrechterhaltung des Wohlbefindens. Zudem handle es sich dabei um eine Ressource, die die Menschen selbst kultivieren können.
Mehr Optimismus
Die Wissenschaftler haben 500 Teilnehmer der „Adult Playfulness Trait Scale“ untersucht. Jene, die besser abgeschnitten hatten, schätzten die Lage zwar ähnlich ein, waren in Hinblick auf die Zukunft jedoch optimistischer eingestellt und beim Lösen von Problemen kreativer. Diesen Personen gelang es auch, ihrem Alltag eine Qualität und Spaß zu verleihen.
„Sie veränderten herausfordernde Situationen aktiv, fanden kreative Alternativen und sahen Probleme als Möglichkeit für ein Wachstum an und behielten dabei ein starkes Gefühl der Kontrolle“, unterstreicht Shen. Im Prinzip gehe es darum, aus Zitronen Limonade zu machen. Entscheidend sei, dass verspielte Menschen die Welt nicht durch eine rosarote Brille sähen. Vielmehr würden sie Probleme besser erkennen und dabei realistisch sein.
Es muss eine praxisorientierte Revolution stattfinden, indem einer wirtschaftlich und funktional gestalteten Elementarpädagogik die „Rote Karte“ gezeigt und erneut Kinder und ihre Entwicklungsbedürfnisse in das Zentrum der Pädagogik gerückt wird. Das gelingt nur mit einer aktiven, lebendigen, authentisch gestalteten SPIELPÄDAGOGIK und spielfreudigen kindheitspädagogischen Fachkräften.
Bisher war die Wissenschaft davon ausgegangen, dass spielerische Menschen Situationen umdeuten, um sie angenehmer zu machen. Unklar war bisher jedoch, was diese Umdeutung genau ist und wie sie funktioniert. Shen kommt jetzt zu dem Schluss, dass Verspieltheit die Wirklichkeit nicht verzerrt, sondern sie verbessert. Die Forschungsergebnisse sind in „Frontiers in Psychology“ nachzulesen.
Moritz Bergmann/pressetext.redaktion
Humor in der Kindererziehung fördert Flexibilität und Resilienz
geschrieben von Redakteur | Februar 23, 2025
Laut einer Studie unterstützt Humor nicht nur das Wohlbefinden der Kinder, sondern stärkt auch die Bindung zwischen Eltern und Kindern
„Vater werden ist nicht schwer. Vater sein dagegen sehr.“ Natülich lässt sich der zweite Teil des Zitats von Wilhelm Buach auch auf die Mütter beziehen. Dabei wusste der Autor von „Max und Moritz“ nicht nur, wie aufreibend die Erziehungsarbeit sein kann, sondern auch, welche Erleichterung Humor in der menschlichen Beziehung mit sich bringt.
Humor wissenschaftlich betrachtet
Wissenschaftler*innen der Pennsylvania State University haben nun die Bedeutung von Humor als Erziehungsmittel untersucht. Dabei stellten sie fest: Humor fördert Flexibilität und Resilienz, was sowohl Eltern als auch Kindern zugutekommt. Zudem gibt es Hinweise darauf, dass Humor dabei helfen kann, Probleme aus einer anderen Perspektive zu betrachten und Konflikte zu entschärfen.
Erfahrungen und Einstellungen von über 300 Erwachsenen untersucht
Die Wissenschaftler*innen führten dazu eine Umfrage bei über 300 Erwachsenen mit zehn Fragen durch, um die Erfahrungen und Einstellungen von diesen zu Humor in der Kindererziehung zu erfassen. Die Antworten wurden statistisch ausgewertet. Die Mehrheit der Befragten (61,8%) gab an, Humor in der Erziehung ihrer eigenen Kinder zu nutzen oder zu planen. 71,8% glauben, dass Humor ein effektives Erziehungsmittel sein kann, und 63,3% sind der Meinung, dass Humor mehr Nutzen als Schaden bringt. Es gab auch eine positive Korrelation zwischen Humor in der Erziehung und einer besseren Beziehung zu den Eltern.
Humor hat viele Ursachen
Obwohl Humor oft mit Witzen und Späßen assoziiert wird, kann er auch eine tiefere Bedeutung haben. Verschiedene Theorien erklären, warum Humor entsteht – von Gefühlen der Überlegenheit bis hin zu Überraschungen und dem Bruch von Erwartungen. In der Erziehung kann Humor jedoch auch die Dynamik von Konflikten verändern. Beispielsweise kann ein Elternteil, der einen Wutanfall ins Spiel verwandelt, den emotionalen Druck abbauen und gleichzeitig die Kreativität fördern.
Besonders in schwierigen Situationen ein wertvolles Hilfsmittel
Die Ergebnisse zeigen, dass Humor von vielen als wertvolles Werkzeug in der Kindererziehung angesehen wird. Er könnte in schwierigen Situationen helfen, Spannungen abzubauen und das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern zu stärken. Humor ist deshalb deutlich mehr als nur ein Spaßmacher – er kann ein wichtiges Werkzeug in der Erziehung sein. Wenn er richtig eingesetzt wird, fördert er nicht nur das Wohlbefinden der Kinder, sondern stärkt auch die Bindung zwischen Eltern und Kindern.
Selbstbildung als Herausforderung und Notwendigkeit
geschrieben von Redakteur | Februar 23, 2025
Warum wir wissen müssen, wer wir sind, was wir können und was wir bewirken
Benjamin Franklin, einer der Gründerväter der Vereinigten Staaten, hat einmal den Satz ausgesprochen: Drei Dinge sind extrem hart: Stahl, ein Diamant und sich selbst zu kennen. Gerade in der Pädagogik ist es von eminent hoher Bedeutung, sein eigenes „Ich“ möglichst realistisch zu erfassen, um Wirkungen des eigenen Verhaltens und die daraus mitbedingte, spezifische Reaktion des Gegenübers zu verstehen, weil jedwede Interaktion eine gegenseitige Beeinflussung bedeutet. Gleichzeitig sitzen elementarpädagogische Fachkräfte – und hier in besonderem Maße auch die Leitungskräfte – immer zwischen allen Stühlen und sind stets aufs Neue aufgefordert, berechtigte Ansprüche von innen und außen fachkompetent zu erfüllen und unberechtigte Ansprüche professionell und klar abzuwehren.
Wenn du begeisterungsfähig bist, kannst du alles schaffen. Begeisterung ist die Hefe, die deine Hoffnungen himmelwärts treibt. Begeisterung ist das Blitzen in deinen Augen, der Schwung deines Schrittes, der Griff deiner Hand, die unwiderstehliche Willenskraft und Energie zur Ausführung deiner Ideen. Begeisterte sind Kämpfer. Sie haben Seelenkräfte. Sie besitzen Standfestigkeit. Begeisterung ist die Grundlage allen Fortschritts. Mit ihr gelingen Leistungen, ohne sie höchstens Ausreden.
(Henry Ford)
Selbstbildung ist nicht nur ein Recht der Kinder
Die Elementarpädagogik in Deutschland hat sich in den vergangenen Jahrzehnten immer stärker – wenn auch in einer Wellenform – zu einer funktionalen und stark gesteuerten Disziplin entwickelt, in der hohe Erwartungsansprüche an Kinder gestellt wurden bzw. werden. Besonders zeigt sich dies ganz aktuell in den hohen Erwartungen vieler Eltern, die sich wünschen, dass ihr Kind schon möglichst früh ein kleiner ‚Albert Einstein’ werden sollte. Ebenso in den meisten Bildungsprogrammen, in denen festgelegt wird, was Kinder in den unterschiedlichen Bildungsbereichen alles „lernen sollen“.
Dabei wird in den wenigsten Bildungsprogrammen – und hier sei vor allem das Bildungsselbstverständnis im Bildungsprogramm für Kindertageseinrichtungen in Sachsen-Anhalt sowie in der Bildungskonzeption von Mecklenburg-Vorpommern als überaus rühmliche Ausnahme im Vergleich mit den 14 anderen Bildungsprogrammen besonders hervorgehoben – die Person der elementarpädagogischen Fachkraft in den Mittelpunkt gestellt, ist sie es doch, die den Ausgangspunkt für Qualität bildet, um dem Mittelpunkt der Pädagogik – dem Kind – entwicklungsförderlich zur Seite zu stehen. Bei einer Schwerpunktlegung auf das Bildungsverständnis einer Selbstbildung geht es nicht um eine „Veränderung von Kindern“ sondern um eine veränderte Einstellung der elementarpädagogischen Fachkräfte zum eigenen Selbstverständnis und dem von Kindern.
Alle Erziehung ist nur Handreichung zur Selbsterziehung
(Eduard Spranger, 1882-1963)
Ganzheitliche Bildungsprogramme beinhalten in erster Linie (leider in zumeist indirekter Form) Anforderungen an die Selbstbildungsmotivation der Fachkräfte.
Ebenso wie Kinder nicht gebildet werden können, sondern sich durch Beziehungsangebote, Bindungserlebnisse und eine impulsgebende, an den tatsächlich vorhandenen Interessen der Kinder orientierte Arbeit selbst bilden, brauchen elementarpädagogische Fachkräfte die innere Motivation, ihre eigenen Kompetenzen kritisch zu beleuchten, inwieweit sie durch ihre Persönlichkeitsstruktur und ihre personalen Ressourcen in der Lage sind, die für eine Unterstützung der Selbstbildungskräfte der Kinder notwendigen Kompetenzen zum Ausdruck zu bringen. Dies entspricht dem Grundsatz Pestalozzis, wenn er die Grundmaxime vertritt, Erziehung sei Liebe und Vorbild, sonst nichts. Und der große, irische Dichter und weitsichtige Humanist, Oscar Wilde, war stets der festen Überzeugung, dass Persönlichkeiten und nicht Grundsätze das Zeitalter bewegen und zugleich der einzelne Mensch keine Beziehung eingehen kann, solange er nicht seine unverwechselbare Individualität für sich entdeckt.
Das Ganze fordert zur selbstständigen Reflexion auf – vor allem Menschen, die mit anderen Menschen arbeiten und den Anspruch haben, durch ihr Wirken (als PERSON und mittels ihrer Arbeit) förderliche Entwicklungsprozesse beim Gegenüber auszulösen.
Fremdbeobachtung wird dann zur Selbstbeobachtung,
Bildungsangebote für Kinder werden dann zu Bildungsanforderungen, die die Fachkraft an sich selbst stellt,
Erziehungsziele werden dann zu persönlichen Zielen umformuliert und
Erwartungen/Ansprüche an Kinder oder Eltern werden zu Qualitätsansprüchen an die eigene Person umgedeutet.
Es ist durch die Bildungsforschung und Neurobiologie weithin belegt, dass alle Bildungsprozesse durch das Kind selbst angetrieben werden: den Treibstoff dafür liefert das Kind mit seiner Neugierde bzw. seinem Wunsch, die Welt zu entdecken und sich selbst zu erkunden und den Funken zur Zündung reicht ihm die Fachkraft mit ihren humanistisch orientierten, kommunikationsförderlichen Persönlichkeits- und hilfreichen Interaktionsmerkmalen.
Zwischen Lachen und Spielen werden die Seelen gesund
(Arabisches Sprichwort)
Ausgangspunkte für die Berechtigung der Selbstbildung
Alle Erwachsenen – so auch die elementarpädagogischen Fachkräfte – leiten ihre Vorstellungen über Kinder und ihre Entwürfe zur Pädagogik aus unbewussten Bildern sowie Erfahrungen/Erinnerungen aus ihrer eigenen Kindheit ab und übertragen diese auch auf die ihnen anvertrauten Kinder. Bowlby, der Pionier der Bindungsforschung, vertrat die Ansicht, dass jeder Mensch dazu neigt, anderen das anzutun, was ihm selbst angetan wurde, so dass der tyrannisierende Erwachsene das tyrannisierte Kind von gestern ist. Selbstverständlich geschieht dies unterbewusst, unbeabsichtigt und gleichzeitig in der festen Überzeugung, die an den Tag gelegten Handlungen seien „gut für das Kind“.
Insofern sind Maßstäbe, normative Sichtweisen und verinnerlichte Grundsätze, die alle im Alltagsgeschehen zum Ausdruck kommen, weder per se professionell noch mit Kompetenz ausgestattet oder durch Qualität gekennzeichnet.
Um von einer Defizit- zu einer Ressourcenorientierung bei Kindern zu kommen, sind die folgenden fünf Kehrtwendungen notwendig:
1.) Ein radikaler Paradigmenwechsel von einer Defizit- zu einer Ressourcenorientierung (verbunden mit der Forderung, dass die Selbstbildung von Kindern nicht durch permanente, funktionalisierte und teilisolierte erzieherische Förderprogramme eingeschränkt/ abgebaut/zerstört wird),
2.) Ein Verständnis, dass Kindheit eine eigenständige Lebensphase darstellt (und nicht als ein „unfertiges Erwachsenensein“ verstanden wird),
3.) Ein Selbstverständnis der elementarpädagogischen Fachkräfte, dass sie selbst mit ihren Ausdrucksweisen und Umgangsformen die wichtigste Bildungsmethodik darstellen und diese nicht an künstlich inszenierte Angebote delegieren.
4.) Der Begriff „Bildung“ ist als ein Prozess der ›Persönlichkeitsbildung‹ zu verstehen (in deutlicher Abgrenzung von einer kognitiv orientierten Belehrungsabsicht).
5.) Selbstbildungsarbeit muss sich in erster Linie auf die Fachkräfte beziehen – sie beginnt mit einer anspruchsvollen, selbsterfahrungsorientierten Ausbildung, setzt sich über die gesamte Berufstätigkeit in Form von Fort- und Weiterbildungen – als Pflicht – fort und wird von Trägerseite aktiv gefördert und unterstützt.
Um diese Perspektivwechsel umsetzen zu können, bedarf es einer hohen Selbstmotivation, Mut, Anstrengungsbereitschaft, Belastbarkeit und Neugierde, um Innovationen zu initiieren, zuzulassen und voranzutreiben. Diese Arbeit im Sinne einer Selbstbildung ist schwer. Neale Donald Walsch hat daher folgerichtig die Konsequenz formuliert, dass der Mensch seine größten Chancen und Gelegenheiten zum Wachstum stets nur jenseits persönlicher Bequemlichkeitsbremsen findet.
Selbstbildung führt in einen laufenden Prozess der Identitätsentwicklung
Es geht im Selbstverständnis der Selbstbildung stets darum, Ziele, die beispielsweise für Kinder formuliert werden, zunächst zu eigenen Zielen zu erklären und dabei zu überprüfen, inwieweit die eigenen Verhaltensweisen den externen Zielen entsprechen.
Jeder Mensch besitzt ein ganz bestimmtes Selbstbild von sich und ist der festen Überzeugung, sich selbst gut zu kennen. Doch demgegenüber haben viele Wissenschaftler*innen immer wieder deutlich gemacht, dass die Fähigkeit des Menschen, sich selbst zu (er)kennen, eher mangelhaft bis ungenügend ausgeprägt ist. Die eigene Selbsteinschätzung entspricht häufig einer Selbstüberschätzung und Fehleinschätzung. Es erscheint notwendig, sich selbst mit Fragen auseinanderzusetzen, die dazu geeignet sind, dem „inneren Kind“ immer stärker auf die Spur zu kommen und den Prozess der Selbstbildung in Gang zu setzen bzw. zu vertiefen.
Nur wer sich öffnet…
Nur wer sich öffnet, sich entfaltet wie die Knospe, der wird des Lebens Schönheit in den kleinen Dingen spüren, nicht aber, wer verschlossen bleibt, voller Mitleid mit sich selbst. Nur wer sich öffnet, ungeschützt wie eine Blüte, der wird für and’re blüh’n, wenn ihre Herzen traurig sind und ausgebrannt und Sehnsucht haben nach ein wenig Farbe. Nur wer sich öffnet, sei’s auch unter Schmerzen und Tränen, schafft Boden für den neuen Samen, der Früchte trägt und Hoffnung sät, damit zunächst für sich und auch für and’re Rosen blüh’n im kalten Winter.
(Georg Schraml)
Fragestellungen, die eine Selbstbildung initiieren:
Welche Interessen und Motive liegen meiner Berufstätigkeit zugrunde und welchen persönlichen „Profit“ ziehe ich aus meiner Arbeit?
Wann/wo/wie habe ich mich mit meiner Sozialisation/ Biographie aktiv beschäftigt und dazu beispielsweise Selbsterfahrungsseminare besucht oder ein Individualcoaching in Anspruch genommen?
Wie motiviert bin ich, mich in Kollegiumsgesprächen/ Supervisionssitzungen persönlich aktiv einzubringen, um mein pädagogisches Handeln zu überprüfen/ zur Diskussion zu stellen?
Fällt es mir schwer oder leicht, eigene Gedanken und Gefühle öffentlich zu äußern und welche Hintergründe gab/gibt es dafür in meiner Biographie?
Vereinbare ich regelmäßig Ziele mit mir selbst, die ich im Hinblick auf meine weitere Persönlichkeitsentwicklung erreichen will?
Welche Handlungsschritte habe ich bisher unternommen, um meine Fähigkeiten/ Fertigkeiten realistisch einschätzen zu können (Selbstwahrnehmung vs. Fremdwahrnehmung) und zu welchen Handlungsschritten hat mich diese Erkenntnis geführt?
Welche Zielsetzungen verfolge ich grundsätzlich in meiner Arbeit und was haben meine Zielsetzungen mit meiner Biographie zu tun?
Welche Werte bestimmen meine Handlungen, leiten mich in meinen Handlungsausführungen und welche Werte habe ich in meiner Sozialisation erlebt?
Welche Normen bestimmen mein Denken/Handeln und wie (entwicklungsförderlich – entwicklungshinderlich) wirken sie sich auf kindliche Selbstbildungsprozesse aus?
Besitze ich einen grundsätzlich persönlichen/ pädagogischen Optimismus oder Pessimismus und worauf führe ich diese Haltung im Hinblick auf meine Biographie zurück?
Welche Handlungsstrategien zeige ich in der Regel bei persönlich erlebten Verletzungen, Angriffen, Ungerechtigkeiten – woher kenne ich solche Reaktionen aus meiner Kindheit und welche Bedeutung hat diese Erkenntnis für mich heute?
Besitze ich eine eher positive Einstellung zu einem lebenslangen Lernen oder fällt es mir schwer, mich von „alten Denk- /Handlungsstrukturen“ zu lösen?
Schaffe ich es, mich selbst in belastenden Situationen zu motivieren, problemlösungsorientiert zu denken/zu handeln oder halten mich Belastungen eher in einer starren Problemfixierung fest? Wann bzw. wo/wie habe ich gelernt, problemlösungsorientiert vorzugehen?
Durch was bzw. wie sorge ich in der Einrichtung für eine eher positive oder negative Atmosphäre?
………………………….
(Diese Fragen können mit vielen weiteren, eigenen Fragen ergänzt werden.)
Lernen ist Vorfreude auf sich selbst
(Peter Sloterdijk)
Selbstbildung führt zu einer stabilen Selbst-, Sach- und Sozialkompetenz
Selbstgerechtigkeit, Selbstbefangenheit, Selbstsucht, Selbstisolierung, Selbstbeschuldigung, Selbstvernichtung, Selbsthass, Selbstvorwürfe, Selbsttäuschung oder Selbsterniedrigung führen zu einer fortschreitenden Selbstentfremdung.
Hingegen trägt eine Selbstbildung dazu bei, Selbstüberwindung, Selbstfindung, Selbstbefreiung, Selbstständigkeit, Selbststeuerung, Selbstachtung, Selbstvertrauen, Selbstbejahung, Selbstheilung und Selbstbestimmung in der Person voranzubringen. Die erweiterte Transaktionsanalyse würde hier im ersten Fall (Selbstgerechtigkeit – Selbstentfremdung) von einem Kindheits- bzw. Eltern-Ich, im zweiten Fall (Selbstüberwindung – Selbstbestimmung) von einem stabilen Erwachsenen-Ich sprechen.
Selbstbildungsorientierte Fachkräfte besitzen eine intrinsisch orientierte Reflexionsbereitschaft zur Selbstbetrachtung, gehen mit einer großen Wahrnehmungsoffenheit auf bekannte und unbekannte Situationen zu, um aus selbst formulierten Fragen unterschiedliche Antworten abzuleiten, wollen den Auswirkungen ihrer Biographie auf ihr jetziges Verhalten auf die Spur kommen, betrachten ihre Kommunikationsstruktur und Interaktionskultur sorgsam und kritisch, überprüfen immer wieder ihre Handlungsauswirkungen, zeigen eine hohe Bereitschaft, aus eigenen Fehlern zu lernen, setzen sich mit eigenen Vorurteilen auseinander, arbeiten an ihrer Selbstmotivation, gehen mit Leistungsfreude auf schwierige Herausforderungen zu und schätzen die Möglichkeit eines lebenslangen Lernens als höchstes Gut ein.
Ich fürchte, unsere allzu sorgfältige Erziehung liefert uns Zwergenobst
(Georg Christoph Lichtenberg, 1742-1799)
Fazit:
Selbstbildung ist die Grundlage für eine humanistisch geprägte und zugleich professionell gestaltete Pädagogik im pädagogischen Selbstverständnis von Pestalozzi, Rousseau, Rogers, Freinet sowie Korczak und gehört zum festen Bestandteil einer qualitätsgeprägten Entwicklungsarbeit an sich und einer verantwortungsvollen Entwicklungsbegleitung von Kindern. Mit einer kontinuierlichen Zunahme und Ausweitung einer funktionalisierten und von wirtschaftlichen Interessen geprägten Elementarpädagogik geriet dieser fundamentale Aspekt immer mehr ins Abseits, obgleich der Begriff selbst – vor allem durch die Ergebnisse der Bildungsforschung und Neurobiologie – im Rahmen der „Bildungsarbeit mit Kindern“ eine herausgehobene Wertigkeit zugesprochen bekam. Doch anstatt diese für sich selbst in Anspruch zu nehmen wurde sie theoretisierend und häufig dogmatisch geprägt den Kindern zugesprochen.
Es ist an der Zeit, einen notwendigen Perspektivwechsel vorzunehmen, um im Sinne der Erkenntnisse aus den Feldern der Bindungsforschung sowie der Lernpsychologie einen beziehungsintensiven und kommunikationsaktiven ›Lernalltag‹ zur entscheidenden Grundlage einer lebendigen sowie natürlichen Elementarpädagogik werden zu lassen. Damit würde sich der Kreis schließen, um Kindern durch das eigene, positive Selbstkonzept (Ich bin …), die eigenen Selbstwirksamkeitsüberzeugungen (Ich kann…) und ein eigenes, stabiles Selbstwertgefühl (Ich habe…) in effizienter Form zu helfen, diese drei basalen Ausgangsdaten für eine förderliche Entwicklung gleichsam auf- und auszubauen bzw. zu stabilisieren.
Es gibt einen Weg
Es gibt einen Weg, den keiner kennt, wenn Du ihn nicht gehst. Wege entstehen, indem wir sie gehen. Die vielen, zugewachsenen wartenden Wege, von ungelebtem Leben überwuchert. Es gibt einen Weg, den keiner kennt, wenn Du ihn nicht gehst. Es gibt einen Weg, der entsteht, wenn Du ihn gehst.
(Werner Sprenger)
Diesen Beitrag haben wir folgendem Buch entnommen:
Grundsatzgedanken zum Selbstverständnis eines sehr anspruchsvollen Berufs
ISBN: 9783963046155
22,00 € (inkl. MwSt.)
Wie die Geschwisterposition unsere Persönlichkeit prägt
geschrieben von Redakteur | Februar 23, 2025
Eine aktuelle Untersuchung aus Kanada mit über 700.000 Erwachsenen bietet neue Erkenntnisse
Können Geburtsreihenfolge und Geschwisteranzahl die Persönlichkeit eines Menschen beeinflussen? Diese Frage beschäftigt die Psychologie seit Jahrzehnten. Während frühere Studien kaum klare Zusammenhänge fanden, liefert eine aktuelle Untersuchung aus Kanada mit über 700.000 Erwachsenen neue Erkenntnisse: Der Psychologe Prof. Michael C. Ashton von der Brock University und sein Kollege Prof. Kibeom Lee belegen darin, dass die Position in der Geschwisterreihe sowie die Anzahl der Geschwister tatsächlich Einfluss auf zentrale Persönlichkeitsmerkmale nehmen können. Die Ergebnisse der Untersuchung wurden im Wissenschaftsmagazin PNAS publiziert.
Mehr Geschwister, mehr Kooperationsbereitschaft
Die Studie bestätigt zunächst frühere Ergebnisse: Erstgeborene schneiden bei intellektuellen Fähigkeiten im Durchschnitt etwas besser ab als ihre jüngeren Geschwister. Doch das ist nicht alles. Die Forscher fanden heraus, dass Menschen mit mehr Geschwistern in den Dimensionen Ehrlichkeit-Bescheidenheit und Verträglichkeit höhere Werte aufweisen. Innerhalb einer Geschwistergruppe zeigten Zweit- und Letztgeborene in diesen Bereichen tendenziell bessere Ergebnisse als Erstgeborene. So genannte Sandwich-Kinder hatten die durchschnittlich besten Werte, gefolgt von Letztgeborenen, Erstgeborenen und Einzelkindern.
Die Wissenschaftler vermuten, dass das Aufwachsen mit mehreren Geschwistern kooperatives Verhalten fördert. „Kinder aus großen Familien lernen früh, sich anzupassen und Rücksicht zu nehmen“, erklärt ein Mitautor der Studie.
Adele Faber und Elaine Mazlish sind Expertinnen für Eltern-Kind-Kommunikation. Dieser Ratgeber kombiniert zeigt, wie aus streitenden Geschwistern Freunde werden können!
Geschwisterbeziehungen verbessern: erprobte Tipps und pädagogisches Wissen
Die Ergebnisse basieren auf Daten aus dem HEXACO Personality Inventory – Revised (HEXACO-PI-R), einem etablierten Testinstrument für Persönlichkeitsmerkmale. Die erste Stichprobe umfasste mehr als 700.000 Erwachsene, vorwiegend aus englischsprachigen Ländern. Hierbei lagen Zweitgeborene bei Ehrlichkeit-Bescheidenheit und Verträglichkeit an der Spitze, gefolgt von Letztgeborenen, Erstgeborenen und Einzelkindern. Unterschiede zwischen Zweitgeborenen und Einzelkindern waren deutlich (Effektstärke d ≥ 0,20).
In einer zweiten Stichprobe mit über 70.000 Teilnehmern, bei der auch die Geschwisterzahl berücksichtigt wurde, zeigte sich ein weiteres Muster: Je größer die Geschwistergruppe, desto ausgeprägter die kooperativen Eigenschaften. Zwischen Personen mit einem und sechs oder mehr Geschwistern gab es signifikante Unterschiede (Effektstärken d = 0,30 bis d = 0,36).
Einfluss von Religiosität
Ein Teil der Ergebnisse lässt sich durch religiöse Erziehung und aktuelle Religiosität erklären, die etwa 25 Prozent der Unterschiede in den Persönlichkeitswerten ausmachen. Religiöse Werte könnten kooperatives Verhalten zusätzlich fördern, so die Forscher.
Einzelkinder und Offenheit
Einzelkinder zeigten im Vergleich zu Personen mit Geschwistern eine leicht erhöhte Offenheit (Effektstärke d ≈ 0,10). Innerhalb von Geschwistergruppen waren Erstgeborene ebenfalls etwas offener als ihre jüngeren Geschwister. Diese Unterschiede sind jedoch weniger ausgeprägt als die bei Ehrlichkeit-Bescheidenheit und Verträglichkeit.
Fazit
Die Ergebnisse legen nahe, dass sowohl die Geschwisteranzahl als auch die Geburtsreihenfolge wichtige Faktoren für die Persönlichkeitsentwicklung sein können. Besonders das Aufwachsen mit mehreren Geschwistern scheint die Entwicklung von kooperativen Eigenschaften zu fördern. Die Studie zeigt eindrucksvoll, wie soziale Dynamiken innerhalb von Familien die Persönlichkeit prägen können.
Gernot Körner
Wenn aus Mitschüler*innen echte Feinde werden
geschrieben von Redakteur | Februar 23, 2025
Die Stiftung Kindergesundheit informiert über Mobbing in der Schule
Mobbing, ein Begriff, der sich vom englischen Wort „to mob“ ableitet, bedeutet anpöbeln, attackieren oder fertigmachen. Es beschreibt aggressives Verhalten, das von Einzelpersonen oder Gruppen gezielt gegen eine bestimmte Person gerichtet ist, um dieser zu schaden. Die Formen von Mobbing sind vielfältig.
Beim physischen Mobbing wird Gewalt oder Machtanwendung eingesetzt, wie zum Beispiel beim sogenannten „Happy Slapping“, bei dem Körperverletzungen gefilmt und in sozialen Netzwerken veröffentlicht werden, um das Opfer zu demütigen. Verbales Mobbing hingegen äußert sich durch extreme Beleidigungen, Beschimpfungen, Spott, Imitationen oder andere Arten von Schikanen. Soziales Mobbing erfolgt eher indirekt, etwa durch das Verbreiten von Lügen, einen Vertrauensmissbrauch, gezielte Ausgrenzung aus Gruppenaktivitäten oder das Streuen von Gerüchten und Verleumdungen. Eine besonders perfide Form ist das Cybermobbing, das digitale Medien nutzt, um anderen zu schaden und sie öffentlich bloßzustellen.
Das Ziel: eine Demütigung des Opfers
Kennzeichnend für diese Handlungen ist, dass sie auf eine Demütigung des Opfers abzielen. Dabei gibt es große Unterschiede: • Jungen werden hauptsächlich von Jungen, Mädchen eher von anderen Mädchen, häufig aber auch von Jungen gemobbt. • Mädchen sind signifikant häufiger Opfer von Mobbing als Jungen. • Auch junge Menschen mit Behinderungen erleben häufiger Mobbing als Jugendliche ohne Behinderungen. • Kinder aus finanziell benachteiligten Familien sind häufiger von Mobbing betroffen als Kinder ohne finanzielle Sorgen.
Auch die Familie leidet mit
Mobbing in der Schule ist ein ernsthaftes Problem, das nicht nur die Kinder, sondern oft auch ihre Familien vor große Herausforderungen stellt: Denn auch die Eltern leiden mit, wenn sie erfahren, dass ihr Kind von seinen Mitschülerinnen und Mitschülern gemobbt wird.
Mobbing in der Schule kann schwerwiegende Auswirkungen auf die körperliche und psychische Gesundheit und Lebensqualität der Opfer haben, betont Dr. Frank W. Paulus, Leitender Psychologe der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie in Homburg/Saar.
Dr. Paulus, Mitautor des aktuellen „Jugendgesundheitsberichts 2024“ der Stiftung Kindergesundheit, berichtet: „Viele Kinder entwickeln Depressionen, Ängste oder Schlafstörungen, ziehen sich sozial zurück oder verweigern den Schulbesuch. In extremen Fällen kann die emotionale Belastung zu Selbstverletzungen oder sogar Suizidgedanken führen“.
Das Internet – ein Platz für Beleidigungen
Die zunehmende Verbreitung der digitalen Kommunikation hat die Möglichkeiten und Folgen des Mobbings deutlich erweitert und intensiviert, berichtet die Stiftung Kindergesundheit. So entwickelt sich insbesondere das Cyber-Mobbing zu einer immer öfter auftretenden Form des Psychoterrors unter Schulkindern. Dabei werden die Opfer mithilfe des Internets (z.B. über soziale Plattformen wie Facebook, TikTok, Instagram und WhatsApp) beleidigt, belästigt oder beschämt.
Aktuelle Zahlen liefert dazu die JIM-Studie (Jugend, Information, Medien) 2024. Mit dieser Studie werden bereits seit 1998 die aktuellen Trends und Entwicklungen im Medienverhalten von Jugendlichen zwischen 12 und 19 Jahren untersucht. Im Rahmen der Studie gab zuletzt beinahe jede dritte teilnehmende Person an, dass über sie schon einmal beleidigende oder falsche Aussagen im Netz verbreitet worden sind.
Die Täter bleiben häufig anonym
Von beleidigenden Kommentaren im Netz berichten 57 Prozent der Befragten, von „Hate Speech“, also öffentlichen Äußerungen, die Hass gegenüber bestimmten Gruppen zum Ausdruck bringen oder zu Gewalt gegen bestimmte Gruppierungen aufrufen, berichten 40 Prozent der Jugendlichen. Jeder neunte Jugendliche beklagt sich, online auch persönlich beleidigt worden zu sein. Die Hemmschwelle ist dabei sehr gering, da die Täterinnen und Täter auf diese Weise oft anonym bleiben können.
Werden Kinder oder Jugendliche im Internet gemobbt, kann dies besonders belastend sein, weil sie sich den Angriffen kaum entziehen können, betont die Stiftung Kindergesundheit:
• Im Internet veröffentlichte Gerüchte, Bilder oder Beschimpfungen verbreiten sich schnell und sind kaum kontrollierbar. • Weil Beleidigungen und Fotos online nahezu unbegrenzt lange abrufbar sind, wird es dem Opfer erschwert, über die Angriffe hinwegzukommen. • Die Nutzung von gefälschten Konten (fake accounts) bietet den Täterinnen und Tätern die Möglichkeit, anonym zu agieren. Das kann die Verfolgung erschweren und Betroffene zusätzlich belasten.
Was Eltern gegen Mobbing tun können
Die Stiftung Kindergesundheit empfiehlt: Reden Sie mit Ihrem Kind über Mobbing. Ermutigen Sie es, Vorfälle in der Klasse anzusprechen, das Opfer zu unterstützen und die Lehrkräfte zu informieren. Betonen Sie, dass dies kein Petzen ist! Geben Sie Ihrem Kind außerdem Strategien an die Hand, wie es mit Konfliktsituationen umgehen kann oder Unterstützung bei Vertrauenspersonen zu suchen.
Bleiben Sie im Austausch mit Lehrkräften und der Schule. Besuchen Sie Elternabende, Sprechtage und Sprechstunden – nicht nur, um nach Noten zu fragen, sondern auch, um das Sozialverhalten und die Integration Ihres Kindes in der Klasse zu thematisieren. Ein entscheidender Schritt im Kampf gegen Mobbing ist, Kinder so zu stärken, dass sie weder Opfer noch Täter werden. Eltern tragen eine wichtige Verantwortung: Sie können helfen, Mobbing zu verhindern, indem sie ihr Kind zu einem respektvollen und mitfühlenden Umgang mit anderen erziehen. So können sie zum Beispiel
• Werte wie Empathie, Rücksicht und Toleranz vermitteln, indem Eltern mit gutem Beispiel vorangehen und Kinder für die Gefühle anderer sensibilisieren. Fragen wie „Wie würdest du dich fühlen?“ können helfen. • soziale Kompetenzen fördern, zum Beispiel durch Teamsport oder Gruppenaktivitäten, um Teamgeist, Rücksichtnahme und Hilfsbereitschaft zu stärken. • Konfliktlösungsstrategien lehren, etwa durch Zuhören, Verhandeln oder das Bitten um Hilfe, damit Kinder lernen, friedlich mit Konflikten umzugehen. • eine gesunde Selbstwahrnehmung fördern, damit Unsicherheiten nicht durch Machtausübung über andere kompensiert werden. • die eigene Vorbildfunktion wahrnehmen, indem Eltern in Stresssituationen ruhig und respektvoll reagieren, da Kinder dieses Verhalten übernehmen. • den Umgang mit Gruppenzwang üben und Kinder ermutigen, sich solchen Dynamiken zu widersetzen und eigene Entscheidungen zu treffen. • Medienkompetenz stärken, damit Kinder verantwortungsvoll mit sozialen Medien umgehen und die Auswirkungen ihres Handelns, wie das Teilen bloßstellender Fotos, verstehen. • Konsequenzen von Mobbing verdeutlichen und klarmachen, dass Mobbing moralisch falsch ist und ernste Folgen haben kann.
Hier gibt es Rat und Hilfe
Die Organisation „Nummer gegen Kummer e.V.“ berät Kinder, Jugendliche und Eltern anonym telefonisch und auch online. Die Anrufe an den Beratungstelefonen sind kostenlos. Elterntelefon unter 0800 – 111 0 550
Mo. – Fr. von 9 – 17 Uhr Di. und Do. von 17 bis 19 Uhr
Kinder- und Jugendtelefon unter 116 111 Mo. – Sa. von 14 bis 20 Uhr Online-Beratung für Kinder und Jugendliche per Mail und Chat unter
Paulus, F.W., Möhler, E., Ohmann, S. & Popow, C. (2020). Digitale Missachtung der Bedürfnisse und Rechte von Kindern und Jugendlichen: Cybermobbing. Kinder- und Jugendmedizin, 20, 238-246.
Giulia Roggenkamp, Stiftung Kindergesundheit
Leere Aussagen untergraben das Vertrauen und wirken nicht
geschrieben von Redakteur | Februar 23, 2025
Umfrage in den Vereinigten Staaten: Viele Eltern drohen ihren Kindern
Viele Eltern in den USA greifen bei der Kindererziehung auf Drohungen zurück. Laut der „C.S. Mott Children’s Hospital National Poll on Children’s Health“ reicht die Bandbreite vom Wegnehmen von Spielzeug bis dahin, dass der Weihnachtsmann dieses Jahr nicht kommen wird. Eltern von Kindern zwischen drei und fünf Jahren setzen eigenen Angaben nach am ehesten Drohungen ein, um ein Fehlverhalten anzusprechen. Ein Viertel droht entweder mit der Abwesenheit des Weihnachtsmanns oder dem Verweigern von Geschenken.
Verstärkung und Disziplin
Der Erhebung nach haben viele Eltern zudem damit gedroht, eine Aktivität oder einen Ort zu verlassen, Spielzeug wegzunehmen oder, dass das Kind kein Dessert bekommt. Fast die Hälfte der Befragten will den eigenen Nachwuchs zudem bestochen haben. Laut Co-Direktorin Susan Woolford hilft Disziplin kleinen Kindern dabei zu lernen, welche Verhaltensweisen sicher und angemessen sind. Sie können, so die Expertin, eine entscheidende Rolle dabei spielen, dass diese Kinder lernen, was richtig ist und was falsch.
„Leere Drohungen hingegen untergraben das Vertrauen und sind normalerweise nicht wirksam. Eine positive Verstärkung und die konsequente Disziplin formen das langfristige Verhalten viel eher.“ Die Hälfte der Befragten sehen sich beim Disziplinieren ihrer Kinder als sehr konsequent. Trotzdem geben viele an, dass sie gerade mit der Konsistenz ihre Probleme haben. Die Umfrage basiert auf 725 Antworten von Eltern mit mindestens einem Kind. Die Befragung wurde im August dieses Jahres in den USA durchgeführt.
Strategie besser vorausplanen
Zu den größten Herausforderungen gehören, dass das Kind zu klein ist, um zu verstehen, dass die eingesetzten Strategien nicht immer funktionieren und dass die Eltern versuchen, einen öffentlichen Wutanfall zu verhindern, heißt es. Fast ein Viertel der Eltern gibt zu, dass auch sie irritiert sind, wenn ihr Kind ungezogen ist und sie reagieren, bevor sie sich an ihre Strategien erinnern oder dass sie einfach zu müde sind, um sich stimmig zu verhalten.
Ein Überlebenshandbuch für Eltern mit Kindern von 2 bis 7 Jahren. Richtig kommunizieren, Konflikte lösen: Hilfe bei der Kindererziehung
Der tägliche Kampf beim Anziehen, Gequengel am Mittagstisch, Trotzanfälle im Supermarkt: „Klassiker“, die alle Eltern schon erlebt haben. Wie lassen sich solche Alltagskonflikte lösen? Der Schlüssel liegt in der Art, wie wir zuhören und reden. Joanna Faber und Julie King haben einen Erziehungsratgeber entwickelt, in den sowohl eigene Erfahrungen mit ihren Kindern als auch Erkenntnisse aus der Wissenschaft eingeflossen sind. Mit ihren erprobten „Erziehungs-Werkzeugen“ gelingt ihnen eine respektvolle Eltern-Kind-Beziehung ohne Streit und Drama!
Woolford nach kann es schwierig werden, beim Durchsetzen von Disziplin einen konsistenten Ansatz zu haben, wenn genaue Überlegungen und eine Planung fehlen. Sogar dann kann Beständigkeit schwierig sein. Das sei vor allem dann der Fall, wenn Eltern müde oder abgelenkt seien und sie sich überfordert fühlten. „Es ist wichtig, dass Eltern vorausplanen und bei Strategien auf der gleichen Seite stehen, um eine Grundlage für das Verstehen von Erwartungen zu liefern. Damit können auch gemischte Signale in Hinblick auf Grenzen vermieden werden.“
Viele Eltern sind unsicher
Eltern sind sich zudem nicht immer sicher, ob ihre Disziplinierungsstrategien funktionieren. Zwei Fünftel gehen davon aus, dass sie sehr wirksam sind. Drei von fünf Elternteilen glauben hingegen, dass diese Strategien einigermaßen effektiv sind. Die meisten Studienteilnehmer erhalten ihren Input zu Disziplinierungsstrategien von verschiedenen Quellen. Bei vielen ist es der andere Elternteil, das Reden mit der Familie oder Freunden sowie Erziehungsratgeber, Artikel oder Posts in den sozialen Medien.
Weniger als ein Fünftel der Eltern diskutiert das Thema Disziplin mit dem Gesundheitsdienstleister. Eines von acht Elternteilen sagt, dass er sich keine Gedanken über diese Disziplinierungsstrategien gemacht hat. Manche Teilnehmer geben auch zu, dass sie Strategien angewendet haben, die von Experten nicht empfohlen werden. Zwei von fünf Eltern schlagen ihre Kinder manchmal. Das kann, so die Experten, bei Vorschülern und Schülern zu Trotz und in weiterer Folge zu einer verstärkten Aggression führen.
Moritz Bergmann/pressetext.redaktion
Von Recycling Weihnachtskarten und Wichtelkegeln
geschrieben von Redakteur | Februar 23, 2025
ALLE JAHRE WIEDER…
Jedes Jahr dasselbe: Zu den großen Feiertagen wird gebastelt wie die Weltmeister. Das muss zwar nicht sein, aber es bietet auch schöne Möglichkeiten zum Recyceln. Alles, was so im Laufe des Jahres an farbigen Bildern und Flächen entstanden ist, kann jetzt, wenn es sonst keine Verwendung mehr findet, sehr gut weiter verarbeitet werden, zu wunderschönen Weihnachtskarten zum Beispiel. Ausschnitte aus großen, vor allem abstrakten Wandbildern mit ausdrucksstarken Farbübergängen und interessanten Strukturen eignen sich besonders als poetische Stimmungsmotive. Man braucht dazu lediglich noch ein paar Weihnachtsbaum-Schablonen (am besten stark vereinfacht) und Sternmotivausstecher, eine Auswahl an bunten Kartenhintergründen, Schere, Kleber, und Faden. Egal ob Doppel-Klappkarten oder ganz einfache Postkarten, es geht meist schnell und sieht oft wunderbar aus. Wenn bei dem Material auch etwas mit Glitzer dabei war, wird´s ganz besonders schön feierlich. Dann glänzen nicht nur die Karten, sondern auch die Augen.
SCHNEEMANN STATT WEIHNACHTSMANN
Wer weltliche Motive bevorzugt, findet auch im Schneemann (oder im Tannenbaum oder mit einem Selbstportrait) eine nette Alternative. Ein paar sparsame Elemente dazu (Schneehorizont, blauer Himmel, Schneeflocken) ausgeschnitten oder gezeichnet und einfach das Hauptmotiv mittig und schräg mit Klebefalz aufgeklebt, schon hebt sich die Figur beim Aufklappen nach vorne. In zusammengeklapptem Zustand sollte sie aber nicht zu sehen sein (vorher das richtige Maß und den besten Klebepunkt dafür ausprobieren). Je schräger das Mittelmotiv eingeklebt wird, desto mehr kommt es beim Aufklappen nach vorne. Wer sich traut, kann auch noch die Nase in Pop-Up-Technik konstruieren. Ist nicht schwer und sieht gut aus.
WICHTELKEGELN
Alle Jahre wieder kommt die Vorweihnachtszeit mit all ihren liebgewonnenen aber auch mit den nervtötenden Ritualen. Muss man das alles immer wieder mitmachen? Oder kann man den gewohnten Abläufen auch mal etwas Neues entgegensetzen? Wie wäre es zum Beispiel mit einer witzigen, spielfreudigen und die Fantasie anregenden Aktion aus dem Themenkreis dieser besinnlichen Zeit aber mit einem deutlich erhöhten Spaßfaktor? Mein bewährter Vorschlag: Wichtelkegeln! Wir basteln manchmal eine Kegelbahn aus Wellpappe. Das Wichtigste aber sind die lustigen Figuren, die dann mit einer Glasmurmel munter umgekegelt werden.
MACHT HOCH DIE TÜR, DIE TOR MACHT WEIT
Denn je offener die Tür zur eigenen kreativen Gestaltung, desto weiter wird der Horizont des eigenen Erlebens. Und in dieser fantastischen Vielfalt spiegelt sich der unendlich wunderbare Reichtum menschlicher Möglichkeiten. Uns verbindet der Spaß beim Basteln und Spielen und uns bereichert das Staunen über die große Vielseitigkeit der verschiedenen Interpretationen derselben Aufgabenstellung. Was sich da auf den Kegelbahnen tummelt, ist voller Witz und eigenwilligem Stil. Und doch – wenn dann die Kugel rollt, sind sie alle gleich. Entweder sie fallen um oder nicht.
Diesen Artikel haben wir aus folgendem Buch entnommen:
Praxis und Philosophie. Fantasie und Selbstbewusstsein fördern. Kunst mit Kindern: mehr als malen und basteln! Kreativbuch für Schule, Hort, Workshops und Kunstwerkstatt
Die Beobachtung des Kindes als zentrale Aufgabe der Pädagogik
geschrieben von Redakteur | Februar 23, 2025
Worauf wir achten sollten, damit das Beobachten eines Kindes auch zu den richtigen Schlussfolgerungen führt
Karel Capek, ein tschechischer Schriftsteller, äußerte sich einmal wie folgt: ›Es ist unfassbar, wie schlecht die Menschen beobachten‹ und Daniel Mühlemann, ein Naturfotograf, kam zu der Erkenntnis: ›Der Beobachter bedarf klarer Sicht und eines scharfen Blickes‹.
Die Beobachtung des Kindes ist – über alles andere Bedeutsame hinweg – die zentrale Aufgabe der Pädagogik, die in ihrem Stellenwert nicht hochgenug eingeschätzt werden kann. Beobachtungen führen die Beobachtenden zu einer Erkenntnis, die zum Ausdruck bringt, was ein Kind für eine förderliche Entwicklungsunterstützung braucht, welche Bedingungen einen entwicklungsförderlichen oder auch entwicklungshinderlichen Einfluss auf das Kind haben, welche Kompetenzen auf Seiten der pädagogischen Fachkraft gefragt und gefordert sind, um eine körperliche, kognitive und psychosoziale Sättigung der kindlichen Grundbedürfnisse zu erreichen, welcher pädagogische Ansatz für die Kinder am geeignetsten ist, Entwicklungsprozesse zu unterstützen, welche Themenschwerpunkte angebracht sind, um kindorientierte Projekte mit Kindern zu planen und durchzuführen, welche Schwerpunkte in Elterngesprächen einen besonderen Stellenwert besitzen und welche eigenen Sichtweisen auf das Kind prozessförderlich oder vielleicht auch entwicklungshinderlich sind.
Beobachten ist gut, solange das Hauptaugenmerk auf ‚achten’ liegt. (Peter E. Schuhmacher, Aphorismensammler & Publizist)
Wir alle beobachten Vieles um uns herum
Doch ist es tatsächlich ein Beobachten oder eher nur ein kurzes, oberflächliches Wahrnehmen? Beobachtung ist ein zielgerichtetes, aufmerksames, von Ablenkungen befreites Hinschauen und Verweilen, um einen Erkenntnisgewinn zu bekommen. Dabei ist es notwendig, vorhandene, vorschnelle Annahmen (= Hypothesen) bei sich selbst zu entdecken, zu identifizieren und sich von diesen zu lösen, um weitestgehend wahrnehmungsoffen auf das zu schauen, was gerade passiert. Hier geht es nicht in erster Linie um ein Entdecken von so genannten Defiziten oder Schwächen, die ein kindliches Verhalten kennzeichnen, sondern vor allem um vorhandene Stärken, die jedes Kind sein Eigen nennen kann. Achtsamkeit spielt dabei eine ganz entscheidende Rolle.
Beachte dich stets aufmerksam in deinem Tun und halte hier nichts deiner Bewertung unwert. (Konfuzius)
Beobachtungen sind in erster Linie auf das Kind gerichtet
Beobachtungen sind im Feld der Pädagogikk in erster Linie auf das Kind gerichtet, auf sein Verhalten, seine Interessen, seine Sprache, sein Spiel, sein Umgang mit anderen Kindern und den Erwachsenen sowie den Materialien. Gleichzeitig erfordert eine Beobachtung auch immer eine Selbstbeobachtung – was lösen die beobachteten Merkmale in mir selbst aus, was fällt mir schwer, anzunehmen, was irritiert mich und welche direkten Zusammenhänge kann es geben, dass sich das Kind so verhält, wie es sich gerade ausdrückt. Kann es sein, dass sich das Kind zu einem anderen Tageszeitpunkt, bei einer anderen Kinderkonstellation, bei einer anderen pädagogischen Fachkraft ganz anders verhalten würde?
Das Verhalten eines Kindes hat stets mit seiner Vergangenheit, seinen Erlebnissen und Erfahrungen aber auch mit der gegenwärtigen Situation, den Rahmenbedingungen, dem derzeitigen Projekt/ Thema und seinem Bindungsverhalten zur pädagogischen Fachkraft zu tun. Damit ergibt sich ein Beobachtungsergebnis aus einer Fülle von Ereignissen und deren Vernetzungen! Kleinigkeiten, die wir in einer Beobachtungssituation vielleicht für unbedeutsam halten, können einen großen Einfluss auf das Beobachtungsergebnis haben und somit sind immer vielerlei Vernetzungen zu berücksichtigen.
Aber du weißt, wie ich im Anschau’n lebe; es sind mir tausend Lichter aufgegangen. (Johann Wolfgang von Goethe)
Auch wenn professionell geplante und strukturierte Beobachtungen durch eine Beobachtungsabsicht und eine damit verbundene Zielsetzung ausgelöst wurden, ist es notwendig, sich schon im Vorfeld von vorhandenen Annahmen zu lösen und soweit wie möglich zu verabschieden. Ansonsten steht das Beobachtungsergebnis schon vor der durchgeführten Beobachtung unausgesprochen fest. Vorurteile, starre Vorannahmen oder gar so genannte ‚beweisführende Bestätigungsbeobachtungen’ führen immer zu einer Wahrnehmungseinschränkung, bei der abweichende Beobachtungsmöglichkeiten übersehen bzw. als unwichtig angesehen werden. Erst eine wahrnehmungsoffene, eine von starren Mustern geprägte, losgelöste Beobachtung führt zu Erkenntnissen, die im anderen Fall gar nicht entstehen können. Und das bedarf einer immer wiederkehrenden Selbstaufforderung. Dadurch entstehen ›tausend Lichter‹, die zuvor Vieles im Dunkeln gehalten hätten.
Ein Mensch passt am besten auf sich auf, wenn ihn auch andere beobachten. (George Savile, 1.st Marques of Halifax, englischer Politiker & Schriftsteller)
Erstens ist [es] erforderlich, dass du nicht den Spiegel ansiehst, den Spiegel betrachtest, sondern dich selbst im Spiegel siehst. (Sören Kierkegaard, dänischer Philosoph, Schriftsteller & Theologe)
Beobachtende fällen mit ihren Beobachtungsergebnissen immer auch ein ›Urteil‹ über das Kind
Sei es, dass es um eine in Aussicht gestellte Bildungs-, Betreuungs- oder Erziehungsaufgabe geht oder um eine anstehende (Nicht)Einschulung, um bestimmte förderpädagogische Maßnahmen ins Auge zu fassen und zu planen oder um Erziehungsberechtigten einen umfassenden Überblick über (nicht) vorhandene Entwicklungsschritte zu geben. Um dabei eigenen Beobachtungsfehlern auf die Spur zu kommen, ist es immer hilfreich, sich selbst von Kolleg*innen beobachten zu lassen, um mit ihnen in einen anschließenden Erfahrungsaustauch zu treten. Solche Auswertungsgespräche fordern und fördern eine Selbstexploration (= eine selbstkritische Betrachtung der eigenen Person, deren Einstellungen, Werte, deren Normverständnis, deren Beobachtungskompetenz), die zu einem professionellen Berufsverständnis unwidersprochen dazugehört.
Zur Beobachtung ist Nähe, zum Denken Ferne erforderlich. (Elias Kalischer, deutscher Rabbiner und Schriftsteller)
Natürlich sind bei jeder Beobachtung auch Emotionen vorhanden
Wissenschaftliche Untersuchungen im Bereich der Wahrnehmungspsychologie (Schönhammer, R., 2013 & Goldstein, E. Bruce & Cacciamani, Laura, 2023) haben gezeigt, dass Wahrnehmungen stets mit folgeprovozierten Gefühlen verknüpft sind, so dass diese auch automatisch in Beobachtungen einfließen!
Sei es der Stress, der dadurch aufkommt, dass in der Beobachtungszeit die anderen Kinder ohne Begleitung sind, sei es die Freude, endlich die Zeit gefunden zu haben, eine entsprechende Beobachtung in das Alltagsgeschehen einbinden zu können, sei es der Ärger, sich auch noch dieser Aufgabe zuwenden zu müssen oder sei es die Angst, weil bestimmte Beobachtungsstrukturen vielleicht falsch geplant sein können. Vielleicht ist es aber auch die aufkommende Unruhe, wohlwissend, dass nach der Beobachtungssequenz noch ein ausführlicher Entwicklungsbericht angefertigt werden muss und in der Folge sogar ein Elterngespräch ansteht. So ist es einerseits erforderlich, dem Kind (aber nicht nur während der Beobachtung) eine wohlwollende Nähe zu schenken, andererseits aber bei der Verschriftlichung der Beobachtungen sowie der Beobachtungsergebnisse emotionale Bezüge zu minimieren, um eine fachlich-sachliche Wiedergabe zu gewährleisten.
Beobachten tut man von unten nach oben; umgekehrt heißt es Besichtigen. (Günther Schneiderath, niederrheinischer Dichter und Aphoristiker)
Beobachter*innen schauen oftmals, nicht zuletzt durch ihre Rolle als Erwachsene/r, durch ihr Wissen und durch die Aufgabenstellung selbst, auf das Kind (herab), ohne zu erkennen und sich der Situation bewusst zu sein, dass damit eine ›Machtposition‹ besteht, die dazu verleiten kann, erkenntnisbesetzt und schon im Vorfeld ‚besserwisserisch’ an die Beobachtungsaufgabe heranzugehen.
Doch stets sind folgende Ausgangssituationen zu beachten:
Beide Personen, das Kind und die erwachsene Person, sind Lernende!
Beide Personen haben ihre individuellen, besonderen Biographien bis zum Augenblick der Beobachtung hinter sich und sind durch vielfältige Erfahrungen, Erlebnisse und Eindrücke in einer bestimmten Denkrichtung geprägt.
Beide Personen besitzen bestimmte Formen, Richtungen und Ausprägungen der Sympathie sowie der Antipathie, die wiederum ihre Sicht- und Beurteilungsweisen geprägt haben. Entsprechend ist es notwendig – und hier sei eine Metapher (= ein Bildvergleich) erlaubt – ‚vom hohen Ross (eines vorhandenen Machtgefälles) herunterzusteigen’ und sich auf eine zum Kind gleichwertige Ebene zu begeben.
Zusammenfassung:
Überall, ob es sich dabei um die Institution Krippe, Kindergarten, Kindertagesstätte, Hort oder Familienzentrum handelt, sind elementarpädagogische Fachkräfte aufgefordert, Beobachtungen vorzunehmen, diese auszuwerten und für die praktische Tätigkeit zu nutzen.
Nur so ist es möglich,
den Bildungsrichtlinien aller 16 Bundesländer gerecht zu werden, da in allen Ausführungen der besondere Stellenwert von Beobachtungen herausgestellt wird;
dem Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungsauftrag, wie im Kinder- und Jugendhilfegesetz in allgemeinen Formulierungen benannt (damit verbunden ist vor allem die Förderung der Entwicklung von Kindern und Jugendlichen, die Unterstützung von Eltern, der Schutz vor Gewalt, die Unterstützung der Selbstständigkeit der Kinder, ein entwicklungsförderliches Beziehungsangebot, eine individuelle Unterstützung von Bildungsprozessen) gerecht zu werden,
die Aussagen der in der UN-Charta ‚Rechte des Kindes‘ aufgeführten Artikel zu berücksichtigen und in die praktische Arbeit in den Einrichtungen zur Realität werden zu lassen, z.B. (a) das Wohl des Kindes in allen Vorhaben zu berücksichtigen (Artikel 3), (b) Kindern ein aktives Mitspracherecht bei allen wichtigen Entscheidungen einzuräumen und zu berücksichtigen (Artikel 12), (c) Kinder vor rechtswidrigen Beeinträchtigungen gegenüber seiner Ehre und seines Rufes zu schützen (Artikel 16), (d) Kindern das Recht auf Freizeit, Erholung und Spiel zuzugestehen (Artikel 31). Hier dienen Beobachtungen ganz konkret dazu, mögliche Widersprüche zu den geforderten – und auch durch den Bundestag ratifizierten – Rechten zu entdecken und für eine Einhaltung der Rechte konsequent und offensiv zu sorgen. [Anmerkung: Diese UN-Kinderkonvention wurde am 26.01.1990 von der Bundesrepublik Deutschland unterzeichnet und am 17.02.1992 mit Zustimmung vom Bundestag und Bundesrat durch Gesetz verabschiedet. Am 06.03.1992 wurde die Ratifizierungsurkunde beim Generalsekretär der Vereinten Nationen hinterlegt und trat am 05.04.1992 für Deutschland in Kraft.]
den bedeutsamen Aussagen im ‚Berufsbild der Erzieherin’ nachzukommen. Dort heißt es unter anderem, dass sich Erzieherinnen (a),in erster Linie als Partner*innen der Kinder verstehen. Hier helfen Beobachtungen, diese Forderung zu überprüfen; (b),als Anwält*innen für Kinder überall dort einsetzen, wo kindeigene Bedürfnisse unberücksichtigt bleiben; (c),in ihrem Arbeitsverständnis, ihrer Kommunikations- und Umgangskultur kritisch hinterfragen, ob sie ihre Arbeit auf der Grundlage einer kritischen Auseinandersetzung sowohl mit den pädagogischen Traditionen als auch mit neuen, wissenschaftlichen Erkenntnissen und bildungspolitischen Strömungen gestalten, (d)der Entwicklungsunterstützung der Gesamtpersönlichkeit verpflichtet fühlen, was mit einer Teilleistungsförderung (z.B. durch teilisolierte Förderprogramme) unvereinbar ist.
alle bedeutsamen Erkenntnisse aus den Wissenschaftszweigen der Erziehungswissenschaft, der Pädagogischen Psychologie, der Entwicklungs- und Persönlichkeitspsychologie, der Bildungs- und Bindungsforschung sowie der Neurobiologie in die praktische Arbeit einfließen zu lassen, wenn es darum geht, was Kinder für eine förderliche Entwicklung brauchen. Diese Notwendigkeit lässt sich nur durch professionelle Beobachtungen ganz konkret erfassen.
dass Erzieher*innen sich der alltäglichen Herausforderung stellen, die aktuellen Kindheiten – also ihre konkreten Lebenssituationen der Kinder, die ihnen in der Einrichtung anvertraut wurden – zu konstatieren (= festzustellen), um die Gegenwart der Kinder zu sehen und zu verstehen, um dann aus durchgeführten Beobachtungen professionelle Handlungsvorhaben abzuleiten.
Diesen Artikel haben wir aus folgendem Buch entmommen:
Eigens für dieses Buch wurde die Website www.beobachten-und-dokumentieren.de eingerichtet, auf der sich die Formulare zum Download befinden. Das Buch richtet sich sowohl an Studierende der Sozial- und Heilpädagogik als auch an Erzieher*innen/Kindheitspädagog*innen, die schon im Beruf stehen.